J’accuse
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Brausewetter Max. J’accuse
Wo warst Du?
Château d’If
Frioul I
Frioul II
III. Casabianda
Kerker in Casabianda
Uzès!
Nachspiele von Casabianda
Meine Anerkennung als Offizier
Отрывок из книги
Es war eine klägliche Rolle, die mir im Weltkriege 1914 zufiel, ich hatte mir alles so anders gedacht, als ich auf den ersten Kriegsruf hin von Malaga nach Barcelona fuhr, mich zu stellen. Zweimal machte ich die Fahrt, war inzwischen auch in Valencia, um dort einen Weg nach der schwerbedrohten Heimat zu suchen. Die Würfel fielen ungleich. Während einige von uns mit gutem Glück nach Genua gelangten, wurden wir trotz der Zusicherung, die wir von der deutschen, französischen und spanischen Regierung erhielten, in Marseille gefangengenommen und zur Untätigkeit rettungslos verdammt. Wenn mir je ein Wort Goethes Trost gewesen, so war es in dieser trostlosen Zeit Fausts Mahnung an den Menschen: Er stehe fest und sehe hier sich um, dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm. Dieses weltumfassende Wort verkleinerte ich mir für meine augenblickliche Lage so: Nicht jedem ist es vergönnt, in so gewaltiger Zeit da zu stehen, wo der Tod oder das E. K. winkt. Auch andere Posten verteilt das eherne Kriegsgesetz, und wen es auf minderwertigen gestellt, von dem fordert es gleiche Hingabe wie vom Vorposten. Fest soll er stehen und sich umsehen, dem Tüchtigen weist auch geringe Stellung seine Aufgabe, und ein Zusammenarbeiten aller erfordert so ernste Zeit. So lernte ich mich bescheiden und gewöhnte mich daran, dem Kasernenton französischer Korporale zu gehorchen und die hämische Behandlung unserer Vorgesetzten zu ertragen, unter der wir mehr litten, als unter schlechter Behausung und Ernährung. Ich suchte meinen Anteil am Kriege zu gewinnen, so klein er sei, und es ist mir oft gelungen, nicht immer.
Was ich bringe, ist wahr, mag es auch romanhaft klingen. Alle Briefe sind authentische Kopien, mit Ausnahme der Briefe an meine Frau, welche nur meinem Bedürfnis Rechnung trugen, mich ihr mitzuteilen, die ebenso litt wie ich. Sie hätten natürlich in dieser Form die Zensur nie passiert. So mag das Buch von seelischen und körperlichen Leiden erzählen. Es bringt davon vielleicht mehr, als sonst Gefangene erduldet haben; es mag auch berichten von einer Auferstehung unserer selbst, die viele, nicht alle, feiern durften.
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Bald darauf begann ein neuer Einzug der Gäste in unsere Burg. Es waren das Offiziere und Mannschaften der „Elsa Köppen“ und einiger anderer Schiffe. Die „Elsa Köppen“ war in Nizza angehalten und ihre Mannschaft gefangengenommen, ehe noch der Krieg ausgebrochen war. Das nahm uns nicht wunder; derlei waren und wurden wir immer wieder von neuem gewöhnt. Es waren 34 Mann, darunter der Kapitän und mehrere Offiziere. Sie waren teilweise scharf zugerichtet und erzählten von ähnlichem Empfang durch die französische Damenwelt, wie er etwa den meisten zuteil geworden ist, und den wir erst später genauer kennenlernen sollten. Wir begrüßten die Herren und räumten ihnen mit Einverständnis des Sergeanten Bonel als vorläufige Unterkunft den Festsaal ein. Die Offiziere wurden in einzelne Zimmer verteilt, der Kapitän William ins Tribunal, der Erste Offizier Heinrich zu uns. Am nächsten Tage gab es Revolution im revolutionären Zimmer: der neue Ankömmling schnarchte so, daß die festesten Mauern der Ruine ins Wanken gerieten. Es gibt Charaktersünden des Menschen, die beim Kriegsgefangenen zur Todsünde werden; dazu gehört das Schnarchen. Der Kapitän selbst verstand die Aufregung der Masse durchaus nicht und erklärte am nächsten Morgen mit Seelenruhe, daß er selten so gut geschlafen habe. Er ließ sich auch später nie durch die Nervosität der anderen aus so gleichmäßiger Ruhe bringen. Uebrigens liegt es mir fern, dem Herrn etwas Böses nachsagen zu wollen; er hat mir im Winter durch einen prachtvollen dicken Wintermantel und Kopfkissen die kalten Nächte erträglich gemacht. Auch wurde gegen etwaiges Weitertragen der Krankheit dem Herrn Kapitän mit drei anderen Herren, die rücksichtslos demselben Laster frönten, ein Extracachot in Château d’If angewiesen, dessen Akustik minderwertig war. Diese 34 reihten sich uns an, und wenn wir 72 Gefangene der Sister als Sisterleute von nun an eine eigene Gruppe bildeten, so erweiterte sich diese mit den 34 Matrosen zu den Château d’Ifern. Zu uns gesellten sich dann noch der alte Herr Müller und Herr Weißschedel, deren Schriftstücke mit der Versicherung ungehinderter Fahrt ich anfangs in Kopie wiedergab. Der eine von ihnen war ein Greis, der andere schwer krank; aber doch hielt sie Frankreichs Starrsinn und Unberechenbarkeit als mobilisable Gefangene.
Und noch eines muß ich gedenken, der in unsere Gruppe aufgenommen wurde. Den darf ich nicht mit drei Worten abspeisen; er bot uns lange Unterhaltungsstoff und war ein Gradmesser für unsere erregten Nerven. Es war an einem Dienstag. Wir schrieben den 9. September. Hinter uns lagen die üblichen Sonntagsbesuche, die meist aus Damen bestanden, welchen wir als „boches“, also als besondere Spezies von Menagerietieren, gezeigt wurden. Der Montag hatte uns mit dem Einfahren der Sister die üblichen Hoffnungen, mit ihrer Ausfahrt die übliche Enttäuschung, der Dienstag den Katzenjammer gebracht. Unsere Stimmung war die denkbar schlechteste und gefährlich für Kombinationen. Noch dazu hatte am Nachmittag einer der Herren tschechischen Geistes, der uns als besonders gewaltiger Redner gepriesen war, eine herzlich öde Rede über den Marienkultus gehalten, kurz, wir waren reif zur Aufnahme einer Sensation. Die ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Sie erschien – das war an und für sich durchaus nichts Besonderes – in Gestalt eines neuen Gefangenen. Aber die Begleitumstände! Die bekannte Treppe hinauf durch das Tor schritt ein Jüngling von etwa 24 Jahren, französische Soldaten – ja, das war es! – trugen ihm Koffer, Matratzen, Kissen und Decken nach; er lohnte sie ab und entließ sie.
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