Verschwunden, verloren, vom Schweigen verschluckt, so gingen unzählige deutsche Frauen und Mädchen durch die Hölle sowjetischer Folterkeller, die zwischen 1945 und 1949 auch auf deutschem Boden, in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone, bestanden – ein kaum bekannter und dennoch untilgbarer Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte, der hier zum ersten Male unmittelbar die Farbe durchlittenen Lebens gewinnt. Die von den Sowjetischen Militärtribunalen verurteilten Frauen kamen im Februar 1950 zur weiteren Strafverbüßung in den Gewahrsam der DDR, die für sie ein besonders strenges Zuchthaus-Regime in einer Reihe von Sonderstrafanstalten errichtete. Im Chor vieler Stimmen entrollt sich ein ergreifendes Panorama von Standhaftigkeit, Verzweiflung, Hoffnung und kleinen Lichtern der Menschlichkeit, die selbst auf der Seite derer nie ganz erloschen, die ein grausames System zu Vollstreckern und Peinigern bestellte. Annerose Matz-Donath, die selbst fast 12 Jahre Gefangenschaft erleiden mußte, konnte 130 frühere Haftkameradinnen von etwa 1300 betroffenen Frauen interviewen. So entstand eine auf Aktenkenntnis und der Auswertung von zehntausend Seiten der Gesprächsprotokolle gestützte Dokumentation, die die Leidenswege der verurteilten Frauen eindrucksvoll schildert und dieses Kapitel der deutschen Geschichte dem Vergessen entreißt.
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Annerose Matz-Donath. Deutsche Frauen vor sowjetischen Militärtribunalen
Deutsche Frauen vor sowjetischen Militärtribunalen
Inhalt
Erläuterndes Glossar
Einleitung
1. Mütter und Kinder
Bitterer Abschied
Der Florian
Zahnschmerz im Herzen
Die Mütterstube
Kindertränen
2. Die Hölle hat viele Tore
Eingefangen
Grenzerfahrungen
Recherche ins Abseits
„Gefährliche Deutsche“
Auf Werwolf-Jagd
3. Verraten und verkauft
Das Butterplätzchen
Terror statt Brot
Um eine Nähmaschine …
Unschuldsbewußtsein lebensgefährlich!
Flugblatt im Polizistenschrank
Für Judaslohn
Der wahre Hintergrund
Sphinx
Fort Zinna, Torgau
4. Laßt alle Hoffnung fahren …
Der erste Schock
Wenn sie „Rosamunde“ spielten …
Maden und Fischgerippe
Ein kleiner Funke Menschlichkeit
Psychofolter
Kübelgeschichten
Sexuelle Gewalt
5. Russisches Roulette
Der Tod reiste mit
Die Fratze der Angst
Selber ein Ende machen
Wie ein Indianer am Marterpfahl
Sie lachten, wenn sie sie erschossen
„Ein widerspenstiger Typ“
6. Lügner und Henker
„Gehen wir tanzen zusammen!“
Das Tribunal
Wyschinskijs Schatten
Ein teuflisches Drehbuch
Vergeblicher Aufstand
Silberkopf mit Feuerhaken
Erläuterndes Glossar
Отрывок из книги
Annerose Matz-Donath
Die Spur der roten Sphinx
.....
Ja, dann waren wir also weg, Irene Kunze, Erni Kaiser, Ursel Liebner, Thekla Sommer und ich auch. Auch die junge Hedda Böhler gehörte dazu, eine 16-Jährige, deren Großvater der älteste Kommunist unseres Ortes war. Selbst da haben sie nicht Halt gemacht. Nur der Mann, der sogenannte Florian, der war weg.
Wir wurden nach Schmalkalden geschafft. Dort landeten wir in einem Keller. Vier Wochen weiter wurden wir nach Weimar gebracht. Da war das große Tribunal – und wir waren plötzlich eine illegale Organisation. Dabei war nichts gewesen, als dass wir am Silvesterabend im Lokal zusammengesessen hatten, und der sagte ‚Nun wird alles wieder gut’. Pro-westlich eben. Das war es. Aber wir haben uns nie zusammengetan. Es hat nie eine Zusammenkunft gegeben – nur den einen einzigen Abend am Silvestertag.“