Der Kolonisator und der Kolonisierte

Der Kolonisator und der Kolonisierte
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Описание книги

Die Kolonien sind inzwischen weit¬gehend abgeschafft, aber haben sich damit auch das Kolonialverhältnis und der allgegenwärtige Rassismus aufgelöst? Nicht nur die jüngsten Debatten über Postkolonialismus, um die Thesen des Philosophen Achille Mbembe oder über das Konzept des Humboldtforums im Berliner Schloss zeigen, dass dieses Trauma auch nach der Erringung der politischen Unabhängigkeit auf vielen Ländern der Dritten Welt noch lastet und ein rassistisch oder kolonialistisch gefärbter Überlegenheitsdünkel nach wie vor in erschreckendem Maße die Haltung ist, die die Erste Welt gegenüber den Menschen und Gesellschaften in den früheren Kolonien einnimmt. Auf hohem literarischen Niveau und mit einem unbestechlichen, präzisen Blick für die Realität seiner Gesellschaft zeichnete der in Tunesien als Jude geborene Albert Memmi erstmals in den 1950er Jahren mit seinen beiden Porträts, einem Grundtext der antikolonialen Opposition. Auch wenn heute diese Studie gewiss anders als in der Phase des Zerfalls der großen Kolonialimperien zu lesen ist, zeigt Adam Shatz in dem angefügten und kürzlich in der London Book Review erschienenen Nachwort, dass sie nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.

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Albert Memmi. Der Kolonisator und der Kolonisierte

Inhalt

Jean-Paul Sartre. Vorwort

Vorwort des Autors zur französischen Ausgabe von 1966

1. Gibt es den Kolonialisten? Der Sinn des Aufbruchs in die Kolonien

Der Eingeborene und der Privilegierte

Der Usurpator

Der kleine Kolonisator

Andere Mystifizierte der Kolonisation

Vom Koloniebewohner zum Kolonisator

2. Der Kolonisator, der sich verneint. Der wohlmeinende Kolonisator…

… und seine Schwierigkeiten

Die Politik und der wohlmeinende Kolonisator

Der Nationalismus und die Linke

Der Überläufer

Die Unmöglichkeit des linken Kolonisators

3. Der Kolonisator, der sich bejaht … oder der Kolonialist

Die Mittelmäßigkeit

Der Nero-Komplex

Die beiden Porträts

Die Selbstverachtung

Der Patriot

Der Konservative

Die faschistische Versuchung

Das Ressentiment gegenüber der Metropole

Die Ablehnung des Kolonisierten

Der Rassismus

Die Selbst-Absolution

1. Mythisches Porträt des Kolonisierten. Geburt aus dem Mythos

Die Entmenschlichung

Die Mystifizierung

2. Die Situation des Kolonisierten

Der Kolonisierte und die Geschichte …

… Der Kolonisierte und die Bürgerschaft

Das kolonisierte Kind

Die Refugien der Werte

Die kulturelle Amnesie

Die Schule des Kolonisierten

Die koloniale Zweisprachigkeit …

… und die Situation des Schriftstellers

Das Mängelwesen

3. Die beiden Antworten des Kolonisierten

Die Liebe zum Kolonisator und der Selbsthass

Die Unmöglichkeit einer Assimilierung

Die Revolte …

… und die Verneinung des Kolonisators

Die Selbstbehauptung

Die Zwiespältigkeit der Selbstbehauptung

Die Ungleichzeitigkeit im Selbst

Schluss

Nachwort zur deutschen Ausgabe von 1980

Adam Shatz. Albert Memmi

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Die jüngsten Debatten über Postkolonialismus oder die Rückgabe von Kunstwerken aus den früheren Kolonien zeigen, dass das Trauma der Kolonialherrschaft auch nach der Erringung der politischen Unabhängigkeit auf vielen Ländern der Dritten Welt noch lastet. Nach wie vor existiert ein rassistisch oder kolonialistisch gefärbter

Überlegenheitsdünkel, den die Erste Welt gegenüber den Menschen und Gesellschaften in den früheren Kolonien einnimmt.

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Noch ein Wort zum Schluss dieses neuen Vorworts, das schon zu lang geraten ist. Dieses Buch hat bei seinem Erscheinen ebenso viel Unruhe und Wut wie Begeisterung hervorgerufen. Einerseits hat man darin eine unverschämte Provokation gesehen, andererseits ein Wegzeichen. Alle Welt war sich darin einig, das Buch als eine Waffe, als ein Werkzeug im Kampf gegen die Kolonisation zu kennzeichnen; das ist es allerdings geworden. Aber nichts scheint mir lächerlicher, als sich mit einem geborgten Mut und mit Heldentaten zu brüsten, die man nie begangen hat: ich habe diesen Text ziemlich unbefangen abgefasst, ich wollte einfach zunächst das koloniale Verhältnis verstehen, in das ich so fest verstrickt war. Nicht dass ich diese Philosophie nie gehabt hätte, die meiner Untersuchung zugrunde liegt und in gewisser Weise meinem Leben Farbe gibt. Ich bin bedingungslos gegen jede Form von Unterdrückung; ich sehe in ihr die Hauptgeißel der Menschheit, die die besten Kräfte des Menschen in eine falsche Richtung lenkt und verdirbt, überdies nicht nur die des Unterdrückten, sondern auch des Unterdrückers, denn man wird beides erleben: ebenso wie die Kolonisation den Kolonisierten zerstört, so zersetzt sie auch den Kolonisator. Aber das war eigentlich nicht die Absicht meines Buches. Die Wirkung dieses Textes hat sich in gewisser Weise während seines Entstehens eingestellt, und zwar allein durch die Tugend der Wahrheit. Das heißt, dass es wahrscheinlich genügt hat, möglichst genau das Kolonialverhältnis, die Art und Weise, wie der Kolonisator notwendig handeln musste, und die allmähliche und unerbittliche Zerstörung des Kolonisierten zu beschreiben, um die absolute Ungerechtigkeit der Kolonisation ans Licht zu bringen und zugleich ihre fundamentale Instabilität zu enthüllen und ihr Ende vorauszusagen.

Das einzige Verdienst, das ich mir demnach zurechne, besteht darin, dass ich versucht habe, jenseits meines eigenen Unglücks Rechenschaft abzulegen über einen Aspekt der menschlichen Wirklichkeit, der unerträglich und deshalb unannehmbar ist und der zwangsläufig immer neue Erschütterungen auslöst, unter denen alle bis ins Innerste zu leiden haben. Ich wünschte, dieses Buch würde nicht länger als Ärgernis angesehen, sondern es würden ruhige Überlegungen angestellt, warum diese Schlussfolgerungen, die sich mir aufgedrängt haben, weiterhin von so vielen Menschen spontan nachvollzogen werden, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Liegt das nicht einfach daran, dass diese beiden Porträts, die ich versuchsweise entworfen habe, schlicht ihre Modelle getreu wiedergeben, die meines vorgehaltenen Spiegels nicht bedürfen, um sich wiederzuerkennen, um ganz von sich aus den richtigen Weg in ihrem elenden Leben zu entdecken? Die hartnäckige Verwechslung zwischen dem Künstler und seinem Gegenstand ist bekannt (was wohl eines der Anzeichen für unsere fortwährende Barbarei, unser verzweifelt magisches Denken ist). Statt sich über die Äußerungen der Schriftsteller aufzuregen und ihnen vorzuwerfen, dass sie eine Unordnung schaffen wollen, die von ihnen lediglich beschrieben und prophezeit wird, täte man besser daran, ihnen aufmerksamer zuzuhören und ihre warnenden Hinweise ernster zu nehmen. Bin ich denn am Ende nicht im Recht, wenn ich jetzt, nach so vielen verheerenden und vergeblichen Kolonialkriegen und da sich Frankreich heute zum Vorkämpfer der Entkolonialisierung auf der Welt macht, meine, dass dieses Buch für den Kolonisator ebenso nützlich hätte sein können wie für den Kolonisierten?

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