Grimmelshausen

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Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen hat mit seinen satirisch-kritischen und zugleich unterhaltsamen Romanen und Traktaten die beiden großen Diskurse der Frühen Neuzeit, Politik und Religion, begleitet, so wach und an eigener Erfahrung orientiert wie kein anderer deutscher Barockdichter. Er ist zu Antworten gelangt, die uns in ihrer Menschenfreundlichkeit über die Jahrhunderte hinweg immer noch berühren und ermutigen können. Dieter Breuer stellt hier vor, was er für den „Kern“ von Grimmelshausens Werken hält: positives Geschichtsdenken, gerechte Staatsordnung, Ächtung des Krieges und Friedenspolitik, Aufklärung über Vorurteile gegenüber Minderheiten, insbesondere den Juden, soziales Engagement statt Resignation, Widerstand gegen unverantwortliche politische Entscheidungen, überkonfessionelles Christentum, Bekehrung als didaktisch nicht planbare innere Glaubenserfahrung, Tolerierung andersartiger Lebensentwürfe, Überwindung religiöser Intoleranz, Willensfreiheit und Vorsehung.

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Dieter Breuer. Grimmelshausen

Grimmelshausen

Impressum

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Inhalt

Vorbemerkung

Einleitung „Nicht nur zur Zeit-Verkürtzung“ – Grimmelshausen und seine Historien. I

II

III

I. Teil „von Aenderung eins Staads“ – Kritik des politischen Handelns. 1. Grimmelshausens politische Argumentation: Für und Wider den absolutistischen Staat. I

II

III

2. Krieg und Frieden im Simplicissimus Teutsch. I

II

III

IV

3. Antisemitismus und Toleranz. Grimmelshausens Darstellung der Vorurteile gegenüber den Juden

I

II

III

4. Grimmelshausens Inselutopie. I

II

III

IV

5. Erotik und Gewalt

Keuscher Joseph und Musai

Dietwalt und Amelinde

Proximus und Lympida

6. Politischer Widerstand im Jahreskalender. I

II

III

IV

7. Wider die Intoleranz der Theologen

Ob ein jedweder in seinem Glauben könne selig werden?

Bekehrung

Ob ein Catholischer Fürst vnd Herr die Ketzer in seinem Lande vnd Provintz leiden möge?

Ob ein Fürst oder Obrigkeit die Jüden in seiner Statt oder Lande leiden möge?

Vom Krieg/Ob er den Christen zugelassen sey?

8. Die Friedensschriften des Erasmus während des Dreißigjährigen Krieges. I

II

III

II. Teil „Weder Petrisch noch Paulisch“ – Der simplicianische dritte Weg. 1. Grimmelshausens simplicianische Frömmigkeit und der Augustinismus des 17. Jahrhunderts. I

II

III

IV

V

VI

2. Grimmelshausen und das Kloster Allerheiligen

I

II

III

IV

V

3. Sich verändern, sich verwandeln – Zu Grimmelshausens Continuatio. I

II

III

IV

V

4. Weissagung und Willensfreiheit – Die Wahrsagerin von Soest. I

II

III

IV

5. Die Geister unterscheiden lernen – Grimmelshausens Ewig-währender Calender. I

II

6. Der Vergleich mit dem Propheten Jona

7. Courasches Unbußfertigkeit. I

II

III

IV

8. Vergebliche Bekehrungsversuche im Springinsfeld-Roman. I

II

III

IV

9. Die sinnreiche Siebzehn – Zahlenallegorese bei Grimmelshausen. I

II

III

Keuscher Joseph

Anhang Etlicher wunderlicher Antiquitäten

Simplicissimus Teutsch

Courasche

Springinsfeld

Ewig-währender Calender

Dietwald und Amelinde

Verkehrte Welt

Wunderbarliches Vogelnest I

Bartkrieg

Galgenmännlin

Wunderbarliches Vogelnest II

10. Irenik – Bestrebungen zur Überwindung des Konfessionsstreits zur Zeit Grimmelshausens

I

II

III

Schluss „Eine freye Person die niemand unterworffen“ – Zur Frage der Identität und Entwicklung des Simplicissimus. I

II

Anmerkungen. Einleitung

I. Teil: „von Aenderung eins Staads“ – Kritik des politischen Handelns. 1. Grimmelshausens politische Argumentation

2. Krieg und Frieden im „Simplicissimus Teutsch“

3. Antisemitismus und Toleranz

4. Grimmelshausens Inselutopie

5. Erotik und Gewalt

6. Politischer Widerstand im Jahreskalender

7. Wider die Intoleranz der Theologen

8. Die Friedensschriften des Erasmus

II. Teil: „Weder Petrisch noch Paulisch“ – Der simplicanische dritte Weg. 1. Grimmelshausens simplicianische Frömmigkeit

2. Grimmelshausen und das Kloster Allerheiligen

3. Sich verändern, sich verwandeln

4. Weissagung und Willensfreiheit

5. Die Geister unterscheiden lernen

6. Der Vergleich mit dem Propheten Jona

7. Courasches Unbußfertigkeit

8. Vergebliche Bekehrungsversuche im Springinsfeld-Roman

9. Die sinnreiche Siebzehn – Zahlenallegorese bei Grimmelshausen

10. Irenik – Bestrebungen zur Überwindung des Konfessionsstreits

Schluss: „Eine freye Person, die niemand unterworffen“

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Dieter Breuer

Politik und Religion

.....

Die traditionellen Argumente für den Krieg („die Hochheit der Nutz und die Nothwendigkeit des Kriegs“) findet Grimmelshausen im zeitgenössischen Nachschlagewerk des Tomaso Garzoni (Piazza Universale, 81. Diskurs: Vom Kriegswesen insgemein)120. Jedoch relativiert er dessen aus den antiken Schriftstellern gezogene Argumente sogleich durch eine Wenn-dann-Konstruktion: Wenn das Glück des Menschen in der Rache bestehe, dann sei der Krieg das geeignete Mittel, diesen Zweck zu erreichen; gleiches gelte für den Fall, daß das höchste Gut des Menschen „in Hochheit [= hohem Stand]/Reichthumb/eusserlichen Ehren und grossem Gewalt“ bestehe121.

Man sieht, daß für Grimmelshausen die Gründe zur Rechtfertigung des Krieges eine Konsequenz eines bestimmten, jedenfalls unchristlichen Menschenbildes sind, von dem er sich distanziert. Ernsthafter referiert er – immer nach Garzoni – das Argument aus der Politik des Aristoteles, daß der Krieg zur Verteidigung notwendig und damit gerechtfertigt sei: „vergeblich würde es seyn/das Feld zu bauen/und allerhand Arbeit fürzunemmen/sich zu ernähren und auszubringen/wann man nit auch besondere Leuth hätte/die einen ieden bey dem seinigen wider allen Gewalt und Unrecht beschützten/welchs dan ohn Krieg nicht wohl geschehen mag.“ Ein solcher „gerechter Krieg“: „nit zwar zuer Belaidigung [= Angriff]/sonder zu einer nothwendigen Defension“, sei zugleich aber auch ein geeignetes Mittel, ein Imperium, ja die Weltherrschaft zu begründen, die Tugend der Tapferkeit zu üben, Ruhm und Reichtum oder die Freiheit zu erlangen (Letzteres wird am Beispiel des Schweizer und des Niederländischen Freiheitskrieges exemplifiziert). Aus dieser Wertschätzung des Krieges wird sodann, nicht unlogisch, die traditionell hohe Bewertung der Kriegskunst abgeleitet sowie die Verehrung der Kriegshelden, die sich einen „unsterblichen Namen“ gemacht hätten, – angefangen bei den Helden des Trojanischen Krieges und dem Perserkönig Cyrus bis hin zum bayerischen und kaiserlichen Reitergeneral Jean de Werdt aus dem Dreißigjährigen Krieg122. Grimmelshausen bricht die schier endlose Reihe von traditionellen Vorbildgestalten mit dem von Garzoni übernommenen Seufzer ab, daß sie, „wann man sie nach Gebühr alle nennen sollte/ehender die Feder stümpffer als einesten Gedächtniß müeth machen würden“123. Wie man unschwer erkennt, ist das Garzoni-Referat so angelegt, daß es durchaus auch ironisch verstanden werden kann, da sich das theoretische Argument des scheinbar gerechten Verteidigungskrieges bei der kleinsten Konkretion ins Gegenteil verkehrt.

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