Im Schatten der Corona
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Jupp sagte, der manchmal wie ein Poet daherreden konnte: «Schon ewig bin ich in keinem Wald mehr gewesen. Die Luft ist zwar kühl und gut hier, aber unheimlich düster ist es auch, nicht wahr, düster und still wie in einem gotischen Dom. Dieser Vergleich hinkt nicht, denn mir wird plötzlich ganz anders zumute, so unheimlich ernst und feierlich, dass ich die Hände falten möchte und beten zu unserem Schöpfer, was ich lange nicht getan. Ich denke, die Bäume sind edler als wir Menschen und haben uns an Edelmut viel voraus, ja, sie sind über uns erhaben. Darum müssen wir auf sie aufschauen, denn sie sind größer wie wir. Sie sind Riesen gegenüber uns. Und schweigen sie nicht wie die Götter? Gehen wir ruhig noch etwas weiter, Adam, wir müssen Zeit herausschinden, bis unser Alkoholspiegel gesunken ist, dies kann lange dauern.»
Die Autorin Agnes Oischinger Schuster stammt aus dem Bayerischem Wald machte die Fachhochschulreife, brach ihr Studium für Innarchitektur ab und arbeitete als Krankenschwester in München. Sie war verheiratet und hat zwei Kinder. Sie malt und veröffentlichte einige Bücher.
Отрывок из книги
Als Elli Kappel morgens aus dem Schlaf fuhr, wusste sie plötzlich, was die Stunde geschlagen hat. Ich muss meinen bösen Mann verlassen, ehe es zu spät ist, dachte sie. Ach, hätte ich bloß schon eine Leidensgenossin gefunden, die vom gleichen Schicksal betroffen, sich auch vom widerwärtigen Mann trennen will! Dann könnten wir gemeinsam gegen unsere Unbill kämpfen, was besser ist als im Alleingang.
Ihr Ehemann, Jupp Kappel, ein 60-jähriger, großer, beleibter Mann mit Spitzbart und angegrautem Haar, arbeitete als Aushilfsdozent an der Universität. Am Ende des Wintersemesters 2020, als die Semesterferien gerade begannen, ging er sofort auf Reisen, ohne seine Frau zu informieren, außer dass sie ihm auf Befehl seinen großen Koffer packen musste. Er teilte ihr seit Jahren nichts von Bedeutung mehr mit. War er fort, lebte sie wieder auf. Dann kehrte im Hause Kappel wenigstens eine Zeitlang wieder Ruhe und Frieden ein, wo sie sich vom Ehestress erholen und konzentrierter als sonst in ihrer beruflichen Arbeit als Übersetzerin fortfahren konnte. Ihre Liebe zu ihrem Mann hatte sich erledigt. Hass war an deren Stelle getreten. Aber warum hatte sie das Haus Kappel noch immer nicht verlassen? Dies verstand sie selber nicht.
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Niemand hörte sie, keiner kam, sie wartete und wiederholte nochmals: „Hallo! Hallo!“ Wieder blieben ihre Rufe ungehört.
Sie dachte: Ich werde noch auf die Pritsche pinkeln, ganz bestimmt. Um dies zu verhindern, schrie sie nach einer Pause nochmals, es half jedoch nichts. Endlich öffnete sich die Türe und die Pflegefachkraft half ihr jetzt, sich auf den Klostuhl zu setzen. Sie war todfroh darüber. „Ich rief schon öfters nach Ihnen!“, klagte Frau Kappel, „ich musste dringend zur Toilette!“
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