Warum auf Autoritäten hören?
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Catherine Newmark. Warum auf Autoritäten hören?
Отрывок из книги
Warum auf Autoritäten hören? Das scheint auf den ersten Blick eine ganz und gar altmodische Frage zu sein, eine Ermutigung für Ewiggestrige mit reaktionären Sehnsüchten nach hierarchischen Weltordnungen. Wozu haben wir denn Jahrzehnte, ja Jahrhunderte der Autoritätskritik hinter uns? Ist nicht die egalitäre Gesellschaft, in der zumindest theoretisch alle die gleichen Rechte haben, eine der größten Errungenschaften der Moderne? Institutionen wie die katholische Kirche mögen noch einem starken Begriff von Autorität anhängen – im Einklang mit ihren nach wie vor explizit antimodernen, ja die Moderne entschieden bekämpfenden Überzeugungen. Aber im Großen und Ganzen ist die Autorität in den westlichen Gesellschaften spätestens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in Verruf geraten. Schon in den 1950er-Jahren betitelte die Philosophin Hannah Arendt einen Aufsatz mit »What Was Authority?«1, als sei Autorität definitiv ein Ding der Vergangenheit. Und der Schlag, den die emanzipatorischen Bewegungen ab den 1960er-Jahren – von den 68ern über die Frauenbewegung, die sexuelle Befreiung bis zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung und den antikolonialen Kämpfen – der Vorstellung von legitimen und notwendigen autoritären und hierarchischen Verhältnissen versetzt haben, hätte kaum härter ausfallen können.
Die Reichweite des Kulturwandels der letzten Jahrzehnte ist schwer zu überschätzen; der Niedergang der Autorität beginnt freilich schon viel früher. Bei Lichte besehen gehört Kritik an Autorität und Autoritäten zum Standardrepertoire der öffentlichen Debatte seit Beginn der Neuzeit. Ja, das Projekt der Moderne kann insgesamt als Versuch gesehen werden, an die Stelle einer hierarchischen, auf Autorität gegründeten Ordnung eine egalitäre Ordnung von freien Individuen zu setzen.
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Für die jüngere Gegenwart dürfte Erziehung das Feld sein, auf dem die Debatte über Autorität am explizitesten geführt wurde, eine Debatte, die zumindest meiner bescheidenen Erfahrung nach weiterhin als ungeklärt und unabgeschlossen angesehen werden muss.
Die Frage nach unserem Verhältnis zu Autorität und Autoritäten reicht aber auch heute weit darüber hinaus. Die Vorstellungen, die wir uns vom Führen und Geführtwerden machen, davon, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen und Verantwortung abzugeben, überspannen noch immer die verschiedensten Bereiche und reichen vom Politischen über die Wissenschaft, die Arbeitswelt und die Gesellschaft im Allgemeinen bis hin zur Frage nach der Geschlechterbeziehung und eben derjenigen nach der Kindererziehung.
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