In der Moderne mussten die Kriegsfürsten immer darauf bedacht sein, ihre Expansionspolitik der eigenen Bevölkerung als humanitäre oder defensive Notwendigkeit schmackhaft zu machen. Im ersten Weltkrieg sollten England, das 'perfide Albion', in die Schranken gewiesen und der 'Erbfeind' Frankreich niedergerungen werden. 'Wir aber', so versicherte der deutsche Reichskanzler im Jahre 1915, 'haben den Krieg nicht gewollt.' Selbst den Überfall auf Polen im Jahre 1939 verstand Hitler als Defensivhandlung darzustellen: 'Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen.' Bis heute hat sich daran nichts geändert: 'Sadam Hussein verfügt über ein ganzes Arsenal von Massenvernichtungswaffen'. 'Die serbische Soldateska schickt sich an, einen Genozid an der albanischen Mehrheit im Kosovo zu begehen'. 'Die Sicherheit der westlichen Welt steht auf dem Spiel'. Anne Morelli hat Die Prinzipien der Kriegspropaganda aufdecken können, die offensichtlich so etwas wie die zehn Gebote der Kriegsfürsten für die 'Heimatfront' darstellen. Sie werden mit historischen Beispielen aus den Kriegen der letzten einhundert Jahre belegt – und zwar mit Beispielen von beiden Seiten der jeweiligen Konflikte. Allen offiziellen Verlautbarungen, so das Fazit der Autorin, muss im Konfliktfall mit systematischem Zweifel begegnet werden. Denn ihre Wahrheit kann erst geprüft werden, wenn es zu spät ist – nach dem Krieg.
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Anne Morelli. Die Prinzipien der Kriegspropaganda
Inhalt
Danke, Lord Ponsonby!
1. Wir wollen keinen Krieg
2. Das feindliche Lager trägt die alleinige Schuld am Krieg
3. Der Feind hat dämonische Züge (oder: »Der Teufel vom Dienst«)
4. Wir kämpfen für eine gute Sache und nicht für eigennützige Ziele
5. Der Feind begeht mit Absicht Grausamkeiten. Wenn uns Fehler unterlaufen, dann nur versehentlich
6. Der Feind verwendet unerlaubte Waffen
7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners aber enorm
8. Unsere Sache wird von Künstlern und Intellektuellen unterstützt
9. Unsere Mission ist heilig
10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter
Von Lord Ponsonby zu Jamie Shea
Nachweise und Anmerkungen
Отрывок из книги
Anne Morelli
Die Prinzipien der Kriegspropaganda
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Am 1. September 1939 rechtfertigte v. Ribbentrop den Einmarsch der deutschen Truppen in Polen und beteuerte, die polnischen Truppen hätten zuvor Angriffe auf deutsches Territorium verübt, Polen habe Deutschland provoziert und er habe vergeblich auf einen polnischen Unterhändler gewartet. Erneut versicherte v. Ribbentrop, der Führer wolle keinen Krieg und würde sich nur widerstrebend dazu entschließen. Die Entscheidung für Krieg oder Frieden hänge jedoch nicht vom »Führer« ab, sondern von Polen. Bei gewissen Fragen, die von lebenswichtigem Interesse für das Reich seien, müsse Polen nachgeben und Forderungen erfüllen, die für Deutschland unverzichtbar seien. Bei einer Weigerung Polens würde die Verantwortung für einen Konflikt bei Polen liegen und nicht bei Deutschland.21
Am 3. September 1939 erklärten Großbritannien und Frankreich Deutschland den Krieg. Was die deutsche Sicht der Dinge – daß nämlich diese beiden Mächte den Krieg begonnen hätten – bestätigte. Deutschland habe ja nur reagiert, zunächst auf die polnischen Übergriffe, dann auf die französisch-britische Kriegserklärung. Ein weiteres Argument, das von Deutschland 1939 und 1940 zur Rechtfertigung des Krieges vorgebracht wurde, war die Behauptung, die Engländer und Franzosen sowie ihre Verbündeten würden das III. Reich umzingeln und es zum Krieg zwingen, um diese Umzingelung aufzubrechen. Damit war der Krieg aus deutscher Sicht ein Präventiv- und Verteidigungskrieg. Ein Thema, das übrigens in den Wochenschauen vom Mai 1940 immer wieder auftauchte: Mit Hilfe von Karten wurde die Verantwortung für diese »Umzingelung« den Mächten zugesprochen, die sich nach dem Versailler Vertrag jeder friedlichen Revision dieser feindseligen Vereinbarungen widersetzt hatten.