Die Trommeln der Freiheit

Die Trommeln der Freiheit
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"Die Trommeln der Freiheit" erzählt von der tiefen Freundschaft zwischen einer jungen Frau und einem weltbekannten Schauspieler. Der Leser taucht in eine Welt aus Hoffnungslosigkeit, aber auch aus Vertrauen, Freundschaft und Liebe ein. Schicksalhafte Wendungen begleiten das Leben der jungen Catherine Roppert und ihren besten Freund, Connor Reilly, wobei sich die Frage stellt, wie viel Leid und Herausforderungen eine Freundschaft aushalten kann.

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Andrea Hubrich. Die Trommeln der Freiheit

Die Trommeln der Freiheit

Impressum

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„Regen, nichts als Regen. Ich wandle unter freiem Himmel, sehe kein Licht in der stockfinsteren Nacht. Die Straße liegt vor mir, über mir greifen die Äste der Bäume nach meinen Gedanken. Endlos scheint die Fahrbahn, und ich bin frei wie der laue Wind, der sanft mein Gesicht umspielt. Die Zeit fließt wie zäher Gummi dahin, vorbei an mir, wie das Haus auf der linken Seite meinem Blick entschwindet. Kein Licht schimmert hinter den Fenstern hervor, alles ist still. Ich höre nur das Rauschen von Abermillionen Wassertropfen, welche sich ihren Weg vom Himmel bahnen, auf das dichte Blätterdach der Bäume fallen und schließlich auf die Erde niederstürzen. Dazwischen bewege ich mich, werde getroffen, werde nass. Ich spüre es nicht. Mein Bett steht heute Nacht verlassen, denn ich denke nicht an Schlaf. Vor mir liegt die Landstraße wie ein schwarzes Band in der Dunkelheit, umsäumt und beschützt von Bäumen links und rechts. Ein pfeilschneller Schatten bewegt sich neben mir, und ich schrecke aus meinen Gedanken empor. Doch es war nur ein weit entfernter Blitz, der meinen ständigen Begleiter für einen Sekundenbruchteil auf den nassen Asphalt geworfen hat. Sonst umhüllt mich Stille, nichts als Stille, die kein Licht mir spendet, in der stockfinsteren Nacht.“

Der Mond leuchtete wie eine silberne Scheibe am Himmel und tauchte die schlafende Erde in ein geheimnisvolles Licht. Ein sanfter Wind strich durch die Bäume und Sträucher. Das Rauschen der Wipfel übertönte die allgegenwärtigen Geräusche des nächtlichen Waldes im Süden der Stadt Little Rock in Arkansas. Von einer Siedlung her drang das Bellen eines Hundes durch die klare Luft und vermischte sich mit dem Rascheln von bunten und abgestorbenen Blättern auf der Erde. Der Sommer ging zu Ende, und der herannahende Herbst schickte seit ein paar Wochen schon seine Vorboten ins Land. Aus einer nahegelegenen Flussniederung stieg Bodennebel empor. Er hüllte das kleine, verwitterte Ziegelhäuschen am Rande eines stillgelegten Bahndamms ein. Die alte Hütte trotzte seit unzähligen Jahren den unberechenbaren Gewalten der Natur. Obwohl das helle Licht des Mondes direkt durch ein schmutziges, von feinen Spinnweben benetztes Fenster schien, brannten Dutzende von Teelichtern in der aus einem einzigen Raum bestehenden Kate und verdrängten die dunklen Schatten der Finsternis. Die kleinen Lichter standen überall, auf dem maroden Dielenfußboden, dem schiefen Tisch und einem ebenfalls grob gezimmerten Schemel, welcher eher einer etwas zu groß geratenen Fußbank, als einem Stuhl glich. Der Schlafplatz verdiente in keiner Weise die Bezeichnung Bett. Da in dem Häuschen schon seit Jahrzehnten niemand mehr wohnte, stand die spartanische, von unzähligen Holzwürmern zerfressene Einrichtung noch immer so an ihrem Platz, wie sie einst zurückgelassen wurde. An der hinteren Seite der Behausung, dort, wo es kein Fenster gab, lagen insgesamt acht uralte, staubige Strohballen in einer Zweierreihe nebeneinander geschichtet. Über dem improvisierten Schlafplatz lag eine ausgebreitete Plüschdecke, auf der ein junges Pärchen in enger, vertrauter Umarmung ruhte. Der eigentliche Zauber der Nacht war erloschen, doch die beiden lagen stumm nebeneinander und genossen die Erinnerungen an ihr gemeinsames Wiedersehen. Keiner der beiden traute sich, die Magie des Augenblicks durch Worte zu zerstören, denn viel zu selten war es ihnen vergönnt, sich ungestört und ohne zeitlichen Druck ihren Gefühlen zueinander hinzugeben. Der junge Mann lag an der weiß getünchten Wand und umklammerte das Mädchen in beinahe verzweifelter Ohnmacht. Er suchte die Hand seiner Geliebten. Als er sie fand, hielt er sie fest umklammert. Das junge Paar war beinahe nackt. Nur eine weitere Decke schützte es vor der Kühle der Septembernacht. „Ich frage mich seit Wochen, wie es mit uns weitergehen soll“, rief das zierliche Mädchen und löste sich nun sanft, aber bestimmt, aus den starken Armen ihres Freundes. Sie spürte, dass die Nacht vorbei war, sobald sie diese Worte ausgesprochen hatte, ebenso wie sie wusste, dass dieses Thema wie ein Damoklesschwert über ihre Verbindung schwebte. Dennoch wollte sie klare Verhältnisse, und so richtete sie sich auf, zog sich die Decke über ihre Brust und sah ihren Liebhaber in die Augen. „Ich möchte bei dir bleiben, Hank“, fuhr sie mit gedämpfter Stimme fort, als er seine Hände hinter dem Kopf verschränkte, schweigend die nach Holz und muffigem Stroh riechende Luft einatmete und zum spitz zulaufenden Dach des morschen Ziegelbaus hinaufblickte. „Ich liebe dich, seit wir uns vor zwei Jahren zum ersten Mal begegnet sind! Ich will dich nicht immer wieder neu entdecken müssen, nur, weil wir uns manchmal monatelang nicht sehen!“ „Du weißt, dass es nicht geht“, erwiderte Hank ein wenig schroff. „Wir haben doch schon tausend Mal darüber gesprochen!“ „Aber deine Begründungen kann ich nicht akzeptieren! Warum trennst du dich nicht endgültig von ihr? Wir könnten ganz neu anfangen! Lass und ein Haus kaufen, irgendwo dort, wo uns keiner kennt! Nur du und ich! Nur wir beide!“ Nun richtete sich auch Hank auf. Er strich dem Mädchen eine dunkle Haarsträhne hinter das Ohr und küsste sie sanft auf den rechten Oberarm. „Wir haben kein Geld“, erwiderte er. „Ich kann geradeso die Miete für unsere Wohnung in Chicago bezahlen! Liz kümmert sich um die Kinder, und kleine Mädchen kosten nun mal eine Menge Geld!“ In Pipers Augen blitzte es wütend auf. „Natürlich kosten sie Geld“, zischte sie verächtlich. „Geld, das ganz allein du verdienst, während dein Püppchen viel lieber um die Häuser zieht und jede Woche eine andere Macke heraushängen lässt! Auf welchem Trip ist sie denn diesmal, Hank? Ein neuer Club in der Stadt? Ein neuer Busen? Ein anderes Make-up? Das Fitnessstudio? Elisabeth sollte sich lieber um einen anständigen Job kümmern, anstatt deine Kohle für Dinge zu verpulvern, von denen du überhaupt nichts hast!” Piper redete sich richtig in Stimmung. Sie stand auf, verhüllte ihre Blöße mit der Decke und ließ Hank, der nur mit Boxershorts bekleidet war, auf dem Lager zurück. Die junge Frau balancierte barfuß zwischen den Teelichtern und achtete darauf, dass kein Zipfel der Decke mit den kleinen Flämmchen in Berührung kam. Sie suchte nach ihren Kleidern, die in einem wilden Knäuel auf dem morschen Bretterfußboden verstreut lagen, und begann, sich hastig anzuziehen. „Du gehst rund um die Uhr schuften und kommst trotzdem einfach nicht mehr über die Runden! Wohlgemerkt hast du keine Ahnung, wie lange du deine Stelle im Supermarkt noch haben wirst, weil der Discounter vor etwas mehr als drei Wochen haarscharf an einer Pleite vorbei gerasselt ist und drastische Stellenkürzungen vorgesehen sind! Du regst dich pausenlos über deine derzeitige Lebenssituation auf, bist mit der Erziehung der Kinder nicht einverstanden und ziehst viel lieber allein von Party zu Party, anstatt irgendetwas an eurer Beziehung zu retten, was noch zu retten ist! Hab ich was vergessen? Oh ja, natürlich! Wie konnte ich nur? Weil du doch ein so überaus rücksichtsvoller Mensch bist, willst du meiner späteren Karriere in Vancouver keinesfalls im Wege stehen! Weißt du, als du noch mit deinem 40-Tonner unterwegs gewesen bist, warst du ein anderer Mensch, Hank! Du hast dich verändert, aber damit tust du niemanden einen Gefallen! Am Allerwenigsten dir selbst!“ Piper hatte sich fertig angezogen. Sie schlüpfte gerade in ihre Turnschuhe und band sich das lange Haar zu einem einfachen Zopf zusammen, als nun auch ihr Liebhaber aufstand und seine Sachen aufsammelte. Er fühlte sich in seiner Ehre als gestandener Mann gekränkt und baute sich vor dem Mädchen auf. Obwohl er Piper lange genug kannte und sehr schnell von ihrer impulsiven Art in den Bann gezogen wurde, kam er nicht umhin, ihre Argumente mit großer Überzeugung zu widerlegen: „Du stellst dir immer noch alles so einfach vor, Speedy! Du bist einundzwanzig Jahre alt, ich bin sieben Jahre älter! Die alte Mrs. Wayans ist wie eine Mutter zu dir, nur leider besitzt sie nicht die gleiche Meinung über mich! Ich kann dir mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass sie dich nicht im Entferntesten mit mir fortgehen lassen würde! Würden meine Eltern von unserer Sache Wind bekommen, dann sähe es auch nicht besser aus! Sie sind einfache Farmer, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben und noch sehr an den alten Traditionen hängen! Hast du vergessen, wie Mrs. Wayans Mann mit einer Schrotflinte auf mich losgegangen ist, als wir zwei uns zufällig auf der Straße vor eurem Haus begegnet sind? Also, ich nicht! Verzeihe mir meine Offenheit, aber ich bin nicht gerade traurig darüber, dass der senile Opa im Frühjahr ins Gras gebissen hat! Dein großes Ziel ist ein Job in den Studios von Vancouver? Ja, glaubst du denn ernsthaft, so eine Stelle fällt dir einfach vor die Füße? Du wirst hart an deinem Traumberuf arbeiten müssen, und ich will nicht, dass ich in dieser Zeit womöglich die zweite Geige in deinem Leben spielen muss, weil sich alles nur noch um das Thema Filmstudium dreht! Du sagst, du hast kaum Erspartes, und ich verdiene auch nicht die Welt, wie du weißt!“ „Ja, Hank! Aber du würdest anders dastehen, wenn du deinen Arsch in den Wind gehalten und dich nach einem Fahrerjob im Nahverkehr umgesehen hättest! Leider hast du diesbezüglich jämmerlich versagt! Ich kann sehr gut nachvollziehen, warum dein Boss rechtzeitig die Reißleine gezogen hat! Du konntest nicht genug bekommen und wurdest vor die Tür gesetzt, damit er sich dieses verrückte Pokerspiel nicht noch länger mit ansehen musste! Nur mal so nebenbei: An seiner Stelle hätte ich dich auch rausgeworfen!“ Hank und Piper bliesen die Teelichter aus. Alle, bis auf drei Flammen waren erloschen, als Piper entschieden ruhiger und sachlicher fragte: „Und? Wie lange beehrst du deine alten Leute diesmal?“ Hank zuckte mit den Schultern. „Ich habe zwei Wochen Urlaub“, sprach er. „In zwei Tagen muss mein Auto in die Werkstatt. Die Ölwanne ist kaputt. Wir werden sehen, wie es weitergeht.“ Hank blies die restlichen drei Lichter aus und folgte Piper in die klare Nachtluft hinaus. Er sah die bittere Verzweiflung nicht, die ihr zartes, blasses Gesicht bedeckte.

.....

Es dauerte eine weitere, unendlich lange Stunde, bis sich die Tür zum OP-Bereich öffnete. Eine große, schlanke Chirurgin trat heraus und strich sich die Stoffmütze vom Kopf. Sie entfernte den Mundschutz vom Gesicht und atmete tief ein. Eingetrocknete, große Blutflecken auf nahezu der gesamten Vorderseite des blauen Kittels verrieten Connor, dass es sich bei der Ärztin um ein Mitglied jenes Teams handelte, dessen Mediziner die eingelieferte Miss Buchanon nach allen Regeln der Heilkunst zusammengeflickt hatten. Der ernste Gesichtsausdruck ließ Reillys Hoffnungen auf gute Nachrichten rapide sinken. Er stand auf und begrüßte die Ärztin mit belegter Stimme: „Ich bin Connor Reilly! Wie geht es Miss Buchanon?“ „Guten Tag! Mein Name ist Dr. Miranda Finn! Sind Sie mit der Patientin verwandt?“ „Nein, das bin ich nicht! Aber ich habe sie gefunden, und ich glaube, ich bin im Moment so ziemlich der Einzige, den sie jetzt noch hat! Ich weiß, es klingt verrückt, aber ...!“ Die Chirurgin musterte Connor tiefgründig aus ihren grauen Augen. „Sie haben Recht“, räumte sie trocken ein. „Es klingt verrückt!“ „Sie brauchen sich keine Mühe zu geben“, platzte es aus Connor hervor. „Ich bin mit Ihren Vorschriften sehr gut vertraut! Ein Freund von mir leitet eine Klinik in Österreich! Außerdem kenne ich Miss Buchanon seit über zehn Jahren besser, als jeder andere Mensch auf diesem Planeten, Dr. Finn! Ich werde hier stehen bleiben und verlange von Ihnen, dass Sie mich über ihren Zustand aufklären! Sie würden mir glauben, wenn ich Ihnen einen anderen Namen nenne und Sie Nachforschungen anstellen würden!“ Dr. Finn stand nach einem harten Tag absolut nicht der Sinn nach einer Diskussion. Sie nahm Reillys Aussage verärgert zur Kenntnis, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sich tatsächlich kein weiterer Verwandter, sondern nur dieser aufgebrachte Bekannte im Wartebereich befand. „Nun, ich glaube nicht an Wunder oder Schutzengel, Mr. Reilly“, begann sie. „Aber ich bin der Meinung, dass Miss Buchanon eine ganze Heerschar von unglaublich aktiven Beschützern zur Seite gestanden haben muss. Sie kam mit zahlreichen Prellungen, Quetschungen und einer Gehirnerschütterung davon. Das rechte Handgelenk ist angebrochen, auch ergaben Röntgenaufnahmen zwei gebrochene Rippen und ebenso viele verschobene Halswirbel. Wir mussten ihren Magen auspumpen und einige tiefe Schnittwunden an beiden Unterarmen nähen. Es gibt jedoch keine Hinweise auf Verletzungen der inneren Organe, und der Kreislauf konnte weitestgehend stabilisiert werden. Ich würde sagen, dass sie sehr großes Glück hatte!“ In Connor flammte heftiger Groll auf. „Glück nennen Sie das?“, rief er erzürnt. „Es reicht wohl noch nicht, dass sie aussieht, wie durch einen Fleischwolf gedreht! Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was sie durchgemacht haben muss?“ „Mr. Reilly! Ich muss doch sehr bitten“, entgegnete Dr. Finn nicht weniger streng. „Sie sollten bedenken, dass die Menge der Tabletten und der Alkohol in Verbindung mit dem injizierten Heroin – was übrigens ganz beachtlich hoch dosiert war – ausgereicht hätte, um einen ausgewachsenen Elefanten schachmatt zu setzen! Sie können wirklich froh sein, dass ihre Bekannte überhaupt mit dem Leben davongekommen ist! Das ärztliche Gutachten liest sich wie ein erstklassiges, medizinisches Lehrbuch! Ich hoffe inständig, dass derjenige, der für Miss Buchanons Wunden verantwortlich ist, nach seiner Verurteilung nie wieder freikommt! Sollte dies dennoch der Fall sein, sollten mein Team und ich davon nichts erfahren! Wir Ärzte stehen mit den besten Anwälten unseres Landes in Verbindung!“ Die Augen der Chirurgin funkelten ihn böse an. Plötzlich kam die Wucht der gesamten Tragweite der Geschehnisse in den letzten vier, fünf Stunden zurück. Die Einsicht, dass entsetzliche Dinge mit der jungen Frau geschehen waren, traf Connor so unerwartet und vor allem dermaßen mit Nachdruck, dass er sich auf seinen Stuhl zurücksetzen musste. Er stützte seine starken Arme auf den Oberschenkeln ab, sah auf seine ineinander geschlungenen Hände und schüttelte mit dem Kopf. „Wann ... wann wird man sie entlassen können?“, fragte Connor und lenkte seinen Blick auf das schmale, von Erschöpfung gezeichnete Gesicht von Dr. Finn. Ihm fiel auf, dass sie unter Augenringen litt. Irgendwie schien dies ein Markenzeichen von Ärzten zu sein. Sie dämpfte die Lautstärke ihrer Stimme, als sie an Connor herantrat und in die Hocke ging, um sich mit ihm in einer Augenhöhe zu befinden. „ Das kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, Sir. Doch es gibt noch etwas, was Sie wissen sollten“, entgegnete sie und fügte hinzu, ohne den Besucher zu Wort kommen zu lassen: „Wir können uns nicht sicher sein, solange sich Miss Buchanon noch im Koma befindet, doch es besteht die Gefahr einer zeitlich begrenzten Amnesie!“ Connors Kinnlade klappte herunter. Er sah die Chirurgin abschätzig und wütend zugleich an. „Und Sie erzählen mir allen Ernstes etwas von Glück?“, entfuhr es ihm aufgebracht. „Sie erzählen mir in aller Seelenruhe, dass sie als ein völlig anderer Mensch aufwachen könnte, und fühlen sich womöglich auch noch wohl dabei? Hören Sie, sollte es Ihnen nicht gelingen, Miss Buchanon völlig und ausnahmslos heilen zu können, dann Gnade Ihnen Gott! Ich muss Sie nicht über Ihre Pflichten als Medizinerin aufklären, Dr. Finn! Sie brauchen mir auch nicht erst mit irgendwelchen Ausflüchten zu kommen! Das Einzige, was ich von Ihnen verlange, ist die Wiederherstellung ihres alten Gesundheitszustands!“ Wider jeglichen Erwartungen blieb Dr. Finn die Ruhe in Person. Connor tippte auf ihre Berufserfahrung und die unglaubliche Begabung, sich in unzähligen Dienstjahren ein exzellentes Pokerface antrainiert zu haben. Jedenfalls antwortete sie mit klarer, verständlicher Stimme, die frei von jeglicher Gereiztheit war: „Sie wird wieder gesund, Mr. Reilly, auch wenn es eine Zeit lang dauern wird! Ich sprach von der Möglichkeit eines zeitlich begrenzten Gedächtnisverlustes! Es ist also noch nicht einmal sicher, ob Miss Buchanon überhaupt damit Probleme bekommen wird!“ „Und falls doch? Wie lange kann so was dauern?“ „Nun, die Gehirnerschütterung ist ziemlich heftig. Ich schätze, sie ist infolge eines Sturzes entstanden, womöglich aus großer Höhe, einer Treppe, zum Beispiel. Dafür würden neben den ausgerenkten Halswirbeln auch zahlreiche Hämatome und Prellungen sprechen, die nicht von den Schlägen ihres Peinigers herrühren können. Sollten sich unsere Befürchtungen bewahrheiten, dann kann es durchaus schon zwei bis drei Wochen dauern, bis sich der Nebel um Miss Buchanons Erinnerungen lichtet. Es besteht jedoch kein Grund zur Sorge, denn bleibende Schäden, davon gehen wir zum momentanen Zeitpunkt aus, sind nicht zu erwarten!“ Connor stieß ein missfälliges Zischen aus und rief: „Gibt es eine hundertprozentige Garantie?“ „Nein, Sir, aber Sie sollten sich nicht mit ungelegten Eiern befassen! Viel wichtiger ist, dass Sie sich um Miss Buchanon kümmern! Sie braucht jeden Beistand, den sie bekommen kann, denn ich bin der Auffassung, dass es gerade in den ersten beiden Monaten ausschlaggebend für den seelischen Heilungsprozess ist, wenn sie moralische Unterstützung bekommt!“ Connor stand wieder auf und begann, wie ein nervöser Tiger in seinem Käfig, auf dem Flur hin- und herzulaufen. Er versteckte seine kalten, schweißnassen Hände in den Taschen seiner Lederhose und ballte sie so fest zu Fäusten zusammen, dass es schmerzte. „Wie soll ich ihr moralische Unterstützung bieten, wenn ich selbst nicht weiß, wie ich mit ihrem Missbrauch umgehen soll?“, fragte er tonlos und sah Dr. Finn deprimiert an. Sie hatte sich gleichfalls erhoben, stand jedoch noch immer vor den Stühlen auf der linken Seite des Flures. „Eine Vergewaltigung ist sowohl für die Opfer, als auch für deren Angehörige und Freunde eine schlimme Erfahrung, Mr. Reilly! Sie selbst müssen stark sein, um mit der seelischen Belastung fertig zu werden! Nur so können Sie Miss Buchanon helfen! Sie müssen zu ihr halten, ganz gleich, wie schwierig Ihnen diese Aufgabe auch erscheinen mag! Vielleicht kennen Sie jemanden, der Ihnen in diesem Vorhaben beisteht, wenn möglich, eine weibliche Person, die Miss Buchanon schon kennt! Weiterhin stehen Ihnen in jeder Klinik, das Blacksburg Memorial mit eingeschlossen, Seelsorger und Psychologen zur Verfügung, auf deren Unterstützung Sie sich verlassen können!“ Connor sprach noch eine weitere Viertelstunde mit der Ärztin. Je länger er ihr zuhörte und je mehr er dadurch über die Folgen von Missbrauch erfuhr, desto bekümmerter wurde er. Er bezweifelte, dass er die Aufgabe des seelischen Beistandes bewältigen konnte, denn er dachte in Bezug auf Halt und Unterstützung unweigerlich an früher. Die Erinnerungen an die Vergangenheit ließen ihn frösteln und zittern. Connor glaubte beinahe, diese eine Lücke von knapp sechs Jahren würde gar nicht mehr existieren. Wie sehr er sich diesbezüglich täuschen sollte, konnte er nicht ahnen, doch er befand sich auf dem besten Wege, es herauszufinden.

Connor wurde im Beisein einer Krankenschwester ein Besuch von fünf Minuten gestattet. Miss Piper Buchanon lag auf der Intensivstation, wurde künstlich beatmet und von zahlreichen, piepsenden Maschinen überwacht. Überall waren Schläuche, und es gab nur sehr wenige Hautstellen, die nicht von Verbänden, Kanülen oder Pflastern verdeckt wurden. Doch für Connor gab es keinen Zweifel mehr. Er erkannte sie wieder. Alles, was er sah, wies ihn auf damals hin. Er hielt den Anblick der tief Bewusstlosen nur wenige Sekunden aus, bevor er krampfhaft versuchte, bloß nicht durchzudrehen. Es war alles zu viel für ihn gewesen. Connor fragte sich mittlerweile schon ernsthaft, worüber er wütender war. Darüber, was man Piper angetan hatte? Dass ihn seine von langer Hand geplante Route ausgerechnet mitten durch die Pampa von Virginia führen musste? Oder war das Furchtbarste von allem nicht doch die Kleinigkeit, dass auf dem Bett vor ihm gar nicht wirklich Piper Buchanon lag, deren Herzschlag er durch eine Maschine hören konnte und welche für die nächsten Tage nach ihrem Aufwachen wahrscheinlich auch derselben Meinung sein würde, wie er? Wäre er sich nicht dem bitteren Ernst der Lage bewusst gewesen, so wäre Connor Reilly augenblicklich in lautes, übergeschnapptes Gelächter ausgebrochen. Er wollte das komatöse Geschöpf anschnauzen, ihr sagen, wie einfallslos sie sich doch verhalten hatte, als sie den Namen Piper Soundso angenommen hatte! Er wollte toben und grölen, bis er nicht mehr Herr seiner Sinne wurde, doch alles, was er zustande brachte, war fassungsloses Kopfschütteln und Tränen der Wut, die sich langsam in seinen Augen füllten. Mit enormer Mühe konnte er sie jedoch zurückhalten, denn die Krankenschwester, eine junge, unerfahrene Frau in der Ausbildung, hätte ihn gewiss nicht verstanden. Sie würde Connors Gemütsverfassung einfach nicht nachvollziehen können. Er zweifelte ja selbst an seinem Verstand, denn es erschien ihm noch niemals so deutlich wie in diesen Sekunden, dass es Mächte und Gewalten im Universum geben musste, die Connor und dieses jämmerliche Häufchen Leben vor ihm auch über Jahre und Tausende von Meilen hinweg nicht voneinander trennen wollten. Es war wie verhext, doch er musste sich wohl doch langsam eingestehen, dass die gegenwärtige Sachlage der bedingungslosen Realität entsprach. Schluss, Ende und Aus. Oh Reilly! In welche Scheiße hast du dich bloß wieder reingeritten? Er erhielt keine Antwort. Wozu denn auch? Demnach, was er heute mit eigenen Augen sehen musste, befand sich Connor inmitten eines wahr gewordenen Albtraums. Bedauerlicherweise zählte das Geben einer Erklärung nicht gerade zu dessen guten Eigenschaften. Wirklich schade!

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