Fridolins heimliche Ehe

Fridolins heimliche Ehe
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Adolf von Wilbrandt. Fridolins heimliche Ehe

Erstes Buch

I

II

III

IV

V

Zweites Buch

I

II

III

IV

V

VI

Drittes Buch

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

Отрывок из книги

Bester aller Leser, ich führe dich in ein Haus in Berlin, in der jetzigen Königgrätzer Straße, die zu jener Zeit noch Hirschelstraße hieß; über den Hof, in den dritten Stock; in ein Zimmer, das dir ohne meine Hilfe selber sagt, wes Geistes Kind darin wohnt. Wenn vier Wände voll Kupferstiche und Photographien nach den berühmtesten Gemälden der Welt, wenn einige Dutzend Gipsabgüsse nach der Antike, wenn Reliefs, Statuetten, Bildermappen, Schnitzwerke, künstlerische Geräte jeder Art, jedem Quadratzoll freien Raumes aufgenötigt, wenn die Unmöglichkeit, sich zwischen diesen tausend schönheitsfrohen Hindernissen gefahrlos hindurchzuwinden – wenn dies alles das Dasein eines Kunstfreundes verkündigen kann, so bist du dessen hier nach dem ersten Blick gewiß. Als ein Mensch von Geist – für den ich dich halte – siehst du nach dem zweiten Blick, daß dieser Kunstfreund eine auffallende Vorliebe für Rafaels frühere Madonnen und zugleich für Rembrandtsche Radierungen hat; und du erlaubst dir daraus zu schließen, daß vermutlich zwei Seelen in seiner Brust wohnen, von denen die eine nach der zarten Grazie des Südens, die andere nach dem derben Humor des Nordens zeigt. Trittst du alsdann auf den Balkon, der sehr liebe- und sinnvoll in einen kleinen Garten verwandelt ist, doch aus dessen Nachbarschaft alle Spätzchen und Tauben, sobald nur der Thürgriff sich regt, in wahrer Todesangst aufflattern, so sagst du dir nach diesem dritten Blick, daß die hier wohnende Doppelseele die Blumen zu lieben und die Vögel zu hassen scheint. Das Bild eines sonderbaren Menschen fängt sich dir zu gestalten an; und nach dem vierten Blick – auf den Gaskronleuchter, an dem schon jetzt, im hellen Zwielicht, alle Flammen brennen, und auf die Kerzen in allen Ecken umher – fügst du die Bemerkung hinzu, daß du offenbar zu einem leidenschaftlichen Lichtfreund gekommen bist. Wie liebebedürftig dieser Lichtfreund ist, erkennt dein fünfter Blick auf ein langes Gesims, auf dem – die künstlerische Anordnung dieser Wand mit unästhetischer Sentimentalität unterbrechend – eine lange Reihe kleiner Photographien in stillosen Rähmchen Front macht: würdige, aber unbedeutende Kreise und Greisinnen in Kleidern von verschollenem Schnitt; eben ins Weinen übergehende Mundwinkel von mißvergnügten Kindern, mit unendlich glücklichen und unschönen Müttern; ein paar reizende, behagliche Frauenköpfe in Häubchen (vermutlich, denkst du, hat er sie geliebt, und sie haben andere geheiratet) und endlich einige Gruppen junger Männer mit kühn geschlungenen Krawatten und, sozusagen, begeistertem Haarwuchs, und nicht ohne widmende Unterschriften: »Ihrem teuren Meister«, »Ihrem Fridolin«. Wer ist dieser Fridolin? Dein sechster Blick auf einen großen Kalender an der Thür scheint es dir zu verraten. In abwechselnden Farben, blau, rot und gelb, siehst du hier die Wochentage angezeichnet oder unterstrichen; die Sonntage sind frei. Zuweilen steht neben dem heiligen Blasius, oder der ehrenwerten Veronika, oder der frommen Agatha, mit kleinster Gelehrtenschrift geschrieben: Vier bis Fünf, oder: halb Sechs. Du hast keinen Zweifel mehr. Du stellst bei dir fest, daß dieser derb-zarte Kunstmensch, der die Ordnung, die Spielereien, die Menschen, das Licht und die Blumen liebt und die Vögel haßt, ein angestellter Lehrer der Kunst ist, den zärtliche, tändelnde Jünglinge Fridolin nennen, der seinen Liebhabereien und Idealen lebt, und dem sich zu nähern – wenn man kein Sperling ist – wohl seinen Reiz haben möchte.

Und so hast du dir einzig durch die Kraft deines Scharfsinns ein nicht mehr undeutliches Bild dieses Menschen gemacht, und mir die Anstrengung erspart, durch die der Erzähler dem Leser oft so furchtbar wird: dich durch eine langwierige und umständliche Aufklärung zu verwirren.

.....

»Im Schutz Apollos!« rief Fridolin dazwischen, den Zeigefinger auf den Apollo von Belvedere gerichtet, der, in der Ecke auf eine Säule gestellt, über dem Bett emporragte.

»Es war schon vordem immer nur die Frage, ob man in deinen Zimmern sich selbst, oder irgend einer Gipsfigur den Hals brechen werde; jetzt ist es mir rein unbegreiflich, daß wir nicht jeden Morgen und jeden Abend einen Schwerverwundeten hinaustragen. Und für was opferst du dich auf? Weil du mich ›retten‹ wolltest, wie du sagtest; weil du mich aus meinem verödeten kleinen Nest in andere Luft bringen wolltest; weil du mich zerstreuen und erheitern wolltest. Du wirst mich nicht retten, Fridolin. Ich bin noch jung, sagst du. Aber du wirst mich nicht zerstreuen und erheitern. Du wirst sehen, daß du mich weder zerstreuen, noch erheitern kannst; denn mir ist nicht zu helfen.«

.....

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