Pappel. Die Geschichte eines Herumtreibers

Pappel. Die Geschichte eines Herumtreibers
Автор книги: id книги: 2226363     Оценка: 0.0     Голосов: 0     Отзывы, комментарии: 0 893,96 руб.     (8,28$) Читать книгу Купить и скачать книгу Электронная книга Жанр: Языкознание Правообладатель и/или издательство: Bookwire Дата добавления в каталог КнигаЛит: ISBN: 9783863913106 Скачать фрагмент в формате   fb2   fb2.zip Возрастное ограничение: 0+ Оглавление Отрывок из книги

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Описание книги

3. Juli 1883. Während in Österreich-Ungarn Julie Kafka der Hebamme fest entschlossen in die Augen sieht und ihren ersten Sohn gebärt, ereignet sich im Gelbachtal ein nicht weniger großes Wunder: Der Spross einer Schwarzpappel erblickt das Licht der Welt. Schon bald löst diese sich von ihren Wurzeln und schreitet fortan als Konrad Pappel durch die Gefilde. Konrad, dessen Leben auf mysteriöse Weise mit jenem Franz Kafkas verbunden ist, nimmt den Leser mit auf einen wahnwitzigen Husarenritt durch die vergangenen 150 Jahre: an den Weltkriegen vorbei, durch den Eisernen Vorhang hindurch, bis in unsere Gegenwart hinein. Dalibor Marković zieht in seinem Debütroman alle Register und erweist sich dabei als großer Erzähler, der es mit dem mikroskopisch Kleinen ebenso wie mit den Weiten des Universums aufnehmen kann.

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Dalibor Markovic. Pappel. Die Geschichte eines Herumtreibers

Inhalt

Die Bäume

Wunsch, Indianer zu werden

In der Strafkolonie

Amerika

Auf der Galerie

Beschreibung eines Kampfes

Die Verwandlung

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Dalibor Marković, 1975 geboren in Frankfurt am Main, wo er auch heute lebt, ist Autor, Lautpoet und Lyriker. Seit knapp zwanzig Jahren ist Marković mit seiner Spoken-Word-Lyrik auf deutschen und internationalen Bühnen unterwegs, außerdem gibt er regelmäßig Workshops zum Verfassen und Vortragen von Poesie. »Pappel«, zu großen Teilen in Mexico City, Markovićs zweitem Lebensmittelpunkt, entstanden, ist sein Debütroman. Ebenfalls bei Voland & Quist erschienen ist der Lyrikband »Und Sie schreiben auf Deutsch?« (2016).

Ernst Nowak

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Weil ihn alle Kutscherhannes nannten, dachte er den ganzen Tag darüber nach, sich einen anderen Spitznamen zuzulegen. Einen Namen, der abenteuerlicher klang, ihn verwegener wirken ließ, vielleicht etwas Exotisches. Vor allem einer, der nicht sofort seinen Beruf preisgab. Gestern, im schäbigen Teil des Bahnhofsviertels, war er in seine angestammte Schänke gegangen und hatte im Augenwinkel die neue Kellnerin entdeckt, die am hintersten Tisch, neben dem Durchgang zur Küche, leere Krüge einsammelte. Wundervolle Schultern hatte sie, breit und stramm, sodass er sich in die Nähe der Theke setzte und bald ein angeregtes Gespräch entstand. Als beim zweiten Bier jemand zur Tür reinkam, der ihn erkannte und seinen Namen quer durch den Raum verteilte, sah der Kutscher, wie die Kellnerin das Gesicht verzog, als hätte sie in faules Obst gegriffen. Sie bewirtete ihn immer noch höflich, aber ohne einen Funken Interesse. Die Person hatte mit dem freundlich gemeinten Gruß all seine Pläne zerstört. Wahrscheinlich hätten sie sich wenige Monate später verlobt, er und die Kellnerin mit den breiten und strammen Schultern. Sein Humpeln, das sie zunächst nicht bemerkt hatte, hätte sie hingenommen. Sobald sie ihn als Mensch erst einmal ins Herz geschlossen hätte, beim weiteren Gespräch im Halbdunkel der Kneipe, hätte sie das taube Bein akzeptiert, mehr noch, es mit Würde als Herausforderung des Lebens angenommen. Denn eine Sache beherrschte er wie kein Zweiter: aus einem alltäglichen Gespräch in ein Herumschäkern abzubiegen, Komplimente zu verteilen, in angehängten Nebensätzen, sodass sie als solche nicht ins Rampenlicht traten, oder sich genau portionierte Spitzfindigkeiten auszudenken, die eine junge Kellnerin rot werden ließen und zum Kichern brachten. Es war eindeutig notwendig, dass ein neuer Name hermusste, dachte der Kutscher, als es im Geäst über ihm knackte und ein affenartiges Gebrüll ein Fallen in Gang setzte, dessen Verursacher auf dem Bock neben ihm landete. Die vermummte Gestalt schrie, dass dies ein Überfall sei, rutschte seitwärts und zog die Fußbremse an. Glockenhell war die Stimme, der Körper schlank und flink, schon wurde ihm eine Klinge an den Hals gehalten. Beide Pferde blieben stehen und senkten die Köpfe, als gäbe es eine Wiese abzusuchen. Aus den Büschen huschte eine weitere Gestalt heran und öffnete die Kabinentür. Herr Brod würde seinen Dobermännern bestimmt gleich den Reißbefehl erteilen, dachte der Kutscher, was auch prompt geschah. Die Hunde knurrten und bellten furchterregend, fanden aber anscheinend die Waden des Kabinendiebes nicht. Anders konnte sich der Kutscher die ratlos hysterischen Ausrufe Brods nicht erklären, der mehrfach den Satz wiederholte, dass der Dieb doch unmittelbar vor ihnen stehe, ob sie ihn denn nicht sehen würden. Die Hunde wurden ruhiger, winselten wie Welpen, das Geräusch kannte er, es kam nur auf, wenn ihr Herrchen sie am Bauch streichelte. Auch Brod sagte nichts mehr, es wurde so leise, dass die hastigen Atemzüge der vermummten Gestalt, die neben ihm saß, durch seine Ohren pumpten. Aus der Kabine drang noch ein Murmeln, raschelnde Geräusche, dann trat der Kabinenräuber heraus und verschwand zusammen mit der vermummten Gestalt, die geschmeidig vom Bock gesprungen war, in den Gebüschen am Wegesrand. Der Kutscher, der sich sowohl bei Herrn Brod nach dessen Befinden erkundigte als auch seine Pistole unter der Weste herauszog, war im Begriff zu schießen, am besten mehrmals, jeweils den Lauf nach jedem Schuss leicht versetzend, ins schattige Grün der Gebüsche hinein, aber er hatte nie gelernt, wie man die Sicherung löste. Weder sein Vater hatte es ihm gezeigt, ein schamgebeugter Mann, der eines Tages mit der Wäscheleine im Wald verschwand, noch jemand aus dem Haushalt der Familie im Dorf, bei der er geblieben war und in den Nächten auf dem Boden von einer Mutter träumte, die er nie kennengelernt hatte. Er solle doch schießen, der dumme Krüppel, schrie Brod ihn an, der aus der Kabine herausgestolpert war und lauthals den Umstand verfluchte, dass sein früherer Kutscher, ein Waffennarr und ehemaliger Gewichtheber auf Jahrmärkten, gezwungen war, in einem Erdloch an der Westfront darauf zu hoffen, nicht in Stücke gespalten zu werden. Der Kutscher ließ die Pistole langsam sinken und strahlte. Ihm war ein Spitzname eingefallen, der sehr gut zu ihm passen könnte. Kanonenhannes, flüsterte er vor sich hin.

Wie aus dem tiefsten und dunkelsten Kerkerraum der Wasserburg zu fliehen, so fühlte es sich an. Mit Panik in den Bewegungen, den Augen. Die aus Stein gehauene Wendeltreppe hasteten sie hinauf, überblickten gründlich den Innenhof. Gaben sich einen Ruck und rannten um ihr Leben, dem Haupttor entgegen, wo sie den Hebel zum Ablassen der Zugbrücke betätigten. Die schweren Ketten ratterten durch ihre Köpfe hindurch. Eine ohrenbetäubende Angst. Sahen hinter sich, vor Erreichen des gegenüberliegenden Ufers, um sicher zu sein, dass niemand sie verfolgte. Dann endlich, mit einer ungehörigen Vorfreude im Atem, nahmen sie Anlauf und sprangen in den langersehnten Jubel. Konrad und Luda kugelten vor Glück im Gras herum, blieben auf dem Rücken liegen, sahen in den Himmel und lösten sich auf vor Lachen, versickerten wie Regentropfen in der Erde, zwei Rinnsale, die sich durch den warmen Boden schlängelten, tauchten wieder auf, in einem Maisfeld, wo sie sich in Pfützen gesammelt hatten, aus denen sie sich erhoben, erst in die Hocke, dann aufrecht. Der Mais überragte ihre Köpfe um das Doppelte, sie suchten einen Ausweg. Entweder wucherten die Pflanzen im Eiltempo nach oben, oder die Erde schrumpfte mit jedem Schritt, den sie machten, ein Stückchen zusammen. Es war ihnen egal. Im Rücken geriet der Boden in Schräglage, als würde das Maisfeld auf einer Seite langsam ansteigen. Irgendwann ragte es so hoch hinaus, dass sie mit halsbrecherischer Beschleunigung aus dem Feld rutschten, die Arme vor Freude in die Luft gereckt, durch ein Dorf und noch ein Dorf hindurch, in eine abgelegene Waldhütte hinein. Dort blieben sie stehen, die Hände auf die Knie gestützt, völlig außer Atem. Forderten sich heraus, wer länger die Luft anhalten könne, bis die Lungen brannten. Zählten das Geld aus der Lederbörse, tausendeinhundert, oder waren es tausendfünfhundert, begannen von vorne. Flüsterten Zwischensummen, die beim Zusammenrechnen wahrhaftige Konturen bekamen und zur Decke aufstiegen wie Seifenblasen. Unter jedem Geldschein lagen wunderschöne Dinge, die man sich davon kaufen konnte, wie zum Greifen nahe eine goldene Halskette, am Ende baumelte eine Taschenuhr, oder ein Schiff vor Anker, am Riff einer Südseeinsel, mit Tausenden Mandarinen, in Palmblättern gesammelt, dazwischen Teilchen, selbstverständlich schokoglasiert. Beide ließen sich irgendwann erschöpft auf den Boden nieder, lagen nebeneinander oder mit den Armen eng verschlungen, je nachdem, wie der Mond durch die zerbrochene Dachluke fiel. Ein Buch war auch da, eine Papprolle ebenfalls, Konrad hatte beides mitgenommen, einfach aus den Händen gerissen, dem unverschämten Brod. Luda fing an vorzulesen, von einem Mann, der in seinem Bett aufwachte, über Nacht war er in einen Käfer verwandelt worden. Konrad war hingerissen, die Worte waren klar und eindringlich, anders als in den gestapelten Heften in der Hütte hinterm Bahnhof, wenn Tom ihm vorgelesen hatte. Die Sätze purzelten rhythmisch nach vorne, im Takt der Schläge eines eines Bildhauers, der mit einem Hämmerchen nachdenkliche Gesichtszüge in einen Bronzeblock formt. Konrad dämmerte langsam weg. Er sah, wie das Hämmerchen zu einem Buntspecht wurde, dann zu seiner Faust, die gegen Türen klopfte, die niemand öffnete. Durch die Handlung der Geschichte, die ihm im Ohr herumtanzte, drang eine Berührung, zärtlich und warm, ein Gutenachtkuss und noch ein weiterer, mit weichen Lippen, ein sanfter Schubs in den Schlaf.

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