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I. Die Psyche und ihr Verhältnis zum Physischen

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Die Zeiten, da man unter der Seele eine immaterielle, einfache, unzerstörbare Substanz hinter dem Bewußtsein und dessen Modifikationen verstand, scheinen nun doch vorüber zu sein. Zwar fehlt es gerade in jüngster Zeit nicht an einer dualistischen Reaktion nicht bloß gegen den Materialismus, sondern auch gegen die „Identitätstheorie“ und jeden sonstwie gearteten „Monismus“, aber erstens ist diese Reaktion nur ein neuer Vorstoß des alten Seelenglaubens, und zweitens weist sie vielfach Konzessionen gegenüber der monistischen Ansicht auf, welche bezeugen, daß es mit der metaphysischen Hypothese der absolut einfachen, dem Leibe völlig selbständig gegenüberstehenden und von ihm trennbaren Seelensubstanz rapid zu Ende geht.

Die psychologische „Aktualitätstheorie“ mag sich mancher Einseitigkeiten und Übertreibungen schuldig gemacht haben, wie wir weiter unten zeigen werden. Aber das nimmt ihr keinesfalls das außerordentliche Verdienst, an Stelle der „transzendenten“, aller Erfahrung sich entziehenden Seelensubstanz mit besonderen „Vermögen“ und Tätigkeiten das konkrete Bewußtsein als Inbegriff und Zusammenhang von Erlebnissen selbst gesetzt zu haben. Mit vollem Recht betont diese Aktualitätstheorie1 zweierlei. Erstens, daß die psychischen Vorgänge, die Bewußtseinserlebnisse als solche weder Schein noch bloße Erscheinung sind, sondern volle Wirklichkeit und Wirksamkeit haben, so daß also das Psychische nicht aus unerfahrbaren, hinter und unter den Bewußtseinserlebnissen stehenden Prozessen besteht. Zweitens, daß das Psychische nichts starr Substantielles, Ruhendes, sondern „aktuell“ ist, daß es nicht Zustand einer absolut beharrenden, unveränderlichen Substanz ist, sondern in einem Zusammenhang von Vorgängen, von lebendigen Prozessen besteht, in welchen nichts sich absolut gleichbleibt. Die psychischen Gebilde sind nicht Dinge, sondern fließende Resultate beständiger Aktionen und Reaktionen, sie sind in einem unaufhörlichen Flusse begriffen und bilden die Momente einer fortlaufenden Entwicklung und Entfaltung, deren Konstanz in erster Linie formaler Art ist. Die Seele ist hiernach keine „Substanz“ im Sinne des naturwissenschaftlichen Substanzbegriffs. Dieser ist durch die Beschaffenheit des Inhalts der „äußeren“, sinnlich vermittelten Erfahrung gefordert; er dient zu deren objektiven Vereinheitlichung, zur Setzung fester Ansatzpunkte für die Anschauung und das Denken der Objekte. Für die Psychologie aber ist der abstrakte Substanzbegriff ohne Nutzen, er ist hier überflüssig, weil das Zentrum, um das sich die psychischen Erlebnisse gruppieren, unmittelbar im Subjektmoment gegeben ist, und er ist sogar schädlich, weil er den konkreten Tatbestand des Erlebens leicht zugunsten eines unbekannten, mit hypothetischen oder fiktiven Kräften und Eigenschaften ausgestatteten Seelendinges verfälscht, dem Reichtum der Bewußtseinsmannigfaltigkeit nicht genügt, der im Widerspruche zu der vorgeblichen „Einfachheit“ der Seelensubstanz steht, und endlich die Wechselbeziehungen zwischen Psychischem und Physischem zu einem Rätsel macht. Denn alle Versuche, die „Wechselwirkung“ zwischen der einfachen Seelensubstanz und dem Körper verständlich zu machen, scheitern teils an der Heterogenität beider Wirklichkeitsglieder, teils an der Durchbrechung, welche hier das Prinzip der geschlossenen Naturkausalität und das Prinzip der Erhaltung der physischen Energie erleiden2.

Übrigens gilt das meiste des hier Gesagten auch für jene Annahme, wonach das Psychische zwar nicht Zustand einer unbekannten Seelensubstanz, aber doch ein vom Physischen absolut verschiedenes, trennbares und eigenartiges Geschehen ist, das mit jenem in Wechselwirkung steht. Erstens läßt sich nicht, wie dies von mancher Seite geschieht, das Psychische in genau demselben Sinne wie das Physische als eine „Energie“ auffassen; denn es ist unräumlich3, unmassenhaft und entbehrt auch sonst der Eigenschaften, welche eine physikalisch-chemische Arbeitsleistung ermöglichen. Ist es aber keine Energie im physikalischen Sinne, läßt es sich seiner Natur nach weder aus physischer Energie gewinnen noch in solche umsetzen, schon weil es keinen Bestandteil des Inhalts der äußeren Erfahrung bildet, ist ferner nicht einzusehen, wie ein immaterielles Geschehen Bewegung erzeugen oder auch nur der Richtung nach abändern und wie Bewegung, Druck und Stoß, kurz mechanische Kraft, auf ein Immaterielles, Unräumliches einwirken kann, dann ist die Annahme eines solchen, dem Physischen als selbständiges Geschehen gegenüberstehenden Psychischen, auch abgesehen von anderen Schwierigkeiten, schon suspekt. Ein Psychisches kann auf ein Physisches nicht wahrhaft einwirken, ohne daß die Menge der physikalisch-chemischen Energie einen Zuwachs erhält, und umgekehrt kann das Physische, Materielle nicht auf das Seelische eine Wirkung ausüben, ohne daß physische Energie verloren geht. Es müßte denn neben der normalen Art physischer Wirksamkeit noch eine zweite geben, welche das Energieprinzip intakt läßt – eine undurchführbare und vor allem ganz unnötige Annahme.

Nun könnte man glauben, es bleibe nur noch der materialistische Ausweg, das Psychische mit dem Physischen zu identifizieren oder es als „Funktion“ desselben zu bestimmen. Dem ist aber nicht so. Der Materialismus ist als Dogma eine unhaltbare Theorie und was er Richtiges enthält, die strenge Koordination zwischen psychischen und physiologischen Vorgängen, bietet auch der nicht materialistische Monismus, von dem gleich die Rede sein wird. In keiner seiner Abarten ist der Materialismus haltbar, aus Gründen, die hier nur angedeutet werden können. Das „Psychische“, d. h. irgendein beliebiges „Erleben“, wie die Empfindung eines Tones, die Vorstellung einer Gestalt, das Gefühl einer Lust oder Unlust, eine Begierde oder ein Abscheu, ein Willensentschluß, ein Urteilsakt u. dgl., ist ein subjektiver, auf ein Subjekt, ein Ich unmittelbar sich beziehender, in physikalischen Ausdrücken nicht beschreibbarer Vorgang, der etwas anderes ist als der Inhalt oder Gegenstand des Erlebens, das objektive Raumgebilde, an welchem Bewegung und Energie auftritt. Es ist einfach absurd, zu behaupten, ein Schmerz etwa „sei nichts als Bewegung“; denn wir meinen ja mit Schmerz, Lust, Wille u. dgl. qualitativ etwas ganz Bestimmtes, Erlebbares, was sich ohne weiteres von einer Bewegung, von einem räumlichen Geschehen unterscheidet. Psychische Erlebnisse sind weder stoffliche Substanzen, die von anderen gleichsam ausgeschieden werden könnten, noch physische Vorgänge, sie sind nicht Objekte des Erlebens, sondern das subjektive Erleben selbst in dessen unmittelbarem Auftreten. Das Psychische ist kein wäg- oder räumlich meßbares, mechanische Arbeit verrichtendes Etwas, keine „Nervenschwingung“ u. dgl., mag es auch mit einer solchen untrennbar verknüpft sein. Es hat mit Massen und Massenbewegungen nichts zu tun, es kann nicht eine „Eigenschaft“ unter materiellen Eigenschaften bilden, es geht nicht in die mathematischen Formeln für physikalisch-chemische Vorgänge ein. Aber auch nicht eine kausale Funktion, eine Wirkung physiologischer Prozesse kann das Psychische, das subjektive Erleben sein. Erkenntnistheoretisch nicht, weil das Physische als solches schon durch ein Subjekt und dessen psychisches Erleben (Empfinden, Vorstellen, Wollen) bedingt und im besten Falle nur die von einem Bewußtsein qualitativ abhängige „Erscheinung“ eines „An sich“ ist, das nicht selbst physisch ist, wenn es auch den objektiven „Grund“ für das Auftreten physischer Phänomene abgibt. Aber auch aus methodologischen Gründen kann das Psychische nicht die Wirkung des Physischen, Physiologischen sein, ganz abgesehen von seiner Ungleichartigkeit gegenüber dem letzteren. Physiologische Prozesse sind physikalisch-chemischer Art, soweit sie vom Standpunkte der „äußeren“ Erfahrung betrachtet werden. Die methodische Konsequenz erfordert es, den einmal eingenommenen Standpunkt bis zum Ende und ausnahmslos festzuhalten. Es ergibt sich daraus die Geschlossenheit der physischen Kausalität, wonach jeder physische Vorgang, auch im Organismus, immer wieder nur einen physischen Vorgang zur Wirkung und zur Ursache haben kann, sollen nicht, was die Einheit und Vollständigkeit der Erfahrung und Erkenntnis beeinträchtigt, die Standpunkte fortwährend miteinander vermengt und vertauscht werden. Der Materialismus leidet also an demselben Fehler wie der Dualismus, wenn er ein Bewirktwerden des Psychischen durch Physisches, etwa durch Gehirnprozesse annimmt, ganz abgesehen davon, daß ganz und gar nicht abzusehen ist, wie aus rein Objektivem und Materiellem etwas „Subjektives“, „Immaterielles“ (im guten Sinne des Wortes) entstehen oder hervorgehen kann. Auch ist hier, wie beim Dualismus, das Gesetz der Konstanz der Energie, welches die Anwendung des apriorischen Kausalprinzips auf die äußere Erfahrung ist, ein festes Bollwerk gegen alle Auffassung des Psychischen, des Bewußtseins als kausaler Funktion physiologischer Prozesse.

Meint man nun, gewiß sei das Psychische im Bewußtsein vom Physiologischen verschieden, aber das sei nur Schein oder Erscheinung, in Wirklichkeit oder „an sich“ sei das Erleben doch nur physischer Art, so ist darauf zu erwidern, daß hier das richtige Verhältnis geradezu umgedreht wird. Das Physische kann zwar kein Schein, wohl aber „objektive Erscheinung“ sein, denn es ist durch das erkennende Subjekt, durch ein Psychisches also, qualitativ bedingt. Aber das Psychische (Geistige) als solches, das Bewußtsein im weitesten Sinne, kann nicht bloße Erscheinung sein. Denn damit etwas „erscheint“, ist schon ein psychisches Erleben (Erkennen) notwendig, durch das, und ein Subjekt, für welches es erscheint. Ein Physisches, das nicht schon zugleich psychisch ist, kann sich also gar nicht „erscheinen“, nicht irgendwie „erfassen“. Kann es sich aber erleben, erkennen, dann ist es eben nicht mehr rein physisch und hat eigenartige Erlebnisse, eben das Psychische: Empfindung, Vorstellung usw., das unmittelbar und sicher da ist. An der Existenz psychischer Erlebnisse in uns können wir nicht im geringsten zweifeln; daß wir fühlen wollen, denken usw., muß auch für den größten Skeptiker, der das Dasein der Körper in Frage stellt, evident sein. Es gibt kein unmittelbareres und gewisseres Sein als das Bewußtsein; es ist nicht bloße Erscheinung, sondern die Urbedingung aller Erscheinungsmöglichkeit; es setzt sich selbst logisch voraus, ist völlig unableitbar4.

Mit der Wendung: „eigentlich“ ist das Psychische nur eine Nervenschwingung, ist es also nichts. So wie der Dualist geht auch der Materialist hinter die Erfahrung zurück, indem er das unmittelbare Erlebnis, das wir als unbefangene Beurteiler selbst das Psychische nennen, transzendiert. Das gleiche tut natürlich der Vertreter der „Philosophie des Unbewußten“, wenn er das psychische Wirken in das absolut Unbewußte verlegt. Ein Unbewußtes absoluter Art, das zugleich psychisch sein soll, ist ein Unding, ein „unbewußter Geist“, ist eine contradictio in adjecto, denn „Bewußtsein“ und „psychisch“ sind ja zwei Bezeichnungen für ein Geschehen, von dem man gar nichts wissen könnte, wäre es nicht im Erleben gegeben. In der Tat sind die „unbewußte Vorstellung“ und der „unbewußte Wille“ nur Entlehnungen aus dem Bewußtsein, das „Unbewußte“ hat in diesem sein Vorbild, ist nur eine metaphysische Kopie und Verdoppelung desselben.

Zwischen Materialismus und Dualismus schwankt jene Lehre, nach welcher das Psychische, das Bewußtsein nur ein „Epiphänomen“ des Physiologischen ist5. Das Seelische ist hiernach nicht selbst physisch, es ist auch nicht eine Wirkung des Physischen, sondern eine Art Schatten, welcher das physiologische Geschehen im Zentralnervensystem begleitet, in steter „Abhängigkeit“ von diesem, aber ohne eigene Wirksamkeit. Im Menschen, der einen lebenden Automaten darstellt, vollzöge sich alles ganz genau so, wie es sich vollzieht, auch wenn es kein Bewußtsein gäbe. Dieses kommt nur auf einer bestimmten Stufe der organischen Entwicklung zum Physiologischen hinzu (als ein „surajoutée“), man weiß nicht wie und woher und wozu. Denn einen Einfluß auf das organische Getriebe soll es ja nicht haben, und aus dem Physischen soll es ja nicht entstehen, da es diesem nur parallel geht. Es schwebt durchaus in der Luft und erscheint als biologisch nutzlos und schon vom Standpunkte des Darwinismus wegen dieser Zwecklosigkeit als genetisch unbegreiflich6. Daß man sich gegen eine solche Form des „psycho-physischen Parallelismus“ energisch gewandt hat, ist durchaus in der Ordnung. Ebensowenig wie das Prinzip der Stetigkeit und die Kausalität es zuläßt, daß aus Bewegungen durch bloße Komplikation etwas ganz Neues, das Bewußtsein, entsteht, ebensowenig kann dieses plötzlich, bei den Organismen, aus dem Nichts zum Physischen hinzukommen. Es müßte denn das Erzeugnis eines Schöpfers sein, eine Annahme, die kaum als eine wissenschaftliche gelten kann, ganz einerlei, ob man für sich nun an einen Gott glaubt oder nicht.

Ein neben dem physischen einhergehendes, ohne innere Verbindung mit demselben ablaufendes psychisches Geschehen, das gleichwohl in steter Korrelation zu ihm steht, obzwar es selbst „inkausal“ ist und auch vom Physischen keine Wirkungen empfängt, ist nicht das, was die Psychologie und die Biologie von dem Begriffe des Seelischen mit Recht fordern können. Dieser Begriff muß den Tatsachen der Erfahrung möglichst gerecht werden und sie möglichst umfassend erklären können. Und er muß deshalb auch in rationeller Beziehung zum Begriff des Physischen, bzw. Physiologischen stehen.

Ist nun das Psychische nicht der Zustand oder die Tätigkeit eines transzendenten Seelenwesens, auch nicht die bloße Funktion oder Erscheinung des Physischen, des Nervensystems, ist es weder selbst ein physischer Prozeß, noch ein neben diesem einhergehender Vorgang, was ist es denn, was kann es denn noch sein?

Jedenfalls ist das Psychische, da es nicht das Erzeugnis eines rein Materiellen sein kann, ein Prinzip des Seins, ein „Urgeschehen“. Es ist mindestens ebenso primär, ursprünglich wie das Physische. Wie Subjekt und Objekt Korrelate sind, die getrennt nicht bestehen, sondern zu einer und derselben Erfahrung als deren beide Seiten, Glieder, Beziehungspunkte gehören, ohne daß das eine ein Produkt des andern ist, so erweisen sich auch Psychisches und Physisches als untrennbare, nur in der Abstraktion unterscheidbare und voneinander abzulösende „Seiten“ der Gesamterfahrung. Diese ist die ursprüngliche Einheit, die „Identität“ des Psychischen und Physischen. Die Verschiedenheit beider „Seiten“ bedingt einen, vom metaphysischen durchaus zu sondernden empirischen (phänomenalen) Dualismus auf Grundlage eines ebenso empirischen Monismus. In der Abstraktion und zwecks begrifflicher Verarbeitung des Erfahrungsinhalts müssen wir von zwei „Seiten“ des Geschehens sprechen. Die eine ist das Physische, die andere das Psychische. Sehen wir nämlich davon ab, daß die Inhalte der Sinneswahrnehmung und des diese verarbeitenden Denkens in konkreter Wirklichkeit zu einem Subjekt, einem „Bewußtsein überhaupt“, einem Erleben gehören, behandeln wir diese Inhalte, die Objekte der Erfahrung, als von aller Individualität (Subjektivität) unabhängige, selbständige, gesetzlich miteinander verknüpfte, in raum-zeitlich-kausalen Relationen zueinander stehende Dinge und Eigenschaften, die wir in mathematischen Formeln quantitativ festlegen, dann ergibt sich jene Auffassungsweise, die wir „äußere“ Erfahrung und „mittelbare“ Erkenntnis nennen, deren Gegenstand das Physische, Körperliche, Materielle ist. Dieses besteht also, ungeachtet des „Idealismus“, den die Erkenntniskritik für die Objekte der Erfahrung als solche statuiert, nicht aus psychischen Erlebnissen, sondern wird von diesen methodisch unterschieden. Das Psychische hingegen ergibt sich aus einer anderen „Auffassungsweise“ der Erfahrung, nämlich sofern diese in voller Unmittelbarkeit und Konkretheit, ohne jede Abstraktion und Hypostasierung, ohne „Objektivierung“ hingenommen und gedacht wird. Das Erfahren, Erleben selbst in allen seinen Momenten und Elementen (Empfindung, Vorstellung, Wollen, Denken usw.), als unmittelbarer subjektiver Prozeß, als Bewußtsein, für ein Ich-Gegeben-Sein, als unmittelbarste Aktion und Reaktion eines Subjekts ist das Psychische. Ein und derselbe Tatbestand also, ein Erlebnisganzes bildet den Ausgangspunkt für zwei verschiedene Betrachtungsweisen, für den „empirischen Dualismus“, der, philosophisch gedeutet, zu irgendeiner Art des Monismus, wenn auch nicht zum Materialismus führt, wofern man sich nur der Korrelation beider Seiten der Gesamterfahrung bewußt bleibt7.

Gehen wir vom menschlichen Organismus als einem Teil unserer Erfahrung, oder, noch besser, geradezu von unserem eigenen Ich aus. Erfasse ich mich mittels der Sinne und denke ich mich als ein Objekt unter Objekten, abstrahiere ich von dem Umstand, daß das, was ich sinnlich an mir vorfinde, zu meinem Ich, Subjekt, Bewußtsein zugehört, denke ich es methodisch als System von Bewegungen oder Energien selbständiger, miteinander in Wechselwirkung stehender Elemente um, dann bin ich für mein eigenes wie für das fremde Erkennen ein Physisches, ein Körper (Leib) mit körperlichen Vorgängen, ein Raumding unter gleichartigen Dingen. Ich finde dann an mir nichts als ausgedehnte Masse, Bewegungen der Glieder, der Muskeln, Nervenschwingungen, kurz, physikalisch-chemische Prozesse, die miteinander in durchgängigem Zusammenhang stehen, ohne daß irgendwo die kausale Verkettung eine Lücke zeigt. Vom Standpunkt der „äußeren“ Erfahrung, welcher der der Naturwissenschaft ist, bin ich, wie jeder andere Organismus, nichts als bewegte Materie, ein Komplex physikalisch-chemischer Energien, kurz, ganz so, wie der Materialismus es lehrt. Aber dieser Materialismus ist völlig einseitig. Denn sobald ich den Standpunkt der äußeren mit dem der „inneren“ (unmittelbaren) Erfahrung vertausche, ändert sich das Bild. Jetzt bin ich nicht mehr bewegte Materie oder Energiekomplex, sondern ein lebendiges, empfindendes, fühlendes, wollendes, denkendes Subjekt, ein einheitlicher Zusammenhang von Erlebnissen, die als solche – mögen sie auch Körper und Bewegungen zum Inhalt oder Gegenstand haben – weder Körper noch Bewegungen sind. Ich habe Erlebnisse von Farben, Tönen, Ausdehnung usw., aber das subjektive Erleben als solches, das Auftreten oder Erzeugen von Vorstellungen, Gefühlen usw. ist nicht selbst farbig, tönend, ausgedehnt, schwer u. dgl., sondern intensiv, klar, lebhaft, deutlich usw., es muß anders beschrieben und bestimmt werden als das Physische, als der objektivierte und hypostasierte Erfahrungsinhalt. Ebendasselbe also, was von dem einen Gesichtspunkt als Körper sich darstellt, erscheint, ist in seinem unmittelbaren „Für-sich-Sein“, als erlebendes Subjekt, eine „Seele“, ein psychischer Zusammenhang. Insofern das Physische als solches ein Abstraktionsprodukt ist und von den Formen der Anschauung und des Denkens abhängig ist, kann es als „Erscheinung“ bestimmt werden. Das Psychische (Geistige) hingegen, das die Bedingung der Erkenntnisformen, ja der Zusammenhang von Erkenntnisfunktionen (neben anderen) selbst ist, das ferner niemals direktes Objekt eines fremden Erkennens sein kann, ist nicht bloße Erscheinung (im Kantischen Sinne), sondern (mindestens relativ) ein „An sich“ des Organismus, jedenfalls aber das mehr unmittelbare, mehr konkrete, vollere Sein oder Geschehen.

Die „Identitätstheorie“, wonach Psychisches und Physisches zwei „Seiten“, „Attribute“, „Erscheinungen“, „Aspekte“ eines und desselben Wesens bilden, kann in realistischer oder auch in mehr oder weniger idealistischer Weise formuliert werden. Wir glauben nun, daß die realistische Identitätstheorie mit ihrer Annahme eines an sich unbekannten Wesens, dessen Äußerungen oder Seiten das Psychische und Physische darstellen, immerhin durchführbar ist, halten sie aber doch entweder für einen „agnostischen“ Verzicht auf eine weitere Vereinheitlichung der Erkenntnis oder aber, wenn sie als der Weisheit letzter Ausspruch gilt, für halb-dualistisch und in manche Schwierigkeiten verwickelnd. Wir ziehen es daher vor, den Monismus idealistisch (oder besser „ideal-realistisch“) zu fassen, indem wir sagen: Was an sich, für sich, unmittelbar erfaßt psychisch ist, das ist der objektiven Erscheinung nach, mittelbar erkannt, methodisch verarbeitet physisch. Der äußeren, körperlichen Organisation „entspricht“ die innere, seelische Organisation; erstere ist die „Erscheinung“, der „Ausdruck“, die „Objektivation“ der letzteren, diese das „An sich“, das „Innensein“ jener, so aber, daß beide nur aus der einheitlichen Gesamterfahrung, in der sie untrennbar sind, herausgehoben sind. Diese und das beiden Betrachtungsweisen Gemeinsame (Entwicklung, Differenzierung, Intensität und andere Eigenschaften) ist das „Identische“ der beiden Daseinsweisen8. Seele und Leib sind demnach nicht zwei trennbare Dinge, nicht zwei Substanzen, aber es ist auch nicht die Seele mit dem Körper, dieser mit der Seele identisch. Sondern je nach der Betrachtungsweise ist dasselbe Wirkliche, der „Organismus“, durchweg „Seele“ oder durchweg „Körper“. Und weil dem so ist, weil Psychisches und Physisches Korrelate sind, die sich auf dasselbe Wesen beziehen, besteht zwischen ihnen vollkommene Harmonie, „entspricht“ jedem psychischen ein physisches (physiologisches) Geschehen und umgekehrt, ohne daß eine wahre Wechselwirkung zwischen ihnen zu bestehen braucht. So genommen, verliert der „psychophysische Parallelismus“ alles Mystische und Unbegreifliche, denn jetzt handelt es sich nicht mehr um zwei fremd einander gegenüberstehende und doch in genauer Übereinstimmung befindliche, selbständige Seins-Reihen, sondern nur um eine Wirklichkeit, die von zwei Gesichtspunkten aus betrachtet und denkend verarbeitet wird9.

Jedem psychischen Vorgang entspricht ein physiologischer Prozeß, und umgekehrt hat jeder physiologische Vorgang in einem psychischen Geschehen mehr oder weniger bewußter Art sein Korrelat. Es besteht also eine wechselseitige Abhängigkeit beider Daseinsweisen voneinander, die aber nicht direkt kausal ist, sondern „funktionell“ im Sinne der Mathematik, wiewohl man sich populär und im einzelnen auch der kausalen Ausdrucksweise bedienen kann, wenn man sich nur der Laxheit derselben bewußt bleibt. Die Fälle scheinbar echter Wechselwirkung zwischen Leib und Seele erklären sich wie folgt. Es gibt außer den vollbewußten, apperzipierten psychischen Vorgängen „unterbewußte“ und für sich allein, gesondert überhaupt nicht gewußte, nicht bemerkte, nicht „apperzipierte“ (keineswegs aber absolut unbewußte, apsychische) Prozesse und Elemente von solchen, die sich zum Teil zu dem vereinigen und in dem aufgehen, was wir das dunkle „Lebensgefühl“ nennen. An diesem partizipieren jene psychischen Teilvorgänge, die den vegetativen Lebensprozessen parallel gehen, ohne ins Licht des eigentlichen, des klaren Selbstbewußtseins zu fallen. Die Abhängigkeit des geistigen Lebens, des Denkens z. B., vom „leiblichen“ bedeutet nun, streng genommen, nicht eine kausale Beeinflussung des Geistigen durch das Körperliche als solches, sondern durch jene „Innenseite“ desselben, die in Form mehr oder weniger dunkler Empfindungen, dumpfer Gefühle und Strebungen u. dgl. auftritt. Das „Leibliche“ wirkt also, wenn man will, auf das Seelische ein, aber schon als Bestandteil des Psychischen, als ein Seelisches niederer Ordnung, als eine Provinz der psychischen Organisation10. In diesem Sinne ist es wahr, daß z. B. Verdauungsbeschwerden einen Einfluß auf die Denktätigkeit, die Stimmung usw. ausüben; aber nicht die physikalisch-chemischen Vorgänge im Magen sind die Ursachen der psychischen Depression, sondern die diesen Vorgängen entsprechenden „Innenzustände“, bzw. diese Vorgänge vom Standpunkt der inneren Erfahrung aufgefaßt. Ebenso sind Störungen des Gehirns, die durch Läsion desselben bedingt sind, nur insofern die Ursachen geistiger Erkrankung, als sie zugleich, an sich, Störungen unbewußter psychischer Prozesse, Dispositionen und Verbindungsmöglichkeiten sind, an die sich die eigentliche Geistesstörung knüpft. So wie der Leib nur als Psychisches auf den Geist einwirkt, mit dem zusammen er einen Teil der seelischen Gesamtorganisation bildet, so wirkt die Seele auf den Leib wahrhaft nur, sofern dieser ein „Innensein“ hat, d. h. als unmittelbares Erlebnis, nicht wie er als Komplex von Atomen und Energien abstrakt aufgefaßt und bestimmt wird. Nur die unmethodische willkürliche Vertauschung der Standpunkte, die ja gewiß bequem ist, verführt zu dem Glauben, es könne etwa der Wille eine Bewegung kausal beeinflussen. In Wahrheit geschieht folgendes: ein von Empfindungen oder Vorstellungen ausgehender Willensimpuls hat zur Folge eine Veränderung in Muskelempfindungen u. dgl., kurz, eine Art Umlagerung von Bewegungsvorstellungen. Die Willenshandlung beginnt psychisch mit dem Antrieb und endet in Muskel- und ähnlichen Empfindungen, und dem geht parallel eine physische Reihe, welche mit Gehirnprozessen beginnt und in einer Bewegung etwa des Armes endigt. Auf diese Weise geht der Willensimpuls tatsächlich der angeführten Bewegung zeitlich voran; aber gleichwohl fallen innere Willenshandlung und äußere Gesamtbewegung zeitlich zusammen, indem je einem Moment der ersteren ein Moment der letzteren zugeordnet ist11. In der Bewegung kommt der Wille zum sichtbaren und meßbaren Ausdruck, er ist der innere Grund der Bewegung, aber nicht die phänomenale „Ursache“ derselben, welche in einem Nervenprozesse zu suchen ist, gemäß dem Prinzip der geschlossenen Naturkausalität und dem der Konstanz der Energie. Der Willensvorgang ist der Grund, daß die objektive Erscheinung einer Körperbewegung für ein Subjekt auftritt, und insofern kann man sagen, die Körperbewegung ist durch das Psychische „bedingt“, sie würde ohne dieses nicht auftreten, da sie ja nur die „Außenseite“ desselben ist. In Wahrheit wirkt die Seele immer nur auf ein Glied oder Element ihrer Organisation und dies erscheint objektiv als Wechselwirkung zwischen Bestandteilen der körperlichen Organisation. Alles physiologische Geschehen läßt sich insofern als ein Zeichen für einen psychischen Vorgang auffassen; ja der gesamte Körperliche Organismus bildet geradezu ein System der Ausdrucksbewegungen, in welchen sich mehr oder weniger bewußte oder unterbewußte, höhere oder niedere psychische Zustände und Vorgänge verraten, manifestieren.

Wir verstehen nun, warum und inwiefern das Psychische an ein Nervensystem und dessen Funktionen, bzw. an organische Substanz, an Substanz überhaupt „gebunden“ ist. Nicht weil es ein Produkt dieser Substanz ist, sondern weil es das „Innensein“ derselben bildet, weil das Subjektive als materielles Sein und Geschehen erscheint oder unter entsprechenden Bedingungen (Anwesenheit eines wahrnehmenden Subjekts usw.) erscheinen kann und muß. Da höheres Geistesleben nur auf der Basis eines niederen, sinnlichen, teilweise schon „mechanisierten“ Seelenlebens erwächst, so ist es begreiflich, daß dieses höhere, entwickeltere, differenzierte Geistesleben auch in Form einer differenzierteren Materie erscheint und demnach an ein Nervensystem, beim Menschen sogar an ein Großhirn gebunden ist, während das Seelische in niederer Form auch nur niedere, weniger organisierte Substanz zum Korrelat hat. Diese substantiellen „Träger“ des Seelischen sind erkenntnistheoretisch und naturphilosophisch als „Objektivationen“ einer Organisation, einer „Struktur“, eines Seins zu betrachten, das aus der Wirksamkeit des Seelenlebens auf sich selbst, in aktiver und reaktiver Anpassung auf die Umwelt, durch Übung und Vererbung und andere Faktoren hervorgegangen ist. Die Seele „baut“ sich ihren Leib selbst, nicht durch mystische Formung des Körpers, sondern durch Selbstorganisation, die den Ausgangspunkt und die Basis für höhere Entwicklungen bildet und objektiv als mehr oder weniger differenzierte Materie mit entsprechenden, physischen, physiologischen Funktionen erscheint. In diesem Sinne ist der Leib in Wahrheit die verkörperte und teilweise mechanisierte Seele, diese die lebendige, aktive „Form“, die „Entelechie“ des Leibes, in dem sie sich objektiviert und stabilisiert. Jedes psychische Geschehen ist also insofern zugleich physisch, als es in einer physischen Erscheinung zum „Ausdruck“ kommt und es hat Physisches zur Folge, insofern es der innere Grund einer Veränderung in den physischen Phänomenen, die den Organismus betreffen, ist. Direkte, phänomenale, exakt-meßbare, naturwissenschaftliche Ursache einer organisch-physischen Veränderung ist stets wieder ein physischer Vorgang im Organismus als Reaktion auf einen äußeren Reiz. Indem dieser den Organismus erregt, bedeutet diese „Erregung“ zweierlei: vom Standpunkt der äußeren Erfahrung eine Auslösung physischer Energie, vom Standpunkt der inneren Erfahrung ein inneres „Verspüren“ und einen „Antrieb“ zur Tätigkeit. Die äußere Handlung, die daraus resultieren kann, ist der objektive Ausdruck der inneren, psychischen Aktion oder Reaktion, die an sich nichts Physisches, Materielles bewirken kann. Es muß dies wiederholt betont werden, damit die zuweilen schwer zu vermeidende laxere Ausdrucksweise eines Bewirktwerdens physischer Vorgänge durch psychische nicht mißverstanden, nicht im metaphysisch-ontologischen Sinne genommen und dann etwa gar der Vorwurf des Selbstwiderspruches erhoben wird. —

Wir sind nun so weit, daß wir auch der Einseitigkeit der extremen Aktualitätstheorie begegnen können. Wenn diese die Seele (das Ich) für ein bloßes „Bündel“ von Vorstellungen, für einen bloßen „Komplex“ von elementaren Zuständen und Vorgängen, für ein bloßes „Summationsphänomen“ erklärt (Hume, Mill, Mach u. a.), so besteht die Einseitigkeit hier darin, daß nur auf die Vielheit und Mannigfaltigkeit der seelischen Teilinhalte geachtet wird. Wenn wir nämlich auf diese Vielheit achten, d. h. Teile apperzeptiv aus dem Zusammenhang des Erlebens herausheben, dann entgeht uns leicht der Einheitscharakter des Erlebens, oder wir werden wenigstens geneigt, ihn zu unterschätzen. Wir verfallen dann geradeso in Einseitigkeit wie die Dualisten, welche die Einheit des Ich hypostasieren, vom Erleben abtrennen und zu einer vom Leibe gesonderten Seelensubstanz machen. Die Einheit des Erlebens ist also weder Schein noch ein selbständiges Wesen, sie ist weder ein bloßes Summationsphänomen, noch eine transzendente Wesenheit, sondern sie ist so real wie das Bewußtsein überhaupt es ist, sie ist eine im Bewußtsein, in der Fülle der Erlebnisse sich entfaltende und erhaltende Einheit, eine aktive Einheitsfunktion, kurz das, was wir ein „Subjekt“ nennen. Das Subjekt hat mit der Substanz die Konstanz und Identität gemein, ohne die Starrheit jener zu teilen, ohne einen dinghaften Charakter zu besitzen. Das Subjekt ist kein einzelner Bewußtseinsinhalt, sondern die aktive Form und das lebendig Formende des Bewußtseins, es besteht nicht neben der Mannigfaltigkeit der Erlebnisse, sondern in ihnen, in ihrem inneren Zusammenhange, der mehr als eine Summe oder ein Aggregat ist. Und die Erlebnisse, die Bewußtseinszustände, sind nicht vor und ohne das Subjekt da, sondern immer schon Abhängige, Aktionen und Reaktionen eines wenn auch noch so primitiven Subjektmoments, eines „primären Ichs“ (Jodl), um das als Zentrum, als Ausgangs- und Quellpunkt sie sich gruppieren. Die Seele ist also das in der Mannigfaltigkeit der Bewußtseins-Erlebnisse sich identisch setzende, erhaltende und entwickelnde Subjekt, eine gegliederte, organisierte Einheit in der Vielheit, ein aktiv-reaktives Einheitsprinzip – nicht transzendenter, wohl aber, als Bedingung alles Erlebens, „transzendentaler“ Art (im Kantischen Sinne). Die Seele ist also dem Bewußtsein immanent, sie ist das aktive und reagierende Bewußtsein selbst, das sich inhaltlich stets nur in einem Zusammenhang von Erlebnissen („empirisches Ich“) findet, stets aber über jeden Bestandteil, jedes Moment dieses Zusammenhanges hinausragt als ein formales, synthetisches Prinzip, nicht als ein Wesen mit unbekannten Eigenschaften12. Das Wesen der Seele ergibt sich vielmehr aus den Grundtätigkeiten, in denen sie ihre Natur bekundet. Diese Grundtätigkeiten sind es, worauf die Mannigfaltigkeit psychischer Prozesse zurückführt, und aus den Gesetzen jener, aus der konstanten Wirkungsweise, Funktion derselben sind die typischen Zusammenhänge, Verbindungen und Gebilde des Bewußtseins wenigstens formal zu erklären. Man muß also von der Oberfläche der Bewußtseinsvorgänge auf das innerste Getriebe derselben zurückgehen, wobei man teilweise zu relativ „Unbewußtem“, d. h. Ungewußtem gelangt, nicht aber zu einem absolut und wahrhaft Unbewußtem, prinzipiell Nicht-Erlebbaren. Eine absolut „subjektlose“ Psychologie, die alles aus der bloßen Verbindung absolut selbständiger Elemente erklären will, spottet ihrer selbst und weiß nicht wie. Sie führt zur Verdinglichung jener „Elemente“, die nur als Glieder eines einheitlichen Zusammenhanges Existenz und Wirksamkeit haben, aus denen also das „Subjektmoment“ nie herauszudestillieren ist. Einheit und Vielheit, Subjekt und Inhalt des Bewußtseins sind untrennbare, schon ursprünglich, wenn auch noch undifferenziert bestehende Seiten des Erlebens, des Bewußtseins, die auseinander nicht oder nur scheinbar abzuleiten sind. Schon im primitivsten Seelenleben muß eine „Subjektivität“, wenn auch noch ohne Abhebung von einer Objektenwelt, bestehen, welche in ihren Erlebnissen sich findet, sich bejaht, sich setzt und erhält, als einfache „Trieb-Seele“ mit wenig veränderlichem Inhalt, meist mit äußerst geringen Entwicklungsmöglichkeiten. Aus solchen primitiven „Seelen“ haben sich, durch das Zusammenwirken innerer und äußerer Faktoren, nicht zum wenigsten aber durch aktive Anpassung, die hochorganisierten Seelen der Menschen gebildet, als Subjekte höherer Ordnung, aber wesensverwandt mit den der untermenschlichen Seelen.

1

Den Aktualitätsstandpunkt nehmen ein: Spinoza, Hume, Fichte, Schopenhauer, Fechner, Paulsen, Wundt, Joël, J. St. Mill, Spencer, Höffding, Jodl, Jerusalem, Mach, Fouillée, Bergson, Luquet u. a. Nach Wundt ist das geistige Leben „nicht eine Verbindung unveränderter Objekte und wechselnder Zustände, sondern in allen seinen Bestandteilen Ereignis, nicht ruhendes Sein, sondern Tätigkeit, nicht Stillstand, sondern Entwicklung“ (Vorlesungen über die Menschen- und Tierseele 2,S. 495). Die innere Erfahrung ist „ein Zusammenhang von Vorgängen“ (Grundriß der Psychol.).

2

Vgl. meine Schrift „Leib und Seele“, Leipzig 1906.

3

Die reine Zeitlichkeit des psychischen Geschehens, die Stetigkeit desselben, das wir erst zu einer Summe von Elementen veräußerlichen, betont neuerdings H. Bergson.

4

Vgl. Lachelier, Psychologie und Metaphysik; Busse, Geist und Körper, u. a.

5

So Huxley, Ribot u. a.

6

Vgl. die Kritik der Epiphänomen-Theorie bei Fouillée, Der Evolutionismus der Kraft-Ideen, Leipzig 1907; Busse, Geist und Körper.

7

Vgl. Wundt, Grundriß der Psychol. 5, S. 3ff.

8

Vgl. L. W. Stern, Person und Sache I.

9

Eine parallelistische Identitätslehre vertreten in verschiedener Weise: Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung 1, § 18ff.; Fechner, Zend-Avesta II, 164f.; I, 252f.; Über die Seelenfrage, S. 9ff., 110ff., 220f.; Paulsen, Einleit. in die Philosophie, S. 115; Ebbinghaus, Grundz. der Psychologie I, 42f.; Heymans, Einführung in die Metaphysik, S. 227ff.; Ziehen, Über die allgem. Beziehungen zwischen Gehirn und Seelenleben, 1902; Wundt, Grundriß der Psychol. 5, S. 2ff.; Grundzüge der physiolog. Psychologie, II 4, 648; B. Kern, Das Wesen des menschlichen Seelen- und Geisteslebens, 2; Höffding, Psychologie 2, C. 2; Riehl, Der philos. Kritizismus II 1, 63; Grot, Archiv f. systemat. Philos. IV; Spencer, Princ. of Psychol. I 3, p. 107ff., 627; Fouillée, Der Evolutionismus der Kraft-Ideen, S. 37 u. a.; Koenig, Zeitschr. f. Philosophie und philos. Kritik, Bd. 115; Paulsen, Zeitschr. f. Philosophie, Bd. 115; Heymans, Zeitschr. für Psychol. und Physiol. der Sinnesorgane, 18. Bd. 1898; Münsterberg, Grundzüge der Psychologie I, 435, 492; Riehl, Zur Einführung in die Philos. S. 156ff.; Jodl, Lehrb. d. Psychol. C. 2, § 24; Eisler, Leib und Seele, 1906; B. Erdmann, Wissensch. Hypothesen über Leib und Seele, 1908; Experimentelle Arbeiten zur Bestätigung des Energieprinzips im Organismus; Rubner, Die Quelle der tierischen Wärme, Zeitschrift für Biologie, Bd. 30, 1894; Atwater, Neue Versuche über Stoff-und Kraftwechsel im menschlichen Körper, Ergebnisse der Physiologie, Bd. III, 1, 1904. Gegen den Parallel. vgl. Busse, Höfler, Wentscher, Erhardt, Bergson u. a.

10

Vgl. meine Schrift „Leib und Seele“, sowie meine Abhandlung „Die Theorie des Panpsychismus“, in: Zeitschr. f. d. Ausbau der Entwicklungswissenschaft I, H. 8.

11

Vgl. B. Kern, Das Wesen des menschlichen Seelen- und Geisteslebens, 1907.

12

Über den Begriff der Seele vgl. Fechner, Über die Seelenfrage, S. 9, 210ff.; Zend-Avesta I, S. XIX; II, 148; Wundt, Logik II 2, 2, S. 245ff.; Grundriß der Psychol. 5, S. 386; Grundzüge der physiol. Psychol. II 4, 633ff.; System d. Philos. 2, S. 372ff., 606; Jodl, Lehrbuch d. Psychol. S. 31; Paulsen, Einleitung in die Philos. 2, S. 136, Höffding, Psychol. 2, S. 16ff.; Ebbinghaus, Grundzüge der Psychologie I, 17f.; Fouillée, Der Evolutionismus der Kraft-Ideen; P. Carus, Soul of Man, S. 419, u. a. Die Seele als Subjekt-Einheit; Sigwart, Logik II 2, 207f.; A. Vannérus, Archiv f. systemat. Philos. I, 1895, S. 363ff. Die Seele als Substanz: L. Busse, Geist und Körper, S. 324ff. Vgl. W. James, Princ. of Psychol. I, 160ff., 342ff., u. a.

Das Wirken der Seele: Ideen zu einer organischen Psychologie

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