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Titel Impressum Prolog TEIL I
Chronik des Klosters Mattenthal
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Er war gekleidet wie ein Tagelöhner und am Ende seiner Kräfte. Nikolaus, der Köhler, fand ihn und verbrachte ihn zu uns ins Kloster. Über den Augen trug er eine Binde. Als wir ihn davon befreiten, entdeckten wir, dass man ihm die Augen ausgestochen und dann, wie es üblich ist, die Augenhöhlen ausgebrannt hatte. Sein rechter Arm war verhüllt von einem schmutzigen Tuch. Als wir ihn auch von diesem befreiten, entdeckten wir, dass man ihm die rechte Hand abgeschlagen hatte. All das musste vor nicht allzu langer Zeit geschehen sein. Er lallte und war nicht fähig, ein verständliches Wort hervorzubringen. Man hatte ihm offenbar schon lange vor den anderen Verstümmelungen die Zunge herausgeschnitten, wie es bisweilen geschieht, wenn ein Mächtiger dieser Welt einen Wissenden zur Ohnmacht zwingen will. Unsere Landessprache konnte er nicht verstehen, aber als ich ihn auf Latein ansprach, nickte er mit dem Kopf. Ich weiß seinen Namen. Ob es der Name seiner Eltern ist oder einer, den der Herr ihm verlieh, vermag ich nicht zu sagen, glaube aber, dass Letzteres der Fall ist. Ich saß an seinem Lager und las ihm die Namen aller Heiligen vor. Als ich den Namen des heiligen Bischofs und Mönchs Basilius vorlas, nickte er, lachte und bekreuzigte sich mit seinem rechten Armstumpf. Auch versuchte ich den Ort seiner Herkunft zu ergründen, dies aber gelang mir nicht. Ich bat ihn, mit seiner linken Hand zu schreiben. Voll Angst blickte er mich an. Vielleicht hieß der Ort, den er mit verdrehten Lettern auf das Pergament kritzelte, Perusia oder Perugia. Oder er hatte die Schriftzeichen wahllos aneinandergereiht, weil er niemanden wissen lassen wollte, von wo er gekommen war.
Wie er zu uns heraufgefunden hat, weiß ich nicht. Er muss Hilfe gehabt haben. Man muss ihn hier heraufgebracht und dann liegen gelassen haben, in der Sicherheit, dass er gefunden wird. Auch was mit ihm geschehen ist, ist mir unbekannt. Er verstand Latein. Er war ein gebildeter Mann, kein Verbrecher, den man gestraft hatte, davon bin ich überzeugt. Er wusste um die Regeln des heiligen Benedikt, wiegte seinen Kopf beim Chorgebet und bewegte dabei seine linke Hand. Man hatte ihn aus Gründen, die ich nicht kenne, so zuschanden gemacht, dass er weder reden noch schreiben noch sich durch das Entziffern von Schriftzeichen verständlich machen konnte. Er liebte unseren Herrn Jesus Christus und nahm täglich mit großer Inbrunst vom Mahl des Herrn. Er war von großer Demut und Freundlichkeit. Meine Mitbrüder – und auch ich – liebten ihn ob dieser Eigenschaften. Uns allen war er, wie Hiob, ein Vorbild an Tugend und im Ertragen des Leids. Nur ein einziges Mal, als ich ihm vom Papst in Rom, dem Herrscher über den Erdkreis, von Innozenz IV., sprach, schrie er auf wie ein gepeinigtes Tier, lallte unverständliche Laute und verfiel danach in eine Stunden andauernde Starre.
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