Nesthäkchen und ihre Enkel
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Else Ury. Nesthäkchen und ihre Enkel
LUNATA
Inhalt
1. Kapitel. Im Tropenlande
2. Kapitel. Jimmy
3. Kapitel. Samariterin
4. Kapitel. Bei Geheimrats
5. Kapitel. Im Kreise der Enkel
6. Kapitel. Schiff in Sicht
7. Kapitel. Bei den Großeltern
8. Kapitel. Tropenkinder
9. Kapitel. Der erste Spaziergang
10. Kapitel. Die brasilianischen Kusinen
11. Kapitel. Deutsche Schule
12. Kapitel. Bange Tage
13. Kapitel. Unerwartet
14. Kapitel. Wenn die Flocken fallen
Über die Autorin
Отрывок из книги
1. Kapitel
2. Kapitel
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»Ja, bald – bald!« Das klang so sehnsuchtsvoll, daß Marietta der Mutter einen klaren Tropfen, der sich fürwitzig von ihren goldenen Wimpern lösen wollte, rasch fortküssen mußte.
Anita waren derartige Gefühlsäußerungen unbehaglich. Sie kamen zum Glück nicht oft vor. Meist sah man Frau Ursel strahlend schön und heiter. Nur ganz selten brach sich die Sehnsucht nach der deutschen Heimat, nach ihren Lieben in weiter Ferne Bahn. Sie war ja eine glückliche, verwöhnte, vielbeneidete Frau. Von ihrem Gatten, der ihr jeden Wunsch von den Augen ablas, wurde sie auf Händen getragen. In dem Bekanntenkreise feierte man la bella tedesca – die schöne Deutsche – nicht minder ihres liebreizenden Wesens, als ihrer gesellschaftlichen Stellung wegen. Sie und ihr Gatte standen an der Spitze des Musiklebens Sao Paulos. Seit Donna Tavares ihren Einzug in die brasilianische Stadt gehalten, hatte sich dasselbe zu ungeahnter Blüte entfaltet. Regelmäßige Kammermusikabende waren eingerichtet worden. Werke der großen europäischen Meister wurden studiert und zur Aufführung gebracht. Kein Wohltätigkeitskonzert fand statt, in dem Donna Tavares nicht durch ihre herrliche Stimme die Zuhörer begeisterte. Frau Ursel hatte sich um die Kunst in ihrer neuen Heimat ganz besonders verdient gemacht. Das Kino bildete früher den Hauptanziehungspunkt in Sao Paulo. Trotzdem die Stadt eine europäische Kolonie war, in Bezug auf die Vorliebe für das Kino war sie ganz amerikanisch. Da hatte die deutsche, blonde Frau in Gemeinschaft mit einigen gleichgesinnte Seelen eine höhere, edlere Kunst an Stelle der sensationellen des Kinos zu setzen versucht. Den größten Einfluß aber hatte Frau Ursel auf die Kunst im Hause gehabt. In den meisten einheimischen Familien war dieselbe noch ziemlich unkultiviert. Bunte, schreiende Farben wurden bevorzugt. Die Vasen schmückten Papierblumen, während draußen im Garten die herrlichste Flora in unglaublicher Üppigkeit blühte. Die Alteranda, der balkonartige Vorbau des Hauses, wurde kaum jemals von den Bewohnern betreten und daher auch nicht bepflanzt. Das war etwas ganz Befremdendes für die junge deutsche Frau. War sie es doch gewöhnt, daß man daheim im Sommer alle Mahlzeiten auf der rosenumrankten Terrasse, deren Blumenschmuck der Mutter Stolz war, eingenommen hatte. Freilich, die Tropentemperatur in Brasilien machte den Aufenthalt auf der Alteranda am Tage fast unmöglich. Das lernte Frau Ursel bald einsehen. Aber im schönsten Blumenschmuck mußte sie trotzdem prangen. Ihr Schönheitssinn verlangte dies. Und siehe – bald zeigte es sich, daß sie damit Schule gemacht. Das Beispiel des Tavaresschen Hauses fand Nachahmung. Hatte man zuerst die Nase darüber gerümpft, daß die junge Frau ihre Vasen mit frischen Blüten, anstatt mit Papierblumen, füllte, bald fanden auch andere Freude daran. Die künstlerisch geschmackvolle Einrichtung des Tavaresschen Hauses wurde alsbald zum Muster für viele andere, denn Geld spielte ja bei den reichen brasilianischen Familien keine Rolle.
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