Stufen - Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen

Stufen - Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen
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Humorvoll, wortgewandt und bisweilen satirisch – so kennen Leser den Stil des Dichters Christian Morgenstern (1871-1914). Doch der Lyriker hat auch eine philosophische und nachdenkliche Seite, zu der dieses posthum veröffentlichte Buch Zugang gewährt. Morgenstern lässt uns teilhaben an seinen Überlegungen und Ansichten zu verschiedensten Themen, unter anderem Kunst und Sprache, aber auch Natur und Psychologie. Seine Lebensweisheiten hält er fest in treffenden Aphorismen und kurzen Texten, die auch nach der Lektüre im Gedächtnis bleiben. -

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Christian Morgenstern. Stufen - Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen

Stufen - Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen

Autobiographische Notiz

In me ipsum

Natur

Kunst

Literatur

Theater

Sprache

Politisches Soziales

Kritik der Zeit

Ethisches

Lebensweisheit

Erziehung Selbsterziehung

Psychologisches

Erkennen

Weltbild: Anstieg

Weltbild: Episode, Tagebuch eines Mystikers

Weltbild: Am Tor

Über Stufen - Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen

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Christian Morgenstern

bleibt mit mir verwandt.‹

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Es wäre vielleicht der richtige Augenblick, ein Tagebuch zu beginnen. Draußen regnet es ununterbrochen seit neun Stunden und bringt mir meine Einsamkeit erdrückend zum Bewußtsein. Heute Nachmittag durchfuhr es mich: wenn ich meine Gedanken und mein Schaffen nicht hätte, wie würde ich dann wohl solch ein Krankenleben ertragen können. Und ich bin krank, wenn ich es auch fortwährend wieder vergesse und mitten in meiner Krankheit Stunden, Tage, Wochen vollkommener Gesundheit durchlebe, Zeiten voll herrlichsten Blühens, in denen der Zerfall in mir gleichsam überblüht, hinweggesiegt wird von einem Frühling, der Herbst und Winter des Leibes nicht anerkennt, der die Ordnung der Natur vergewaltigt und, als unüberwindliche immer wieder auferstehende Lebenskraft mich über mich selbst hinwegretten zu wollen scheint. Aber dann kommt ein Spätnachmittag mit seiner gefährlichen Muße, dann kommt ein nasser, trübseliger Tag wie dieser, und mit dem Vergessen dessen, ›was ist‹, ist es vorbei. Ich sehe ihn vor mir, meinen treusten Begleiter und Verfolger, den seltsamsten Kauz der Welt. Seine Beschäftigung besteht seit zehn, seit vierzehn Jahren darin, mich mit einer feinen Federpose in der Luftröhre zu reizen, gleich als wünschte er auf Erden nichts, als immer von neuem, Stunde um Stunde, Tag um Tag, Jahr um Jahr meine Stimme zu hören, lediglich die Stimme, unartikuliert, tierisch, ohne Form, ohne Inhalt, wie er denn wohl auch selbst nur ein tierischer Geist sein mag, ein Gespenst ohne Hirn, nichts als fixe Idee von oben bis unten und ich sein einziges Ziel, sein einziger Lebenszweck.

Es berührt mich eigentümlich, wenn meine Freunde künftige Pläne vor mir ausbreiten. Die einen denken sich ein kleines Haus für mich aus in ihrer Nachbarschaft, die andern wollen mich weiß Gott wohin haben. Vielleicht, vielleicht. Aber ich gebe mir höchstens noch zehn Jahre. Und diese zehn Jahre haben ihre Bestimmung, und die ist kaum: Nachbar zu werden und Besuchsreisen zu machen. Am meisten schmerzt mich, was ich von dichterischen Möglichkeiten alles fallen lassen muß. Zum Drama werde ich nie gelangen, ich habe von Natur nicht das Zeug dazu und mich auf Drama hinzudisziplinieren, dazu fehlt, wie gesagt, Zeit und dann auch Energie. Mein Widerwille nämlich gegen richtiges, zusammenhängendes ›Schreiben‹ ist allzu groß. Daran wird auch mein Roman scheitern. Ich bin Gelegenheitsdichter und nichts weiter.

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