Anatomie in der Wirtschaft und Gesellschaft

Anatomie in der Wirtschaft und Gesellschaft
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Strukturen durchziehen unser wirtschaftlich-gesellschaftliches Leben. Die Zusammenhänge dieser Strukturen bilden die Anatomie. Für das Verständnis der modernen Gesellschaft und Wirtschaft ist es eine gute Voraussetzung dahinter zu sehen. Die Kommunikationsstrukturen Einzelner und sozialer Institutionen zeigen auf, was im Alltag wie funktioniert. Die Zusammenhänge zwischen dem Nationalstaat, der Demokratie und der globalen Wirtschaft sind kritisch dargestellt. Von A bis Y ist ein zusammenfassender Abschluss des Buchs mit entsprechenden Titeln, die schnell eine Übersicht zum Gesamtbuch darstellen.

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Eduard Hauser. Anatomie in der Wirtschaft und Gesellschaft

Impressum. Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten. Für den Inhalt und die Korrektur zeichnet der Autor verantwortlich

Vorwort

Stammtischrunde der Sieben Aufrechten. Kollegen aus früheren Zeiten und aus der aktuellen Gegenwart treffen sich jeden Monat zu einer Art „Stammtischrunde“ um aktuelle Problemstellungen der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu diskutieren. Im Lauf der Zeit sind auch noch „neue Gesellschafter“ dazu gestossen, die im Dorfleben zu Bekanntschaften mit den früheren Studenten gekommen sind. Sie bilden einen wohltuenden, geistigen Ausgleich und erzählen vor allem Erlebnisse aus dem beruflichen Alltag und aus der Geschichte des Dorfs. Die „Sieben Aufrechten“, wie sie sich selber nennen, sind im Lauf der Zeit zu einem „philosophischen Zirkel“ zusammengewachsen. Von den anfänglich gesetzten Themen zur Diskussion sind die Sieben weggekommen, weil sie gemerkt haben, dass das Spontane im Gedankenaustausch unter den Themenvorgaben stark leidet. Die Altersstruktur ist mittleren Alters, so dass sich 50plus, 65plus aber auch Personen zwischen 40 und 50 treffen. Fritz, der Senior in der Gruppe, ist gerade von einer Gruppenreise durch den Norden von Thailand zurückgekehrt. „Die langen Busfahrten durch den Dschungel und die Buddhas, die sich in Reih und Glied vor unseren Augen aufgetürmt haben und sich immer wiederholten, haben uns schliesslich – so ab dem 5. Tag – genervt. Dazu kam noch der zuckersüsse Reiseleiter, der dauernd von seiner Mamma gesprochen hat und, wenn etwas nicht funktionierte, jedes Mal „wir machen das mit Liebe“ ausgerufen hat. So in die Richtung: „da könnt ihr Westler von uns Thais schon noch viel lernen“. Ich habe heute noch Probleme mit diesen Situationen. Das zeigt sich vor allem mit Kopfschmerzen; so typisch psychosomatisch.“ „Du solltest vielleicht wieder einmal im Garten arbeiten und mit den Blumen sprechen, dann kannst Du auch dieses psychosomatische Kopfweh los werden“. Peter, der Handwerker, weiss wovon er spricht. „Wenn Du den Blumen gut zuredest, dann überträgt sich diese Energie auch auf Deinen Geist und Du wirst sehen, dass Du diese „Problemchen“ schnell gelöst hast. Konzentriere Dich doch auf Lösungen, nicht auf Probleme und schon gar nicht auf Scheinprobleme.“ „Du hast gut reden mit Deinen Fähigkeiten im handwerklichen Bereich. Manchmal beneide ich Dich wirklich, dass ich diesen Zugang zu den Dingen nicht so leicht finde, oder gar nicht habe“, meint Fritz. „Ein bisschen weniger denken, sondern ganz einfach geschehen lassen, das wäre doch eine Gabe, die ich mir wünschen würde. Wenn ich drei Wünsche hätte, dann wäre die Gabe loslassen zu können sicher an erster Stelle.“ „Machen wir doch Nägel mit Köpfen. Du kommst am nächsten Dienstag zu mir in den Garten und kannst mir helfen Kartoffeln zu pflanzen. Du wirst sehen, dass Du nachher keine Kopfschmerzen mehr hast.“ „Einverstanden“, meint Fritz, „ich wäre bestimmt zum Arzt gegangen oder hätte ein paar Tabletten mehr geschluckt und das Kopfweh wäre mit Bestimmtheit wieder gekommen. Das sind Freunde, wie man sich dies in seinen Wunschträumen ausmalt.“ „Die Moral der Geschichte“ ist wohl – wenn Du Kopfweh hast, dann vergiss den Spaten nicht“, so zieht Hans in den „Kampf“ ein und gibt die Auseinandersetzung zwischen der Gartenarbeit und Kopfweh aus Thailand der Lächerlichkeit preis. „Mit dem Lösen von analytischen Problemen wird in unserem Gehirn eben nur ein kleiner Teil der Grosshirnrinde aktiv. Der Fokus ist auf die Ursache ausgerichtet und löst im Gehirn einen Sturm aus, der sehr einseitig ist. Du solltest Dich ganzheitlicheren oder kreativen Dingen vermehrt widmen und weniger grübeln. Dann hast Du eine gute Chance loslassen zu können. Du befreist Deinen Geist und hast keine Kopfschmerzen mehr. Das sage ich Dir. Ich hatte in meiner früheren Praxis viele verklemmte Männer, die meinten, die Welt sei nur analytisch zugänglich und erklärbar. Widme Dich Deiner Intuition, die auch Du – schon wegen Deiner Lebenserfahrung – hast.“ „Das ist mir zu theoretisch, obwohl ich mich mit Theorien gerne auseinandersetze“, meint Fritz. „Komm, erklär mir das ein bisschen anschaulicher, dann habe ich etwas davon“ Hans ist ein bisschen brüskiert, aber er gibt sich Mühe: „Wir haben zwei Denkapparate in unserem Kopf. Einen intuitiven und einen logischen Apparat. Die Intuition funktioniert automatisch und schnell. Der logische Apparat ist langsam und anstrengend. Wenn Du jetzt nur über die Logik funktionierst, dann strengst Du Dich dauernd an. Die Folge ist Kopfweh. Interessant ist nun aber, dass die Intuition fehlerhaft ist und dass die Logik die Fehler korrigieren kann. Leider übertölpelt aber die Intuition immer wieder die Logik. Die Folge ist eine Fülle möglicher Denkfehler. Wenn ich Dir ein Spiel um Geld anbiete und Du auf Kopf oder Zahl setzen kannst, wirst Du beim richtigen Tipp Fr 200 .-- gewinnen. Wenn Du aber falsch liegst, dann musst Du Fr 100.-- bezahlen. Gehst Du auf diesen Deal ein, Fritz?“ „Sicher nicht,“ meint Fritz. „Nun, die meisten Leute reagieren so wie Du. Obwohl das Risiko besser ist, als bei den meisten Investitionen, die gemacht werden. Dies also, obwohl der drohende Verlust nur halb so gross ist, wie der wahrscheinliche Gewinn. Der Grund für diese ablehnende Einstellung ist die intuitive Angst vor Verlusten. Der erwartete Schmerz über den Verlust von hundert Franken ist viel grösser als die erwartete Freude über den Gewinn von zweihundert Franken. Es gibt also so etwas, wie eine angeborene Vorsicht. Das war in der Steinzeit sicher sinnvoll. Heute führt dies aber dazu, dass es sinnvolle Reformen schwerer haben, weil die gefühlsmässigen Nachteile die erwarteten Vorteile überwiegen. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, dass Du – Fritz – das ganze Leben lang deiner Firma treu geblieben bist und dass Du immer noch die gleiche Frau hast, mit der Du nach Thailand reisen kannst und mit Kopfweh nach Hause kommst. Dieser Mechanismus ist doch sicher verständlich, oder? Die Neigung etwas sofort haben zu wollen, entspricht der Denkfaulheit. Ein grosser Teil der Menschen in den wirtschaftlich entwickelten Ländern hat doch „lieber heute das Ei als morgen eine Henne“. Wir haben Mühe kurzfristig auf etwas zu verzichten, weil wir es ja haben können, wenn wir wollen. Es gibt Leute, die gehen davon aus, dass die Intuition die Quelle von Denkfehlern sei. Nach meiner Erfahrung stimmt es zwar, dass die Intuition in die Irre führen kann. Für mich ist es aber eine Art unbewusster Intelligenz, die der Logik ebenbürtig ist. Wir sehen das gut bei Schockereignissen. Es ist zum Beispiel so gewesen, dass nach dem 11. September 2001 die Menschen auf das Fliegen verzichtet haben und vermehrt mit dem Auto gefahren sind, obwohl es viel wahrscheinlicher ist, dass beim Autofahren Unfälle passieren, als beim Fliegen. Das Ergebnis war, dass die Verkehrstoten drastisch zugenommen haben. Diese Art Fehleinschätzungen sind in uns tief verankert. Wenn wir zu viel über früher Gelerntes nachdenken, dann machen wir automatisch mehr Fehler. Dies wird beim Sport leicht erkennbar. Sportler, die es nicht schaffen unbewusst kompetent zu wirken, haben in der Welt des Spitzensports keine Chance an der Spitze zu bleiben oder dorthin zu kommen. Die Welt der Fantasien ist etwas Spezielles. Hier wirddas intuitive Denken wichtiger als das logische Denken. Alle grossen Wissenstaten sind aus einer intuitiven Erkenntnis erwachsen. Einstein soll gesagt haben: „Der intuitive Geist ist ein Geschenk und der rationale Geist ein treuer Diener.“ In unserer modernen Zivilisation wird der Diener geehrt und das Geschenk vergessen. Selbstverständlich haben sowohl die Logik als auch die Intuition ihre Stärken und Vorteile. Die Logik zum Beispiel ist dann gut, wenn es viele Informationen gibt und die Risiken bekannt sind. Wenn es aber um Dinge geht, wo wir kein Wissen haben – und das kommt häufig vor – dann hat die Intuition ihre Stärken. Das Umfeld ist bei solchen Dingen mit vielen Unsicherheiten verbunden. Für die Logik etwa sind die Wetterprognosen gut, für die Intuition die Kindererziehung oder die Partnerwahl. Unsere Multioptionsgesellschaft verlangt viel mehr Entscheidungen als früher. Da kann die Intuition helfen. Selbst in Firmen werden wichtige, strategische Entscheidungen häufig intuitiv getroffen. Selbstverständlich werden aber zu den gleichen Fragestellungen auch teure Berater engagiert, die dicke Berichte schreiben um die intuitive Entscheidung des Managements zu bestätigen.“ „Im Garten arbeiten ist mir wohl lieber und es leuchtet mir auch schnell ein“, meint Fritz. „Dein Beispiel wegen der Risiken ist wohl aus der Praxis gegriffen. Das habe ich an mir tatsächlich auch schon erlebt. Aber, trotz Deiner Mühe, ich gehe lieber in den Garten und helfe Kartoffeln zu pflanzen. Die Wissenschaft hat es so oder so in sich. Alle Jahre immer wieder neue Theorien, die meist nicht bestätigt werden. Gartenarbeit ist eine Tätigkeit, bei welcher ich meine Sinne auch einsetzen kann. Der Geschmack der Erde, die Hände voller Dreck, das ist es, was die Wahrnehmung letztlich ausmacht und das kann keine einzige Wissenschaft bieten.“ Paul hat vor Jahren erfolgreich eine kleine Firma aufgebaut. Er hat viele Erfahrungen gesammelt mit Dingen, die funktionieren, aber auch, dass man immer wieder am „gleichen Ort“ den „Kopf anschlagen“ kann. „Mir scheint, dass es so etwas wie einen „Kreis der Gewohnheiten“ geben muss. Wie könnte es sonst sein, dass wir immer wieder die gleichen Fehler machen? Die Nachteile, welche die Vorteile übertreffen sind schliesslich mit den Fehlern verbunden. Ich denke auch, dass es so etwas wie eine hormonelle Lage gibt, die – vielleicht vor allem die Männer – immer wieder in die Teufels Küche treiben. Für mich ein Beweis dafür, dass das Denken allein nie alle Probleme lösen kann und wird. Dazu kommt, dass nach wie vor der analytische Weg zur Problemlösung gesucht wird, selbst dann, wenn es keine Ursachen zu ergründen gibt. Viele Problemstellungen sind aber kreativ, weil bei bekannten Ursachen nach neuen Wegen gesucht wird. Methoden gibt es viele, die Art der Anwendung in der richtigen Situation ist aber eine andere Ebene, die häufig nicht beherrscht wird. Dann gibt es auch die „Methodenfetischisten“, die glauben dann, dass nur ihre Lieblingsmethode auf den Königsweg der Problemlösung führt. Die Methoden sind schliesslich die ausgetreten Bahnen des Geistes, helfen also höchstens als Krücke bei der Suche nach Problemlösungen. Es werden, wie im Mittelalter, Glaubenskriege geführt, die fast nur Verlierer und Tote hinterlassen. Der Anspruch auf das Einzigwahre hat noch nie zu dauerhaften Problemlösungen geführt. In meiner praktischen Arbeit als Unternehmer bin ich immer wieder mit Methoden oder Systemen konfrontiert gewesen, die den gesunden Menschenverstand ausgeschlossen und die Komplexität nur noch komplizierter gemacht haben. Ein Beispiel sind all die Normen, die die Qualität einer Firma steigern sollen. Die Anwendung dieser Normen hat häufig zu einem gesteigerten Bürokratismus geführt, der den gesunden Menschenverstand in seiner ganzen Entfaltung wesentlich eingeschränkt hat. Die Folge war nie eine verbesserte Qualität, eher ein bürokratisches System, welches die Regulierungswut gesteigert hat. Noch gesteigert wurde der ganze Irrsinn durch den Druck der Grosskunden, die nur mit zertifizierten Firmen zusammenarbeiten wollten. Was blieb da dem Unternehmer übrig, als sich anzupassen. Das gleiche spielt sich im Umgang mit Risiken ab. Die Banken sind ein gutes Beispiel dafür. Keines der Systeme hat weder bei der Risikobewertung noch bei den Investitionsmodellen die Katastrophe von 2008 vorausgesagt. Die „Massenvernichtungswaffen“ sprich die „modernen Finanzprodukte“ haben zur Illusion der Gewissheit geführt. Es ist wie beim Truthahn, der gut enährt dahin lebt, sich nicht vorstellen kann, dass er am „Thanks Giving Day“ geschlachtet wird. Es ist die Ahnungslosigkeit, die es möglich macht, dass grosse Risiken eingegangen werden. In meiner früheren Tätigkeit als Unternehmer war es mit den langweiligen Banken noch einfach; sie geben dir 3% Zins, nehmen selber aber 6% Zins und finden sich nach Abschluss des Geschäfts auf dem Golfplatz beim 19. Loch. Was wir für die moderne Zeit den Banken empfehlen können ist, dass sie bei grossen Risiken vermehrt die Intuition einschalten. Denn der gesunde Menschenverstand funktioniert meist weit besser als alle Optimierungs-und Maximierungsstrategien.“ Patrick, der pensionierte Lehrer findet diese Ausführungen sehr interessant und sieht Parallelen zum Schulsystem; „Ich bin unter anderem überzeugt, dass die Kinder und Jugendlichen in der Schule nicht lernen, wie komplexe Probleme gelöst werden können. Ich habe noch versucht aufzuzeigen, wie die Fragen zur Lösung komplexer Probleme lauten: Worum geht es? was ist gegeben? Was ist gesucht? welche Wege zum Ziel ergeben sich? wie funktioniert die Lösung? welche Konsequenzen zieht die Lösung nach sich?“ „Und das hat funktioniert?“, fragt der vergeistigte Fritz zurück, „das scheint mir schon etwas trivial zu sein. Man kann doch die Dinge auch zu einfach darstellen, oder nicht?“ „Du musst Dir vorstellen, dass es um Schüler in der Volkschule geht, die angesprochen sind. Ich habe aber schon häufig Erwachsene angetroffen, die diese Fragen fast nie oder gar nicht stellen. Es sind vor allem die „Hormonkälber“, die so funktionieren. Diese handeln zuerst, dann denken sie vielleicht über ihre Handlungen nach und lassen sich schliesslich von den Folgen in der Realität überrollen. Der Weg zur viel beachteten Versuch-Irrtum Methode ist so offen. Schlimm wird es aber dann, wenn der Irrtum noch durch den Zufall ersetzt wird. Was in der Schule nicht zum Blühen gebracht wird, hat es später sehr schwer und manchmal ist es unmöglich aus den gemachten Fehlern Lehren zu ziehen. Gerade die Menschen, die immer und durchdringend auf ihre Erfahrung pochen, sind wenig bereit etwas Neues zu lernen. Das wird dann noch gesteigert, wenn die Summe der Erfahrungen nichts anderes sind als die Fehler, die im Leben begangen worden sind. In der Schule stellen wir fest, dass rund ein Fünftel der Schulabgänger nicht im Stande sind eine einfache Dreisatzaufgabe zu lösen. Die Mathematik ist unter Beschuss und die neuen Lehrpläne fordern mehr Programmierunterricht. Ich denke, dass es wichtig wäre, dass die Schüler lernen, die richtigen Fragen in der richtigen Formulierung zu stellen. Wenn hundert Frauen auf Brustkrebs getestet werden, hat eine von ihnen Brustkrebs. Von den 99 anderen werden ebenfalls 9 positiv getestet. Insgesamt haben 10 Frauen ein positives Testresultat. 9 davon sind falsche Alarme. Es hat also nur eine von 10 positiv getesteten Frauen tatsächlich Brustkrebs. Das meine ich mit richtiger Formulierung. Es wäre also eine Mathematik der Unsicherheit wichtig. Das nennt man auch Statistik. Die Folge dieses Unterrichts könnte sein, dass die Schüler risikokompetenter würden. Aus meiner Sicht absolut wichtig.“ „Das ist zwar eine gerüttelte Portion Schulmeisterei, aber unrecht hast Du nicht“, meint der sechste im Bund, Armin, der ein Umweltspezialist ist. „In meinem Gebiet der Ökologie wird das Unvermögen zu lernen, tagtäglich vor Augen geführt. Ozeane werden ausgefischt, es gibt immer mehr Fischzuchten an ungeeigneten Orten. Das läuft parallel zur Verschmutzung der Meere, immerhin mit dem Segen der zuständigen Länder. Fische werden rund um die Welt transportiert, weil die Kreisläufe nicht geschlossen werden. Damit nimmt der Globalisierungswahnsinn seinen Fortlauf. Von den kleinen Plastikpartikeln, die die Meere verseuchen und die Fische krank machen, sprechen wir schon gar nicht. Gott sei Dank, dass die Antibiotikas erfunden worden sind. So können wir, ohne es zu merken, uns selbst mit Wirkstoffen voll pumpen, die für unsere Gesundheit gefährlich sind. Die Kette kann weiter gezogen werden, zum Beispiel beim Bohren nach Öl mit der Frackingmethode. Erfolgreich, wirtschaftlich dazu, aber mit der Folge, dass die Umwelt verschmutzt wird. Der Wahnsinn wird wohl so weiter gehen, bis es nicht mehr weiter geht. Der Letzte löscht das Licht… Für das Vorzeigeland Schweiz müssen wir feststellen, dass der Abfallberg pro Einwohner und Jahr bei 690kg liegt. Das ist nur 70 kg weniger als in den USA, aber 205 kg mehr als in Deutschland. Es kann doch nicht sein, dass Deutschland auf einem anderen Entwicklungsniveau ist als die Schweiz. Es passt auch nicht zum Recyclingweltmeister und schon gar nicht zum Innovationsweltmeister, aber zum Verpackungsweltmeister, der noch nicht realisiert hat, dass der Wandel vom Materialmanagement zum Abfallmanagement gehen muss und dass Recycling neue Probleme schafft. Statt den Boden, belasten wir die Luft. Das kann es doch nicht sein. Die ganze Problematik hat mit unseren Wohlstandsneurosen und der Verbrauchsmanie zu tun.“ Der siebte im Bunde hat den Beruf „Erbe“ ins Auge gefasst. Alain ist aus gutem Haus und ziemlich verwöhnt. Er lebt sehr gut vom angetretenen Erbe. „Sei doch nicht so pessimistisch. Wir leben ja alle noch und uns geht es doch gut. Die Welt hat sich zum Positiven verändert. Es geht nicht darum, dass wir in unserem schönen Land alles in Frage stellen und zu selbstkritisch mit uns selber umgehen. Die Schlagzeilen in den Medien sind zu negativ. Tatsache ist, dass unser Planet gesünder wird, wohlhabender, gerechter und erst noch sauberer. Immer mehr Menschen haben grosse Chancen für eine berufliche Zukunft. Global gesehen kann man sagen, dass es mit Afrika aufwärts geht, dass sich der Zugang zu Bildung stärker öffnet, dass die Freiheit zu leben stärker verankert ist, als je zuvor. Frauen sind – mindestens im Sport – gleich berechtigt. Wer Talent hat, erhält Chancen auf Anerkennung. Die Welt ist friedlicher geworden. Es gibt weniger Konflikte. Immer weniger Schadstoffe werden ausgestossen und das Bevölkerungswachstum stabilisiert sich weltweit. Schliesslich sind wir gesünder und leben erst noch länger. Das sind doch einige Tatsachen, die nicht zu übersehen sind und auch die grössten Pessimisten eines Besseren belehren müssten. Aber eben die Intellektuellen haben es zum Beruf gemacht, alles kritisch zu hinterfragen und sich als Klüger zu gebärden. Natürlich gehört auch Kritik zu unserem Leben. Zu viel Kritik führt aber zur Verblendung. Es ist dann nicht mehr möglich die Lichter im schwarzen Tunnel zu sehen. Ein kleines Licht kann schliesslich das schwarze Loch so erhellen, dass die Welt anders aussieht und realistischer wahrgenommen wird. Das meine Position. Ich gebe zu, dass diese aus dem Hintergrund des Wohlstands kommt. Dieser ist aber weiter verbreitet als je zuvor.“ „Ja, ist ja gut so. Du hast den Zugang zum einfacheren Leben einfach nicht. Offensichtlich nimmst Du nicht einmal das Elend der Flüchtlinge zur Kenntnis. Sprichst aus der Theorie und kannst Dir auch genügend Zeit nehmen solche Dinge zu lesen“, wirft Peter ein. „Für heute lass es gut sein. Ich gehe jetzt nach Hause, denn meine Frau könnte sonst etwas ungeduldig werden“ Spricht es aus und holt sich den Mantel vom Kleiderhaken. Ein Kleidungsstück, das Peter so richtigieb gewonnen hat, weil er diesen schon in der Kindheit nachgetragen hat. Heute ist dieser Mantel nicht mehr wegzudenken. Er ist ein Erinnerungsstück geworden, welches warm gibt und mit vielen Erinnerungen verknüpft werden kann. Er tritt in die Nacht hinaus und hat sich von seinen Kollegen verabschiedet. „Ich freue mich auf weitere, spannende Diskussionen bei unserem nächsten Treffpunkt. Die bessere Hälfte erwartet mich jetzt aber und wird schon wissen wollen, welche Flausen ihr mir in den Kopf gesetzt habt“ Der Abend ist schon länger geworden. Die Sterne stehen am Himmel und weisen Peter den Weg zum trauten Heim. Vor dem Gartentor erblickt er das Licht im Wohnzimmer hinter dem Vorhang. Er fragt sich, was kommt da auf mich zu? Welche Fragen zum Gespräch wird mir meine bessere Hälfte wohl stellen? Im Gartentor sieht er bereits die gut gepflegten Blumen, die von den Gartenzwergen umstellt sind. Peter hat den Eindruck, dass die Gartenzwerge ein listiges Lächeln auf den Lippen tragen und ihm zuflüstern: So du Spiessbürger. Kommst jetzt mit neuem Wissen zurück und träumst von einem Leben, das nicht so bünzlig ist und etwas mehr Saft in den Knochen hat. Der Alltag ist doch öde, wenn Du das mit Deinen Kollegen vergleichst. Vor allem Alain, mit Beruf Sohn, hat Dir wieder ein paar Flausen in den Kopf gesetzt, die Dich eigentlich nur unzufrieden machen. Sei doch der, der Du bist und lass Dich nicht ein auf diese Ideen, die aus einem wohlgenährten Bauch stammen und nur reine Theorie sind „Ich führe sicher nicht ein Leben im Luxus, habe aber einen intensiven Kontakt zur Natur. Das kann mir niemand nehmen. Ihr Gartenzwerge schon gar nicht. Wohin der sogenannt hohe Lebensstandard führt, zeigt mir beispielsweise Fritz mit seinen Kopfschmerzen. Ich bin ja gespannt, ob er bei mir vorbei kommt und beim Kartoffeln ausgraben hilft. Es würde ihm nur gut tun, dieser direkte Kontakt zur Mutter Erde“, murmelt er vor sich hin. Schon steht er vor der Haustüre und sucht die Schlüssel im Hosensack. Er öffnet die Tür und hört beim Eintreten Ländlermusik aus dem oberen Stock „Ah, da kriegt Maria wieder einmal eine Seelenmassage. Diese Rhythmen sind gut für die Volksseele. Einfach, aber schön anzuhören. Selbst wenn die Texte das Glück in der Liebe und die Beziehung zur Natur zum Besten geben und die Refrains keine Bedeutung haben. Dieses „jolidu“ oder „joba“ macht doch keinen Sinn, oder etwa doch? Vielleicht habe ich es einfach nicht verstanden. Und warum ist mir denn die Mutter Erde durch den Kopf gegangen? Vielleicht hat das damit zu tun, dass die Frauen so etwas wie eine Identität zwischen Körper und Landschaft herstellen können. Paul hat doch einmal von einem Mythos gesprochen, der die Frauen umgibt. Oder so ähnlich. Auch wieder ein Hirngespinnst, das sich in meinem Kopf breit gemacht hat“, so sinniert Paul vor sich her und bemerkt fast nicht, dass er schon die Stubentüre aufgemacht hat „Da bist Du ja endlich. Haben die sieben Gescheiten oder Glorreichen Dir wieder den Kopf voll geschwatzt oder verdreht. Wie man es nimmt. Es ist ja eigentlich egal. Die Hauptsache ist, dass Du jetzt wieder zuhause bist“. So wird Peter von Maria empfangen. Sie erhöht die Lautstärke des Jodels, der jetzt die Stube füllt und schmelzt mit gläsernen Augen dahin „Also, ich hätte mir schon gewünscht, dass Du den Kindern gute Nacht gesagt hättest. Ein guter Vater macht das jeden Abend, wenn er während des Tages schon mit seiner Abwesenheit glänzt“. Maria ruft Peter seine Vaterpflichten eindringlich in Erinnerung „Was ist schon dabei, wenn ich einmal im Monat zu diesem Stamm der sieben Aufrechten gehe und dabei noch etwas gescheiter werde?“, ruft Peter schon etwas aufgekratzt aus „Wenn Du wirklich gescheiter wirst, dann ist nichts dagegen einzuwenden. Ich möchte aber auch mal Euren philosophischen Gesprächen zuhören. Wenn das schon ein gehobener Stammtisch ist, dann will ich auch etwas davon haben. Nur von den Kindergesprächen während des Tages, vom Einkaufen und Putzen werde ich nicht schlauer“, beklagt sich Maria „Vom ewigen Jodeln und von dieser Volksmusik wirst Du sicher nicht gescheiter, aber auch nicht blöder. Du kannst Dich einmal in eine Ecke setzen und ein gutes Buch lesen“, zwitschert Peter „Du hast gut reden. Am besten nimmst Du mich mal zu Euren gescheiten Gesprächen mit. Mit meinen Freundinnen reden wir immer über die Mode und die Fingernägel, oder über Euch Männer. Das macht auch nicht gescheiter, aber auch nicht dümmer. So sind wir etwa ausgeglichen bei unseren Anliegen. Doch ihr Männer wollt die Frauen in eurem Zirkel nicht dabei haben. Das ist ja wie bei den Zünftern in Zürich, oder noch schlimmer oder noch mehr von vorgestern“, wehrt sich Maria „Gehen wird doch über zu einem friedlicheren Diskurs. Da haben wir doch beide nichts davon. In unserem Zirkel hat mir Paul mal erklärt, wie das mit dem Einsatz von Mediatoren geht. Soweit soll es zwischen uns doch nicht kommen“, wehrt sich Peter „Was ist denn das schon wieder – Mediatoren, Diskurs – was soll das? Du meinst aber nicht ein Tor, oder so etwas ähnliches?, witzelt Maria „Nein, sicher nicht. Es geht um eine Sprache, die über dem Boulevardniveau ist. Das lerne ich eben bei den sieben Aufrechten. Die Mediation ist eine Methode Konflikte zu lösen. Eine Person steht zwischen den Konfliktparteien und vermittelt aus einer neutralen Haltung. Der Diskurs ist eine Möglichkeit über das, was wir miteinander sprechen nachzudenken. Es ist eine kritische Einstellung zu sich selber, die es ermöglicht besser miteinander umzugehen“, belehrt Peter Maria „Wenn Du das so sagst, dann verstehe ich das auch, ohne hochtrabend daherzureden. Das könnten wir doch auch etwas einfacher haben. Wenn etwas einfacher ist, dann ist es nicht automatisch dumm. Das ist meine Einstellung dazu. Doch noch etwas anderes; unsere Tochter ist heute von der Schule nach Hause gekommen. Sie sagt, dass wir mit dem Lehrer sprechen sollten. Es gehe um Nachhilfestunden, weil sie in der Sprache nicht so gut sei“, sagt Maria schon mit einer leisen Stimme, weil sie sich auch ein bisschen darüber schämt, dass die Tochter Nadin Nachhilfe nötig haben soll „Da haben wir es doch. Wenn es uns gelingen würde, Nadin anzuhalten, dass sie etwas mehr liest und nicht nur in den Verblödungskasten schaut und wenn wir selber unsere Sprache mit ihr etwas verbessern, dann ist die Nachhilfe in der Sprache auch kein Thema. Gut, dann gehen wir zum Elterngespräch und hören uns mal an, was das Problem sein könnte. Übrigens weiss man, dass Nachhilfeunterricht die Zeugnisnoten nur beschränkt verbessert. Es liegt sicher auch an uns, da die Verantwortung zu übernehmen und zur Verbesserung beizutragen“, räuspert sich Peter. „Deine Selbstkritik ist schon bemerkenswert. Ich hätte eher gedacht, dass Du einen kleinen Hormonanfall produzierst. Vielleicht ist das eine Folge der Diskussionen mit den sieben Aufrechten. Wer weiss?“ Maria sagt’s, stellt die Musik ab und begibt sich ins Schlafzimmer „Es ist schon spät geworden. Morgen ruft wieder die Arbeit. Da müssen wir fit sein.“ So ergibt es sich, dass Peter und Maria unter die Bettdecke schlüpfen, noch etwas kuscheln und dann friedlich einschlafen. Er mit dem üblichen Schnarchen. Sie mit den üblichen Problemen einzuschlafen. Doch das Kuscheln hilft und Maria und Peter schlummern dem Morgen entgegen. Nach Peter verabschiedet sich auch Fritz aus der Runde der sieben Aufrechten. Das finanziell gut abgesicherte Seniorenpaar lebt in einer schmucken Eigentumswohnung. Verena, seine Frau, ist überrascht, dass Fritz schon nach Hause kommt. „Wie war die Session bei den sieben Aufrechten?“, neckt Verena. „Keine heiss umstrittenen Traktanden heute? Das ist ja alles andere als üblich, dass Du schon so früh nach Hause kommst. Es ist auch nicht üblich, dass den Männern der inhaltliche Stoff fehlt. Also, worüber habt ihr philosophiert?“ „Da war Verschiedenes. Angefangen bei meinem psychosomatischen Kopfweh und der Thailandreise, bis zum Wohlstand von Alain mit seiner optimistischen Sicht der Welt, hinüber zu ökologischen Katastrophenszenarien bei der Verschmutzung der Weltmeere und schliesslich landeten wir auch bei Denkproblemen und der Schule, wo es da heute überall klemmt. Damit ich die Bodenhaftung nicht verliere gehe ich am Dienstag zur Gartenarbeit bei Peter. Das ist dann meine Therapie. Vielleicht wird es besser, wenn ich einmal richtigen Dreck esse, oder diesen mal durch die Hände gehen lasse. Mit der Gartenarbeit kann ich sicher besser loslassen. Eine echte Alternative zum Arztbesuch. Was meinst Du dazu?“ „Nützt es nichts, so schadet es sicher nicht“, seufzt Verena. „Ich habe mich schon lange gefragt, weshalb du das nicht schon lange ausprobierst. Die ärztliche Kunst hast du ja gerade bei meinem Hautausschlag erlebt. Der Hausarzt gibt dir eine fettende Salbe, obwohl jeder Drogist weiss, dass das die falsche Therapie ist. Schnell am Ende seines Lateins schickt er dich zum Hautspezialisten. Eben dort angekommen wirst du aufgefordert dich vollständig auszuziehen. Da gibt es nichts daran zu deuteln, dass der Spezialarzt Umsatz machen, aber auch gründlichst abklären will. Er will dich schon an die Universitätsklinik weiterleiten, damit ausführliche Allergietests gemacht werden können. Das sei eben nötig und sehr kompliziert, da die Allergien ganz unterschiedliche Ausprägungsformen annehmen können. Ob so viel Fürsorge gehe ich dann in die nächste Drogerie. Die Verkäuferin schaut meinen Hals an. Es kommt ihr alles so bekannt vor. Sie gibt mir eine Sonnencrème. Ich salbe zuhause dreimal und der Spuk ist definitiv verschwunden. Die Absage beim Hautarzt stösst auf harsche Kritik mit dem Nachsatz, dass ich die Folgen selber zu tragen habe. Der Hausarzt ist sogar selber am Telefon und spricht diese Drohungen aus. Mir ist klar, dass er Arbeit sucht und mit seiner Autorität Druck macht. Das ist leider kein Einzelfall. Du kannst Dich erinnern, dass ich, nach der Einschätzung des Gynäkologen, schon lange auf dem Friedhof liegen müsste. Die Realität ist die, dass er selber schon ein paar Jahre dort zuhause ist. Einfach unglaublich, dass dies im besten Gesundheitssystem der Welt passieren kann. So bin ich froh, dass Du zum Kartoffeln ernten zu Peter gehst. Das hat sicher einiges an Überwindung gekostet, dass Du in Deiner vergeistigten Welt zu mutigen Verhaltensweisen kommst.“ „Ja, es kann ja sein, dass der Mann aufs Alter hin klüger wird“, erwähnt Fritz schon fast selbst anklägerisch. „Ich bin schon etwas geläutert worden. Nicht zuletzt wegen den gemachten Erfahrungen von uns beiden. Wenn wir das Gesundheitswesen trotzdem noch rational betrachten, dann müssen wir feststellen, dass dieses zu teuer ist. Die Schweizer sind zu einem grossen Teil süchtig nach Versicherungen. Nichts geht über die Sicherheit. Im Durchschnitt geben wir wohl fast CHF 8000.-- pro Kopf für Versicherungen aus und fühlen uns dann tatsächlich sicherer. Sicherheit ist zwar ein wichtiges Motiv. Aber, was hierzulande läuft ist doch zu viel des Guten. Die Sicherheitsansprüche verdecken auch die Risiken, die wir nicht eingehen wollen. Ich bin sicher, dass wir mit unserem Sicherheitswahn auch ein grosses Stück an Spontaneität verloren haben. Die immer stärker durchmischte Schweiz ist vielleicht eine Chance dafür, dass weniger Sicherheit und mehr Risiko gelebt wird. Unsere Zurückhaltung würde von Ausländern sicher mehr geschätzt. Es würde unsere Sympathien wohl stärken. Davon könnten wir momentan wirklich ein paar Portionen gebrauchen.“ Verena hat sich schon ein paar Notizen zu den eigenen Versicherungsprämien gemacht: „Ich werde am Dienstag, wenn Du die Kartoffeln ausgräbst, mit einem unabhängigen Versicherungsmenschen, sofern es diesen gibt, sprechen und unsere Situation als erstes nach Doppelversicherungen untersuchen lassen. Wir müssen uns, auch wenn wir gute finanzielle Voraussetzungen haben, nicht unbedingt als Erstklass-Patienten für Spitalaufenthalte versichern lassen und so sehr viel mehr an Prämien bezahlen. Die 5-Sternehotellerie im Spital ist keine notwendige Voraussetzung für die Gesundung. Ich bin sicher, dass es noch weitere Themen gibt, die anders gestaltet werden können. Man kann nur hoffen, dass der Versicherungsmakler nicht zu viele Lösungen empfiehlt, die bei ihm die Kasse klingeln lassen. Sicher ist vor allem, dass wir alle sterben müssen. Ob es dann im Himmel eine Zuteilung nach den bezahlten Versicherungsprämien gibt ist ohnehin sehr zweifelhaft. Also, lasst uns abspecken und zur Normalität aufbrechen. Das kann uns nur gut tun. Vielleicht ist das auch ein Beitrag dafür, dass sich Dein Kopfweh reduzieren lässt.“ „Ich bin mit Dir voll einverstanden. Sicher ist jetzt aber auch, dass wir ins Bett gehen, denn es ist schon spät geworden. Wollen wir heute Abend noch ein bisschen Kuschelsex geniessen? Das ist übrigens auch eine Empfehlung von Peter für Pensionäre, wie er meint“. Eine neue Lebensweisheit von Fritz, der von seinem geistigen Niveau immer mehr auf die Bodenhaftigkeit herabsteigt „Kuschelsex. Davon habe ich auch schon gelesen. Das soll gut sein, wenn die Erektionsfähigkeit abnimmt. Ebenso, wie bei uns. Nützt es nichts, dann schadet es nicht“. Verena, lacht laut vor sich hin und steigt mit Fritz ins Bett, ohne vorher darüber nachgedacht zu haben, ob das nun gesund sei oder ob es krank machen könnte. Und schon gar nicht, ob das auch versichert sein könnte. Auch Alain verabschiedet sich und macht sich auf den Weg. Er lebt allein und gehört zu den begehrten, begüterten Junggesellen. Wie üblich macht er noch einen Abstecher in seine Hausbar. Da ist er jeder Zeit willkommen, weil er sich spendabel zeigt. Bei den Kollegen in der Bar wird er – unter der Hand – als Muttersöhnchen gehandelt. Er hat das Image eines lebensuntauglichen Gutmenschen, der noch nichts geleistet hat, ausser das schöne Erbe anzutreten. Alain ahnt von dieser Einschätzung, die an ihm nicht spurlos vorüberzieht. Es ärgert und beschäftigt ihn, weil noch keiner der Barkollegen getraut hat ihm offen mitzuteilen, was er spürt. Alain wird deswegen nicht lebensmüde, aber es beschäftigt ihn immer wieder. An der Bar sind die Kollegen immer wieder interessiert, was die Aufrechten Sieben besprochen und verhandelt haben „Was war denn heute das Thema bei den Aufrechten?“ So wird er empfangen. Alain schätzt diese Art Wertschätzung, weil er eben ein Gutmensch ist, der grundsätzlich positiv an andere Menschen herangeht und glaubt, dass diese ihm Wertschätzung entgegenbringen. „Wir haben diverse Themen besprochen. Der Grundtenor aber war eher destruktiv, was mir gar nicht gefallen hat. Ich habe dann wieder einmal in Erinnerung gerufen, dass es der Weltbevölkerung noch nie so gut gegangen ist und dass es noch nie so wenige Kriege gegeben hat, wie in diesen Tagen. Das wird aber nicht intensiv zur Kenntnis genommen. Im Gegenteil. Mir hat man vorgeworfen, dass ich aus gutem Haus sei und nicht wisse, was in der Wirklichkeit passiert. Sie wollten auch nicht wissen, wie die Verbesserung in unserer Welt aussieht. Sonst gab es aber interessante Diskussionen, die sich von der Schule über die Umwelt bis zu den psychosomatischen Kopfschmerzen von Fritz bewegt haben. Stellt Euch vor, Fritz geht am nächsten Dienstag zu Peter um im Garten zu helfen. Er will dabei sein, wenn die Kartoffeln gepflanzt werden und erhofft sich Linderung bei den Kopfschmerzen, weil er dann mit der Natur direkt in Kontakt kommt. Dreckige Finger und der Geruch der Erde sind es dann wahrscheinlich, die ihm das Pillenschlucken ersparen und die Arztkosten senken.“ Die Kollegen an der Bar finden es bemerkenswert, dass so konkret aus dem Leben gesprochen worden ist. Offensichtlich müssen wir unser Vorurteil über die Aufrechten Sieben, oder die Glorreichen Sieben, etwas korrigieren. Alain spendiert die Runde und verabschiedet sich nach Hause. Er steigt den Hügel hinauf zu seinem Haus, welches er als Erbstück sehr schätzt. Er wohnt da zwar meist allein, geniesst aber die grossen, weiten Räume die mit Gegenwartskunst besetzt sind. Sein verstorbener Vater hat über seinen Kunstberater ein gute Nase für Künstler gehabt, die noch billig zu haben waren und heute an den Auktionen gute Preise erzielen. Der Vater hat sich nicht so sehr um die Kunst, vielmehr um die Kapitalanlagen gekümmert. Im Haus hängen vor allem Maler an der Wand. Da sind die Leipzigerschule, die Wilden oder im speziellen Gerhard Richter vertreten. Eigentlich ein Kunstmuseum, das der Gegenwartsmalerei huldigt. Für Alain ist das nicht so erregend, höchstens wenn er an die Preise denkt, die an der Auktion beispielsweise mit einem Gerhard Richter erzielt werden. Es sind eben Millionenwerte, die zu besichtigen sind. Für die meisten seiner Besucher nichts aussergewöhnliches, da auch diese sich in der Gegenwartskunst nicht auskennen. Mit moderneren Strömungen in der Kunstwelt setzt er sich schon gar nicht auseinander. Das was da gezeigt wird sind für ihn Böhmische Dörfer, ohne Zugang, oder höchstens nur, wenn man bereit ist drei Seiten Anleitungen zum gezeigten Werk zu lesen. Dazu kommt, dass man sich auch noch in der Kunst- und Kulturgeschichte auskennen müsste, weil sich die ganz jungen Künstler immer auch auf geschichtliche und philosophische Zusammenhänge berufen. Nicht, oder nur schwer nachvollziehbar. Und der Glaube, dass diese jungen Leute sich wirklich vertieft mit diesen Zusammenhängen auseinandersetzen, fällt Alain schwer. Für ihn sind es eher Dinge, die nur an der Oberfläche kratzen und mit Tiefgang gar nichts zu tun haben. Eigentlich spielen diese Überlegungen gar keine Rolle. Die Hauptsache ist, dass „Kapital“ an der Wand hängt und dass ein Notgroschen für schwierigere Zeiten vorhanden ist. Diese Gedanken gehen bei Alain wie ein Selbstgespräch durch den Kopf. „Mit wem soll ich denn reden, wenn keiner da ist? Auch ein Haustier könnte nicht in die Lücke springen. Ich bin eigentlich, bei Licht betrachtet, ein armer, reicher Kerl. Niemand begrüsst mich, mürrisch oder freundlich, wenn ich nach Hause komme. Ein Hund könnte diese Rolle sicher übernehmen. Einer, der mir die Nase auch dann schleckt, wenn ich betrunken bin. Das ist dann uneingeschränkte Beachtung, die jeder braucht.“ Mit diesem Selbstgespräch zieht er sich ins Badezimmer zurück, wo er sich nochmals im Spiegel betrachtet. „Eigentlich gar nicht so übel. Aber warum beisst bei mir keine Frau an?“ Eine Frage, die er sich nicht das erste Mal stellt und worauf er immer noch keine Antwort gefunden hat. Dann folgt das übliche Ritual beim zu Bett gehen. Das frische und gebügelte Pyama holt er aus dem Kasten und kriecht dann unter die wärmende Bettdecke. Alain findet bald seinen Schlaf und lässt sich vom kleinen Tod in den nächsten Morgen begleiten. Das Restaurant, wo sich die Sieben Aufrechten regelmässig treffen, leert sich langsam. Hans, der Therapeut, macht sich auch auf den Weg und hofft, dass er zuhause eine gut gelaunte Hanna antrifft „Hallo, Schatz. Schön, dass Du schon da bist“, wird Hans von Hanna begrüsst. Er denkt, das war doch eher zuckersüss, diese Begrüssung. Wo ist da die Echtheit, die ich in der Therapie immer wieder einfordere? „Ja, ist gut. Ich bin nach der anstrengenden Diskussion jetzt auch gerne nach Hause gekommen. Teilweise war es fast wie eine Therapiestunde. Ich musste in der Runde wieder einmal erklären, wie unsere Denkapparate funktionieren. Auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass meine Ausführungen von Interesse gewesen sind“, meint Hans „Wenn ich Dich richtig verstehe, dann sind Deine Kollegen von Deinem Vortrag und Deinem therapeutischen Ansatz begeistert gewesen“, flöted Hanna zu Hans „Also so kann man das nicht gerade sagen. Das wäre schon übertrieben von einer Begeisterung zu sprechen. Das Interesse war sicher da, auch dank den Beispielen, die ich gemacht habe. Bitte also nicht übertreiben. Es ist auch nicht nötig, dass Du jeden Satz verbalisierst, oder so wiederholst, dass ich mich nicht verstanden fühle.“ Da ist bei Hans eine innere Erregung sichtbar geworden. Er schätzt es nicht, dass in seinem privaten Umfeld ein psychologischer Gesprächsstil gepflegt wird, den nur die Therapeuten kennen und in der Realität wenig Anwendung findet. „Der „spürst Du mich“ – Tripp ist hier nicht angebracht. Wir sind schliesslich schon lange genug ein Paar um zu merken, wenn es der andere ehrlich meint, oder nur Zucker an den Bart streicht.“ „Also, es ist Dir doch etwas über die Leber gekrochen. Entweder jetzt gerade, oder bei Deinen Kollegen. Nimm es nicht so schwer, oder „take it easy“, wie man heute modern sagt“, beschwichtigt Hanna „Ratschläge musst Du mir keine Geben. Es sind immer Schläge mit diesem Rat dabei. Aber vergessen wir doch die kleinen Pfeile, die wir aufeinander abschiessen. Ich verlege das gerne in die Therapiestunden. Zwischen uns ist keine Therapie angesagt. Oder, siehst Du das anders?“ Versucht Hans die Situation von 120 Grad wieder auf Zimmertemperatur herabzuschrauben. Hanna wechselt elegant das Thema. So wie es langjährig verheiratete Paare erfolgreich tun. Erwiesenermassen ist das eine erfolgreiche Überlebensstrategie. „Ich war heute wieder einmal in der Stadt und habe schöne Sachen gesehen. In ein schickes Kleid habe ich mich schnell verliebt. Nur, die Preise sind zu hoch für mein Budget. Du weisst aber, dass ich bald Geburtstag habe. Wenn Du mit mir kommst, musst Du nicht lange überlegen, was Du mir schenken könntest“ Hanna wickelt Hans wieder einmal nach den Regeln der Kunst ein. So kann ein Mann nicht wiederstehen. Sich dagegen zu wehren wäre sinnlos. Das ist etwa vergleichbar wie früher bei einem Erregungszustand. Der Trieb – und damit das Fleisch – ist stärker als der Verstand. Wäre doch nur der Testosteronspiegel noch etwas höher, dann könnten wir das Problem eleganter lösen. Jetzt bleibt nichts anderes übrig als in die Tasche zu greifen und das Kleid auf den Geburtstag zu kaufen, auch wenn dieses neue Kleid keinen Mehrwert bringt, weil der Ankleidungskasten ohnehin schon voll ist „Gut, um des Friedens willen. Gehen wir doch am Wochenende in die Stadt und kaufen das Kleid. So bleibt die Kirche im Dorf. Du, Hanna, bist mit Sicherheit eine Woche zufrieden und ich habe für eine Weile den Seelenfrieden.“ Hans ist nicht sehr angetant von der Finesse seiner Frau. Die Intuition hat wieder einmal mehr über die Logik gesiegt und der Friede im Hause kann ausgerufen werden. Nach dem erfolgreichen Themawechsel von Hanna gehen die beiden in Badezimmer, putzen die Zähne und machen die tägliche Mundhygiene. Dann, schon im Nachthemd gekleidet, geht Hans ins Wohnzimmer und macht seine 20 Liegestützen, damit seine Muskeln nicht schon durchhängen und der Oberkörper einigermassen straff bleibt. Gegen die kleinen Verwerfungen rund um den Bauch kann man ohnehin nichts tun. Die weiblichen Östrogenhormone im männlichen Körper tragen dazu bei, dass am Bauch ein kleiner Schwimmgurt entsteht. Hanna schminkt sich ab und stellt die Töpfchen in Reih und Glied ins Regal. Noch einen Blick in den Spiegel, der die langsam wachsenden Krähenfüsse zeigt und die Gedanken an eine Botoxkur wieder aufleben lassen. Das Licht gelöscht und schon verschwinden die Unebenheiten im Gesicht. Gut, dass man davon nichts spürt. Schliesslich, wir wissen es alle, ist man so alt, wie man sich fühlt und die Gefühle zeigen keine direkten Falten im Gesicht. So geht es ins Bett. Hans wartet da bereits. Er wickelt sich in die Bettdecke ein und sieht aus, wie eine Mumie in einem Sarkophag in Ägypten. Hanna nimmt das abendliche Ritual mit einem Schmunzeln zur Kenntnis. Dazu gehört auch der gute Nacht-Kuss, der den Übergang in die Ruhe und den anschliessenden Schlaf anzeigt. Der Wunsch zur guten Nacht fehlt nicht. Hanna ist noch zu einem kleinen Scherz aufgelegt und meint: „wenn ich sage – „Gott Nacht“ – dann meine ich – gute Nacht – nicht dass Du meinst, ich denke Gott liegt neben mir“. Sagt es und Hans schmunzelt, denn etwas Humor hat einer Beziehung noch nie geschadet. Nach dem Lichterlöschen dauert es nicht mehr lange und die Beiden schlafen den Schlaf der Gerechten. Armin, der Ökologe und Paul, der Firmeninhaber für nachhaltige Produktion, verlassen das Treffen der Sieben Aufrechten gemeinsam. Sie selbst und ihre beiden Frauen treffen sich des öftern, weil sie gemeinsame Wertvorstellungen haben, die vor allem auf dem Gebiet der Ökologie zum Tragen kommen. Auf dem Weg nach Hause lassen sie den Abend nochmals gedanklich vorbeiziehen. Beide sind von der Einstellung Alains enttäuscht, weil er nur von seinem Wohlstand ausgeht und die Entwicklungen für den Rest der Welt schön redet. Das hat nach ihrer Auffassung mit seiner selbsterhaltenden Art zu tun, die egoistisch und rücksichtslos daher kommt. Mehr Rücksichtnahme würde nicht schaden. Er wird bestimmt nie zu kurz kommen. „Auf jeden Fall ist es nicht überraschend, dass er immer noch keine Frau oder eine Freundin hat. Eine normal geschaltete Frau würde die Art nur seine eigenen Interessen zu verfolgen nie akzeptieren“, bricht es aus Armin heraus. „Bei den Katastrophen in unserer Umwelt ist diese rücksichtslose Haltung ein wesentlicher Grund, dass es jeweilen zu Zerstörungen auf breitester Front kommt.“ „In meinem Betrieb kann ich diese egoistische Haltung nicht brauchen. Wir müssen ein Team sein. Jeder muss sich gruppenorientiert verhalten können, ohne dass er seine Eigenständigkeit aufgibt. Bei der Gestaltung komplexer Prozesse in der nachhaltigen Produktion ist dies eine wesentliche Voraussetzung für die Zielerreichung. Alain würde ich nie anstellen, auch dann nicht, wenn er ein ausgezeichneter Facharbeiter wäre. Das Problem ist nur, dass es immer eine gewisse Zeit braucht um herauszufinden, wie jemand tickt. Bei der Entwicklung des Wegs zum ökologischen Zertifikat waren deshalb die Werte und Einstellungen der Mitarbeitenden von grösster Bedeutung. Es ist uns – so glaube ich – recht gut gelungen, dass die Verhaltensweisen auf die verlangte Norm ausgerichtet werden konnte. Es standen Teamverhaltensweisen, aber auch Motivationsfragen im Zentrum. Wir legen jedes Jahr im Jahresendgespräch darüber Rechenschaft ab, wie gut es uns gelungen ist, die beschriebenen Werte zu leben.“ Das ist die wesentliche Erfahrung von Paul, der stolz darauf ist, was er mit seinen Mitarbeitenden erreicht hat „Das hört sich sehr gut an. Du bist offensichtlich ein Vorzeigeunternehmer“, meint Armin. So sind beide zuhause angekommen. Sie wohnen direkt nebeneinander, was die Nachbarschaft natürlich verstärkt. „Grüsse an Anna“, verabschiedet sich Paul. „Grüsse an Greta“, ruft Armin seinem Freund zu, der schon vor der Haustüre steht und eintritt. Die beiden angesprochenen Frauen sind gute Freundinnen und haben den Abend bei einem gemütlichen Essen im Restaurant verbracht. So gibt es nach der Rückkehr der beiden Männer noch einiges zu erzählen. Frauen erzählen „Frauengeschichten“. Diese drehen sich häufig um die Themen Mode, Schuhe oder ,Taschen. Wenn alles besprochen ist, dann sind es die Männer, welche zur Debatte stehen. Erst nachher kommen die Sachthemen, mit denen man sich bei der Arbeit befasst. Beide Frauen sind berufstätig. Sie bringen ein selbstständiges Einkommen ein und bewahren sich dadurch einen wohltuenden Grad an Eigenständigkeit. Die klassische Rolle „sie am Herd, er auf der Jagd“ ist aufgebrochen. Beide Frauen wollen sich ihre Unabhängigkeit auch bewahren, denn im Verlauf der Zeit haben sie mehrfach erfahren, dass es wohltuend ist, wenn nicht jeder verdiente Franken gedreht werden muss. Beide Frauen haben den gleichen Jahrgang. Sie gehen gegen 40 Jahre und diskutieren in letzter Zeit immer wieder das Thema „Kinder kriegen“. Die biologische Uhr tickt, das wissen beide sehr gut. Beiden Frauen ist auch klar, dass es auch nach 40 noch möglich ist Kinder zu kriegen und dass dies in der modernen Zeit immer häufiger vorkommt. Allerdings sind die Risiken zu beachten, die damit verbunden sind. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Zusätzlich ist es auch noch so, dass nicht unbedingt Kinder gezeugt werden müssen. Alles andere ist graue Theorie „Paul ist viel beschäftigt. Als Selbstständiger ist das normal. Ich akzeptiere das auch. Leider kommt aber das Persönliche zu kurz. Du weisst, was ich meine, Anna?“ „Ja, sicher. Ihr habt zu wenig Sex miteinander. Euer Lebensprinzip ist wohl, zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen. Das moderne Leben sucht doch eher einen Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit. Dazu kommt, dass immer weniger Leute sich selbständig machen wollen, es sei denn, sie müssen. Greta, ich kann Dir nur raten, dass Du das mit Paul regelst. Es ist wichtig für Eure Zukunft, dass Ihr füreinander auch Zeit findet und diese auch nehmt. Es gibt zu viele Paare, die in der Beziehung scheitern, weil sie zu wenig Zeit miteinander verbringen. Verstehst Du, was ich meine?“ „Ja, sicher, liebe Anna. Es gibt aber einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Letztlich geht es um das Geld, welches wir verdienen müssen, damit wir leben können. Es müssen Löhne und die Lieferanten bezahlt werden. Die Zahlungsmoral der Kunden ist zum Teil sehr schlecht. Der Lohn, welchen wir uns bezahlen können ist tief. Es geht in die Richtung des Existenzminimums. Wenn ich nicht mitverdienen würde, dann könnten wir uns fast nichts leisten. So ist die Realität. Ich hoffe, dass bessere Zeiten kommen und Paul, als Kleinunternehmer, nicht jedem Auftrag hinterher rennen muss. Du hast gut reden, mit einem studierten Mann, einem sicheren Job, der Freizeit ohne weiteres zulässt. Wie ist den Eure „Worklife-Balance“, wie man heute sagt?“ „Ach. Du hast vorher den Unterschied zwischen Theorie und Praxis erwähnt. Diesen gibt es bei uns auch. Lass mich dies an einem Beispiel erklären: „Armin kommt abends häufig erschöpft nach Hause. Ich habe schon gelesen, dass rund ein Drittel der Arbeitnehmenden in der Schweiz unter Stress stehen. Ich habe aber bisher noch nie herausgefunden, was ihn wirklich stresst. Für mich hat es mit Über- oder Unterforderung zu tun. Es kann die Arbeit sein, aber auch das Umfeld oder der Chef. Armin ist gut ausgebildet. Er hat sein Studium mit Bravour hinter sich gebracht. Ich habe auch den Eindruck, dass ihm die Arbeit gefällt. Vielleicht bin es auch ich, aber dann müsste er ja nicht erschöpft nach Hause kommen. Im Extremfall könnte er auch etwas vormachen, sich müde oder ausgelaugt geben, damit er eine Entschuldigung hat, wenn ich von ihm etwas will. Du weisst schon was…aber die Libido sollte doch in seinem zarten Alter noch kein Problem darstellen.“ „Könnte es auch sein, dass Du Dir etwas zu viel Sorgen machst?“, meint Greta. „Aber erzähl mir doch einmal, wie er auf Dich als Person wirkt.“ „Jetzt wird es also so etwas wie psychologisch, oder so“, gibt Anna zurück. „Also gut, ich versuche es einmal mit ein paar Bildern aus dem Alltag. Er zeigt sich in seinem Verhalten häufig sehr nachgiebig. Du musst nur Druck machen, dann erreichst Du, was Du willst. Er ist einerseits weich, andererseits kann er nicht kompromisslos sein. Das ist zwar angenehm. Es kann einem aber auch viel Nerven kosten, wenn Du erwartest, dass er sich für einmal von der Seite der Durchsetzung zeigen sollte. Aber da kann man wahrscheinlich nichts machen. Er ist einfach zart besaitet. Wahrscheinlich auch kein Zufall, dass er Ökologie zu seiner Berufung gemacht hat. Kollegen sagen von ihm, er sei ein „Gutmensch“. Wahrscheinlich stimmt dies im Kern auch. In seiner Arbeit ist er fleissig. Er verlangt von sich auch ziemlich viel und ist mit schnellen Ergebnissen nicht zufrieden, weil er seine Arbeit stark hinterfragt. Sein Chef bestätigt ihm auch immer wieder, dass er gerne arbeitet und bei der Sache ist. Er erwartet natürlich auch, dass ein Wissenschaftler sich kritisch zu seinen Ergebnissen und Untersuchungen zeigt. Wegen seiner Nachgiebigkeit ist Armin auch von einem Gemeinschaftssinn beseelt, der den Eindruck hinterlässt, dass er manchmal fast hilflos ist. Er lässt sich also gerne helfen, auch von mir. Das führt auch dazu, dass er von anderen Personen, die nicht so anständig sind, ausgenützt wird. Ich wünschte mir manchmal schon einen Mann, der seinen „Mann“ stellt und auch eigenwillig sein kann. Doch, so ist das Leben. Du kannst nicht alles haben. Wahrscheinlich habe ich unbewusst jemanden gesucht, der mich ergänzt oder anders tickt als ich es tue. Ich kann schon kompromisslos sein, bin auch eher auf die Freizeit orientiert und bin auch eigenwillig. Er sagt mir manchmal, dass ich einen sturen Kopf habe und dass er immer nachgeben müsse, damit wir im Haus Frieden haben“ „Wenn Du mir das so erzählst, liebe Anna, dann habe ich schon den Eindruck, dass es stimmt, dass sich Gegensätze anziehen. Es ist doch das Salz in der Suppe, wenn es durch die Gegensätzlichkeit von zwei Menschen Spannungen gibt, die das Zusammenleben spannend machen. Langeweile dürfte bei Euch wohl kaum aufkommen. Wahrscheinlich musst Du den fein besaiteten Mann an Deiner Seite akzeptieren. Selbst wenn er im Bett nicht immer das abliefern kann, was Du – als eher kompromissloser Mensch – von ihm erwartest. Vielleicht finden wir miteinander doch noch einen Schlüssel, damit Ihr Euer Seelenleben verbessern könnt. Erzähl doch weiter über Deinen Armin. Das ist ja sehr interessant, wie Du Deinen Mann schilderst. Bei diesem anspruchsvollen Kommunikationsstil kann nichts schief gehen.“ „Wenn Du das so siehst, dann plaudere ich gerne noch etwas mehr aus der Schule. Du erzählst ja das, was Du von mir hörst, nicht direkt an andere Personen weiter, die dann alles Gehörte nochmals umdrehen, so dass am Schluss Schlagzeilen für die Boulevardpresse entstehen. Die Nachgiebigkeit ist bei Armin mit Einfühlsamkeit gepaart. Das kann so weit gehen, dass er so sehr die menschliche Seite betont, dass er zu weich ist. Unbarmherzigkeit oder Unmenschlichkeit ist bei ihm nicht denkbar. Da erscheint wiederum der Gutmensch, der keiner Seele etwas antun könnte. Weiter ist er dann wieder gewissenhaft. Dies nicht nur bei der Arbeit, sondern auch im Umgang mit mir. Er steht zu dem, was er tut, ohne dass er selbstquälerisch oder bedrückt ist. Der Gutmensch hat, als problematische Folge seines Charakters, einen starken Harmoniedrang, der ihn wehrlos erscheinen lässt. Einen handfesten Krachhatten wir noch nie. Seine Art friedliebend zu sein stösst bei meiner kompromisslosen Art manchmal an. Ich kann ihm aber nicht böse sein, denn er ist so wie er ist. Das ist bei mir natürlich auch so, nur anders herum. Eigentlich ist Armin ein wunderbarer Mensch, nicht geschaffen für unsere brutale Welt, wo jeder jeden über den Tisch zieht. In seiner wissenschaftlichen Arbeit blüht er aber richtig auf und kann sein Verantwortungsbewusstsein richtig ausleben. Ich selber habe mich schon öfters gefragt, ob ich einen solchen Gutmenschen auch wirklich verdient habe, bei meinen Ecken und Kanten, die ich habe. Aber irgendwo muss es doch auch Gemeinsamkeiten geben, die uns verbinden. Nur die Gegensatzpaare der Persönlichkeit können es ja auch nicht sein. Vielleicht sind es Themen in der Kommunikation; wir gehen beide auf andere Personen zu, sind also sicher nicht scheu. Wir sind aber auch nicht aufdringlich und hören auch zu, wenn andere etwas sagen wollen. So gelten wir bei unseren Bekannten und Freunden als höflich, wir halten uns an die Form und sind diplomatisch. Wir werden als bescheiden erlebt. Aufschneider sind wir mit Bestimmtheit nicht. Unsere Gesinnung ist liberal und tolerant. Der persönliche Spielraum für uns und andere ist uns wichtig. Wir sprechen häufig über unsere Zukunft und die gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Vergangenheit ist nicht im Fokus unserer Gedanken. Die Weitsicht ist aber nicht mit Illusionen verbunden, so dass wir sicher nicht weltfremd sind. Beide sind aber auch selbsterhaltend. So verfolgen wir beide unsere eigenen Interessen. Wir pflegen unsere Individualität ohne extrem egoistisch zu sein. Wenn es die Situation verlangt, sind wir durchaus selbstlos. Schwieriger ist es bei der Art zu denken. Doch ich meine, dass wir den Überblick ins Zentrum stellen und dann geordnet, systematisch vorgehen. Auf dem Weg zu einem Ziel zeigen sich dann aber auch andere, neue Möglichkeiten, die wir dann auch aufnehmen. Ich habe also den Eindruck, dass wir durchaus eine schöpferische Ader haben. Die Motivation etwas zu tun kommt bei beiden von uns von innen her gesteuert. Wir sind durchaus ziel- und erfolgsorientiert und setzen uns dafür ein. Dazu gehört eine gute Portion Lernbereitschaft. Wir glauben auch meist daran, dass Missstände behoben werden können. So sind wir für das, was wir tun und nicht tun auch bereit Verantwortung zu übernehmen.“ „Da habt ihr ja ein grosses Repertoir an Gemeinsamkeiten, die den Zusammenhalt in einer Partnerschaft nachhaltig positiv beeinflussen müssen. Ihr beide müsst dann glücklich sein, wenn ihr auch eure Gemeinsamkeiten pflegt“, meint Greta. So geht der Austausch zu Ende. Armin kommt vom Gespräch mit den glorreichen Sieben nach Hause und möchte noch erfahren, was die beiden Freundinnen besprochen haben. „Ach, wir haben über uns gesprochen, was wir gemeinsam haben und was uns trennt. Da sind viele Dinge durch den Kopf gegangen. Die Gedanken sind gebüschelt worden und die Einsicht steht am Schluss, dass wir gut zusammenpassen, weil wir auch viele Gemeinsamkeiten haben.“ Es ist schon später Abend und die beiden versprechen sich am folgenden Tag die Details der heutigen Gespräche zu erzählen. Auch Patrick, der pensionierte Lehrer, kehrt zu seiner Frau Maya zurück. Er erzählt ihr kurz davon, dass sie in der heutigen Schule die Lösung komplexer Aufgaben immer schwieriger wird und wie er sich mit einfachen Fragestellungen seinerzeit ins Zeug gelegt hat, dass die Schüler fürs Leben etwas mitnehmen können. „Dann hast du wieder einmal deine Lieblingsbotschaft an die Menschheit versendet“, mokiert sich Maya. „Du glaubtest in deinem Lehrer-Ghetto wirklich daran, dass sich die aktuellen Probleme lösen, wenn die Kinder deine wichtigen Fragen zur Klärung der Situation und zum richtigen Vorgehen stellen. Da sollten doch eher mal die politisch Verantwortlichen mit gutem Beispiel vorangehen und endlich eine Koordination der Lehrpläne erreichen, bevor sie sich wieder darüber streiten ob nun Französisch oder Englisch in der Grundstufe Priorität hat. Ich staune ja immer wieder darüber, wie lange es schon die Feststellung gibt, dass Schulabgänger weder lesen, rechnen noch schreiben können, unabhängig vom Kanton und obwohl die Unterrichtsstunden in den Kantonen grosse Unterschiede aufweisen. Wenn die Schüler mit deutlich mehr Schulstunden auch tatsächlich schlauer würden, dann kann es doch nicht sein, dass eben solche Kantone bei der Wettbewerbsfähigkeit hinten anstehen. Das habe ich heute in der Zeitung gelesen. Der Zusammenhang von Schulstunden und Wettbewerbsfähigkeit habe ich allerdings selber konstruiert.“ „Ja, du denkst eben über die Nase hinaus.“ Patrick ist sogar der Meinung, „Du, liebe Maya, müsstest eigentlich Bildungsdirektorin unseres Kantons werden“. „Dass ich nicht lache“, wirft Maya ein, „Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass ein Bildungsdirektor in diesen Fragen etwas ausrichten könnte und dass sich die Situation verbessern würde“ Mit dieser wohl realistischen Einschätzung der Situation gehen beide ins Bett und träumen von einer besseren Welt, mindestens einmal von der Welt der Schule. Diese ist komplex und voller Widerstände, was die aktuellen Probleme betrifft. Maya ist eine früh pensionierte Lehrerin. Sie hat eine Schwester, Penelope, die eben 40ig geworden ist. Über den neuen Lebensstil dieser Generation hat sie sich schon viele Gedanken gemacht, weil diese Generation vor Selbstbewusstsein fast platzt. Penelope gilt als „Nesthöckerchen“. Maya denkt, dass ihre Schwester im wirklichen Leben noch nicht so richtig angekommen ist. Bei ihrer Generation handelt es sich um die „Grossartigen“, auf welche unsere Gesellschaft schon lange gewartet hat. Die Generation der Grossartigen ist von ihren Fähigkeiten stark überzeugt. Wenn sich jemand als Autor berufen fühlt, wird ohne Hemmung Manuskript um Manuskript an die Verlage geschickt mit der Aufforderung doch bitte bald darauf zu reagieren. Die Lohn- und Honorarforderungen sind dann nicht weit weg. Es ist selbstverständlich, dass man sich als wertvolle Person zu verkaufen weiss. Es entsteht der Eindruck, dass man auf diese Grossartigen gewartet hätte. Das Selbstvertrauen wird bis zur Arroganz gepflegt. Die Selbstkritik, als Distanz auf das eigene Tun mit dem Erkennen der eigenen Grenzen, fehlt. Die ältere Generation der Babyboomer hat zu viel an sich gezweifelt und zu Autoritäten aufgeschaut. Das ist bei der „GenerationY“ verloren gegangen. Die Generation „Praktikum“, wie sie auch genannt wird, weiss häufig auch nicht mehr was sich gehört. Das kann man unter Anstand abbuchen. Es zeigt sich vor allem bei Bewerbungsgesprächen. Die Unterlagen sind tadellos. Das Gespräch ist getragen von festen Stimmen. Klar und deutlich wird formuliert, was die persönlichen Erwartungen sind. Vorträge und Präsentationen zu halten, ist kein Problem, das hat man gelernt. Die sozialen Medien sind ein gutes Feld sich zu präsentieren, auch wenn es lediglich um eine „zweite Person“ geht, die mit der wirklichen Person nicht viel zu tun haben muss. Der Idealismus fehlt. Wenn es darum geht sich für ein Vorhaben idealistisch einzusetzen, haben diese Generationenvertreter keine Zeit. Das Konsumdenken ist im Zentrum; gerne werden geschätzte Aufwandstunden aufgerechnet, selbstverständlich mit der Verdoppelung von Sonntagsaufwendungen. Eine grosse Distanz zwischen dem was gefordert und geliefert wird, kann und muss festgestellt werden. Es gibt eben Unterschiede zwischen bloggen, liken, sharen, kopieren, nachdenken, einordnen. Was entsteht ist Selbstüberschätzung. Wo ist die Leidenschaft?“ So endet der Tag der Sieben Aufrechten und fördert gesellschaftliche Prinzipien der Anatomie ans Tageslicht:

Ausprägungen führen zur Betonungen des einen oder anderen Pols. Die Schweiz zeigt sich als extrem Sicherheitsorientiert. Fast jeder Bewohner ist überversichert. Könnten die Bewohner das nächste Leben versichern, würden sie es tun. Die Risikoorientierung leidet, was sich zum Beispiel bei den moderaten Neugründungen von Firmen spiegelt

Anatomie der Entwicklung von Institutionen. Firmen und Institutionen folgen insofern einem anatomischen Grundmuster, als dieses sich über ihr Alter und deren Grösse entwickelt. Schon – L. Greiner; Evolution and Revolution as Organizations Grow – Harvard-Business Review, July-August, 1972 – hat empirisch beobachtete Gesetzmässigkeiten für Entwicklungsprozesse beschrieben. Wichtig ist, dass das eher deterministische Entwicklungsmodell von Greiner differenziert zu betrachten ist. Nebst dem Alter und der Grösse einer Institution muss auch die Branche und der evolutionäre oder revolutionäre Charakter einer. Entwicklung – beispielsweise die Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft – berücksichtigt werden. Die folgenden fünf Entwicklungsphasen werden genauer betrachtet und auf deren anatomische Charaktere untersucht:

Mit diesen Wachstumsphasen sind an den Übergängen Krisen auszumachen. Diese sind ausgelöst durch das Führungsverhalten, der Autonomiebestrebung, der Kontrolle und der Bürokratie. In der Phase des kreativen Wachstums gegen das Führungsverhalten sind Pionierfirmen oder Firmen der ersten Stunde. Die folgenden Eigenschaften sind zu beobachten: Lenkung und Gestaltung der Firma; diese erfolgt durch die Gründer. Informale Interaktionen und Kommunikationsmuster sind charakteristisch. Die Strukturen sind flexibel. Dies trifft auch für die Prozesse und Abläufe zu. Experimentier- und Risikofreude, in Kombination mit unorthodoxen Lösungen, sind vorherrschend. Niedrige Formalisierung und Standardisierungen sowie unklare Aufgabendefinitionen sind selbstverständlich. Die Mitarbeitenden sind intrinsisch motiviert. Wenn die Firma wächst, entstehen neue Bedürfnisse nach Koordinations-, Lenkungs- und Überwachungsfunktionen. Diese Bedürfnisse führen „automatisch“ in die angesprochene Führungskrise. Die heutigen Gründer sind häufig im Internetbereich anzutreffen. Die Voraussetzung für den Erfolg ist eine intensive Vernetzung mit Experten aus verschiedenen Bereichen. Mit der Methodik des „Design Thinking“ werden in unkonventioneller Art und schnell Prototypen erstellt, die im Markt getestet werden. Mit neuen Finanzierungsformen wie zum Beispiel Crowd – Funding wird das nötige Eigenkapital beschafft. „Family, Friends and Fools“ helfen dabei im engsten Kreis. Dieses Vorgehen passt zum Unkonventionellen und löst in manchen Fällen die Schwierigkeit bei der Beschaffung von Seed Money. Allerdings sind die start-ups mit Skalierungs- und Wertschöpfungspotenzial eher selten. Sie kommen meist aus einer starken Verbindung mit einer Hochschule. Die Förderung für die Marktbearbeitung erfolgt erst nach ersten Markterfolgen. Häufig melden sich grosse Player, die das Produkt aufkaufen und in ihr Portfolio integrieren. Beim Führungsverhalten gegen Autonomie startet die Bürokratisierung und die Ableitung von Unternehmensfunktionen. Der Grad der Spezialisierung nimmt zu. Führungssysteme und Standardisierungen werden entwickelt und dienen dazu die Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Die Organisationsstruktur wird hierarchischer. Der Ruf nach Autonomie verstärkt sich. Optimale Handlungsspielräume für die Mitarbeitenden sind gefragt. Die Standardisierung greift in alle Unternehmensbereiche ein; Corporate Governance, Qualitätsmanagement für alle Bereiche und Branchen, jährlich neue Gesetze und Verordnungen greifen um sich. Sie verbessern die unternehmerische Ausrichtung und deren Qualität nicht grundlegend. Die neuen Stellen in der Verwaltung wachsen seit Jahren. Sie tragen zum Bruttoinlandprodukt bei, sind aber kaum Hinweise für die Verbesserung der Produktivität, der Effizienz und der Effektivität. Andererseits sind in der Schweiz seit 2008 die Stellen in der industriellen Fertigung um 50 000 gesunken, sind aber mit höherer Wertschöpfung durch Innovation verbunden. Die Klagen über die zunehmende Bürokratie nehmen auch in der Politik zu. Wirksame Gegenmassnahmen sind aber nicht in Sicht. Die Firmengründer leiden unter der Standardisierung und ächzen über neue Formen der Besteuerung des „virtuellen Vermögens“ Bei der Phase Delegation gegen Kontrolle geht es um die Regelung der Dezentralisierung. Beim Top Management gibt es Machtverluste, weil die Bereiche ein intensives Eigenleben führen. Die zentralen Kontrollaspekte können deshalb sehr wichtig werden. Die Alternative ist die Selbstkontrolle zu fördern. Die Verantwortung hat mit dem Einstehen für Handlungen zu tun. Da widersprechen die Abwehrverhaltensweisen, wie „der andere ist schuld“. Schuldzuweisungen eröffnen auch den Spielraum für Kreativität, weil immer neue Ausreden für das Misslingen gefunden werden. Die Schuld bei sich selber zu suchen, damit Verantwortung zu übernehmen, ist nicht ohne weiteres zu erwarten. Die Verantwortung steht der Sorglosigkeit komplementär gegenüber. Je weniger sich Personen Sorgen machen, desto weniger sind sie auch bereit Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung übernehmen ist mit Vertrauen verbunden. Da stellt sich die alte Frage: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser? Ohne Kontrolle geht wohl nicht viel. Es ist aber nötig einen Handlungsspielraum zu geben, der dem Reifegrad des Betroffenen entspricht. Wenn dies gelingt, machen Selbstkontrolle oder Stichprobenkontrollen Sinn. Führungsinstrumente wie Stellenbeschreibungen oder Kompetenzdiagramme können die menschlichen Voraussetzungen, ob Vertrauen oder Kontrolle nötig ist, nicht ersetzen. Bei der Koordination gegen die Bürokratie werden die Überwachungssysteme verstärkt. Experten gewinnen an Bedeutung. Die Organisationsstruktur wird mit Stäben ergänzt, oder es werden Prozessorganisationen implementiert. Bleibt es bei Stab-Linien-Organisationsmustern, wird die Flexibilität eingeschränkt. „Wer keine Führung hat, der hat Stäbe“. Die Zeit der Stab-Linienorganisationen, die vor allem aus dem Militär beliebt sind, haben ihre Verbreitung stark eingebüsst. In der Moderne haben sich die Prozessorganisationen, oder die Versuche diese zu implementieren, ausgebreitet. In diese Organisationsformen arbeiten die Mitarbeitenden für den Kunden und nicht in erster Linie für den Chef. Die Prozesse sind deshalb auch vom Kundenbedürfnis bis zur Erfüllung der Kundenerwartungen gestaltet. Die Mitarbeitenden arbeiten nach dem „Rundum-Prinzip“, was zu höheren Qualifikationen und zur Arbeit in Teams führt. In den Prozessen wird von der Kaminorganisation Abschied genommen. Die Prozesse sind so gestaltet, dass es weniger Schnittstellen gibt. Diese werden zu Nahtstellen. Die Irrtümer werden reduziert und die Durchlaufzeiten werden stark reduziert. Hierarchien spielen eine deutlich geringere Rolle. Die Hierarchen werden zu Prozesseignern. Dafür eigenen sich lange nicht alle Vorgesetzten. Vor allem jene, welche auf Prestige, Status und Hierarchie setzen werden zum Auslaufmodell. In der Phase der Teamentwicklung wird die Konfliktlösungsfähigkeit verbessert. Es entstehen neue Formen der Kooperation. Die interpersonelle Zusammenarbeit hat einen hohen Stellenwert. Die Koordinationsaspekte sind für das Gedeihen der Organisation zentral. Nach heutiger Erkenntnis sind Netzwerke für Unternehmensentwicklung wichtig. Lieferanten, Kunden, Hochschulen und Verbände werden in die Entwicklung eingebunden. Wenn dies gelingt, kann von starker Wertschöpfungsentwicklung, von Innovationskraft und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit ausgegangen werden. Bei Export orientierten Firmen sind darüber hinaus internationale Netzwerke wichtig. Eine Netzwerkstrategie, die Bildung von Brückenköpfen, die Realisierung von Projekten etc. sind erfolgsversprechend; siehe folgende Abbildung:

Morphologie als Lehre von Struktur und Form; seine Bedeutung für die Anatomie. Die Morphologie – als Gestalt und Form – hat in der Evolutionsbiologie einen zentralen Stellenwert, wird aber – vor allem im deutschsprachigen Raum – für Strukturen verwendet. Schon Johann Wolfgang von Goethe hat sich 1796 mit Morphologie befasst. Sein Versuch, aus dem Aussehen der bekannten Pflanzenformen auf eine idealtypische Urpflanze zu schliessen, hat grosse Bedeutung erreicht. Diese Arbeit gilt bis heute als erster Schritt zur modernen Evolutionsbiologie. Sie wird unter dem Begriff „idealistische Morphologie“ eingeordnet. Mit der vergleichenden Morphologie werden in der Formenvielfalt der Individuen Grundmuster erkannt. Bei der funktionellen Morphologie wird eine Struktur im Hinblick auf ihre Funktion untersucht und bei der experimentellen Morphologie wird die Entwicklung eines Organismus untersucht. Morphologische Untersuchungen sind damit Grundlage verschiedener Forschungsrichtungen. Sie ist die Grundlage für die Systematik und die Evolution. Beim Astrophysiker Fritz Zwicky, Entdecker von 123 Supernovas – Fritz Zwicky; Morphologische Forschung. Wesen und Wandel materieller und geistiger struktureller Zusammenhänge, Bäschlin, Glarus 1989 – erscheint auf der methodischen Ebene der „morphologische Kasten“ als Denkwerkzeug. Zwicky beschäftigte sich auch mit der Methodik um aus Ideen konkrete Produkte zu entwickeln, zum Beispiel die Erfindung des Raketenmotors. Die Morphologie kann als universelle Denkmethodik bei allen möglichen Problemstellung Anwendung finden. Die Darstellung in der Dimension „Merkmale“ und in der Dimension „Ausprägungen der Merkmale“ eröffnet eine systematisch-ganzheitliche Darstellungsform für komplexe Zusammenhänge. Während die „Merkmale“ die Problemstellung auf der Ebene der Logik abbildet, zeigen die „Ausprägungen“ die unendliche Vielfalt von Lösungsmustern oder stellen bekannte Lösungen systematisch dar. Die Kreativität der Problemlöser ist gefordert. Die zwei Dimensionen bedienen sich der zwei Denkapparate unseres Gehirns, der Intuition und der Logik

Ein wesentlicher Vorteil dieser Darstellungsform besteht darin, dass die Lösungsansätze bewertet werden können und die Verbindungen zwischen den Lösungsideen intuitiv schnell gefunden sind. Mit einiger Übung ist es möglich, für komplexe Probleme die Lösungstreiber in ihren Wirkungen schnell zu finden und den Weg für die Umsetzung frei zu machen. Äussere und innere Gestalt einer Problemstellung und die Formen von Lösungsstrukturen können sichtbar gemacht werden. Damit stellt sich die Verbindung zur Anatomie einer Problemstellung dar. Die Entwicklung einer Diagnose eines komplexen Problems kann mit der Morphologie unter Nutzung der kollektiven oder Schwarmintelligenz in einem „open space“ genutzt werden. Die offene Beteiligung am Prozess mit Gleichberechtigung aller Gedanken und Vorstellungen nutzt auch das kollektive Unbewusste und lässt diese Aspekte in den Lösungsprozess einfliessen. Bei einem Kultur oder Grenzen übergreifendem Vorgehen können die unterschiedlichen Werte auf einen gemeinsamen Nenner geführt werden, ohne Aussagen darüber zu machen, was „richtig“ und was „falsch“ ist. Das ganzheitlich-vernetzte Denken wird mit der Morphologie gestärkt. Dieses wird der Komplexität von Problemstellungen gerecht. „Ganzheitlich“ betont immer die Übersicht. „Vernetzt“ zeigt die wechselseitigen Wirkungen auf und bringt diese in einen dynamischen Zusammenhang. Die Ausprägungen der Denkstrukturen und Vorlieben der Menschen sind wichtig. Immer gibt es eine Position, bei welcher situativ – auf die Anforderung der Situation bezogen – gedacht wird. Es gibt aber auch starke oder sehr starke Ausprägungen, die ein anderes Denken verunmöglichen. Der vernetzende Denker*In kann alles auf einmal erfassen. Die Komplexität wird gesehen. Wird diese Fähigkeit übertrieben, wird alles verkompliziert und unlogisch. Der Gegenpol zum vernetzten Denken repräsentiert der logische Denkmodus. Da wird alles der Reihe nach behandelt und die Folgen werden richtig überdacht. Bei der extremen Ausprägung wird diese Fähigkeit aber zum schlichten Denken führen. Im Volksmund heisst es dann, „er oder sie kommt nicht mit“. Das ganzheitliche Denken ist mit der Grosszügigkeit und der „roten Linie“ verbunden. In der extremen Ausprägung führt dieses Denken zur fehlenden Differenzierung und zur Oberflächlichkeit. Der Gegenpol ist durch das analytische Denken besetzt. Der Blick für das Detail ist ausgeprägt und die Differenzierung bereitet keine Mühe. Im Extremfall führt dies zur Haarspalterei; vor lauter Bäumen wird der Wald nicht mehr gesehen. Die Morphologie bietet den Vorteil, dass bei der Nutzung der kollektiven Intelligenz und des Wissens, zwischen den Personen ein inhaltlicher Ausgleich geschaffen wird. Jede Person kann zu jeder Zeit inhaltlich intervenieren und bereits erarbeitetes Wissen ergänzen. Dieser Prozess ist in der Phase der Diagnose wichtig, weil er die Bewertung von Inhalten verhindert und dafür sorgt, dass vorschnelle – oft auch falsche – Lösungen bevorzugt werden. Mit dieser Haltung des Ausgleichs wird die Fähigkeit über den Dingen zu stehen aktiviert. Das Massvolle ist für den Prozess des Ausgleichs zentral. Wichtig ist allerdings, dass die Ausrichtung auf das Massvolle nicht zur Gleichgültigkeit wird und so den Gegenpol zur Unausgeglichenheit betont. An diesem Pol ist die Leidenschaftlichkeit und Begeisterungsfähigkeit so überzeichnet, dass sich die Teilnehmenden am Denkprozess zu stark in die Thematik hinein steigern und so das Massvolle verpassen. Die Morphologie ist mehr als die Welt in zwei Dimensionen zu erfassen. Bereits die zwei Gestaltungsebenen, Merkmale und mögliche Ausprägungen oder Lösungsansätze einer Problematik, verbinden die Logik mit der Intuition. Einerseits werden Problemstellungen in ihre Teile aufgespaltet, andererseits sind die möglichen Ausprägungen offen für alle denkbaren und möglichen Ansätze für Problemlösungen, die nur mit dem schöpferischen Denken aufgearbeitet werden können. Neuere Ansätze in der morphologischen Betrachtung führen die Optik der Zusammenhänge zwischen den Ausprägungen ein und legen über die Zusammenhänge ein Netz von Bewertungen, die nach dem Ampelprinzip dargestellt werden können. Weiter kann davon ausgegangen werden, dass diese Darstellungsform die neuropsychologischen Erkenntnisse berücksichtigen und in dieser Art dazu führen die Komplexität zu beherrschen, nicht zu reduzieren. Da sich am Gestaltungsprozess dieser Art, morphologisch komplexe Systeme aufzuschlüsseln, möglichst viele Personen und Experten austauschen können, kann davon ausgegangen werden, dass das kollektive Unbewusste in die Lösungsentwicklung einfliesst und sich die Wahrscheinlichkeit wesentlich erhöht, dass nachhaltige Problemlösungen gefunden werden. Schliesslich ist es auch möglich, dass die Diversität eingefangen wird. Bei Kultur übergreifenden Beteiligungen an den Problemlösungsprozessen werden Werte transportiert, welche die Toleranz für das Andere schärft. Die Möglichkeit mit der Morphologie eine ganzheitliche Übersicht für komplexe Probleme zu entwickeln, ist ein starker Vorteil dieses Ansatzes. Weiter können die systemimmanenten Zusammenhänge dargestellt werden und der Spielraum für Kreativität ist offen. Damit verbindet sich der logische mit dem intuitiven Denkapparat. Die gezielte Möglichkeit, in einem grösseren Zusammenhang, eine Bewertung von Lösungsvorschlägen zu entwickeln, führt meist zu gezielten Lösungen, die einen direkten Weg zur Nachhaltigkeit aufzeigt. Für die Anatomie der ganzheitlichen Methodik heisst dies:

Hierarchien in der Gesellschaft regeln das soziale Leben. Hierarchien sind typisch für die Anatomie gesellschaftlicher Strukturen. Herrschaft und Autorität werden mit hierarchischen Modellen geregelt und abgebildet. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass bei allen Lebewesen Hierarchien eine Rolle spielen. Da finden die Menschen häufig Parallelen zur Welt der gesellschaftlichen Regulierungen. Wenn etwa die Primaten auf den obersten Ast des Baums Anspruch auf Führung erheben und auch darum kämpfen, dann interpretieren wir dieses Verhalten als „Umgang mit Hierarchien“ oder „Positionierungskämpfe der Stärkeren“. So entsteht eine Rangordnung vom „Alpha – Tier“ bis zum „Omega – Tier“, was uns Menschen vertraut vorkommt und mit der „Hackordnung“ umschrieben wird. Die hierarchisch höheren Positionen sind mit vermehrter Verantwortung verbunden. Die obersten Hierarchen übernehmen die Gesamtverantwortung für die gesamten produktiv-sozialen Systeme, denen sie vorstehen. Es werden von den höher gestellten Hierarchen auch höhere Beiträge an das gesamte System erwartet oder eingefordert. Insofern enthalten Hierarchien automatisch Wertigkeiten. Die Ablehnung oder Verneinung von Hierarchien führt häufig zu Verschleierungen, die der Realität nicht genügend Rechnung tragen. Hierarchien können steil aufsteigende oder flache Strukturen aufweisen. Je steiler die Hierarchie, desto weniger sind Innovationen zu erwarten. Je steiler die Hierarchien geregelt sind, desto weiter entfernen sich aber auch die Herrschafts-und Machthaber von der Basis, was zu irritierenden Entscheidungen führen kann. Hierarchische Modellvorstellungen finden sich aber auch bei unseren Informationsaufnahme, – Verarbeitungs- und Denkprozessen. Wie weiter oben schon dargestellt, stehen für die Informationsaufnahme und – Verarbeitung das Ultrakurzzeit- und Kurzzeitgedächtnis zur Verfügung. Im Langzeitspeicher sind alle Informationen und Eindrücke als Episoden gesammelt, die es für die intuitiven und logischen Denkprozesse braucht. Diese Aufteilung kann durchaus als hierarchisch verstanden werden, obwohl die Intuition nach den Prinzipien des analogen Denkens funktioniert, mit direktem Zugang zum Unbewussten. Die Merkfähigkeit ist für das Lernen wichtig. Der Kurzzeitspeicher ist dafür zuständig. Dieser kann bei schwacher Ausprägung, also bei Schwierigkeiten mit dem Merken von Zahlen oder Begriffen, trainiert werden. Der Ultrakurzzeitspeicher beschützt uns vor Überflutung mit Eindrücken und Informationen. Man kann davon ausgehen, dass es beim Aufbau unseres Gehirns auch eine Hierarchie gibt. Die Einteilung in Stamm-, Zwischen- und Grosshirn hat sich etabliert. Die autonomen Steuerungen im Stammhirn, die Verarbeitung von Emotionen im Zwischenhirn und die Merk- und Denkfunktionen oder die Sprachfähigkeit etc. werden dem Grosshirn zugeordnet. Das Gehirn kann aber nur als Ganzes, das heisst als Zusammenspiel aller Hirnteile, verstanden werden. Die Wissenschaft versucht aktuell den Hirnteilen eindeutige Funktionen zuzuordnen oder das menschliche Gehirn zu rekonstruieren. Was sagt uns das alles zur Anatomie der Gesellschaft? Es gibt einen hierarchischen Aufbau unseres Wesens, mit Einfluss auf unser Bewusstsein und auf unseren Lern- und Denkapparat. Die Menschen konstruieren mit den Denkprozessen Wissensbäume, die hierarchisch geordnet sind. Damit wird Übersicht und Ordnung geschaffen. Es ist aber auch möglich das Wissen in organisch wachsenden Strukturen abzubilden. Diese Bilder stützen das Erinnerungsvermögen besser, weil sie dem Episodenspeicher im Langzeitgedächtnis entgegenkommen. Die Fähigkeit Analogien zu gestalten findet hier seinen Niederschlag. Hierarchien sind funktional, sie schaffen Räume der Verantwortung und Bereiche der Beitragsmöglichkeiten an die Gesellschaft. Die Institutionen oder Unternehmungen in unserer Gesellschaft sind hierarchisch gegliedert. Man spricht von Linienorganisationen. Wenn in den Führungslinien das nötige Wissen nicht vorhanden ist, werden Stäbe geschaffen, die unterstützend wirken. Die weit verbreitete Organisationsform entstand in militärischen Institutionen. Sie ist heute in Frage gestellt, da das Systemdenken, in Verbindung mit dem Prozessverständnis, Anklang gefunden hat. Die Prozessorganisationen stellen die Beziehungen und Aufgaben vom Kundenbedürfnis bis zur befriedigten Kundenerwartung dar. Es geht darum die „Schnittstellen“ zu minimieren, die bei der Zusammenarbeit der verschiedenen Funktionsträger und Verantwortlichkeiten entstehen. Minimierte Schnittstellen werden zu Nahtstellen, Irrtumsquellen werden minimiert, Doppelspurigkeiten werden abgeschafft, die Anforderungen an die Funktionsträger werden erhöht und die Durchlaufzeiten werden deutlich verringert. Diese Modelle sind relativ selten anzutreffen. Sie sind in der Umsetzung anspruchsvoll, weil die Hierarchen zurücktreten müssen und der Zusammenarbeit im Team und für den Kunden Platz machen. Die Mitarbeitenden arbeiten in erster Linie für den Kunden, nicht für den Vorgesetzten. Die flachen Hierarchien werden wichtiger und führen zu höheren Anforderungen bei der organisatorischen Umsetzung, da die Spannbreite grösser wird. Matrixmodelle sind eine weitere Form zur Abbildung von komplexen Zusammenhängen. Die Linienführung wird beispielsweise mit den Marktbearbeitungen in den Regionen gekreuzt und in einer Matrix dargestellt. Dies führt dazu, dass die Mitarbeitenden zwei Vorgesetzte haben und die Kompliziertheit die Komplexität noch mehr befeuert. Die hohen Anforderungen an die Kommunikation und Kooperation wird in diesen Organisationsmodellen weitgehend nicht erfüllt. Zur Hierarchie gesellt sich noch eine Matrixfunktion mit Schnittstellen, auf welchen „Blut fliesst“ Die neueren Entwicklungen haben denn auch immer mehr von diesen Organisationsmustern Abschied genommen. Immer wieder gibt es Versuche oder Annahmen, dass Organisationen „ohne Macht“ möglich seien. Von prominenter Seite wird „Führen ohne Macht“ als „Königsdisziplin“ dargestellt. Es ist wenig verwunderlich, dass vor allem Psychologen diese Modelle vertreten und als Alternative zum hierarchischen Modell verstehen. Es ist der Begriff „Macht“ ,als Einflussnahme/legitimierte Anordnungsgewalt, von der Verantwortung zu trennen. Wie konstituiert sich Macht? Wer kann mit welchen Konsequenzen zur Durchsetzung einer Position Einfluss nehmen? Vor allem in der Politik muss in der aktuellen Zeit auf Fragen dieser Art Antwort gegeben werden. Die politischen Systeme mit mehreren Ebenen sind komplex. Oft ist unklar, wo welche Machtfülle entsteht und wie sie legitimiert wahrgenommen werden kann. Es wird vermutet, dass pragmatisches Durchwursteln oder dunkle Mächte am Werk sind; Kompetenzstreitigkeiten sind häufig. Es braucht klare Regeln, wie die Macht wahrgenommen und wie sie geteilt werden kann. Je höher eine Personen in einer Firma in der Hierarchieangesiedelt ist, desto höher ist die Verantwortung, ob sie wahrgenommen wird oder nicht. An der Spitze einer Organisation steht deshalb der CEO mit der Gesamtverantwortung für die Organisation auf personeller, finanzieller und sachlicher Ebene. Verantwortung ist nicht teilbar; es ist zwischen Führungs- und Handlungsverantwortung zu unterscheiden, wie im Englischen zwischen „responsibility“ und „accountability“, also mit Verantwortung und Rechenschaftspflicht. Soziale und technologische Normen regulieren das Zusammenleben in den Institutionen. Auch sie sind hierarchisch gegliedert. Bei den sozialen Normen gibt es „Muss-, Kann- und Soll-Vorschriften“ die bei deren Nicht-Einhaltung Konsequenzen oder Bestrafungen nach sich ziehen. Die Art der Vorschriften ist ein hierarchisches System, welches die Schwere der Konsequenzen reguliert. Die Normen sind aber einem langsamen sozialen Wandlungsprozess der Gesellschaft unterworfen. Damit sind sie ein Kulturbestandteil der Institutionen oder der Gesellschaft. Der liberale Geist unserer Zeit bietet mehr Freiheitsräume an, als dies bei geschlossenen Gesellschaftsformen der Fall ist. Die technologischen Normen sind hierarchisch konstruiert. Technische Normen zielen auf die Verbesserung der Qualität hin. Mit Normen und deren Umsetzung in die Praxis folgen Regulationen in hierarchischer Form. Die formulierten Anforderungen und Standards können zu Bürokratie führen und die Verbesserung der Qualität in Frage stellen. Die Voraussetzung, dass eine Qualitätsverbesserung mit den Standards gelingt ist, dass die Betroffenen in den Prozess einbezogen und Lernprozesse über die ganze Hierarchie ausgelöst werden. Der Umgang mit Fehlern ist ein wesentlicher Teil des Qualitätsmanagements. In vielen Institutionen gibt es keine Fehlerkultur. Dass aus Fehlleistungen gelernt werden kann und muss, gehört nicht zum Selbstverständnis. Hierarchische Strukturen verhindern häufig einen konstruktiven Umgang mit Fehlleistungen. Das ist dann problematisch, wenn in den obersten Führungsetagen aus Fehlern nicht gelernt wird, obwohl gerade dort häufige Fehlleistungen und Fehlentscheidungen stattfinden. Die sozialen Rollen sind in Verbindung mit den Aufgaben zu sehen. Die Rollen sind die Bündel von Erwartungshaltungen an Personen, die gesellschaftlich bestimmt sind. Die moderne Welt ist nicht nur komplex, sie hat auch Rollenmodelle geschaffen, die anspruchsvoll sind und nicht zuletzt grosses Konfliktpotenzial beinhalten. Rollenkonflikte zeigen sich zum Beispiel bei widersprüchlichen Erwartungen von Rollenmustern; so kann eine „Vorgesetztenrolle“ im Konflikt mit der „Rolle des Kollegen“ sein. Konfliktarten können ebenfalls in einer aufsteigenden Hierarchie dargestellt werden. Wahrnehmungs-, Meinungs-, Sach-, Interessen- oder Positionskonflikte, schliesslich Wertekonflikte können in dieser Reihenfolge von einfacheren Anforderungen zur Konfliktlösung bis zu anspruchsvollen Lösungen dargestellt werden. Das Spektrum der Lösungsmöglichkeiten geht von „Aussitzen bis zur aktiven Bearbeitung“. Die aktive Bearbeitung pendelt zwischen „Du oder Ich“ bis zur „Kooperation“ mit dem Versuch Gewinner-Gewinner-Situationen zu schaffen. Wesentlich ist bei der Konfliktlösung die mögliche Eskalation und der Einsatz von Macht, der von den Herrschaftsverhältnissen abhängig ist. Die Schuldzuweisungen sind bei der Konfliktbearbeitung sehr wichtig. Grundsätzlich gilt, dass die anderen schuld sind. Falls die katholische Ethik bei einer Person verankert ist, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person sich selber Schuld gibt; „mea culpa, mea maxima culpa“ ist die Losung. Nebst der Schuldzuweisung spielen auch die Rechtfertigungsstrategien und die Rationalisierungen eine wesentliche Rolle. Diese Mechanismen sind nie zielführend, müssen deshalb sichtbar gemacht und aufgebrochen werden. Die Strukturen der Hierarchien sind manifest und gleichzeitig informell. Die manifesten Strukturen können im offiziellen Organigramm abgelesen werden. Die informellen Strukturen sind nicht sichtbar, sie können mit Beobachtung lokalisiert werden. Manchmal sind die manifesten Strukturträger dieselben, wie die informellen Strukturträger. Das muss aber nicht so sein. Wenn Veränderungen umgesetzt werden sollen, müssen die informellen Strukturen sichtbar gemacht werden, da von dieser Seite die verdeckten Widerstände gegen Neuerungen entwickelt werden. Bei familiären Strukturen sind die Hierarchien ebenfalls sichtbar. Bei den früheren Grossfamilien sind klare Patriarchate oder Matriarchate sichtbar. Bei Klein- oder Kernfamilien sind die Hierarchien weniger offensichtlich; sie sind aber vorhanden und in Verbindung mit Rollenmustern zu begreifen. Das alte Modell der Jäger- und Sammlerkultur – bei den Naturvölkern sichtbar – ist auch in Familien modernster Art zu beobachten. Die „Jäger“ sind die Einkommensproduzenten, die „Sammler“ diejenigen, welche für den Erhalt des familiären Zusammenhalts sorgen. Die modernen Rollenmuster machen diese Aufteilung komplizierter, weil auch viele Frauen mit der Erzielung von Einkommen beschäftigt sind. Die Rollenkonflikte sind dann virulent, wenn die Männer nicht bereit sind von ihrem 100%-Job Abstand zu nehmen, oder wenn die Kinderbetreuungsstrukturen nicht vorhanden oder zu teuer sind. Die Rollen in den Familien können mit der „Alpha-, Beta-, Gamma und Omega-Rolle“ vereinfachend eingefangen werden. „Alpha“ nimmt die Chefposition der Gruppe ein, „Beta“ spielt die beratende Rolle in der Gruppe und ist häufig in der Position der informellen Führerschaft. „Gamma“ gehört die Rolle des „Volkes“ oder der übrigen Mitglieder der Gruppe und „Omega“ übernimmt die Opposition in der Gruppe, meist gegen „Alpha“. Diese Rollenwahrnehmungen machen die Dynamik in einer Familie oder Gruppe aus. Sie kann stabilisierend oder eskalierend wirken. Wo sind in der Gesellschaft anatomische Hinweise sichtbar?

Anatomie des Einzelnen als Mensch. Die Beschreibung und Einschätzung menschlicher Verhaltensweisen ist mit verschiedenen Methoden oder Tests verbunden. Die Wissenschaft der Psyche versucht Merkmale der Persönlichkeit mit gültigen und zuverlässigen Testverfahren zu beschreiben. Es geht darum, menschliches Verhalten mit Sicherheit vorherzusagen. Das ist ein schwieriges Unterfangen, wie auch aktuelle Probleme mit Extremisten immer wieder zeigen. Nebst den wissenschaftlich abgestützten Testverfahren gibt es seit vielen Jahren auch die Beschreibung von Charakteren in der Literatur oder Einschätzungsverfahren, die wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügen. Die Bandbreite dieser Vorgehensweisen geht von der Analyse des Kaffeesatzes über die Astrologie zu der Analyse von Gesichtszügen bis zu Frageinventaren. Die Beschreibung von Menschen in der Literatur bedient sich der bipolaren Sicht von Merkmalen; zum Beispiel: Selbständigkeit steht polar zur Gruppenorientierung. Tests bedienen sich auch häufig bei Typologien, zum Beispiel: Teamplayer, Macher etc., die der differenzierten Beschreibung von Charakteren nicht entsprechen können. Vielfach handelt es sich bei diesen Inventaren um wenige Persönlichkeitsdimensionen, zum Beispiel vier bi-polare Persönlichkeitsdimensionen, im Unterschied zu rund sechsunddreissig bei der „komplementären Einschätzungshilfe“. So weit ist klar: menschliche Charaktere zu beobachten und zu beschreiben ist komplex. Die Vorgehensweisen bedienen sich Strukturen, die ein anatomisches Bild des einzelnen Menschen ergeben. Hier folge ich der „komplementären Einschätzungshilfe“ von Dr. Walter Eberle – www.keh-center.de – weil die Beschreibung unbekannt ist und einer wertschätzenden Grundphilosophie folgt. Voraussetzung einer wertschätzenden Einstufung ist eine Sprache, die so gehalten ist und von den Beteiligten verstanden wird. Weiter ist die Differenzierung wichtig, damit den Persönlichkeitsstrukturen, den Stärken und Schwächen, gerecht wird. Die Differenzierung muss Unterschiede bei der Person selbst oder im Vergleich mit anderen Personen aufzeigen. Die persönliche Wahrnehmung muss die Einschätzung nachvollziehen und akzeptieren können. Verhaltensblockaden oder Denkblockaden sind zu vermeiden, damit die eingeschätzten Personen die Formulierungen der eigenen Person annehmen können. Nach Walter Eberle erfüllt die komplementäre Einschätzungshilfe all diese Anforderungen. Nach seinem Verständnis sind seine Einschätzungen allgemein verständlich, stark differenziert und wertneutral. Die Komplementarität entstammt der Erkenntnislehre. Es geht um zwei Pole , die nicht zusammen gehören, ja sogar widersprüchlich sind. In der Wechselseitigkeit der beschriebenen Phänomene kann aber der eine Pol ohne den Gegenpol nicht erklärt werden. Es handelt sich um ein Grundmuster des menschlichen Denkens und Wahrnehmens, ist anatomisch. Zur Erklärung menschlicher Verhaltensweisen geeignet, nicht aber weit verbreitet und anerkannt. Die berühmten Autoren haben bei den Schilderungen menschlicher Verhaltensweisen aber schon sehr lange auf der Bi-Polarität aufgebaut und menschliches Verhalten in seiner Tiefe erklärt und geschildert; beispielsweise Hermann Hesse in „Die Einheit hinter den Gegensätzen“: „Denn einzig besteht für mich das Leben im Fluktuieren zwischen zwei Polen, im Hin und Her zwischen den beiden Grundpfeilern der Menschheit…“ Das „Wertequadrat“ ist der Schlüssel des komplementären Denkens. Der Grundgedanke wird auf Aristoteles zurückgeführt (350 vor Christus). Nicolai Hartmann hat 1926 den Begriff geprägt und Schultz von Thun hat 1989 das Prinzip für die zwischenmenschliche Kommunikation entwickelt – Werte- und Entwicklungsquadrat und Friedmann Schulz von Thun: Miteinander reden 2, Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung, Reinbeck, 1989 – Walter Eberle nimmt diesen Ansatz auf und definiert persönliche Entwicklungslinien, die weiter unten dargestellt werden. Das Prinzip funktioniert wie folgt.: Der Sparsamkeit steht die Verschwendung gegenüber, der Grosszügigkeit der Geiz. Die eine Qualität ist ohne die andere nicht denkbar. Diese Qualitäten sind als Tugenden zu verstehen. Jede Tugend hat eine Schwestertugend auf der polaren Seite. Menschliches Verhalten pendelt zwischen solchen Polaritäten und ist situativ – „sowohl als auch“ – geprägt, oder bei sehr starker Ausprägung „eindeutig“ vorhanden, so dass die Gegenseite nicht wahrgenommen werden kann. Stärken könnten so an Grenzen stossen; beispielsweise ist Ehrlichkeit ohne Takt brutale Offenheit und Takt ohne Ehrlichkeit wird zur höflichen Fassade. In dieser Art Polarität steckt auch das Lernpotenzial eines Menschen, welches bei sehr starker, neurotischer Ausprägung begrenzt wird und so zur Unfähigkeit zu lernen degradiert wird. Walter Eberle nennt sein System „Komplementäre Einschätzungshilfe“, weil das Spezifische der polar zugeordneten Zwillingseigenschaften gekennzeichnet wird. Es ist auch klar, dass diese Einschätzungen wissenschaftlich nicht objektiviert und deshalb von der Kompetenz der einschätzenden Personen direkt abhängig sind. Zur Einschätzung braucht es ein Kontinuum, welches die Stärke einer Ausprägung verlässlich wiedergeben kann. Die Sinne des Menschen sind zur Einschätzung sehr wichtig; das Visuelle, das Auditive und die Empfindungen und Gefühle werden über das „analytische Zuhören“ eingesetzt. Signale, die der Mensch aussendet werden gedeutet und mittels „Schlüsselsituationen“ zu einer Einschätzung geführt. Lebenslagen und Aufgaben, die sich dem Menschen stellen, sind mit einer bestimmten Verhaltensweise verbunden. Die Eindeutigkeit des verlangten Verhaltens ist die Grundlage für die Einschätzung der Schlüsselsituation. Diese handeln von typischen Lebenssituationen, Aufgaben im beruflichen Umfeld und von Freizeitbeschäftigungen. Bei der Schilderung der Situationen wird auf körpersprachliche Signale, Mottos und Lebensweisheiten, den Sprachgebrauch und emotionale Tönung der Lautsprache geachtet. Die Grobstruktur zur Beschreibung des menschlichen Verhaltens umfasst das Sozialverhalten, die Kommunikation, das Handeln, die Grundorientierungen, die Motivationen und die Denkstrukturen. Beim Sozialverhalten werden die folgenden Polaritäten beschrieben: Kompromissorientierung und Durchsetzungskraft, Freizeit- und Arbeitsorientierung, Gruppenorientierung und Selbständigkeit, Menschorientierung und Sachorientierung, Verantwortung und Sorglosigkeit sowie Harmonie und Konfliktorientierung. Ein Beispiel für das mögliche Kontinuum bei der Harmonie ist: harmonisch, friedliebend, das Gemeinsame betonend bis zu wehrlos und konfliktscheu. Auf der Seite der Konfliktorientierung sind dies: konfliktbereit, wehrhaft, die Unterschiede betonend bis zu streitsüchtig und Zwietracht säend. Die Herausforderung besteht darin, das Kontinuum mittels analytischem Beobachten, Zuhören und einer Skala treffend einzuschätzen. Die übrigen Grundstrukturen sehen wie folgt aus: Bei der Kommunikation wird unterschieden nach: Kontaktfreudigkeit und Zurückhaltung, Redefreudigkeit und Schweigsamkeit, Unvoreingenommenheit und Meinungsfreude, Ausdruckskraft und Nüchternheit, Höflichkeit und Aufrichtigkeit, Innenorientierung und Aussenorientierung. Die Handlungsstruktur wird definiert über Schnelligkeit und Langsamkeit, Beweglichkeit und Beständigkeit, Risikobereitschaft und Sicherheit, Handlungs- und Theorieorientierung, Freiheitsbetonung und Bindungsbereitschaft, Toleranz und Bestimmung. Bei den Grundorientierungen sind die folgenden Persönlichkeitslinien definiert: Bejahende und kritische Haltung, Zukunftsorientierung und Gegenwartsorientierung, Gefühlsbetonung und Verstandesbetonung, Selbstsicherheit und Selbstkritik, Selbsterhaltung und Selbstlosigkeit, Selbstbetonung und Aufgehen im Ganzen im Sinne des Altruismus. Bei den Denkstrukturen sind es die folgenden Pole: Logisches Denken und vernetztes Denken, abstraktes und konkretes Denken, analytisches und ganzheitliches Denken, systematisches und kasuistisches Denken, einheitliches und einfallsreiches Denken, vielseitiges und tiefschürfendes Denken. Die Motivationsstrukturen sind mit den folgenden Polen verbunden: Leistungs- und Zufriedenheitsorientierung, Optimismus und Skepsis, Ausgeglichenheit und Begeisterungsfähigkeit, Aktivität und Ruhe, Belastbarkeit und Feinfühligkeit, Lernbereit und Abgeklärtheit. Zur Einschätzung einer Person ist es wichtig, dass die Persönlichkeitslinien ausgewählt und aufeinander bezogen werden, die für die Erfüllung von konkreten Anforderungen gefragt sind. Dabei wird die Anzahl der Dimensionen auf ein übersichtliches Mass von maximal zwölf Aspekten reduziert. Bei diesem Vorgehen ist es möglich, die Komplexität zu beherrschen. Hilfreich ist auch, wenn für die Erfüllung der Anforderungen ein Selbst- und mehrere Fremdeinschätzungen zur Verfügung stehen. Zur Auswertung der Differenzen zu den Anforderungen und zu den Selbst- und Fremdeinschätzungen werden statistische Werte herangezogen. In dieser Art kann ein stimmiges Profil einer Person entstehen. Dies in einer wertschätzenden Art, die häufig akzeptiert wird. Für die Abweichungen werden Lernprogramme entwickelt. Die Konsequenzen für das Menschenbild sind, dass mit der Beschreibung menschlicher Verhaltensweisen hohe Anforderungen verbunden sind und es sich um ein hoch komplexes System handelt. In dieser Art ist es möglich Verhaltensweisen und Charaktere zu beschreiben und auf Stärken, Schwächen, Potenziale und Gefährdungen hinzuweisen. Den typologisch konstruierten Testverfahren wird eine Abfuhr erteilt. Auch die wissenschaftlich auf ihre Zuverlässigkeit und Gültigkeit geprüften Testverfahren werden kritisch hinterfragt, weil die Wissenschaft immer den „momentanen Stand des Irrtums“ darstellt. Weil in jedem Menschen Stärken entdeckt werden können, ist es sinnvoll die Charaktereigenschaften positiv zu benennen und zu formulieren. Die Systematik der sich ergänzenden Pole und ihre Skalierung von „sowohl als auch“, über „leichte innere Neigung“ , der „Stärke“, bis zur „ausserordentlichen Stärke“ und zu „völlig einseitiger Tendenz“ liefert komplexe Menschenbilder, die die Wertschätzung der Person ins Zentrum stellen. Selbstverständlich kann die „ausserordentliche Stärke“ dann zu einer Schwäche werden, wenn in einer Situation der gegenseitige Pol verlangt wird; beispielsweise kann die ausserordentliche Stärke der „Durchsetzungskraft“ die Kompromissfähigkeit ausschliessen, was dann eine Schwäche darstellt. Walter Eberle fasst – stellvertretend für die Optik der Anatomie einer Person – sein System der komplementären Einschätzungshilfe in den folgenden Merkpunkten zusammen:

Die Schwäche liegt darin, dass er wegen der Unterbelichtung der komplementären Zwillingseigenschaft den Anforderungen auf dieser Gegenseite nicht gerecht werden kann

Anatomie der zwischenmenschlichen Kommunikation. Verschiedene Kommunikationsmodelle erklären die Anatomie der Kommunikation in einer praktischen, nachvollziehbaren Art und Weise. Mit der Zweierbeziehungen, der Dyade, kann das Modell der Transaktionen verbunden werden. Dieses zeigt Muster der Kommunikation und der Persönlichkeitsstruktur zwischen zwei Personen auf – Eric Berne, Transaktionsanalyse 1910 bis 1970 – Die Grundprinzipien sind die folgenden: Die Struktur baut auf der Entwicklung einer Person auf und unterscheidet verschiedene „Ich-Zustände“. Diese können als Bewusstseinsebenen in der Kommunikation verstanden werden. Es sind dies: Das „Kind-Ich“, unterteilt in das „angepasste, das natürliche und rebellische Kind“. Das „Eltern-Ich“, unterteilt in das „fürsorgliche und kritische Eltern-Ich“. Schliesslich das „Erwachsenen-Ich“ als Steuerzentrale des Verstandes und der Vernunft. Das „natürliche Kind“ steht für Spontaneität und Rebellion, das „angepasste Kind“ für die Übernahme gesellschaftlicher Normen und die von den Eltern geforderte Anpassungsleistung, das „pfiffige Kind“ für Ideenreichtum und die Fähigkeit Auswege in Situationen zu finden. Das „fürsorgliche Eltern-Ich“ steht für die Fürsorge und Rücksichtnahme, das „kritische Eltern-Ich“ für das Infrage-Stellen und die Reflexion. Schliesslich das „Erwachsenen-Ich“, welches die Verstandes- und Vernunftsleistung zustande bringt. All diese Qualitäten werden mit einem Fragebogeninventar gemessen, so dass eine Idee darüber entsteht, wie die Ausprägungen sind. Diese nehmen direkten Einfluss auf das Kommunikationsverhalten. Die Ausnahme bildet das „pfiffige Kind-Ich, auch der „kleine Professor“ genannt. Hier geht man davon aus, dass diese Qualitäten mit einem Fragebogen nicht erfasst werden können. In der Zweierbeziehung treffen Menschen mit verschiedenen Ausprägungen bei den „Ich-Zuständen“ aufeinander, was die Kommunikationsmuster prägt. Je intensiver ein „Ich-Zustand“ energetisch besetzt ist, desto eher gibt es die Neigung aus dieser Quelle auf die andere Person zu reagieren. Dieses Hin und Her in der Kommunikation führt dazu, dass die Transaktionen parallel verlaufen, oder dass sie sich kreuzen. Parallel heisst, dass aus dem angesprochenen Ich-Bereich auf den Absender reagiert wird. Dies führt zur verständnisvollen Kommunikation. Bei der Kreuzung kommt die Reaktion aus einem anderen Ich-Bereich als dem angesprochenen und zielt auf einen anderen Bereich des Senders. Dies führt zu Konflikten. Die Idee ist, dass die Kommunikation in der Regel über die Aktivierung des „Erwachsenen-Ich“ stabilisiert werden kann. Schliesslich sind die verdeckten Transaktionen zu beachten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass auf einer Ebene das Gesagte gesendet wird, auf einer anderen Ebene das Gemeinte. Die Körpersprache sendet in diesen Situationen unterschiedliche Signale, im Vergleich zu gesprochenen Wort. Diese Art Kommunikation kommt häufig vor und ist in der Regel der Start eines „psychologischen Spiels“, welches die Rollen des Verfolgers, Retters und des Opfers kennt. Diese verdeckten Botschaften sind in der Kindheit gelernt und führen zu Kommunikationsproblemen; immer gibt es in diesen Situationen Gewinner und Verlierer. Ein Gespräch eines Ehepaars könnte wie folgt ablaufen: Frau: „Warum redet deine Schwester nie mit dir direkt. Sie ruft immer mich an?“ Eigentlich eine Botschaft aus dem „Erwachsenen-Ich“. In der Betonung aber eine Klage aus dem „natürlichen Kind“, eine verdeckte Botschaft mit dem möglichen Beginn eines Spiels, eine Botschaft aus der Opferrolle. Mann: „Dich stört es, wenn du direkt angepeilt wirst, vor allem wenn es um persönliche Dinge geht“. Der Versuch das Erwachsenen-Ich bei der Frau anzusprechen und Verständnis zu zeigen. Frau: „Ja, das stört mich enorm“. Mann: „Also gut, ich werde ihr das persönlich mitteilen. Ich rufe sie selber an“. Frau: „gut, ich bin froh, wenn du das an die Hand nimmst“. Der Mann rettet so die Situation und seine Frau fühlt sich verstanden. So könnte Kommunikation ablaufen. Der Mann könnte auch so reagieren“ Hör doch mal auf, ich kenne diesen Spruch“; eine Transaktion aus dem „kritischen Eltern-Ich“ an das „angepasste Kind“, also eine gekreuzte Transaktion. Je nach emotionaler Aufladung, kann ein nicht enden wollender Disput mit gekreuzten Transaktionen entstehen, der die Stimmung anheizt. Wie sich Personen in einer längerfristigen Beziehung vertragen, hat viel mit dem Kommunikationsstil zu tun. Wenn es gelingt, emotional aufgeladene Gesprächssequenzen zu versachlichen, dann geschieht ein geschickter Umgang mit Konflikten. Dieser verlängert Beziehungen und hebt diese auf ein qualitativ höheres Niveau. Ein weiterer Aspekt in der Kommunikation ist die Differenzierung „wer hat das Problem?“. Die Theorie geht davon aus, dass jene Person das Problem hat, welche das Verhalten eines Partners nicht akzeptieren kann. Wenn ich selber das Verhalten eines anderen Menschen nicht akzeptieren kann, dann habe ich das Problem. Wenn der andere das Problem hat, dann hilft aktives Zuhören. Wenn ich das Problem habe, sollte ich eine Ich-Botschaft senden, statt eine Du-Botschaft. Dann spreche ich von dem, was mich stört, ohne den Partner anzugreifen. Bei diesen Verhaltensweisen ist es möglich schneller in die Zone zu gelangen, wo es keine Probleme gibt. In dieser Zone läuft der Dialog mit Fragen und Antworten ohne Reibungen. Mit dieser Art Kommunikation entstehen, in der Lesart der Transaktionsanalyse, Beziehungen mit dem Grundsatz „ich bin ok, Du bist ok“. Es handelt sich um Grundhaltungen, die für zwischenmenschliche Beziehungen wichtig sind. Eine Verbindung zur weiter oben dargestellten „komplementären Einschätzung“ gibt es auf der Linie „Selbstvertrauen – ich bin ok“ und „bejahende Grundhaltung – Du bist ok“ zu anderen Personen. Die komplementäre Sichtweise zeigt über die „Selbstkritik“ auch die Seite „Ich bin nicht ok“ und über die „kritische Grundhaltung“ die Seite „Du bist nicht ok“. Diese Zusammenhänge können mit typologischen Modellen in Verbindung gebracht werden: Bei der Konstellation Selbstsicher und Bejahend – ich bin ok, Du bist ok – ist ein „grosser Gönner“ zu vermerken, bei sehr starker Ausprägung ein „Hans im Glück“. Bei Selbstkritik und kritische Haltung zu anderen – Ich bin nicht ok, Du bist nicht ok – ist der „Realist“, bei sehr starker Ausprägung der „Nihilist“ sichtbar. Bei Selbstsicherheit und kritischer Haltung zu anderen – ich bin ok, Du bist nicht ok – steht der „Erfolgreiche“, bei sehr starker Ausprägung der „Weltverbesserer“ da. Bei Selbstkritik und Bejahung zu anderen – ich bin nicht ok, Du bist ok – geht es um den „Menschenfreund“, bei sehr starker Ausprägung um den „Winzling“ Diese Typologisierung zeigt auf, dass die Skalierung der entscheidende Faktor ist, weil nur dann eine Einschätzung gemacht werden kann. Die Skalierung geht auf beide Seiten von 1 bis 3; 1 steht für leichte innere Neigung, 2 für starke Neigung und 3 für sehr starke Neigung. A ist die Mitte, das heisst die situative Ausprägung. Mit einer Ausprägung 1 gibt es die Flexibilität für die andere Seite. Bei 2 passieren Fehler, wenn die andere Seite einverlangt wird und die Position 3 schliesst das Verhalten auf der anderen Seite aus. Die Einschätzungen fordern das analytische Zuhören und Beobachten der Person. Ambivalente Schlüsselsituationen und eindeutige Situationen werden für die Einschätzung abgefragt. Situationen werden beschrieben, anschliessend wird nach dem Verhalten gefragt – wie machen Sie das? – und schliesslich wird nach der Ergebnissen gefragt – welche Wirkungen haben Sie erzielt? – Zum Selbstbild einer Person werden Fremdbilder eingeholt. Auf diese Art und Weise ist es möglich zutreffende Skalierungen vorzunehmen. Für die Anatomie der Kommunikation sind auch die Motive, oder deren Treiber, und das Mass an Beachtung einer Person von Bedeutung. Die nachhaltig negativste Beachtung ist keine Beachtung. Die wertvollste Form ist die Beachtung sprachlich und nicht-sprachlich ohne Bedingung. Dazwischen gibt es alle möglichen Abstufungen. Ein Beispiel für eine an eine Bedingung geknüpft Beachtung – sehr weit verbreitet – ist beispielsweise: „Wenn Du ein gutes Zeugnis hast, kriegst Du ein Geschenk.“ Die bedingungslose Beachtung ist auch uneingeschränkte Liebe, beispielsweise: Nur der Hund im Hundshaus schleckt mir die Nase ab, wenn ich betrunken nach Hause komme. Keine Beachtung zu erhalten kann für Säuglinge tödlich sein. Über alle übrigen anatomischen Strukturen der Kommunikation hat die Beachtung einen sehr hohen Stellenwert. Jeder Mensch hat im Laufe seiner Zeit ein Beachtungskonto angelegt, welches positiv oder negativ ist. Dieses Kontobeeinflusst unser Verhalten im Alltag nachhaltig; man spricht von „schwarzen und weissen Marken“ Es gibt die folgenden Grundtreiber: „Sei perfekt, streng dich an, beeil dich, sei stark und mach es den anderen recht“. Der Perfektionismus hat Verbindungen zur persönlichen Leistungsorientierung und zur Genauigkeit. Fehler zu machen ist verboten; nur 100% ist gut genug. Die Anstrengung ist mit dem Perfektionismus innerlich verwandt. Es besteht eine verbindende Linie zur Leistungserbringung und zum Engagement für eine Sache. Diese Menschen stellen sich totalen Herausforderungen, die zu Stress pur führen. Die Schnelligkeit ist der Gegenpol zum Langsamen. Die Beschleunigung gehört zu unserer Zeit und widerspricht stark der Entschleunigung. Es muss schnell gehandelt werden, später wird darüber nachgedacht. Das Komplement zur Handlungsorientierung ist die Reflexion. Das Zeigen der Stärke steht in Verbindung mit der Sachorientierung, die der Menschorientierung gegenüber steht. Die sehr starke Betonung der Sache führt zur Hartherzigkeit und vermeidet die Gefühle. Wenn die Menschorientierung im Zentrum steht, kann dies zur Weichheit führen, welche die sachliche Auseinandersetzung verunmöglicht. Es allen anderen Personen recht machen wollen entspricht einer Selbstaufgabe. Die Betonung des Selbst und der eigenen Bedürfnisse tritt zurück und beinhaltet Altruismus, der Egoismus und Narzissmus ausschliesst. Bei allen Treibern, mit Ausnahme der Aufgabe der eigenen Bedürfnisse, kann attestiert werden, dass sie in der aktuellen Zeit sehr wichtig sind. Sie führen unter Umständen direkt in selber gemachten Stress, der wiederum zu den heute weit verbreiteten Burnouts führen kann. In der Zweierbeziehung ist weiter der Umgang mit Offenheit wichtig. In Abhängigkeit davon, was ich von mir oder andere von mir wissen entstehen folgende Bereiche: „mir bekannt und anderen bekannt“; Öffentlichkeit, „mir unbekannt, anderen bekannt“ sind meine blinden Flecken, „mir unbekannt und anderen unbekannt“ betrifft das Unbewusste und „mir bekannt, anderen unbekannt“ ist meine Privatsphäre – Josef Luft und Harry Ingham: The Johari Window, a graphic model of interpersonal awareness, Los Angeles UCLA 1955 – Dieses Modell hat immer noch seine Bedeutung. Für die Kommunikationsqualität ist es wichtig, dass die selektive Offenheit die persönlichen blinden Flecken reduziert. Dafür ist Feedbackhunger der Schlüssel. In dieser Art können Lernprozesse eingeleitet werden, wenn die Feedbacks von Personen stammen, die mir bekannt sind. In der Kommunikation selbst ist es möglich, dass meine Botschaft beim Partner auf ein anderes „Ohr“ trifft, als dies beabsichtigt gewesen ist. Die Nachricht kann sachbezogen sein, kommt aber beim Empfänger als Apell, als Inhalt der Beziehung oder als Aussage über sich selbst an. Hier geht es darum, dass meine Sensibilität so ausgestaltet ist, dass ich merke, welches Ohr ich beim Partner geöffnet habe – Friedmann Schultz von Thun, Miteinander reden, Reinbeck 1981 – Auch dieser anatomische Ansatz gilt als Instrument zur Verbesserung der Kommunikationsqualität. Der Umgang mit Konflikten kann gut in das Modell der Grundhaltungen eingepasst werden. Die Konfliktstile sind: Anpassung bis Opportunismus – ich bin nicht ok, Du bist nicht ok – , Rückzug bis Nachgeben – ich bin nicht ok, Du bist ok – , Kooperation – ich bin ok, Du bist ok – und einseitige Durchsetzung – ich bin ok, Du bist nicht ok. Nach der Sicht der Komplementarität spielt in der Wirklichkeit häufig die Dimension „Schöpferkraft“ gegen „Ordnungsliebe“ eine grosse Rolle. Was eine Person als „aufgeräumt“ einschätzt ist bei der anderen Person „Unordnung“. Oder: eine Person wird als Chaot, der auf der Wolke lebt und die andere Person wird als „pingelig“ eingestuft. Wenn in solchen Fällen die Toleranz für den anderen nicht spielt, ist der Grundkonflikt vorprogrammiert und führt häufig zu ausweglosen Situationen. Für die Lösung von Konflikten, die als das Salz in der Suppe des Lebens angeschaut werden können, ist wichtig zwischen den Konfliktarten unterscheiden zu können. Alle Personen einer Gesellschaft müssen mit den Rollenkonflikten umgehen, weil mit der sozialen Rolle unterschiedliche Erwartungen verbunden sind. Beispiel einer Frau: die Erwartungen als Ehepartnerin, als Mutter, als Arbeitnehmerin etc. stehen in sich widersprechenden Erwartungen. Die Skala der Konflikte, aufsteigend nach der Schwierigkeit diese zu lösen, beginnt beim Wahrnehmungskonflikt, geht zum Meinungskonflikt, weiter zum Sachkonflikt, zum Interessenkonflikt bei verschiedenen Positionen und endet beim Wertekonflikt, wo auch religiöse Überzeugungen und die Tradition zu beachten sind. In dieser aufsteigenden Skala können Konflikte eskalieren; die Bandbreite führt vom Gespräch bis zum Kampf oder Krieg, wie die Geschichte der Kulturen immer wieder beweist. Wenn es nicht gelingt, die hinter den Positionen vorhandenen Interessen sichtbar zu machen, wird es schwierig einen Konflikt zu lösen. Gewinner-Gewinner-Situationen sind anzustreben, weil niemand gerne als Verlierer dasteht und dabei das „Gesicht verliert“ Die Triaden sind auch unter der Bezeichnung „Dreiecksbeziehungen“ bekannt. Die gedankliche Verbindung zur Untreue in der Ehe liegen nahe, sind doch diese Beziehungen in der Regel spannungsreich, instabil und zeitlich befristet. Das ist eine mögliche Optik. Anatomisch gesprochen ist in jeder Dreierbeziehung eine Koalition möglich. Zwei Personen verbinden sich gegen eine Dritte. Dies kann bei Erwachsenen, aber auch bei Kindern und ihren Eltern geschehen. Der Vater oder die Mutter solidarisiert sich mit dem Kind gegen den Partner, was eine familiäre Beziehung schwer belasten kann. Auch dies führt zu Spannungen und auch diese Beziehungen sind zeitlich begrenzt. Es entsteht eine destruktive Spannung, diemit verdeckten Botschaften kombiniert ist. Immer wird es Gewinner und Verlierer geben. Die Ausweitung der Triade führt zu Gruppenprozessen. Die Gruppe ist ein soziales System, bei welchem vielfältige Hin und Her-Beziehungen möglich sind, die hohe Komplexität verursachen. Aus der Kombinatorik gibt es bei vier Personen bereits sechs Hin und Her-Beziehungen. Zur Bewältigung der Komplexität ist die Grenze wahrscheinlich bei sieben Personen; schon einundzwanzig Hin und Her-Beziehungen sind möglich. Für Entscheidungsgremien ein wichtiger Hinweis nicht über diese Zahl das Gremium auszuweiten, weil die Komplexität zum Komplizierten führt und die Entscheidungsfähigkeit hemmt. Aus dieser Sicht ist es unverständlich, dass nach wie vor Gremien auf Ministerebene existieren, die manchmal bis zwanzig Mitglieder umfassen; also 190 Hin und Her-Beziehungen. Dass die verbundene, mögliche Dynamik zu Überforderungen, Machtkämpfen und Fehlentscheidungen führen muss ist unbestritten. Trotzdem wird es nach wie vor so gehandhabt. Nebst allen erwähnten Aspekten der Psychologie in der zwischenmenschlichen Kommunikation ist von grosser Bedeutung, dass wir im Zeitalter der Social Medias angekommen sind. Es wird von der datengetriebenen Kommunikation gesprochen. Gemeint ist die Verbindung von psychischen Merkmalen mit den Daten aus Plattformen. Jeder hinterlässt im Netz digitale Spuren; zum Beispiel mit den Likes. Mit den Methoden des Big Data werden diese Spuren zugänglich gemacht und mit den Merkmalen einer Person verbunden. Cambridge Analytica hat sich auf diesem Gebiet einen Namen gemacht, unter anderem auch im Zusammenhang mit den Präsidentenwahlen in den USA. Die Psychometrik oder Psychografie deckt die Analyse der Persönlichkeitsmerkmale ab und bedient sich dem bekannten Test „Big 5“. Big 5 arbeitet mit den folgenden Merkmalen: Extraversion (Geselligkeit), Neurotizismus (Verletzlichkeit), Verträglichkeit (Rücksichtnahme und Kooperation), Gewissenhaftigkeit (Perfektionismus) und Offenheit (Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem). Mit der weiter oben beschriebenen Einschätzungshilfe keh können die erwähnten 5 Merkmale mit den folgenden Linien verbunden werden: Extraversion – bejahende Haltung, Aussenorientierung und Selbstvertrauen, Neurotizismus – Unbeschwertheit, Selbstkritik und Wohlbefinden – Verträglichkeit – Menschorientierung, Ausgleich, Harmonie, Gruppenorientierung, Gewissenhaftigkeit – Leistungsorientierung, Verantwortung, ordnendes Denken, Offenheit – Unvoreingenommenheit, vielfältiges Denken, Lernfreude und ganzheitliches Denken. Gehen wir davon aus, dass dieser Persönlichkeitstest objektivierbar ist und mit seinen 5 Dimensionen Verhaltensweisen von Personen zuverlässig voraussagen kann. Interessant ist jetzt allerdings die Verbindung der Persönlichkeit mit Daten aus dem Internet; Spuren auf den verschiedenen Plattformen. Die Forscher von Cambridge Analytica machen Verbindungen, die das Staunen erregen können. Zum Beispiel: Mit einer Treffersicherheit von 95% kann anhand von 68 „Facebook-Likes“ die Hautfarbe einer Person bestimmt werden, auf Grund des Einkaufverhaltens – Parfums – kann mit 88% erkannt werden, dass jemand homosexuell ist, oder mit 85% Sicherheit kann gesagt werden ob jemand demokratisch oder republikanisch wählt; bei Personen die ausschliesslich auf in den USA gefertigte Autos stehen ist klar, dass diese Republikaner sein müssen. Diese Datenanalysen sind für die Individualisierung der Botschaften im Wahlkampf genutzt worden. Der Wahlsieg von Trump hat, aus dieser Sicht, wenig überrascht. Wenn diese Analysen tatsächlich das können, was sie behaupten, dann wird für Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Wir sind an der Grenze von Big Data angekommen. Merkpunkte zur Anatomie der Kommunikation sind:

Das Trilemma von Wirtschaft und Gesellschaft. Politik und Ökonomie debattieren, wie die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs gebracht werden kann. Die Nationalbanken überfluten die Wirtschaft mit zinslosem Geld, ohne nachhaltige Wirkung. Die Flucht in Sachwerte hat bereits begonnen. Die Frage, wie man die Schuldentilgung, die Sicherung der Renten oder die Verteilung der Arbeit anders als mit Wachstum lösen kann, wird kaum gestellt. Dies bei BIPs der westlichen Industrienationen, die seit 20 Jahren nur noch auf Pump wachsen. Interessant ist in der Volkswirtschaft die langfristige Perspektive, damit eine Entwicklung beurteilt werden kann. Von 2000 bis 2016 ist das Schweizerische BIP um 32% gestiegen, stärker als der europäische Durchschnitt. Das Wachstum ist auf die Zunahme der Bevölkerung zurückzuführen. Die Produktivität hat nur um 13% zugenommen. Beim BIP pro Kopf sinkt allerdings der Vorsprung auf 14%; in Deutschland 18% und in den USA 15%. Das BIP unterscheidet allerdings nicht , ob der Autobestand, die Aufenthaltstage in den Spitälern oder die Schäden durch Katastrophen wachsen. Die Ausgaben des Staates mehren das BIP ebenfalls. Das ist wichtig, weil die meisten westlichen Staaten in der Wirtschaft nur auf Pump wachsen, weil die Staatsschulden prozentual und absolut stärker zunehmen als die BIPs. In den USA stieg von 2000 bis 2016 das BIP nominal um 89%, die Staatsschulden aber um 282% In den 28 EU Staaten wuchs das nominelle BIP um 87%, die Staatsverschuldung aber um 164%. Die Schweiz konnte die Staatsschulden im Griff halten, die Privatschulden sind aber sehr hoch; der Anteil am BIP ist heute 130%, höher als in den übrigen anderen Industriestaaten. Die hohen Hypothekarschulden und sehr teuren Liegenschaften sind die wesentlichen Gründe. Die Finanzwirtschaft trägt zu den instabilen Verhältnissen wesentlich bei. Die meisten Finanztransaktionen dienen nicht mehr der produzierenden Industrie, sondern den Wettgeschäften in Billionenhöhe. Die Risiken auf Pump tragen die reale Wirtschaft und die Inhaber von Spar- und Zahlungskonten. Grosse Fusionen und Übernahmen erschweren es den Gesetzgebern eine angemessen-marktkonforme Regulierung umzusetzen. Massive Umweltbelastungen von Transportfirmen werden nicht verantwortet. Der deregulierte Welthandel verteilt die Produktionsstätten und die Erwerbsarbeit an volkswirtschaftlich falsche Standorte. Die aktuelle Generation lebt auf Kosten der künftigen Generationen und überlässt einen gigantischen Schuldenberg sowie gravierende Umweltprobleme. Ein neues Zeitalter ist mit der Digitalisierung angebrochen. Wurden bei früheren Innovationen, beispielsweise beim Automobil, Wertschöpfungsketten ausgelöst, sind es die Digitalisierung oder die 3D-Drucker- Technologien , die die „Heimarbeit“ wieder fördern. Es können Verrichtungen zuhause, oder über Plattformen, ausgelöst werden, die früher Wertschöpfungen bei Dienstleistern ausgelöst haben. Die Firmen sind bei der Einschätzung der Bedeutung der Digitalisierung sehr unterschiedlich betroffen. Vor allem bei den Kleinstfirmen – rund 585 000 Firmen in der Schweiz mit 1 bis 9 Mitarbeitenden – ist die Betroffenheit von der Digitalisierung deutlich weniger zu spüren, als das bei grösseren Firmen, im Selbstbild, zu spüren ist. Die Ökonomie schaut aber immer noch auf die oben beschriebenen Prozesse und blendet die neuen, technologischen Möglichkeiten weitgehend aus. Es ist zu befürchten, dass unter den Ökonomen ein Zwang zur Konformität, mit der Verbindung zur Ignoranz, herrscht. Für eine ganzheitliche Sicht der Dinge hilft die folgende Systematik:

2. Gesellschaftspolitische Entwicklung in Europa. Die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung in Europa wird von folgenden Themenkreisen getragen:

Nationalstaat oder Globalisierung? Beide Formen lassen keine demokratische Mitbestimmung zu. Das ist der politische Grundkonflikt, der zu lösen und zu beachten ist. Die Einführung der direkten Demokratie, mit den bekannten Instrumenten, könnte vielleicht eine Option sein. Im Trilemma zwischen Demokratie und Globalisierung verliert der Nationalstaat automatisch an Bedeutung. Diese Ausrichtung entspricht aber nur teilweise den Strömungen in Europa; zu viele Länder haben nur Scheindemokratien eingerichtet. An der Staatspitze stehen Personen, die ein autokratisches, von Macht durchdrungenes Verständnis bei der Führung haben. In einer direkten Demokratie wird aber die Macht geteilt – „Checks and Balances“ ist das Grundprinzip. Für eine grosse Demokratie wie die Bundesrepublik Deutschland ist es wichtig, dass die parlamentarische Kontrolle und die demokratische Legitimierung der EU-Politik angenommen und akzeptiert wird. Frankreich, als zweit grösste Wirtschaft in der EU muss dazu beitragen, dass eine ausgereifte Wirtschaftspolitik umgesetzt werden kann. Der EU-freundliche Präsident ist auf ein Parlament angewiesen, das entsprechende Koalitionen oder die Mehrheit zulässt. Die Zunahme des Populismus mit rechts-konservativer Ausrichtung sind starke nationale Strömungen. Verlierer der Globalisierung wählen rechts-extrem nationalistisch. kulturelle Polarisierungen und gesellschaftliche auseinander Entwicklungen zwischen Eliten und der arbeitenden Bevölkerung sind die Folge. Bei einem Scheitern der EU-freundlichen Politik bis 2022 könnten die rechts-nationalen Strömungen neue Bedeutung erhalten. Fragen stellen sich wie: findet die Revolution der Mitte statt? Findet die Revolution der rechten Seite statt? Werden die Pro-Europäer den Kampf für sich entscheiden? Werden bloss Bedingungen geschaffen, um den Euro erst in ein paar Jahren aufzugeben? Keiner kennt die Antwort. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Der französische Ökonom Piketty hat einen ausformulierten Vertragstext mit Mitautoren entwickelt. Dieser hat bei den Europawahlen keine Rolle gespielt. Auf der gesellschaftlichen Ebene geht es vor allem um die Gerechtigkeit bei der Verteilung der Güter und des Geldes, der Vermögen und der Einkommen. Die Zuwanderung bleibt ohne Lösung. Die Willkommenskultur ist nicht mehr gefragt. Die Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen in den EU-Staaten ist sehr unterschiedlich ausgeprägt, obwohl entsprechende Abmachungen und Verträge vorhanden sind. Im Gegenteil; Grenzen werden geschlossen und Zäune und Mauern werden errichtet. Die Flüchtlingsfrage wird zu einer Überlebensfrage für die EU, wie wir sie heute kennen. Aktuell hat der Zustrom von Flüchtlingen, wegen der Unterstützung der libyschen Behörden, nachgelassen. Wesentliche und offene Fragen für Europa sind: Was ist europäisch? Wie kann eine Europäisierung der Gesellschaften der EU aussehen? Gibt es einen „Europäer“? Die Beobachtungsstelle für – gesellschaftspolitische Entwicklung in Europa – www.iss-ffm – hat folgende Schwerpunkte zur Bearbeitung definiert:

6. Wirtschaftliche Entwicklung global. Die Globalisierung ist eine sehr alte Entwicklung und hat schon mit der Seidenstrasse begonnen, die aktuell von China bis nach Europa wieder belebt werden soll. Für die europäischen Länder ist die Globalisierung mit der Industriellen Revolution wichtig geworden. Der internationale Güterhandel war vor dem Ersten Weltkrieg sehr intensiv, was sich erst seit den 60iger und 70iger Jahren wieder fortgesetzt hat. In den 80iger Jahren hat die Globalisierung neue Dimensionen erreicht und Gewinner und Verlierer hinterlassen. Die Liberalisierung der Wirtschaft hat Zollabbau und Verbilligung der Transportkosten zur Folge Die Aufsplittung der Herstellungs- und Wertschöpfungsprozesse hat die Globalisierung voran- getrieben. Der aktuelle Wirtschaftskrieg zwischen USA und China wird global Spuren hinterlassen. Das Internet kann weiteren Schub für die Globalisierung auslösen und die Handels- und Transportkosten weiter senken. Beim Güterhandel haben viele Länder profitiert und der durchschnittliche Wohlstand der Nationen hat zugenommen. Innerhalb der einzelnen Länder kommt es zu Umverteilungsprozessen. Niedrigqualifizierte in einzelnen Ländern gehören zu den Verlierern, auch wenn ein Land als Ganzes zu den Gewinnern gehört. Die Rangliste zu den Einkommensgewinnen pro Einwohner von 1990 bis 2014 sieht wie folgt aus: – Dossier Globalisierung 32, MMB, 20.2.17 – 1. Rang: Japan mit durchschnittlichem Einkommensgewinn pro Einwohner von CHF 1764.-.-, 2.Rang: Schweiz mit CHF 1632.--, 3. Rang: Finnland mit CHF 1608.-- vor Dänemark, Irland, Deutschland und Israel. Von den 160 Ländern der WTO haben alle eher profitiert. Kleinere Länder profitieren von der Globalisierung also mehr als grosse Länder. Die Spezialisierung, der Zugang zu einer Vielzahl von Zwischenprodukten und Talenten zur Vertiefung der Spezialisierung können für diese Entwicklung verantwortlich gemacht werden. Heute gehört zur Globalisierung auch der Austausch von Personal und Kapital. Importe aus Billiglohnländern sollte nicht zu erhöhter Arbeitslosigkeit führen, selbst wenn dies bei den Niedrigqualifizierten zu beobachten ist. Eine MIT-Studie zeigt allerdings, dass hohe chinesische Importe in den USA zu tieferen Löhnen und zu höherer Arbeitslosigkeit geführt haben. Soziale Probleme wie steigende Krankheitsstände, grössere Sterblichkeit der Männer als Folge eines erhöhten Alkohol- und Drogenkonsums, weniger Heiraten und Geburten, mit Zunahme der Geburten bei Unverheirateten und Teenagern sind die Folgen. Das Gefühl der Unsicherheit ist stark angestiegen, was zu grösseren Risiken führt und bei Abstimmungen dazu führen kann, dass Kandidaten gewählt werden, die Stabilität, Kontrolle und mehr Nationalismus versprechen. Damit dies verhindert werden kann, braucht es stabile Sozialsysteme mit starken Auffangnetzen. Die Arbeitsmarktausgaben in den verschiedenen Ländern sind sehr unterschiedlich; in der Schweiz 0,5%, in Dänemark 1,9% des BIP. Es geht auch darum, dass Langzeitarbeitslosigkeit verhindert wird. Zudem braucht es Steuersysteme, die angemessen umverteilen, die Ungleichheitsbewegungen eindämmen und die Gewinner der Globalisierung mit ihren Gewinnen belasten. Die Eindämmung der Migration gehört ebenfalls dazu. Alternative sind Handelskriege, Protektionismus; wollen wir das? Es gibt aber auch Hinweise auf eine Stagnation der Globalisierungsbewegung; zurück zu den Wurzeln ist die Frage? Seit der Finanzkrise 2008/09 hat die Dynamik des internationalen Kapitalverkehrs – verglichen mit dem BIP – nachgelassen. Es ist ein Prozess des „Re-Shoring“ zu beobachten – Finbarr Livesey; From Global to Local, Profile Books, London 2017 – Es gibt viele Gründe für die Nahbeschaffung, wie angewiesen sein auf nahe gelegene Lieferanten, innovative Produkte werden nahe beim Produzenten angesiedelt oder die Chinesische Wirtschaft hat als Billigproduzent eingebüsst. Andererseits sind die Herstellkosten wegen der Automatisierung gesunken. Damit hat die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Osten zugenommen. Firmen gehen teilweise dazu über zu Ent-Globalisieren. Das führt aber kaum dazu, dass neue Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden, eher sind verstärkte Automatisierungen der heimischen Produktion zu erwarten. Die enorme Staatsverschuldung weltweit führt den Währungsfonds wieder vermehrt dazu die Fiskalpolitik – Politik über das Staatsbudget – zu stärken. Die Fiskalpolitik wird also wieder salonfähig. Bestätigt wird dieser Trend über den aktuellen Bericht – „Fiscal Monitor 2017“ durch den IWF – Internationalen Währungsfonds“ – Vor der Währungskrise galt, die „Fiskalpolitik“ sei wirkungslos; alteSichtweisen mischen sich immer wieder mit „neuen“ Fragestellungen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass höhere Ausgaben zu steigenden Staatsschulden führen und die Konsumenten weniger ausgeben. Bei der Geldpolitik sollte die Notenbank für den wirtschaftlichen Ausgleich sorgen. Seit der Wirtschaftskrise wissen wir, dass dies so nicht richtig ist. Jetzt werden auch Untersuchungen zitiert, die eine grössere Rolle für die Fiskalpolitik beschwören. Die gewachsene Verschuldung führt allerdings dazu, dass der Spielraum für viele Länder klein geworden ist. Trotzdem ist die Zeit der Reduktion der Verschuldungsquoten vorbei. Diese sind seit 2011 nicht mehr abgesenkt worden. Beunruhigend ist die Annahme, dass die Verschuldung im Vergleich mit dem Bruttosozialprodukt im Durchschnitt bei 100% bleiben wird. Die Erwartungen sind also nicht erfüllt worden. Wie sehen die konkreten Zahlen der Verschuldungsquoten aus? Japan 240%, Griechenland 181%, Eurozone 91%, USA 107%. Highlight ist die Schweiz mit 45%. Es wird befürchtet, dass die Verschuldung der USA um einen Drittel zunehmen könnte. Sparen kann negative Wirkungen haben, wenn die Wirtschaft weiter einbricht. Schulden können nicht mehr bedient werden und die Verschuldungsquote steigt an. Entscheidend ist, wofür der Staat das Geld ausgibt und wie die Steuern erhoben werden. Die alt bekannte Forderung wird wieder aktuell; die Fiskalpolitik soll antizyklisch sein, den Konjunkturzyklen entgegenwirken. In der Rezession also höhere Ausgaben, bei Hochkonjunktur kleinere Ausgaben. Für die USA werden kleinere Ausgaben gefordert, das Gegenteil für die Eurozone. Die neue Regierung der USA versucht genau das Gegenteil zu tun; es werden Listen für schuldige Länder erstellt, die Währungsmanipulationen beinhalten. Die Handels- und Leistungsbilanz und die Unterstützung einer Währung mit Devisenkäufen sind die Kriterien. In den USA sollen die Steuern für Reiche gesenkt werden, Investitionen sollen für die marode Infrastruktur gemacht werden. Für Importe sollen Strafzölle erhoben werden, zum Schutz der eigenen Wirtschaft. Retour zu früheren Zeiten mit Abkehr der Globalisierung. Es ist nicht zu verkennen, dass die Globalisierung viele Opfer aus dem Mittelstand kennt, was sich auch bei Wahlen Richtung Nationalismus bestätigt hat. Populisten werben mit „fake News“ für ihre Positionen und gewinnen; allerdings ist zu beobachten, dass die klassischen Medien mit seriösem Journalismus starke Zunahmen bei den Konsumenten aufweisen. Der Niedergang der Mittelstandsgesellschaft, in Verbindung mit der Globalisierung und der Automatisierung, lassen die wirtschaftlichen Verhältnisse weiter Bevölkerungskreise prekär werden. In den USA nimmt die Mobilität ab, sowohl die soziale als auch die geografische Mobilität. „Geboren in wirtschaftlich abgehängten Regionen oder mit unteren Einkommen geboren heisst „automatisch“ auch da zu sterben“. Die Postleitzahl kann zum Schicksal werden. Die wirtschaftliche Lethargie macht sich breit; Unternehmensgründungen gehen zurück, ebenso Patentanmeldungen. Erbdynastien werden wichtig und das Unternehmertum geht zurück. Das Ergebnis sind selbstgefällige Eliten. In den USA zählen sich 2015 bereits 50% zur Unterschicht. Verlierer der Gesellschaft nehmen zu, was populistische Bewegungen unterstützt. Die liberalen Werte der Elite und die Rechtsstaatlichkeit werden hoch gehalten, aber diese Elite entwickelt antidemokratische Grundreflexe. Sie fürchten die Mobs. In vielen Staaten der westlichen Welt gibt es einen Konflikt zwischen antidemokratischem Liberalismus und illiberaler Demokratie. Die Gewinner sind die Demagogen mit populistischen Parolen. Immer mehr Migranten, die in Europa leben und arbeiten, können immer weniger Geld an ihre Familien in den Entwicklungsländern überweisen. Es droht eine breit angelegte Armut mit Hungersnot; die Einkommen in der westlichen Welt haben sich wegen der schleppenden Konjunkturentwicklung reduziert. Für China wird ein neuer Fokus gefordert, das heisst weg von den öffentlichen Investitionen zu Ausgaben für die soziale Sicherung, Erziehung und Gesundheit. Die aktuell hohe Verschuldung in China wird auf Investitionen in eine unproduktive Infrastruktur und Immobilien zurückgeführt. Die Fiskalpolitik soll den Aufbau von Kapital fördern und die Produktivität erhöhen. Schliesslich soll sie den Zusammenhalt und die Teilhabe aller in einer Volkswirtschaft fördern. Also genau das Gegenteil, was in den letzten 30 Jahren geschehen ist. Ohne Umverteilungen geht dies aber nicht. Kernstück bleibt aber, dass gewährleistet ist, dass Anreize für Investitionen und Arbeit bleiben. Die Renditen und der Nutzen von schuldenfinanzierten Projekten muss grösser sein als die Kosten und die Risiken. Wenn der Unterschied zwischen Zinssätzen und Wachstum grösser ist als in der Vergangenheit, dann sind auch höhere Verschuldungsquoten zu rechtfertigen. Die Diskussion um die Managergehälter auf höchster Ebene findet global Beachtung. Wie kommt man überhaupt dahin? Es scheint, dass Universitäten den Schlüssel in der Hand haben. Genannt werden Harvard, Princeton, Columbia oder Stanford, Oxford und Cambridge. Aber auch das Dreieck Politik, Finanzindustrie und Wirtschaft führt zu höheren Weihen. Zu Ministerehren gelangt man über die Tätigkeit in einer Bank oder in der Ölindustrie. Andere Qualifikationen sind weniger gefragt. Allerdings ist erstaunlich, dass überhöhte Boni ausbezahlt werden, wenn auch die Verantwortlichen die Unternehmen in Schieflage gebracht haben. Verdiente vor 20 Jahren der CEO das 14-fache des am Wenigsten Verdienden, so ist die Spannbreite heute beim 60-fachen oder noch mehr angelangt. Verdiente Daimler-Vorstand Schrempp vor der Fusion 1998 mit Chrysler DM 2,8 Mio, sein Vize Eaton in den USA aber fast DM 20 Mio, war dies der Anfang für die exorbitanten Saläre, ausgehend von den USA. Diese und ähnliche Vergleiche sind bis heute der Kern der Begründung für die hohen Ausschüttungen. Die Begründung mit der „harten, internationalen Konkurrenz“ ist aber falsch. 9 von 10 Topmanagern arbeiten im Unternehmen ihres Heimatlandes, weil die meisten Spitzenkarrieren nach wie vor stark national geprägt sind. Von einem globalen Markt für Topmanager kann keine Rede sein. Viel plausibler ist, dass „eine Hand die andere wäscht“. Viele Vorstandschefs sind später auch Vorsitzende des Aufsichtsrats. Die Kumpanei und die „Old Boys Netzwerke“ funktionieren. Mit einer hohen Steuer auf die „verdienten Boni“ könnte dieser Art Entschädigung schnell Abhilfe geschaffen werden. Vor Reagan und Thatcher hat es das schon gegeben. Die Digitalisierung und Automatisierung im Internet kann mit dem Silicon Valley in Verbindung gebracht werden. Interessant sind dabei die Vergleiche mit der Generation 68, die für eine „bessere Welt und gegen den Vietnamkrieg“ protestiert hat. Die heutige Grundhaltung der Internetkonzerne ist nur beschränkt vergleichbar mit der erwähnten Protestzeit. Aktuell geht es um Macht und Geld. Beides wird mit Milliardengewinnen und Off-Shore-Konstruktionen unterstrichen. Die kommunenähnlichen Kooperationen und Gemeinschaften, mit der Besetzung von Häusern und der Folge von überteuerten Wohnkosten, sind höchstens mit sexuellen Eskapaden vergleichbar, die es in der Hippiezeit auch gegeben hat. Der Arm der Internetkonzerne reicht global bis zur internationalen Politik, was die Enthüllungen rund um die „Paradise Papers“ belegen; die Konzernleitungen folgen der Einladung des Präsidenten und stellen sich mit freundlicher Mine am gedeckten Tisch auf. Jeder Unternehmer im Silicon Valley trägt zur Mythenbildung bei. „Don’t be evil“ hiess es einmal bei Google; scheitern die heutigen „Techies“ letztlich auch, wie dies bei den Hippies schon beobachtet werden konnte? Immerhin hat der erfundene „Like-Daumen“ Proteste ausgelöst, aber auch rund 730 Millionen Dollar in die Kasse von Justin Rosenstein gespült. Zu beobachten sind folgende Strukturen:

9. Umweltentwicklung global. Ausgangspunkt ist die Annahme des zunehmenden Reichtums, der Umweltbelastung und der Weltbevölkerung. Bei milderen Wintern können im Norden, mit grossen Naturschätzen, kleinere florierende Kulturen heranwachsen. Man kann auch davon ausgehen, dass wegen den bestehenden Abkommen die vorhandenen Ressourcen friedlich geteilt werden und dass es für die globalen Marktkräfte gestattet ist, die Ressourcen auszubeuten. In den nordischen Ländern, inklusive Russland und USA – NORC-Staaten – Northern Rim Countries – USA, Kanada, Island, Grönland/Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Russland – Laurence C. Smith; Die Welt im Jahr 2050, DVA 2010 – kann von einem Bevölkerungswachstum ausgegangen werden. Es gibt ein Strassen- und Eisenbahnnetz, stabile Regierungssysteme und bereits existierende Städte, Häfen, Firmen und Universitäten, die sich bis in den arktischen Norden verteilen. Allerdings ist es möglich, dass bei den globalen Kräften wie Demografie, Nachfrage nach Naturschätzen, Globalisierung der Wirtschaft und Klimawandel, ein Stillstand eintritt. Dann sind alle Vorhersagen nur noch Makulatur. Das Problem ist, dass drei der globalen Kräfte sehr träge sind, vergleichbar mit einem grossen Schiff, das einen Kurswechsel vornehmen will, aber noch lange auf dem gleichen Kurs fahren wird. Bei einem angenommenen Bevölkerungswachstum von 9,2 Milliarden Menschen bis 2050 ist nur schwer vorstellbar, dass die Nachfragewerte nach Wasser, Energie und Mineralien hinter die heutigen Werte zurückfallen. Heute ist schon bekannt, dass sich der Grundwasserspiegel weltweit um einen Drittel reduziert hat. Die Globalisierung als Megatrend ist nicht einfach so passiert. Die USA und Grossbritannien haben die Globalisierung in Gang gesetzt. Die getroffenen Massnahmen gehen auf Bretton Woods von 1944 zurück. Das Internet hat die Globalisierung zwar gefördert, hat sie aber nicht geschaffen. Es gibt kein „Naturgesetz“, welches die globale ökonomische Integration begünstigt oder fortsetzen muss. Die Vergangenheit zeigt dies deutlich auf. Abgesehen von kriegerischen Ereignissen gibt es mindestens zwei Dinge, welche die Globalisierung stoppen können. Regierungen könnten beschliessen – wie in den USA mindestens Absichten kommuniziert werden – zum Wirtschaftsprotektionismus mit hohen Einfuhrzöllen zurückzukehren. Die Globalisierung würde so zu einer Regionalisierung werden, mit der Herausbildung von Wirtschaftsblöcken. Einerseits wurde die Finanzkrise als möglicher Auslöser angesehen, andererseits könnten aber auch die Reduktion von Kohlendioxydmassnahmen Zollkriege auslösen. Der zweite Aspekt sind die steigenden Erdölkosten, weil der globale Handel durch billige Energie gekennzeichnet ist. Containerschiffe und Langstreckenfahrzeuge können nicht ohne weiteres elektrifiziert werden. In zunehmendem Mass werden Umweltschäden auch in die Produktionskosten eingerechnet, so dass sich der scheinbare Gewinnvorteil eines globalen Handels gegenüber lokalen Handelsnetzen reduziert. Dazu kommen aber auch noch politische Tendenzen oder Ereignisse, die nicht vorhersehbar sind. Niemand weiss, ob sich der Globalisierungstrend beschleunigt oder verlangsamt oder sich sogar umkehrt. Es stellt sich die Frage, warum Zivilisationen scheitern können. Die Analyse entsprechender Ereignisse aus der Geschichte lassen fünf entscheidende Gefahren erkennen: selbst verschuldete Schäden an der Umwelt, der Verlust von Handelspartnern, feindliche Nachbarn, ein nachteiliger Klimawandel und die Reaktion auf Umweltprobleme. Einzelne dieser Faktoren können Siedlungen belasten. Alle zusammen führen mit Sicherheit in den Ruin. Heute können wir Folgendes festhalten:

Fokus Schweiz; Wie kann die Schweiz von der Benzinschweiz, Beton- und Lärmschweiz zum Postwachstum kommen?

Quellen:

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