Aus meinem Leben. Zweiter Teil
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Bebel August. Aus meinem Leben. Zweiter Teil
Geleitwort
Die Periode des Herrn v. Schweitzer in der proletarischen Arbeiterbewegung
Jean Baptist v. Schweitzer
„Der Sozialdemokrat.“
Schweitzer und die Konservativen
Schweitzer im norddeutschen Reichstag
Schweitzers Diktatur
Die Generalversammlung in Barmen-Elberfeld
Die Rebellion im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein
Der Eisenacher Kongreß
Die Gründung der sozialdemokratischen Arbeiterpartei und die Auflösung des Verbandes der deutschen Arbeitervereine
Nach Eisenach
Schweitzers Ende
Beginn meiner parlamentarischen Tätigkeit
Im konstituierenden norddeutschen Reichstag
Im norddeutschen Reichstag und dem Zollparlament
Taktische Unstimmigkeiten
Der Deutsch-Französische Krieg
Das Vorspiel zur Kriegserklärung
Meinungsdifferenzen
Erklärungen und Proklamationen
Die Verhaftung des Braunschweiger Ausschusses
Annexionen und Kaiserkrone
Unsere Verhaftung
Meine weitere parlamentarische Tätigkeit, der Leipziger Hochverratsprozeß und anderes
Die erste Session des deutschen Reichstags
Der erste deutsche Webertag
Weiteres aus Sachsen
Der Dresdener Parteikongreß
Die zweite Session des deutschen Reichstags
Der Leipziger Hochverratsprozeß
Die dritte Generation des ersten deutschen Reichstags
Mein Majestätsbeleidigungsprozeß
Unsere Festungshaft und was zwischenzeitlich passierte
Hubertusburg
Königstein
Zwickau
Von 1871 bis zum Vereinigungskongreß zu Gotha
Die Regierungen und die Sozialdemokratie
Die Einigungsfrage vor den beiden Fraktionen
Der Parteikongreß zu Eisenach 1873
Die erste Session des neuen Reichstags 1874
Tessendorf als Bahnbrecher der Einigung
Einigungsverhandlungen
Vom Vereinigungskongreß zu Gotha bis zum Vorabend des Sozialistengesetzes
Das Einigungswerk
Nachwehen
Reichstagsarbeit
Meine Stellung zur Kommune
Neue Verfolgungen
Der Parteikongreß in Gotha 1876
Der Wahlkampf 1876 bis 1877
Der Reichstag 1877
Der Kongreß in Gotha 1877
Landtagswahl in Sachsen. – „Die Zukunft.“
Wieder reif fürs Gefängnis
Innere Vorgänge
Der Reichstag Frühjahr 1878
Im Leipziger Gefängnis und was währenddem geschah
Das Hödel-Attentat und seine Folgen
Das erste Ausnahmegesetz
Das Nobiling-Attentat und seine Wirkung
Die Reichstagswahl von 1878
Отрывок из книги
Unter den Persönlichkeiten, die nach dem Tode Lassalles nacheinander die Führung des von ihm gegründeten Vereins übernahmen, steht J.B. v. Schweitzer allen weit voran. In Schweitzer erhielt der Verein einen Führer, der in hohem Grade eine Reihe Eigenschaften besaß, die für seine Stellung von großem Werte waren. Er besaß die nötige theoretische Vorbildung, einen weiten politischen Blick und eine kühle Ueberlegung. Als Journalist und Agitator hatte er die Fähigkeit, die schwierigsten Fragen und Themen dem einfachsten Arbeiter klar zu machen; er verstand es wie wenige, die Massen zu fanatisieren, ja zu faszinieren. Er veröffentlichte im Laufe seiner journalistischen Tätigkeit in seinem Blatte, dem „Sozialdemokrat“, eine Reihe populärwissenschaftlicher Abhandlungen, die mit zu dem Besten gehören, was die sozialistische Literatur besitzt. So beispielsweise seine Kritik des Marxschen „Kapital“ und die später als Broschüre veröffentlichte Abhandlung „Der tote Schulze gegen den lebenden Lassalle“, Arbeiten, die noch heute ihren vollen Wert haben. Auch als Parlamentarier erwies er sich als sehr geschickt und gewandt. Er erfaßte rasch eine gegebene Situation und verstand sie auszunutzen. Endlich war er auch ein guter Redner von großer Berechnung, der Eindruck auf die Massen und die Gegner machte.
Aber neben diesen guten, zum Teil glänzenden Eigenschaften besaß Schweitzer eine Reihe Untugenden, die ihn als Führer einer Arbeiterpartei, die in den ersten Anfängen ihrer Entwicklung begriffen war, dieser gefährlich machten. Für ihn war die Bewegung, der er sich nach mancherlei Irrfahrten anschloß, nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Er trat in die Bewegung ein, sobald er sah, daß ihm innerhalb des Bürgertums keine Zukunft blühte, daß für ihn, den durch seine Lebensweise früh Deklassierten, nur die Hoffnung bestand, in der Arbeiterbewegung die Rolle zu spielen, zu der sein Ehrgeiz wie seine Fähigkeiten ihn sozusagen prädestinierten. Er wollte auch nicht bloß der Führer der Bewegung, sondern ihr Beherrscher sein, und trachtete sie für seine egoistischen Zwecke auszunutzen. Während einer Reihe von Jahren in einem von Jesuiten geleiteten Institut in Aschaffenburg erzogen, später sich dem Studium der Jurisprudenz widmend, gewann er in der jesuitischen Kasuistik und juristischen Rabulistik das geistige Rüstzeug, das ihn, der von Natur schon listig und verschlagen war, zu einem Politiker machte, der skrupellos seinen Zweck zu erreichen suchte, Befriedigung seines Ehrgeizes um jeden Preis und Befriedigung seiner großen, lebemännischen Bedürfnisse, was ohne auskömmliche materielle Mittel, die er nicht besaß, nicht möglich war. Es ist aber eine alte geschichtliche Erfahrung, die in allen Volksbewegungen sich bestätigt hat, daß führende Persönlichkeiten, die sybaritische Gewohnheiten haben, aber wegen Mangel an Mitteln sie nicht zu befriedigen vermögen, leicht an sie herantretenden Versuchungen unterliegen, namentlich wenn sie dabei auch glauben, außer der Befriedigung ihres Ehrgeizes Scheinerfolge erringen zu können.
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Wir waren nicht enttäuscht, denn wir hatten uns keinen Illusionen hingegeben. Indes spann Schweitzer den alten Faden weiter. Vor allem setzte er auf der Generalversammlung in Erfurt, die für den 27. Dezember einberufen worden war, ein Wahlprogramm durch, dessen erster Punkt in Berlin an maßgebender Stelle notwendig freundlich aufgenommen werden mußte. Dieser Punkt lautete: „Gänzliche Beseitigung jeder Föderation, jedes Staatenbundes, unter welcher Form es auch sei. Vereinigung aller deutschen Stämme zu einer innerlich und organisch durchaus verschmolzenen Staatseinheit, durch welche allein das deutsche Volk einer glorreichen nationalen Zukunft fähig werden kann: durch Einheit zur Freiheit.“ Also auf dem Wege der Bismarckschen Politik zur Freiheit. Das war die gleiche Parole, welche die nationalliberale Partei aufgestellt hatte, und bedeutete weitere Annexionen, die nicht ohne einen neuen Krieg ausführbar waren. Der zweite Punkt des Programms handelte von der Forderung des allgemeinen, gleichen Wahlrechtes mit Diätenzahlung für Reichstag und Landtage. Sicherung der Volksrechte. Die Forderung nach allgemeiner Volksbewaffnung, die in dem von der Gräfin Hatzfeldt herrührenden Programmentwurf stand, strich Schweitzer, denn nach dem „Sozialdemokrat“ hatte Preußen bewiesen, „daß es allein durch seine staunenerregende organisatorische Kraft zur Führung der deutschen Wehrkraft berufen sei“, und dem durfte man doch jetzt nicht mit der allgemeinen Volksbewaffnung kommen. Der vierte Punkt verlangte Anbahnung der Lösung der Arbeiterfrage durch freie Assoziationen mit Staatshilfe nach den Prinzipien Ferdinand Lassalles. Also von Bismarcks Gnaden. Für Moritz Heß gab das Erfurter Programm endlich den Anstoß, um als letzter von den ersten Mitarbeitern dem „Sozialdemokrat“ die Mitarbeiterschaft aufzusagen.
Man vergleiche dieses Verhalten Schweitzers mit seinem Verhalten im Frühjahr 1865, als er, durch die Opposition in seinem Verein bedrängt, im „Sozialdemokrat“ vom 5. April 1865 erklärte:
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