Отрывок из книги
Tiefe Bedenken
Ihre Augenlider waren geschwollen. Auch das eiskalte Wasser, das sie sich mehrmals mit hohlen Händen ins Gesicht schüttete, brachte keine wesentliche Besserung. Emma legte ihre Hände aufs Gesicht und zog mit festem Druck an ihren Wangen, sodass die Augen geöffnet wurden und das Weiße um den Augapfel herum sichtbar wurde. Winzige rote Äderchen zeigten sich am Rand des Augenwinkels. Ihre Haare waren widerspenstig und ließen sich heute einfach nicht in Form bringen. Noch nie war es ihr passiert, dass sie dermaßen übernächtigt aussah. Sie stellte eine gewisse Blässe ihrer Haut fest. Dabei hatte der Sommer doch schon längst angefangen! Vielleicht sollte sie mehr an die frische Luft gehen, anstatt jedes bisschen Freizeit vor dem Computer oder im Silky Sexlife zu verbringen. Starker Kaffee würde sie jetzt bestimmt munter machen.
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Gewohnheit … wie das klang… Plötzlich fiel ihr der Spruch ein, der als Orakel auf ein kleines Zettelchen geschrieben war, das sie aus Mallorca mitgebracht hatte: Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Sie musste auf sich aufpassen, das spürte sie nun in aller Deutlichkeit. Es schien, als würde sich der Sinnspruch weiter fortsetzen. Als wäre ihr Schicksal schon sehr nahe bei ihr. Sie konnte nur nicht erkennen, wie es aussah und was sie tun sollte. Die Selbstzweifel wurden plötzlich heftiger. Ihr Herz wurde schwer. Ihre Gewohnheiten sollten zu ihrem Charakter werden? Was sollte das bedeuten?
Sie ließ ihren Kopf nach unten sinken, atmete die Waldluft tief ein und versuchte, die Situation vernünftig zu überdenken. Sie versuchte abzuwägen, was ihr wichtiger war. Ein Leben in unendlicher Freiheit, in dem sie niemandem Rechenschaft darüber ablegen musste, was sie tat, warum sie es tat, wo und wie lange? Das bedeutete allerdings auch Einsamkeit. Ein neuer Mann an ihrer Seite hieße, sich wieder kümmern zu müssen, ihre eigenen Wünsche zurückzustecken, nicht mehr alles in vollen Zügen ausleben zu können. Andererseits – wäre eine Bindung vielleicht doch besser? Auch Liebe und Glück hingen daran, wenn eines Tages der Richtige käme. Ihre Gedanken tickten hin und her wie der Zeiger eines Metronoms, das den Takt ihres Lebens bestimmen wollte. Sie stand zwischen Sehnsucht und Gefühlskälte. Zwischen aufkeimender Vernunft und sexueller Gier. Die beginnende Gleichgültigkeit machte ihr zu schaffen. Sollte sie weiterhin das Mäuschen spielen, das auf verstecktem Weg ihr Glück in einem Etablissement suchte, das ja doch nur Schein war, oder sollte sie nun aufhören und sich wieder den realen Dingen im Leben widmen, die wirklich wichtig waren? So sehr Emma die Anonymität im Club schätzte, so wusste sie doch genau, dass all diese Männer nur einmal, höchstens zweimal mit ihr zusammentrafen und danach für immer verschwanden.
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