Von einer, die auszog, einen Büstenhalter zu stehlen
Реклама. ООО «ЛитРес», ИНН: 7719571260.
Оглавление
Anna Milow. Von einer, die auszog, einen Büstenhalter zu stehlen
Von einer, die auszog, einen Büstenhalter zu stehlen
Am Anfang …
Der Büstenhalter
Als die Sommer grau wurden
Eumel-Alarm
Schonzeit
Die Geschichte mit dem Paukenschlag
Im Friseurladen
Nachkriegsspiel
Endzeit
Am Ende …
Zum Schluss
Отрывок из книги
Anna Milow
.....
Ich hatte dieses verschwörerische Verhalten der Erwachsenen mehr als einmal beobachtet. Ich hatte gesehen, wie sie sich vielsagend ansahen, wahrgenommen, wie sie plötzlich aufhörten zu sprechen, oder so taten, als wäre dies und das belanglos, wenn ich den Raum betrat. Es musste ungeheuer bedeutend sein, was sie über die Geheimnisse des Lebens wussten. Wenn ich in diese Geheimnisse irgendwann eingeweiht würde, raubten sie mir den Atem, da war ich mir sicher. Vielleicht würde mein Herz sogar für einen Moment stillstehen. Aber mit einem so kleinen Mädchen wie mir sprach eben niemand. Auch der Geschwätzigste unter ihnen nicht. Man sprach sogar in meiner Gegenwart meistens über mich. Oder eben zu mir. Das waren dann in der Regel Anweisungen. Man würde mir nichts, gar nichts erzählen!, dachte ich resigniert und haderte mit meiner gesellschaftlichen Stellung, meinem Alter und meinem Dasein als Kind. Obwohl ich damals schon ganz sicher wusste: So wie die Großen will ich nicht werden. So nicht! Ich werde ein anderer Erwachsener. Ein lieber Erwachsener, ein zugewandter Erwachsener. Und nicht so elend langweilig. So nervig.
Ich könnte an dieser Stelle noch berichten, was ich alles unternommen habe, um die heiß ersehnten Antworten auf alle meine Fragen zu bekommen. Ich lernte zum Beispiel sehr früh lesen und las alles, was ich in den Regalen meiner Eltern und meiner Großtante an Gedrucktem fand. Irgendwann konnte ich es einfach. Lesen. Die Buchstaben hatte ich mir in dem ein- oder anderen Heimatblättchen erarbeitet, Bilder und Buchstaben kombiniert. Gehört, was meine Großtante sagte oder vorlas. Nachgeschaut, wie es geschrieben war. Ich war fasziniert, dass Nichtlesen ab sofort nicht mehr möglich war. Das meiste, was ich in Büchern, in Zeitungen, auf Beipackzetteln und Gebrauchsanweisungen entzifferte, verstand ich noch nicht oder brachte es in einen völlig falschen Zusammenhang. Im Liboriusblatt, der Zeitung aus der Metzgerei, im Lukkulus und in der Kirchenzeitung las ich die Witze. In derFrau und Mutter gab es keine Witze. Daher hielt ich die Zeitung für ernst und langweilig. Eine Zeitung ohne Witze war keine gut gelaunte Zeitung. Warum lesen Erwachsene diese ernsten Zeitungen?, fragte ich mich. Wieso freuten sie sich eigentlich nicht den ganzen Tag, sie waren doch frei? Nur Kinder hielt man irgendwie in unsichtbaren Mauern gefangen.
.....