Die Gerissene
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Eva Schörkhuber. Die Gerissene
DIE GERISSENE
Inhalt
PROLOG
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
EPILOG
Отрывок из книги
EVA SCHÖRKHUBER
Die Welt ist eine helle Dunkelheit.
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Auf meinem Weg zurück durch das Gassengewirr des Panier, die Rue de la République hinunter in den Alten Hafen, fielen mir an manchen Stellen jene Bautätigkeiten auf, von denen Renée gesprochen hatte. In das Stadtbild frästen sich die ersten Schneisen, durch die Geld ein- und menschliches Strandgut ausfließen sollte. Der einsetzende Verfall dieser Stadtteile, in denen die Ankommenden lebten und aus denen sie nach und nach vertrieben wurden, hat auf seltsame Art und umgekehrte Weise mit meinem Ankommen korrespondiert. Während die einen von äußeren Kräften aus ihren Bahnen hinauskatapultiert wurden und ihre gewohnte Stadtumgebung verloren, konnte ich immer besser Fuß fassen. Es gelang mir, immer weitere Kreise zu ziehen und dabei etwas Neues in Umlauf zu bringen, so als hätte sich das Unglück der anderen derart verdichtet, dass es sich, solcherart zur Potenz genommen, in mein Glück verwandelte.
Begonnen hat alles freilich wiederum mit einer ausgesprochen unglücklichen Situation, in der ich mich befunden habe. Im Laufe der Zeit sind sowohl meine ohnehin geringen Geldreserven knapp und meine Kleidung immer abgetragener geworden. An den Kauf neuer Kleidung war nicht zu denken, also habe ich mich, dem Vorbild von Berthe und Louise folgend, die mit ihren Fahrrädern durch die Stadt gefahren sind, um weggeworfene Lebensmittel für die Hausgemeinschaft einzusammeln, auf den Weg gemacht, um in den Mülltonnen nach noch brauchbaren Kleidungsstücken zu suchen. Und wie erfolgreich ich dabei gewesen bin! Als ich zum ersten Mal den Deckel eines Müllcontainers hochklappte und mich hineinbeugte, pochte die Scham noch in meinen Schläfen, kribbelte das Gefühl, nun am untersten Ende der Verbraucherkette angekommen zu sein, in meinen Armen und Beinen. Als ich jedoch zwischen den stinkenden Plastiksäcken einen marineblauen Pullover hervorzog, verflogen die schamvollen Bedenken und ich wühlte mich durch die Mülltonnen verschiedener Straßen und Gassen. Die erste Ausbeute war beachtlich, neben dem marineblauen Pullover fischte ich an diesem Tag zwei bunte T-Shirts und zwei Paar Hosen aus den Abfällen. Zwar hatten die Kleidungsstücke an manchen Stellen Löcher, waren da und dort ausgefranst und lädiert, aber in meiner Kammer im Haus erweiterte ich die Löcher kreativ, schnitt Muster hinein und verflocht die Fransen zu Quasten, die an den Ärmeln und Hosenbeinen baumelten.
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