Die Elixiere des Teufels
Реклама. ООО «ЛитРес», ИНН: 7719571260.
Оглавление
E.T.A. Hoffmann. Die Elixiere des Teufels
Vorwort des Herausgebers
Erster Teil. Erster Abschnitt: Die Jahre der Kindheit und das Klosterleben
Zweiter Abschnitt: Der Eintritt in die Welt
Dritter Abschnitt: Die Abenteuer der Reise
Vierter Abschnitt: Das Leben am fürstlichen Hofe
Zweiter Teil. Erster Abschnitt: Der Wendepunkt
Zweiter Abschnitt: Die Buße
Dritter Abschnitt: Die Rückkehr in das Kloster
Impressum - Kontakt
Отрывок из книги
E.T.A. Hoffmann
Die Elixiere des Teufels
.....
Die Fremden verließen das Kloster, aber als ich einsam in meiner Zelle saß, konnte ich mir selbst ein gewisses innres Wohlbehagen, eine rege Heiterkeit des Geistes nicht ableugnen. Es war offenbar, daß der geistige Duft des Weins mich gestärkt hatte. Keine Spur der üblen Wirkung, von der Cyrillus gesprochen, empfand ich, und nur der entgegengesetzte, wohltätige Einfluß zeigte sich auf auffallende Weise: je mehr ich über die Legende des heiligen Antonius nachdachte, je lebhafter die Worte des Hofmeisters in meinem Innern widerklangen, desto gewisser wurde es mir, daß die Erklärung des Hofmeisters die richtige sei, und nun erst durchfuhr mich wie ein leuchtender Blitz der Gedanke: daß an jenem unglücklichen Tage, als eine feindselige Vision mich in der Predigt auf so zerstörende Weise unterbrach, ich ja selbst im Begriff gewesen, die Legende auf dieselbe Weise als eine geistreiche, belehrende Allegorie des heiligen Mannes vorzutragen. Diesem Gedanken knüpfte sich ein anderer an, welcher bald mich so ganz und gar erfüllte, daß alles übrige in ihm unterging. – "Wie", dachte ich, "wenn das wunderbare Getränk mit geistiger Kraft dein Inneres stärkte, ja die erloschene Flamme entzünden könnte, daß sie in neuem Leben emporstrahlte? – Wenn schon dadurch eine geheimnisvolle Verwandtschaft deines Geistes mit den in jenem Wein verschlossenen Naturkräften sich offenbart hätte, daß derselbe Duft, der den schwächlichen Cyrillus betäubte, auf dich nur wohltätig wirkte?" – Aber war ich auch schon entschlossen, dem Rate der Fremden zu folgen, wollte ich schon zur Tat schreiten, so hielt mich immer wieder ein inneres, mir selbst unerklärliches Widerstreben davon zurück. Ja, im Begriff, den Schrank aufzuschließen, schien es mir, als erblicke ich in dem Schnitzwerk das entsetzliche Gesicht des Malers mit den mich durchbohrenden, lebendig-totstarren Augen, und von gespenstischem Grauen gewaltsam ergriffen, floh ich aus der Reliquienkammer, um an heiliger Stätte meinen Vorwitz zu bereuen. Aber immer und immer verfolgte mich der Gedanke, daß nur durch den Genuß des wunderbaren Weins mein Geist sich erlaben und stärken könne. – Das Betragen des Priors – der Mönche – die mich wie einen geistig Erkrankten mit gutgemeinter, aber niederbeugender Schonung behandelten, brachte mich zur Verzweiflung, und als Leonardus nun gar mich von den gewöhnlichen Andachtsübungen dispensierte, damit ich meine Kräfte ganz sammeln solle, da beschloß ich, in schlafloser Nacht von tiefem Gram gefoltert, auf den Tod alles zu wagen, um die verlerne geistige Kraft wiederzugewinnen oder unterzugehn.
Ich stand vom Lager auf und schlich wie ein Gespenst mit der Lampe, die ich bei dem Marienbilde auf dem Gange des Klosters angezündet, durch die Kirche nach der Reliquienkammer. Von dem flackernden Schein der Lampe beleuchtet, schienen die heiligen Bilder in der Kirche sich zu regen; es war, als blickten sie mitleidsvoll auf mich herab, es war, als höre ich in dem dumpfen Brausen des Sturms, der durch die zerschlagenen Fenster ins Chor hineinfuhr, klägliche, warnende Stimmen, ja, als riefe mir meine Mutter zu aus weiter Ferne: "Sohn Medardus, was beginnst du, laß ab von dem gefährlichen Unternehmen!" – Als ich in die Reliquienkammer getreten, war alles still und ruhig, ich schloß den Schrank auf, ich ergriff das Kistchen, die Flasche, bald hatte ich einen kräftigen Zug getan! –Glut strömte durch meine Adern und erfüllte mich mit dem Gefühl unbeschreiblichen Wohlseins – ich trank noch einmal, und die Lust eines neuen, herrlichen Lebens ging mir auf! – Schnell verschloß ich das leere Kistchen in den Schrank, eilte rasch mit der wohltätigen Flasche nach meiner Zelle und stellte sie in mein Schreibepult. – Da fiel mir der kleine Schlüssel in die Hände, den ich damals, um jeder Versuchung zu entgehen, vom Bunde löste, und doch hatte ich ohne ihn sowohl damals, als die Fremden zugegen waren, als jetzt den Schrank aufgeschlossen? Ich untersuchte meinen Schlüsselbund und siehe, ein unbekannter Schlüssel, mit dem ich damals und jetzt den Schrank geöffnet, ohne in der Zerstreuung darauf zu merken, hatte sich zu den übrigen gefunden. – Ich erbebte unwillkürlich, aber ein buntes Bild jug das andere bei dem wie aus tiefem Schlaf aufgerüttelten Geiste vorüber. Ich hatte nicht Ruh, nicht Rast, bis der Morgen heiter anbrach und ich hinabeilen konnte in den Klostergarten, um mich in den Strahlen der Sonne, die feurig und glühend hinter den Bergen emporstieg, zu baden. Leonardus, die Brüder bemerkten meine Veränderung; statt daß ich sonst, in mich verschlossen, kein Wort sprach, war ich heiter und lebendig. Als rede ich vor versammelter Gemeinde, sprach ich mit dem Feuer der Beredsamkeit, wie es sonst mir eigen. Da ich mit Leonardus allein geblieben, sah er mich lange an, als wollte er mein Innerstes durchdringen; dann sprach er aber, indem ein leises ironisches Lächeln über sein Gesicht flog: "Hat der Bruder Medardus vielleicht in einer Vision neue Kraft und verjüngtes Leben von oben herab erhalten?" – Ich fühlte mich vor Scham erglühen, denn in dem Augenblick kam mir meine Exaltation, durch einen Schluck alten Weins erzeugt, nichtswürdig und armselig vor. Mit niedergeschlagenen Augen und gesenktem Haupte stand ich da, Leonardus überließ mich meinen Betrachtungen. Nur zu sehr hatte ich gefürchtet, daß die Spannung, in die mich der genossene Wein versetzt, nicht lange anhalten, sondern vielleicht zu meinem Gram noch größere Ohnmacht nach sich ziehn würde; es war aber dem nicht so, vielmehr fühlte ich, wie mit der wiedererlangten Kraft auch jugendlicher Mut und jenes rastlose Streben nach dem höchsten Wirkungskreise, den mir das Kloster darbot, zurückkehrte. Ich bestand darauf, am nächsten heiligen Tage wieder zu predigen, und es wurde mir vergönnt. Kurz vorher, ehe ich die Kanzel bestieg, genoß ich von dem wunderbaren Weine; nie hatte ich darauf feuriger, salbungsreicher, eindringender gesprochen. Schnell verbreitete sich der Ruf meiner gänzlichen Wiederherstellung, und so wie sonst füllte sich wieder die Kirche, aber je mehr ich den Beifall der Menge erwarb, desto ernster und zurückhaltender wurde Leonardus, und ich fing an, ihn von ganzer Seele zu hassen, da ich ihn von kleinlichem Neide und mönchischem Stolz befangen glaubte. Der Bernardustag kam heran, und ich war voll brennender Begierde, vor der Fürstin recht mein Licht leuchten zu lassen, weshalb ich den Prior bat, es zu veranstalten, daß mir es vergönnt werde, an dem Tage im Zisterzienserkloster zu predigen. – Den Leonardus schien meine Bitte auf besondere Weise zu überraschen, er gestand mir unverhohlen, daß er gerade dieses Mal im Sinn gehabt habe, selbst zu predigen, und daß deshalb schon das Nötige angeordnet sei, desto leichter sei indessen die Erfüllung meiner Bitte, da er sich mit Krankheit entschuldigen und mich statt seiner herausschicken werde.
.....