Was das Leben kostet
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Deborah Levy. Was das Leben kostet
1 Big Silver
2 Der Sturm
3 Netze
4 Leben in Gelb
5 Schwerkraft
6 Elektrokörper
7 Die schwarzbläuliche Dunkelheit
8 Die Republik
9 Nachtwandern
10 Ich bin da, wo das X ist
11 Schritte im Haus
12 Der Anfang von allem
13 Die Milchstraße
14 Frohe Botschaft
Zitatnachweise
Fußnoten
Über Deborah Levy
Impressum
Отрывок из книги
Deborah Levy
Was das Leben kostet
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Wenn ich nicht schrieb, unterrichtete und Kisten auspackte, befasste ich mich mit den verstopften Rohren unter dem Waschbecken im Bad. Dazu musste ich erst einmal alles auseinanderschrauben, was sich auseinanderschrauben ließ, dann stellte ich einen Eimer unter den Siphon und wusste nicht, wie es weiterging. Von einem Nachbarn, einem Kardiologen, der eine Etage tiefer wohnte, hatte ich ein geheimnisvolles Gerät ausgeliehen, das einem Staubsauger ähnelte, aber Drähte hatte, die in das Abflussrohr eingeführt wurden. Es war früh am Morgen, und ich trug eine blaue Handwerkerjacke (hierzulande auch französische Postlerjacke genannt) über dem Nachthemd. Die blaue Postlerjacke für einen Klempnerjob zu tragen war keine bewusste Entscheidung, überhaupt nicht; sie hing einfach am Türhaken im Bad, und sie wärmte. Der Kontrast zwischen robuster Funktionsbaumwolle und hauchdünnem Nachthemd schien mir meine Lage ausgezeichnet zusammenzufassen, aber welches Fazit ich ziehen sollte, war mir nicht klar. Seitdem ich nicht mehr mit der Gesellschaft verheiratet war, befand ich mich im Übergang zu etwas oder jemand anderem. Zu was, zu wem? Wie soll ich dieses sonderbare Gefühl von Auflösung und Wiederzusammensetzung beschreiben? Wörter müssen den Geist öffnen. Wenn Wörter den Geist verschließen, können wir sicher sein, dass jemand zu nichts reduziert wurde.
Zum Vergnügen (es war sonst niemand da) begann ich über die Gattung des weiblichen Nachtgewands im Verhältnis zur Klempnerei nachzudenken. Mein aktuelles Nachthemd war aus schwarzer Seide und gattungsmäßig wohl recht sinnlich. Ich hätte darin lustwandeln oder mich damit verkleiden können, zumal Weiblichkeit ohnehin eine Maskerade ist. Ich stellte fest, dass schwarze Seide innerhalb der Gattung weiblicher Nachtwäsche ein Klassiker ist. Zur Vervollständigung der Kombi trug ich außerdem meine »Schamanenlatschen«, wie meine Töchter sie nennen: knöchelhohe schwarze Wildlederstiefelchen mit üppiger, unangenehm echt wirkender Kunstpelzverbrämung, die am einen Schuh herunterhing wie ein kleiner Schwanz und mir um den Knöchel schlug, als ich durch die Wohnung ging und nach einem Gerät suchte, das sich Saugglocke nennt. Die Schuhe waren ein Geschenk meines besten Freunds, der fand, ich hätte eine gewisse »Dämmung« nötig, wie er sagte – was ein Klempner- oder jedenfalls Heimwerkerbegriff für das Verdecken von Bloßgelegtem und Wundem sein mag. Ich schätzte die Pelzstiefelchen mit ihrer wohligen Wärme und ihren magischen Eigenschaften (meine Phantasievorstellung war wohl, dass ich die Tiere eigenhändig gehäutet hatte); sie und die Postlerjacke schienen ein Kontrapunkt zu dem schwarzen Seidennachthemd zu sein.
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