Die Entstehung der Kontinente und Ozeane

Die Entstehung der Kontinente und Ozeane
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Alfred Wegener. Die Entstehung der Kontinente und Ozeane

Vorwort

Erstes Kapitel. Landbrücken, Permanenz der Ozeane und Isostasie

Zweites Kapitel. Die Natur der Tiefseeböden

Drittes Kapitel. Geophysikalische Erläuterungen

Allgemeines

Erscheinungen der Kontinentaltafeln

Erscheinungen des Kontinentalrandes

Erscheinungen der Tiefseeböden

Viertes Kapitel. Die Verschiebungen der Kontinentalschollen

Die atlantische Spalte

Lemurien

Gondwana-Land

Fünftes Kapitel. Polwanderungen

Sechstes Kapitel. System, Ursachen und Wirkungen der Kontinentalverschiebungen

Siebentes Kapitel. Nachweis der Kontinentalverschiebungen durch astronomische Ortsbestimmung

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Die heutige Geologie steht im Zeichen eines Wechsels ihrer zusammenfassenden Grundanschauungen. Bis heute herrscht noch, wenn auch nicht mehr unbestritten, die von Dana, Albert Heim und Eduard Suess vertretene Theorie einer Schrumpfung der Erde. Wie ein trocknender Apfel durch den Wasserverlust des Innern faltige Runzeln an der Oberfläche bekommt, so sollten sich durch die Abkühlung und damit verbundene Schrumpfung des Erdinnern die Gebirgsfalten an der Oberfläche bilden. Suess fand den kürzesten Ausdruck: „Der Zusammenbruch des Erdballes ist es, dem wir beiwohnen“3. Noch in der 1918 erschienenen 5. Auflage von E. Kaysers Lehrbuch der Allgemeinen Geologie wird diese Lehre vorbehaltlos angenommen. Man wird gewiß gern einräumen, daß diese Theorie das historische Verdienst hat, lange Zeit hindurch eine ausreichende Zusammenfassung unseres geologischen Wissens darzustellen. Heute ist sie aber bereits weit entfernt davon, dieser Aufgabe zu genügen, worin wohl die meisten Geologen und jedenfalls alle Geophysiker einig sind. Man hat sich aber bisher meist damit beschieden, daß „die Kontraktionstheorie längst nicht mehr voll anerkannt wird, und einstweilen keinerlei Theorie gefunden ist, die sie vollständig ersetzen und alle Umstände erklären kann“4.

Von geophysikalischer Seite wird abgestritten, daß die Erde sich merklich abkühlt, weil durch den Zerfall der radioaktiven Stoffe in der Erdrinde so viel Wärme frei werde, daß die Temperatur sogar umgekehrt im Steigen sein könnte5. Und die Geologen müssen zugeben, daß schon im Algonkium große Inlandeismassen die damaligen Polargebiete bedeckten, die Bodentemperatur also nicht viel anders gewesen sein kann als heute. Aber noch viel schlimmer steht es mit der eigentlichen Beobachtungsgrundlage der Schrumpfungshypothese, nämlich dem Gebirgszusammenschub. Denn es stellt sich als immer unmöglicher heraus, diese riesenhaften Zusammenschübe auf Rechnung einer Abkühlung der Erde zu setzen. Die Arbeiten von Bertrand, Schardt, Lugeon u. a. haben zu einer ganz neuen und eigenartigen Auffassung eines großen Teiles der Alpenfaltung geführt, indem hier statt eigentlicher Falten schuppenartige „Deckfalten“ oder Überschiebungen angenommen werden. Hierdurch wird der Betrag des Zusammenschubes noch wesentlich größer, als früher angenommen wurde. Heim hat nach der älteren Auffassung für den Schweizer Jura eine Verkürzung auf 4⁄5, für die Alpen auf ½ berechnet, dagegen nach den neuen Anschauungen für letztere ¼ bis ⅛6. Da die heutige Breite etwa 150 km beträgt, so wäre also hier ein Rindenstück von 600 bis 1200 km Breite (5 bis 10 Breitengraden) zusammengeschoben. Jeder Versuch, solche Größen auf eine Temperaturerniedrigung des Erdinnern zurückzuführen, muß scheitern. Kayser bemerkt zwar, daß ein Zusammenschub um 1200 km nur 3 Proz. des Erdumfanges ausmacht, so daß sich auch der Radius um 3 Proz. verringert haben müßte, allein anschaulich werden diese Zahlen erst, wenn man die Temperaturen berechnet, die ihnen entsprechen. Legt man einen Mittelwert aus den vier linearen Ausdehnungskoeffizienten von Nickel (0,000013), Eisen (0,000012), Kalkspat (0,000015) und Quarz (0,000010) zugrunde [0,0000125], so kommt man – allein um die tertiäre Faltung zu erzielen – auf einen Temperaturverlust der Erde von etwa 2400°. Es bedarf keiner Erläuterung, daß man damit namentlich für die älteren Zeiten, in denen die Faltung viel universeller wirksam war, zu ganz absurden Temperaturen käme. Es ist auch nicht einzusehen, wie es physikalisch möglich sein soll, wie Heim will, daß die Schrumpfung eines ganzen größten Kreises gerade an einer Stelle zum Austrag kommt. Wie Ampferer7, Reyer8, Rudzki9, Andrée10 u. a. gefordert haben, müßte vielmehr die ganze Erdoberfläche gleichmäßig von der Runzelung betroffen werden, was ja auch der trocknende Apfel zeigt.

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Es wird Aufgabe der folgenden Abschnitte sein, zu zeigen, daß diese Verschiebungstheorie eine große Reihe überraschender Vereinfachungen liefert, und daß sie geeignet ist, die Gesamtheit unserer heutigen Kenntnisse zu einem Bilde zusammenzufassen. Eine so kleine Schrift wie die vorliegende kann dazu natürlich nur eine Skizze liefern, die Ausführung erfordert liebevolle Einzelarbeit auf einer langen Linie.

Einige geschichtliche Bemerkungen seien vorausgeschickt. Die Vorstellung einer Verschiebung der Erdrinde in horizontaler Richtung über die magmatische Unterlage fort ist schon vielfach erörtert worden, namentlich von Evans und Kreichgauer, nach welchen sich die ganze Rinde als einheitliche Kugelschale verschieben sollte24. Von direkten Anklängen an die im folgenden vertretenen Anschauungen sind mir nur folgende Schriften zu Gesicht gekommen:

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