Читать книгу Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer - Andree Richard - Страница 1

Vorwort

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Ein afrikanisches Alpenland, überreich an Schönheiten und Wundern der Natur, bewohnt von einem begabten Volke, das gleich uns zum kaukasischen Stamme gehört und mit den Negern nichts zu schaffen hat, eine an fesselnden Abenteuern reiche Folge von Reisen in dieses Land, endlich der Feldzug Englands gegen den eisernen, blutigen Theodor, der mächtig über Abessinien geherrscht, wie noch kein dunkelfarbiger König vor ihm – das ist es, was wir in diesem Bande des „Buches der Reisen und Entdeckungen“ den Lesern vorführen wollen.

Abessinien hat von jeher der gebildeten Welt ein großes Interesse eingeflößt und nicht etwa erst die neueste romantische Episode seiner Geschichte uns diese „unter die Tropen gerückte Schweiz“ näher geführt. Dort, in der muthmaßlichen Heimat des schwarzhäutigen der durch die Bibel eingeführten heiligen drei Könige, besteht ja noch, abgeschieden und vergessen von den abendländischen Glaubensgenossen, inmitten heidnischer und muhamedanischer Völker, ein christliches Reich; dorthin verlegte das Mittelalter auch den Staat des fabelhaften Erzpriesters Johannes, dort entspannen sich Glaubenskämpfe gegen den Islam, die an Heftigkeit und blutigen Greueln ihresgleichen suchen, dort mühten sich endlich unsere Missionäre bis in die neueste Zeit erfolglos ab, die Bevölkerung zu einem reineren Glauben zurückzuführen. Staatsumwälzungen, Bürgerkriege folgen im bunten Wechsel einander.

So erhebt sich vor unserem geistigen Blicke auf dem farbenreichen Hintergrund, den die Natur bietet, ein interessantes geschichtliches Bild, beginnend mit der sagenhaften Königin von Saba, endigend mit dem blutigen Theodor, und fesselt unser Interesse an denselben afrikanischen Boden, der, wenn man von Aegypten und den durch die Araber begründeten Reichen absieht, im Grunde eine eigentliche Geschichte nicht hat.

Nachdem der Verfasser die Erforschung Abessiniens von den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage herab geschildert hat, führt er in den ersten vier Abschnitten Land und Leute in einem gedrängten Bilde vor, alles Wesentliche zusammenfassend, was über Geologie und Oberflächengestaltung, über die natürlichen Felsenfestungen und periodisch anschwellenden Ströme, jene Grundursache der Nilüberschwemmungen, was über die klimatischen Verhältnisse und die Vegetationsgürtel, über die Thierwelt jenes interessanten Gebietes gesagt werden kann. Dabei wandert das Volk an uns vorüber mit seinen guten Anlagen und seinem tiefen sittlichen Verfall, seinen verschiedenen Stämmen und Sprachen, Sitten und Gebräuchen. Handel und Industrie finden gleichfalls gebührende Berücksichtigung, nicht minder die religiösen Verhältnisse, das afrikanisch gefärbte Christenthum des Landes mit seiner byzantinischen Scheinrechtgläubigkeit und lasterhaften Priesterschaft. Die Missionsgeschichte, reich an Enttäuschungen und arm an Erfolgen, wird unparteiisch berichtet und dann mit einer Abhandlung über den Landbau und die sozialen Verhältnisse des Landes der allgemeine Theil beschlossen.

Nachdem der Leser dergestalt orientirt ist, kann er an der Hand der neuesten Reisenden das weite Land durchwandern; er lernt den Norden wie den Süden kennen, die brennendheißen Küstenstriche und die fieberschwangere, feuchte Kollaregion, hinauf bis zu den schneegekrönten, majestätischen Alpengipfeln.

Geleitet von solchen Forschern, deren Schilderungen zu den farbenprächtigsten gehören, die wir über jene fernen Gegenden besitzen, gewinnt der Leser alsobald die vorgeführten Persönlichkeiten um so lieber, je fesselnder deren oft überaus romantische Fahrten sind. Während die älteren Reisenden bereits früher besprochen waren, bieten wir in diesem Abschnitte einen Einblick in das verdienstvolle Wirken der neueren Ländererforscher. Wir lernen den geistreichen und kühnen Franzosen Guillaume Lejean kennen, durchstreifen an der Hand Werner Munzinger’s und der Gefährten des Herzogs Ernst von Sachsen-Koburg die nördlichen Grenzgebiete, die Länder der Bogos und Kunama, begleiten den deutschen Fürsten selbst auf seinen Pürschgängen und Elefantenjagden und werden schließlich durch den englischen Major W. Cornwallis Harris in die fast märchenhaft erscheinende Welt von Schoa, diesen südlichen Theil Abessiniens, eingeführt, wo in malerischen Einzelschilderungen das Hof- und Kriegsleben des Negus Sahela Selassié an uns vorübergeht.

Naturgemäß gipfeln die Mittheilungen in der Darstellung des heutigen Abessinien. Verfallen und zerrissen durch nimmer ruhende Bürgerkriege, zuckend und verblutend liegt es da. Wüst liegen die fruchtbaren Aecker und das geplagte Volk verkommt: da scheint ein Hoffnungsstrahl aufzudämmern! Gleich einem glänzenden Meteor steigt der mächtige Theodor, der Sohn einer armen Kussohändlerin, am abessinischen Himmel auf. Noch einmal scheint es, als ob das altäthiopische Reich aus seinen Trümmern, aus Schutt und Moder wieder erstehen wolle. Doch der Glanz trügt, und nach Tagen blutiger Schrecken sinkt unter der überlegenen Macht der „rothhaarigen Barbaren“ auch der afrikanische Napoleon dahin, mit ihm sein Reich. Indessen nicht blos Schatten wirft die Regierungsgeschichte dieses unzweifelhaft bedeutenden Mannes; es sind Lichtpunkte genug in derselben zu finden, und der Verfasser hat sich bemüht, Licht und Schatten in gerechter Würdigung der Schwierigkeiten, die sich einem Reformator in der Eigenartigkeit von Land und Menschen jener fernen Gegenden entgegenstellen, billig zu vertheilen.

Was die Quellen, aus denen das vorliegende Buch geschöpft, betrifft, so wurde von Hiob Ludolf an bis auf Th. von Heuglin, sowie die Berichte der englischen Korrespondenten herab keine wichtige Publikation übersehen. Außer den angeführten Reisenden, deren Berichte im Auszuge wiedergegeben sind, wurden hauptsächlich James Bruce, Henry Salt, Eduard Rüppell, Karl Wilhelm Isenberg, Ludwig Krapf und (für den zoologischen Theil) A. E. Brehm benutzt.

Als ganz besonders werthvoll müssen wir die Originalabhandlung über die Agrikultur Abessiniens von Eduard Zander hier hervorheben. – Das Leben dieses deutschen Landsmannes haben wir im Texte geschildert. Für die Erlaubniß zur Veröffentlichung der genannten Arbeit ist der Herausgeber Sr. Hoheit dem Herzoge Leopold Friedrich von Anhalt, in dessen Besitze sich das Original-Manuskript befindet, zu tiefgefühltem Danke verpflichtet. Die Kundgebung dieser zu Magdala im Jahre 1859 verfaßten Arbeit erfolgt hier, mit Weglassung einer allgemeinen Einleitung, vollständig. Da jedoch unserm wackern Landsmanne nach längerer Abwesenheit vom Heimatlande der flüssige Gebrauch der deutschen Sprache abhanden gekommen war, so erschienen stylistische Aenderungen in seiner Darstellung unerläßlich, wie denn auch die Schreibart der Eigennamen mit der in vorliegendem Werke befolgten in Uebereinstimmung gebracht werden mußte.

In der Orthographie abessinischer Namen herrscht bekanntlich die größte Anarchie, ganz entsprechend jener, welche das Land zerrüttet; um ihr womöglich zu entgehen, schloß sich der Verfasser in seiner Rechtschreibung an diejenigen deutschen Reisenden an, welche von allen die meiste Uebereinstimmung zeigen und diesen Gegenstand am eifrigsten ihrer Aufmerksamkeit gewürdigt haben, nämlich K. W. Isenberg und Th. von Heuglin.

Zur ganz besonderen Freude gereicht es uns, mittheilen zu können, daß der bei Weitem größere Theil der Illustrationen dieses Werkes nach an Ort und Stelle aufgenommenen Originalen gezeichnet ist. Zwei Künstler, die das Land bereisten, haben dieselben geliefert: Robert Kretschmer, der den Herzog von Koburg als Maler begleitete, und Eduard Zander, dessen werthvolle Federzeichnungen, weit über hundert an der Zahl, die landschaftlichen, architektonischen und ethnographischen Verhältnisse Abessiniens ungemein gut charakterisiren. Sie befinden sich gleichfalls im Besitze Sr. Hoheit des Herzogs von Anhalt und werden hier, mit dessen hoher Erlaubniß, als wesentlicher Schmuck unsres Buches, wiedergegeben. Die übrigen Illustrationen, bei denen die Quelle stets angegeben ist, wurden den Werken von H. Salt, E. Rüppell, W. C. Harris, Bernatz, G. Lejean u. a. entlehnt. Schon in dem uns hier entgegentretenden Reichthum an gelungenen Holzschnitten ist uns ein vollständiges Bild des afrikanischen Alpenlandes geliefert, das in keinem hier in Betracht kommenden andern Werke reicher illustrirt zur Anschauung kommen dürfte. Das am Schlusse mitgetheilte Kärtchen endlich wird zur allgemeinen Orientirung über das besprochene Gebiet willkommen geheißen werden.

Leipzig, im Juli 1868.

Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

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