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ERSTES KAPITEL, 1876

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Giona ging in dem Salon, wo ihre Schwester fleißig beim Nähen war, unruhig auf und ab.

»Mama hat sich verspätet!« sagte sie schließlich. »Hoffentlich war die Königin nicht verstimmt.«

»Verstimmt?« fragte Chloris überrascht und blickte von ihrer Arbeit auf. »Warum sollte sie verstimmt sein?«

»Bei der Königin weiß man nie«, orakelte Giona. »Mama hat immer Angst vor ihr - das hatte sie übrigens schon immer.«

»Ich dachte, Ihre Majestät hätte Mama sehr gern«, sagte Chloris verunsichert. »Sie ist doch schließlich ihr Patenkind.«

Aber Giona hatte eine ihrer merkwürdigen Vorahnungen, über die die Familie zwar oft lächelte, die sich jedoch in vielen Fällen bewahrheiteten; und diesmal war sie sich ziemlich sicher, daß der Besuch ihrer Mutter auf Windsor Castle nicht das angenehme Gesellschaftsereignis war, das er eigentlich sein sollte.

Königin Viktoria war eine schwierige Person und flößte den meisten Leuten in ihrer Umgebung Furcht ein. Es wurde erzählt, daß sogar ihr eigener Sohn, der Prinz von Wales, vor ihr zitterte, und ebenso erging es sicher den meisten der weniger bedeutenden Verwandten. Und obwohl die Königin sehr zuvorkommend zu Prinzessin Louise gewesen war, als diese mit ihrem Ehemann nach England fliehen mußte, und obwohl sie ihnen ein Grace-and-Favour-Haus zur Verfügung gestellt hatte, lebte die Familie nichtsdestoweniger in ständiger Furcht vor ihrer Wohltäterin.

Als sich Giona auf der Bank am Fenster niederließ, um die Wärme der Sonnenstrahlen, die durch den offenen Erker strömten, auszukosten, versuchte sie sich einzureden, daß ihre Ängste unbegründet waren. Aber dennoch! Tief in ihrem Inneren wußte sie instinktiv, daß irgendetwas nicht stimmte.

Giona war von lieblichem Äußeren; ihre Gesichtszüge hatten die Vollkommenheit einer griechischen Göttin, während ihre dunkel schimmernden Augen angefüllt schienen mit all den Geheimnissen, die jenes unglückliche und häufig geteilte Land umgaben. Die Schönheit ihrer älteren Schwester Chloris hingegen war sehr anders. Chloris sah Englisch, sogar sehr Englisch aus und glich mit ihrem blonden Haar, den blauen Augen und den vollendeten rosigen Zügen ihrer Mutter.

Giona spottete oft, daß ihre Schwester völlig zu Unrecht einen griechischen Namen trage und daß man sie vielmehr Rose, Elisabeth oder Edith hätte taufen sollen.

»Papa suchte unsere Namen aus«, pflegte die in ihrem Stolz getroffene Chloris dann belehrend zu sagen, »und da er ein Patriot war, wollte er uns natürlich griechische Namen geben.«

»Papas Mutter war Engländerin«, lachte Giona für gewöhnlich, »und deswegen sind wir eigentlich nur ein Viertel griechisch, wie sehr wir auch damit prahlen mögen.«

Chloris blieb darauf immer die Antwort schuldig, denn sie haßte es zu streiten, und außerdem zog sie in einem Wortgefecht mit ihrer schlagfertigen Schwester sowieso immer den kürzeren.

Giona war die intelligentere der beiden Schwestern. Prinzessin Louise haderte oft mit ihrem Schicksal, denn im Exil konnte sie sich die Hauslehrer nicht leisten, die nötig gewesen wären, um den Wissensdurst ihrer jüngeren Tochter zu stillen.

»Warum bin ich nicht als Junge geboren worden, Mama?« hatte Giona einmal gefragt. »Dann hätte ich auf eine der berühmten Privatschulen wie Eton gehen können, und vielleicht sogar nach Oxford.«

Anstatt zu lachen, hatte Prinzessin Louise sehr ernsthaft geantwortet: »Ich wünschte, ich hätte deinem Vater einen Sohn schenken können. Gleichzeitig jedoch, mein Liebes, war er sehr stolz auf seine beiden schönen Töchter und sagte immer, du würdest seiner Urgroßmutter ähneln, die zu ihren Lebzeiten als die schönste Frau Griechenlands galt, als die Verkörperung von Aphrodite.«

»Es muß herrlich sein, von so vielen Leuten bewundert zu werden«, hatte Giona sehnsüchtig geseufzt.

Da sie so zurückgezogen leben mußten und so wenig Geld hatten, daß sie jeden Penny zweimal umdrehen mußten, konnten sie keine Feste veranstalten und wurden auch selten zu welchen eingeladen, ganz einfach deshalb, weil nur wenige Leute überhaupt von ihrer Anwesenheit in England wußten.

So war es ein riesiger Glücksfall gewesen, daß Chloris auf Windsor Castle während eines Balls, zu dem sie und ihre Mutter eingeladen worden waren, einen jungen Mann kennenlernte, der sich unsterblich in sie verliebte. Er war der jüngere Sohn des Duke von Hull, und vom ersten Moment, da er Chloris gewahrte, fand er es unmöglich, sich von ihrem Anblick wieder loszureißen.

Sie hatten zusammen getanzt, und am nächsten Morgen hatte er ihre kleine, bescheidene Behausung aufgesucht. Chloris hatte bereits mit starrem Blick und mit Fingern, die vor Aufregung ein wenig zitterten, auf ihn gewartet. Den zwei jungen Verliebten erschien die Welt so herrlich und so aufregend, daß sie keinen Moment lang an der Beständigkeit ihres Glücks zweifelten.

Nur Prinzessin Louise war ängstlich besorgt, ob die Heirat auch erlaubt werden würde.

Sich in Chloris Angelegenheit an die Königin zu wenden, hatte sie tatsächlich so nervös gemacht, daß sie erkrankte, und Giona hatte gefragt: »Warum kann nicht der Herzog an deiner Stelle die Königin aufsuchen, Mama? Ich sehe nicht ein, warum du dich so aufregst.«

»Es gehört sich, daß ich als Mitglied der königlichen Familie mich der Königin nähere«, hatte die Prinzessin erklärt und mit einer Spur von Verzweiflung in der Stimme hinzugefügt: »Giona, was machen wir nur, wenn Ihre Majestät es ablehnt, die Einwilligung zu dieser Heirat zu geben? Du weißt, es bricht Chloris das Herz!«

»Falls die Königin etwas so Grausames und Gemeines tut, dann werden sie ganz einfach zusammen durchbrennen müssen«, hatte Giona leichthin geantwortet.

Prinzessin Louise hatte sie schockiert angesehen.

»Natürlich würde Chloris niemals etwas Derartiges tun. Das wäre ein schrecklicher Skandal! Ihre Majestät wäre außer sich!«

Glücklicherweise erwiesen sich die ganzen Befürchtungen als grundlos. Königin Viktoria hatte gnädig ihre Erlaubnis zu der Heirat von Chloris und John Cressington gegeben, und Chloris war außer sich vor Glück. Sie hätten unmittelbar danach geheiratet, wäre John nicht gerade im Trauerjahr für seine Mutter gewesen. Deswegen kam es auch nicht in Frage, daß sie ihre Verlobung vor Ablauf der üblichen zwölf Monate bekanntgeben konnten.

»Das bedeutet«, hatte Prinzessin Louise erklärt, »daß du mit der Bekanntgabe bis Anfang April warten mußt. Und ich glaube, die eigentliche Feier könnte dann irgendwann im Sommer stattfinden.«

»Ich werde im Mai heiraten!« sagte Chloris mit fester Stimme. »Wir können nicht immer zu warten und warten, Mama. Und John brennt darauf, mich all seinen Verwandten vorzustellen, was er jetzt nicht tun kann, weil die Königin uns zu diesem lächerlichen Schweigen verurteilt hat. Wir können niemandem von unserem Glück erzählen, und dabei würden wir dies so gerne tun.«

Prinzessin Louise gab keine Antwort, denn sie wußte, wie deprimierend die Situation für ihre Tochter war. Gleichzeitig jedoch mußte sie ständig daran denken, wieviel Glück sie doch gehabt hatten, die Zustimmung der Königin zu erhalten, ohne daß viel von dem befürchteten Aufhebens um die Heirat einer königlichen Prinzessin gemacht worden war.

Der wahre Grund, warum sich Ihre Majestät nicht von ihrer zur Genüge bekannten Meinung über dieses Thema hatte leiten lassen, war der, daß sie ihr Patenkind Prinzessin Louise für absolut unbedeutend hielt. Prinz Alpheus war nur sehr entfernt mit der königlichen Familie Griechenlands verwandt, und da der König seines Landes jetzt ein Däne war, war seine Familie weder politisch noch gesellschaftlich weiter wichtig.

Tatsächlich war das Begräbnis von Prinz Alpheus, der kurz nach der Ankunft in England gestorben war, von so wenigen europäischen Herrscherhäusern besucht worden, daß sich seine Frau beleidigt fühlen mußte. Sie war über den Tod des geliebten Ehemanns jedoch so unglücklich gewesen, daß sie ihre Gefühle über die Respektlosigkeit, die ihm zuteil geworden war, für sich behalten hatte.

Sie besprach den Affront nicht einmal mit ihren zwei Töchtern, aber Giona hatte gespürt, was ihre Mutter empfand und hatte ihr deshalb ihre Liebe noch offener gezeigt, in einem Versuch, sie in ihrer Trauer zu trösten. Sie hatte natürlich auch bemerkt, wie wenig sie und ihre Schwester zählten, als ihr Vater unbetrauert und fast unbemerkt gestorben war.

Aber jetzt war Chloris glücklich bei dem Gedanken an ihre täglich näherrückende Hochzeit, und weil sie so wenig Geld hatten, war der ganze Haushalt eifrig beim Nähen, um sie mit einer, wenn auch nicht überreichlichen, so doch zumindest angemessenen Aussteuer auszustatten.

»Ich bin sicher, daß nach Bekanntgabe deiner Verlobung die Königin den Wunsch äußert, für dein Hochzeitskleid aufzukommen«, hatte Prinzessin Louise vor ein paar Tagen gesagt. »Ich weiß, daß sie das schon für eine Reihe von Bräuten in der Familie getan hat. Wenn nicht, wird es sehr schwer für uns sein, das Geld für ein wirklich schönes und teures Kleid aufzutreiben.«

»Ich weiß, Mama«, hatte Chloris geantwortet, »aber die Bräute, für die die Königin das getan hat, haben alle innerhalb der königlichen Familien geheiratet.«

Für einen kurzen Moment breitete sich tiefes Schweigen aus, denn Prinzessin Louise und Giona wußten, daß das der Wahrheit entsprach. Praktisch jeder Thron Europas war mit Abkömmlingen Königin Viktorias besetzt, und sie drückte ihre Zustimmung zu einer Heirat regelmäßig dadurch aus, daß sie dem Bräutigam ein überaus prächtiges Geschenk und der Braut eine Aussteuer zukommen ließ.

»Aber was macht das schon aus?« hatte Chloris schließlich tapfer gesagt. »Wenn die Königin mir das Kleid nicht geben will, wird mich das noch lange nicht davon abhalten, John zu heiraten. Er findet, ich sehe in allem wunderbar aus!«

Vielleicht, sagte sich Giona optimistisch, schickte die Königin jetzt nach ihrer Mutter, um ihr zu sagen, sie würde bei Chloris’ Aussteuer großzügig mithelfen. Es waren nur noch dreißig Tage, bis die Nachricht der Verlobung in der London Gazette erscheinen konnte, und falls jemand in der Umgebung der Königin sie darauf hinwies, dann gab es eigentlich keinen Grund für sie, einer Tochter ihres Patenkindes nicht freundlich gesonnen zu sein.

»Das muß die Erklärung sein, natürlich!« entschied Giona.

Dann jedoch sagte diese kleine Stimme in ihrem Inneren, daß es um etwas viel Wichtigeres ging, als nur um ein Kleid für Chloris.

Es gab jedoch keinen Grund, diese Vermutung auszusprechen und die Schwester in Unruhe zu versetzen. Stattdessen saß sie einfach in der Sonne und betrachtete den kleinen Garten vor dem Haus und grübelte darüber nach, warum ihre Mutter so lang wegblieb.

Dann endlich war das Geräusch von Pferdehufen und Rädern zu vernehmen, und einen Moment später sah Giona die von zwei weißen Pferden gezogene königliche Kutsche, mit der ihre Mutter nach Windsor Castle gefahren war, an der Haustür vorfahren.

Sie sprang hoch und rief aufgeregt: »Hier ist endlich Mama! Jetzt werden wir ja alles erfahren.«

Ohne die Antwort ihrer Schwester abzuwarten, lief sie aus dem Zimmer und öffnete die Haustür, noch bevor der Lakai, der vom Kutschbock abgestiegen war, den Türklopfer scharf und durchdringend betätigen konnte. Seine Hand war tatsächlich erhoben, als Giona an der Tür erschien. Er schien über das Ungestüm des jungen Mädchens zu lächeln und drehte sich um, um die Kutschentür für Prinzessin Louise zu öffnen.

Diese stieg aus und bedankte sich in ihrer bezaubernden, zuvorkommenden Art sowohl beim Lakaien als auch beim Kutscher, die sie vom Schloß hergebracht hatten. Dann ging sie den kurzen Weg zur Eingangstür, wo ihre Tochter wartete.

»Du bist zurück, Mama!« rief Giona unnötigerweise. »Wie lang du doch fort warst!«

»Ich dachte mir schon, daß du dir Sorgen machst, Liebes«, sagte Prinzessin Louise, während sie ihr die Wange küßte.

Das waren ihre einzigen Worte, aber Giona sah ihre Mutter unruhig an und folgte ihr in den Salon, wo Chloris ihre Nähnadel hinlegte, bevor sie auf ihre Mutter zulief und sie küßte.

»Giona hat mich wegen dir ganz verrückt gemacht, Mama«, lächelte sie. »Aber ich denke, du hattest einen guten Grund, länger als erwartet wegzubleiben.«

Prinzessin Louise nahm das Cape ab, das ihre schlanke Figur umhüllte, und reichte es Giona. Dann setzte sie sich hin. Beunruhigt ob ihres Schweigens sah Chloris sie mit besorgter Miene an.

»Was ist passiert, Mama? Du mußt es uns erzählen«, drängte Giona ungeduldig. »Während wir auf dich warteten, hatte ich das Gefühl, daß etwas schief gelaufen war.«

»Es ist alles in Ordnung - zumindestens hoffe ich das!« antwortete Prinzessin Louise.

Giona blickte ihre Mutter aufmerksam an. Und da diese jetzt nach Worten zu suchen schien, kniete sie sich an ihrer Seite nieder.

»Was ist passiert, Mama?« fragte sie mit leiser Stimme.

»Es war ziemlich schwierig«, erzählte die Prinzessin stockend, »aber ich weiß, daß ihr Mädchen mich versteht, wenn ich sage, daß Ihre Majestät sehr bestimmend war.«

»Worin?« fragte Giona sofort.

Bevor Prinzessin Louise antwortete, seufzte sie tief.

Dann sagte sie: »König Ferdinand von Slawonien hat sich - natürlich durch seinen Botschafter - an die Königin gewandt und sie um eine englische Ehefrau gebeten, die den Thron mit ihm teilen soll.«

Die Art, in der die Prinzessin sprach, ließ sowohl Chloris als auch Giona ihre Mutter mit offenem Mund anblicken.

Einen Moment lang schienen sie beide wie gelähmt zu sein, bevor Chloris rasch fragte: »Ihre Majestät weiß, daß ich verlobt bin?«

»Die Verlobung ist bisher noch nicht bekanntgegeben worden, und zuerst dachte Ihre Majestät, daß man sie wohl bequemerweise vergessen sollte.«

Chloris Aufschrei schien den ganzen Raum zu füllen.

»Willst du damit sagen, daß sie vorschlägt, ich sollte - John nicht - heiraten?«

»Ihre Majestät erklärte mir sehr deutlich, daß es britische Politik sei, die kleinen Balkanstaaten unabhängig zu halten, und daß der slawonische Botschafter ihr gesagt habe, es würde König Ferdinand sehr schwer fallen, seine Unabhängigkeit zu bewahren, falls er nicht die Unterstützung Großbritanniens hätte und eine englische Ehefrau als deren Beweis.«

Chloris schrie erneut auf.

»Aber ich, ich soll - doch - John - heiraten, sie hatte der Heirat doch zugestimmt! Ich sterbe eher, als daß ich einen anderen heirate!«

Ihre Stimme wurde immer schriller, während sie sprach, und Prinzessin Louise beruhigte sie rasch: »Es ist in Ordnung, Chloris! Ich überzeugte Ihre Majestät schließlich, daß es unmöglich für dich sei, dein Versprechen zu brechen, und ich erklärte ihr, daß es auch für sie unmöglich sei, ihre einmal gegebene Einwilligung zurückzuziehen. Aber es war - nicht leicht.«

Sie seufzte, so als ob die Erinnerung an diese Unterredung sehr schmerzhaft wäre. Giona nahm die Hand ihrer Mutter und hielt sie ganz fest.

»Sie war hoffentlich nicht unfreundlich zu dir, Mama?«

»Nur ziemlich herrisch. Und einen Moment lang dachte ich, ich würde es nicht schaffen, Chloris zu retten.«

»Aber du, du - hast mich gerettet? Ich darf John heiraten?« drängte Chloris.

Ihre Mutter nickte.

»Oh, danke Mutter, danke! Aber wie konnte die Königin nur auf etwas so Grausames - so Schreckliches kommen wie den Versuch, uns zu trennen?«

»Du mußt daran denken«, sagte die Prinzessin leise, »daß die Königin vor allem die politische Situation in Europa im Auge hat.«

»Politik hin oder her«, wandte Giona trotzig ein, »wir sind auch Menschen, und die Königin hat kein Recht, uns wie Marionetten zu behandeln, die auf ihren Befehl hin zappeln!«

Prinzessin Louise, die bisher ihre ältere Tochter angesehen hatte, blickte nun auf die jüngere der beiden, die zu ihren Füßen saß.

»Ich weiß, wie du fühlst, mein Liebling. Aber du mußt begreifen, daß das Privileg, von königlichem Blut zu sein, auch Pflichten mit sich bringt, und daß man diesen Pflichten immer nachkommen muß.«

Giona hatte das schon früher gehört und sagte nur: »Aber du hast Chloris gerettet, Mama, und das war sehr, sehr klug von dir!«

»Sehr klug!« stimmte auch Chloris bei und wischte sich die Tränen ab, die ihr bereits bei dem Gedanken, was alles hätte passieren können, die Wangen hinuntergelaufen waren.

»Ja, du bist gerettet und kannst John heiraten«, sagte Prinzessin Louise, »und die Königin hat versprochen, für dein Hochzeitskleid und einen Teil deiner Aussteuer aufzukommen.«

Chloris’ Schrei war ein reiner Freudenschrei. Sie rannte zu ihrer Mutter, umarmte und küßte sie.

»Du bist großartig, Mama! Wie hast du das nur so wunderbar geschafft? Ich weiß nicht, wie ich dir je danken kann, und ich bin sicher, John wird dir auch danken wollen.«

Die Prinzessin reagierte nicht so freudig bewegt, wie es ihre Töchter eigentlich erwarteten, und Giona fragte: »Was ist los, Mama? Ich sehe doch, daß dich noch etwas bedrückt.«

Prinzessin Louise schaute auf Gionas Hand in der ihren und sagte mit sanfter Stimme: »Wie du gesagt hast, ich habe Chloris gerettet, aber Ihre Majestät plant immer noch, die Unabhängigkeit Slawoniens zu retten.«

Wieder entstand ein kurzer Moment bedeutsamer Stille, bevor die Prinzessin fortfuhr: »Ihre Majestät wies mich darauf hin, daß sie zur Zeit keine jungen Verwandten im heiratsfähigen Alter hat, außer Chloris und natürlich dich, Giona!«

Chloris verschlug es für einen Moment den Atem. Giona jedoch war plötzlich ganz still, und ihre Finger wurden in der Hand der Mutter ganz steif.

»Hast du gesagt... mich, Mama?«

»Ja, mein Liebstes. Ich glaube, du bist zu jung, was ich auch Ihrer Majestät sagte. Aber da sie bereits das Zugeständnis gemacht hatte, daß Chloris König Ferdinand nicht heiraten muß, gab es nichts, was dagegen sprach, daß du es tun wirst.«

»Ich kann es nicht glauben!« hauchte Giona.

Während sie sprach, erhob sie sich von den Knien und ging zum Fenster, als bekäme sie keine Luft mehr.

Als sie Giona da gegen das helle Sonnenlicht stehen sah, wurde sich Prinzessin Louise wieder bewußt, wie schmal und kindlich ihre Tochter noch war. Und dennoch war es unmöglich gewesen, sich dem Druck, den die Königin auf sie ausgeübt hatte, zu widersetzen.

»Giona ist viel zu jung, Madame«, hatte sie protestiert, »und obwohl ich die große Ehre zu schätzen weiß, die Ihre Majestät uns mit diesem Heiratsvorschlag macht, ist es doch wirklich ganz unmöglich.«

»Was soll das heißen - unmöglich?« hatte die Königin kühl gefragt.

Die Prinzessin hatte ihre Worte sorgfältig gewählt, da sie wußte, daß jedes von größter Wichtigkeit war.

»Giona wird im nächsten Monat erst achtzehn, Madame. Sie hat bisher ein sehr ruhiges Leben geführt und, wie auch Ihre Majestät gut weiß, noch an keinen gesellschaftlichen Veranstaltungen teilgenommen.«

Prinzessin Louise hatte eine kurze Pause gemacht; sie wußte, daß die Königin aufmerksam zuhörte. Aber der unbewegte Gesichtsausdruck verriet ihr, daß Ihre Majestät keinerlei Mitgefühl empfand.

Schnell fuhr sie fort: »Ich wollte Sie, Madame, gerade bitten, sie an einem offiziellen Tee teilnehmen zu lassen. Ich hoffte, daß sie auf diese Weise zu einigen der Bälle eingeladen würde, die diese Saison für die anderen Debütantinnen gegeben werden.«

Es hatte eine kurze Pause gegeben, bevor die Königin geantwortet hatte: »Ich hätte es vorgezogen, Chloris nach Slawonien zu schicken, aber wenn es unmöglich ist, das John Cressington gegebene Versprechen zu brechen, dann muß Giona an ihrer Stelle fahren.«

»Aber, Ihre Majestät, sie ist doch viel zu jung!« hatte Prinzessin Louise noch einmal lahm protestiert.

»Es ist keine Frage von Jugend oder Alter, meine liebe Louise«, hatte die Königin erwidert, »sondern die Frage, was am besten für Slawonien ist.«

Und nach einer eindrucksvollen Pause hatte sie weitergesprochen: »Die Wahl liegt zwischen einer jungen Königin einerseits und der Unterwerfung unter die mächtigen österreichisch-deutschen Zielvorstellungen andererseits; die Österreicher und die Deutschen würden Slawonien am liebsten in der langen und ständig wachsenden Reihe der abhängigen Staaten sehen.«

Da hatte Prinzessin Louise gewußt, daß sie besiegt war, und jetzt sagte sie zu den beiden Mädchen, die sie fassungslos anblickten: »Es gab nichts, was ich tun konnte, nichts außer zuzustimmen.«

»Aber Mama, wie kann ich in Slawonien leben, wenn das bedeutet, daß ich so weit weg von dir sein werde, und wie kann ich einen Mann heiraten, den ich noch nie vorher gesehen habe?«

»Vielleicht magst du ihn ja, wenn du ihn das erste Mal triffst«, sagte Chloris zaghaft. »Schließlich wird er doch herkommen, und vielleicht verliebst du dich in ihn. Du bist doch nicht etwa in irgendjemand anderen verliebt?«

Giona wußte, daß Chloris nur deshalb so zuversichtlich sprach, weil sie erlöst und glücklich war, daß nicht sie den slawonischen König heiraten mußte.

Prinzessin Louise fühlte sich plötzlich sehr müde und lehnte sich in ihren Sessel zurück.

Dann sagte sie leise: »Ich fürchte, es besteht überhaupt keine Aussicht, daß der König hierher kommt oder daß wir ihn überhaupt vor der Hochzeit sehen werden.«

Giona drehte sich zu ihr um.

»Was sagst du da, Mama?«

»Ihre Majestät hat sich vom Botschafter überzeugen lassen, daß die Situation prekär ist und sofortiges Handeln geboten scheint. Sie hat deshalb entschieden, daß du nach Slawonien fährst, sobald wir deine Aussteuer zusammen haben. Es wird eine offizielle Hochzeit in der dortigen Kathedrale geben, um der Bevölkerung klar vor Augen zu führen, daß König Ferdinand von Großbritannien unterstützt wird und daß Königin Viktoria ihm wohlgesonnen ist.«

Giona gab keinen Ton von sich, ihre Augen aber wurden so groß, daß sie fast das ganze Gesicht auszufüllen schienen.

Die Prinzessin sah sie traurig an und sagte tröstend: »Ich weiß, daß das ein Schock für dich ist, mein Liebstes, aber ich schwöre dir, daß ich den Wünschen Ihrer Majestät zustimmen mußte. Ich kann nur aus tiefstem Herzen beten, daß du glücklich werden wirst.«

»Wie denn, unter diesen Umständen?« fragte Giona leise.

»Du mußt es versuchen«, sagte die Prinzessin mit fester Stimme.

»Warum soll ich der Königin gehorchen? Warum darf sie uns herumkommandieren, als ob wir keiner menschlichen Regungen fähig wären? Wir sind doch nicht aus Holz oder Stein?«

Giona spürte, wie ihr Widerstandsgeist erwachte.

Sie wußte, das Ganze war eine große Ungerechtigkeit; was die Königin ihrer Mutter vorgeschlagen hatte, war unmenschlich, ein Alptraum, aus dem sie einfach nicht aufwachen konnte. Ganz plötzlich stampfte sie mit dem Fuß auf.

»Ich tu es nicht, Mama! Ich werde davonrennen. Du kannst ja der Königin erzählen, daß du mich nicht finden kannst.«

Die Worte hallten durch den ganzen Raum.

Dann, nach einer langen Pause, sagte Prinzessin Louise ganz ruhig und leise: »In diesem Fall, Giona, und da bin ich ganz sicher, wird Ihre Majestät auf ihrem ursprünglichen Plan bestehen, daß Chloris nach Slawonien gehen muß.«

Nach einer schlaflosen Nacht kam Giona bleich und mit schwarzen Schatten unter den Augen am nächsten Morgen zum Frühstück herunter. In dem kleinen Zimmer neben der Küche, wo sie gewöhnlich speisten, saß nur Chloris, Prinzessin Louise hatte offensichtlich schon gefrühstückt und war ausgegangen.

Gestern abend, nachdem ihre Mutter gesagt hatte, daß wohl Chloris den König würde heiraten müssen, wenn sie es nicht täte, war Giona aus dem Salon gestürzt und die Treppe hinaufgerannt. Sie hatte sich in ihr Schlafzimmer eingesperrt und sich den Bitten ihrer Mutter und ihrer Schwester, doch herauszukommen, verweigert.

Jetzt unter Chloris’ besorgtem Blick fühlte sie sich ein wenig verlegen. Während sie sich Schinken und Eier von der Warmhalteplatte auf dem Sideboard auf den Teller legte, sagte sie leise: »Entschuldige, Chloris, aber ich wollte gestern abend mit niemandem reden.«

»Das verstehe ich natürlich«, sagte Chloris, »und bitte glaube mir, es tut mir leid, schrecklich leid für dich - aber du weißt, ich kann John einfach nicht aufgeben.«

»Nein, natürlich nicht«, antwortete Giona.

»Vielleicht wird es doch nicht so schlimm, wie du glaubst«, fuhr Chloris hoffnungsvoll fort. »Und schließlich wirst du sogar eine Königin!«

Ihre Schwester antwortete nicht.

»Früher fühlte ich mich hier wie lebendig begraben, und ich war überzeugt, daß wir unser liebes Leben lang nie jemand anderen sehen würden als die alten, langweiligen Einwohner der anderen Häuser. Dann traf ich John, und es war wie ein Wunder, denn er hat mir oft gesagt, daß er nur deshalb zu jener Party ging, weil sein Vater krank war und er ihn vertreten mußte. Andernfalls wäre ihm jede Entschuldigung recht gewesen, um nicht kommen zu müssen.«

»Ich verstehe genau, was du sagen willst«, sagte Giona leise, »aber lieber bliebe ich eine alte Jungfer, als mit einem Mann verheiratet zu sein, der leicht mein Vater sein könnte!«

Chloris schaute überrascht auf.

»Was willst du damit sagen?«

»Ich vermutete schon, daß du wahrscheinlich nicht weißt, wie alt der König ist«, antwortete Giona, »und Mama vermied es sehr geschickt darüber zu sprechen. Tatsächlich wird er an seinem nächsten Geburtstag zweiundfünfzig!«

»Das kann ich nicht glauben!« rief Chloris erschrocken aus. »Er muß doch schon längst eine Frau haben!«

»Er war verheiratet«, antwortete Giona, »aber vor zwei Jahren ist seine Frau gestorben. Darum können sie jetzt um eine Königin bitten, die der Nation nützen soll.«

Chloris schwieg betreten, und nach einem Moment fuhr Giona fort: »Und das ist es, was ich sein soll - ein Bündel in die britische Fahne gehüllt, das ihm von Königin Viktoria wie ein Preis überreicht wird. Ich werde auf den Thron geknallt wie auf den Kaminsims eines Bauern!«

Chloris seufzte, bevor sie fragte: »Aber es muß doch jemanden geben, der älter ist als du?«

Giona schüttelte den Kopf.

»Nein, die Königin sprach die Wahrheit, als sie Mama erzählte, es gäbe sonst niemanden. Während ihr geschlafen habt, ging ich hinunter und las in Papas Buch Die königlichen Familien Europas — und natürlich im Debrett.« Sie seufzte, bevor sie weitersprach: »Ich habe die Bücher sehr sorgfältig studiert. Aber jede englische Prinzessin ist entweder verheiratet oder schon so gebrechlich, daß sie sogar für König Ferdinand zu alt wäre!«

»Wenn er wirklich so alt ist, wie du sagst, dann wäre er für mich auch zu alt. Schließlich bin ich nur zwei Jahre älter als du!« sagte Chloris.

»Natürlich«, stimmte ihr Giona zu, »aber es ist nicht das Alter, das wichtig ist. Es ist die Fahne, die zählt.«

Sie sprach verbittert und schob ihren Teller zur Seite.

»Zumindest wirst du eine Königin sein«, sagte Chloris erneut in dem Versuch, etwas Tröstendes zu sagen.

»Ich glaube nicht, daß das sehr lustig sein wird«, antwortete Giona bitter. »Ich kann mich sehr wohl an das erinnern, was Papa mir über Slawonien erzählte, als wir uns mit der Geschichte des Balkans beschäftigten. Außer einer schönen Gegend scheint es dort nichts zu geben, was man empfehlen könnte.«

Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »In Ungarn zum Beispiel gäbe es herrliche Reitpferde, in Griechenland könnte man die Wunder der Vergangenheit erforschen, und ich könnte glauben, ich hätte Anteil an diesen Ruhmestaten, die nie vergessen worden sind. Dort wäre ich absolut glücklich, egal wie alt mein Ehemann wäre.«

»Der König von Griechenland ist aber kein Grieche«, bemerkte Chloris spitz.

»Und der König von Slawonien ist kein Slawone.«

Chloris schien überrascht, und Giona erklärte ihr deshalb: »Tatsächlich ist er ein Österreicher. Vor vielen Jahren, als es offensichtlich keinen direkten Erben für den Thron gab, bat man ihn, das Königreich zu übernehmen.«

»Woher weißt du das alles so genau?« fragte Chloris mißtrauisch.

»Du weißt doch, daß ich mich immer für europäische Geschichte interessiert habe«, erwiderte die Schwester, »und du weißt auch, daß Papas Steckenpferd nun mal die Genealogie war. Er hat die Stammbäume aller königlichen Häuser bis auf den heutigen Tag verfolgt. Er schrieb alles auf und pflegte mir daraus vorzulesen.« Sie seufzte tief und fuhr fort: »Papa sagte auch, ich solle mich mit unseren Nachbarn auskennen, besonders mit denjenigen, die direkt an Griechenland angrenzten. Und da er mich so viele Sprachen lehrte, wird es sicher auch nicht schwer für mich sein, Slawonisch zu lernen.«

»Hast du vor, es zu lernen?« fragte Chloris überrascht.

»Natürlich!« antwortete Giona. »Ich erwarte, daß sie am Hof Deutsch sprechen, aber ich möchte mich auf jeden Fall mit den Slawonen, über die ich herrschen soll, unterhalten können.«

Chloris lachte.

»Über die König Ferdinand herrscht! Ich glaube nicht, daß er dich viel herrschen lassen wird!«

Für einen kurzen Augenblick schien Giona verdutzt.

Dann sagte sie: »Trotzdem, ich habe vor, Slawonisch zu sprechen, so daß ich mich auch mit den einfachen Leuten unterhalten kann. Es gibt ein paar Aufzeichnungen, die Papa über diese Sprache gemacht hat. Es scheint eine Mischung aus Serbisch, das ich fließend beherrsche, Albanisch, das ich gut verstehen kann, und, ob du es glaubst oder nicht, Griechisch zu sein!«

»Das klingt schrecklich für mich!« sagte Chloris. »Aber in Sprachen war ich ja noch nie gut und wollte es schließlich auch nie werden.«

Lachend fügte sie hinzu: »Die einzige Sprache, die John fließend beherrscht, ist Gott sei Dank Englisch!«

Dann aber wurde sie ernst, stellte die Teetasse, die sie in der Hand hielt, ab und sagte: »Liebe Giona, ich brauche dir wohl nicht zu erzählen, wie dankbar ich dir dafür bin, daß du den König heiratest. Ich habe nicht übertrieben, als ich sagte, ich würde lieber sterben als John aufgeben! Ich liebe ihn aus tiefstem Herzen, und, da ich weiß, daß er mich auch liebt, werden wir sicher sehr glücklich sein.«

»Ich weiß«, antwortete Giona, »und es war dumm von mir zu glauben, daß ich eines Tages vielleicht jemanden wie John finden würde, den ich lieben könnte und der mich lieben würde.«

Einen Augenblick herrschte tiefe Stille.

Dann sagte Chloris: »Mit Mamas und Papas Glück vor Augen haben wir wohl immer gehofft, daß auch wir so etwas finden würden. Oh, Giona, es ist ungerecht, daß du einen alten Mann heiraten sollst, nur weil es der Königin so gefällt! Für mich ist sie eine dicke, fette Spinne, die von Windsor Castle aus ihr Netz über ganz Europa spinnt.«

»Meiner Zählung nach wird sie bald 24 Königreiche direkt unter ihrer Kontrolle haben«, sagte Giona, »nur weil sie ihnen eine Königin oder Prinzessin vorsetzte.«

»Ich nehme an, daß ihr das viel Befriedigung verschafft«, antwortete Chloris, »aber es ist dir oder den anderen gegenüber einfach nicht gerecht.«

»Nein, natürlich nicht«, stimmte ihr Giona zu, »aber du mußt dir immer vor Augen halten, daß wir keinen anderen Lebenszweck haben, als daß die richtige Fahne über einem Palast weht; wir werden benötigt, damit das Machtstreben Österreichs einen oder zwei Schritte zurückgedrängt wird.«

»Gott sei Dank werde ich in England leben können«, bemerkte Chloris nicht gerade sehr taktvoll.

Giona goß sich eine weitere Tasse Tee ein, bevor sie fragte: »Und was passiert jetzt? Hat Mama etwas gesagt?«

»Oh, das habe ich ganz vergessen«, sagte Chloris. »Sie erzählte mir gestern abend, daß die Königin wegen der gebotenen Eile, dich nach Slawonien zu bringen, für deine Aussteuer und einen Teil von meiner aufkommen wird.«

»Das ist aber sehr großzügig von ihr«, bemerkte Giona sarkastisch, »obwohl ich bezweifle, daß sich der alte König überhaupt dafür interessiert, was ich anhabe.«

»Man kann nie wissen«, sagte Chloris. »Manche Männer, egal wie alt sie schon sind, mögen hübsche Mädchen.«

Giona schauderte.

»Daran möchte ich überhaupt nicht denken.«

Chloris sah ihre Schwester etwas hilflos an und überlegte, was sie als nächstes sagen könnte, als sich die Tür öffnete und Prinzessin Louise den Salon betrat.

»Da bist du ja, Giona«, begrüßte sie ihre jüngere Tochter. »Ich wußte nicht, daß du schon unten bist, und ging in dein Schlafzimmer.«

»Was ist los, Mama?« fragte Giona.

»Ich habe soeben durch einen Boten einen kurzen Brief erhalten. Der slawonische Botschafter wird uns um zwölf seine Aufwartung machen. Er wird von Sir Edward Bowden begleitet, dem britischen Botschafter in Slawonien, der, soweit ich weiß, an Ihre Majestät herantrat mit der Bitte um...«

Die Prinzessin unterbrach sich verlegen, und ihre Tochter fuhr fort: »...um eine Braut für König Ferdinand!«

»Genau!« stimmte die Prinzessin erleichtert zu.

»Du hast Giona nicht gesagt, wie alt der König ist, Mama«, sagte Chloris vorwurfsvoll. »Er ist zweiundfünfzig!«

Prinzessin Louise schien verlegen.

»Er scheint in der Tat schon älter zu sein, aber ich glaube, er ist noch sehr rüstig.«

Giona erhob sich vom Frühstückstisch. »Ich denke, Mama, ich werde Papas Bibliothek durchstöbern; mit etwas Glück kann ich ja noch mehr über Slawonien herausfinden. Wenn Papa doch nur hier wäre! Er könnte mir alles sagen, was ich wissen muß.«

»Ja, natürlich, Liebes«, stimmte ihr die Prinzessin bei, »und ich bin sicher, dein Vater wäre sehr stolz auf dich und würde dir sagen, daß du genau das Richtige tust.«

»Ich habe keine große Wahl, oder?« fragte Giona verbittert. »Aber ich bin fest entschlossen, nicht völlig blind in dieses Land zu reisen, ohne Ahnung, was sich dort abspielt.«

Prinzessin Louise sah sie überrascht an. »Warum sollte sich dort etwas abspielen, wie du es nennst?«

»Es bestünde doch sicher kein Grund für eine derart unziemliche Eile, wenn es nicht um etwas viel Ernsteres ginge als den Wunsch von König Ferdinand nach einer Frau und das Rumoren Österreichs und Deutschlands hinter den Kulissen.«

»Ich verstehe nicht, was du sagen willst!« sagte Prinzessin Louise äußerst verwundert.

»Ich weiß nicht«, erwiderte Giona, »aber ich habe das Gefühl, daß es da viel finsterere und bedrohlichere Dinge gibt, als man uns gesagt hat, und sehr wahrscheinlich werden die Botschafter, und zwar sowohl der englische als auch der slawonische, alles in ihrer Macht Stehende tun, damit ich nichts davon erfahre.«

»Ich verstehe nicht, was du da andeutest«, sagte Prinzessin Louise eher hilflos.

Zum ersten Mal an diesem Morgen lächelte Giona.

»Wenn es irgendwelche Geheimnisse gibt«, sagte sie, »dann werde ich sie aufspüren. Mein »drittes Auge« sagt mir nicht nur, daß es sie gibt, sondern auch, daß jedermann, und sogar die Königin, sie vor mir verborgen halten möchte.«

144. Der Krone versprochen

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