Traurig war der Anblick des Schlachtfelds oder besser: der Schlachtfelder, die sich über Dutzende Kilometer erstreckten. Die Germanen hatten zwar das Überraschungsmoment auf ihrer Seite, dennoch gelang es dem römischen Befehlshaber Varus, sich in ein Lager zurückzuziehen. Am Abend des ersten Kampftags beschäftigte die Römer vor allem eine Frage: Wie sollten sie weiter agieren? Varus hielt einen erneuten Angriff der Germanen für unwahrscheinlich, denn die wussten jetzt, dass er bereit war. Also würde er weiterziehen, die aufständigen Stämme niederschlagen und dann in die Winterquartiere zurückkehren. Das würde Eindruck machen, zuhause in Rom und bei den Germanen.
Die Geschichte ging bekanntlich anders aus – die Römer wurden vernichtend geschlagen. Boris Dreyer erzählt nicht nur den Hergang der «Varusschlacht», sondern untersucht vor allem auch Vor- und Nachgeschichte – bis hin zu ihrer schillernden Rezeption als nationalitätsstiftender Mythos.
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Boris Dreyer. Als die Römer frech geworden
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Das Komplott – Varus und seine falschen Freunde
Rhein oder Elbe – Defensive oder Expansion
Die Römer in Germanien – Taktiken der Provinzialisierung
Der Weg in den Untergang – Rekonstruktion der Niederlage
Eroberung oder Rückzug – Germanicus versus Tiberius
Dreierlei Ende – Tam diu Germania vincitur
Hermann, der deutsche Recke – Die Rezeptionsgeschichte
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Literatur
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Boris Dreyer
Als die Römer frech geworden
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Die Berichte über die Geschehnisse an den Grenzen des Reiches sind nicht gleich dicht. Doch haben unsere Quellenautoren eigene Schwerpunkte gesetzt und damit eine Filterung vorgenommen, je nachdem, wie wichtig die Region und gefährlich die Bedrohung war: In Nordafrika sind einzelne Expeditionen von Ägypten aus nach Süden oder nach Arabien sowie einige administrative Umstrukturierungen belegt, in Kleinasien hielt Augustus an dem System der Klientelkönigtümer als cordon sanitaire zwischen den römischen Provinzen „Asia“, Kilikien sowie Syrien auf der einen Seite und dem Partherreich auf der anderen Seite prinzipiell fest. Das System dieser vorgelagerten Königtümer, die abhängig von Rom waren, war bereits von Pompeius dem Großen in den 60er-Jahren des 1. vorchristlichen Jahrhunderts angelegt worden. Die Klientelkönige blieben in ihrer Innenpolitik weitgehend autonom, mussten sich aber den außenpolitischen Richtlinien und Bedürfnissen Roms unterordnen, d. h. Tribute zahlen und Truppen stellen. Nach Maßgabe der Sicherung der Verwaltung und zur Belohnung der Treue wurden fortan Gebiete diesen Klientelkönigtümern zugeschlagen oder Teile davon ins benachbarte Provinzgebiet einbezogen. Anlass zu solchen Gebietskorrekturen konnte aber auch einfach ein Herrschaftswechsel in diesen Königtümern sein.
Jenseits dieser Klientelkönigtümer, die fest an das Römische Reich angeschlossen waren und keinerlei eigenständige Außenpolitik betreiben konnten, lagen mitunter Klientelkönigtümer „im weiteren Sinne“ wie Armenien, deren Bindung an das Reich lockerer war als die der Klientelkönige innerhalb der „Reichsgrenzen“. Im Fall von Armenien war die Kontrolle immer zwischen Rom und den Parthern umstritten; manchmal war es der Kandidat der Parther, der dort als König eingesetzt wurde, meist aber – unter Augustus und Tiberius wenigstens – der römische Kandidat. Aber auch mit dem Erzfeind, den Parthern, strebte man eine friedliche Einigung an. Sogar wenn es zu Spannungen kam, wurde ein Krieg tunlichst vermieden.