Der Traum von Tibet
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Schon in «Kellervogel» und «Tarlan», Fariba Vafis ersten beiden in deutscher Übersetzung vorliegenden Romanen, kam zum Ausdruck, dass Beziehungen zwischen Menschen kompliziert sind.
Diesmal führt Scholeh uns das vor Augen. Ihr Gefühlsleben ist gehörig durcheinander geraten, gern würde sie ihrer älteren Schwester Schiwa ihr Herz ausschütten. Weil die aber mit der Bewältigung des ganz normalen Alltags beschäftigt ist, bleibt Scholeh nur die Zwiesprache mit sich selbst.
Während sie über ihre eigene Lage nachdenkt, nimmt sie auch schonungslos ihre Umgebung unter die Lupe. Sie schaut hinter viele Fassaden, offenbart die vielen kleinen Gefechte, die großen Kämpfe, die es im Zwiespalt zwischen den eigenen Träumen und den Erwartungen anderer fast täglich auszufechten heißt. Und inmitten aller Wünsche und Widersprüche stellt sich mehr als einmal die Frage, was man um des eigenen Glückes willen bereit ist, aufs Spiel zu setzen.
"Der Traum von Tibet" ist weit mehr als eine Bestandsaufnahme von Liebeskummer. Fariba Vafi schickt ihre Leute auf immer neue Feldzüge. Fast beiläufig, leise, beharrlich werden Freiräume erst ausgelotet, dann erobert. Die Autorin versteht ihr Handwerk.
Отрывок из книги
Aus dem Persischen
Ich frage mich allerdings, wie du, die seit jeher stärker unter Beobachtung gestanden hat als alle anderen, über die vielen neugierigen Blicke hinwegsehen konntest. Du hast sie glatt alle missachtet und wurdest dafür wohl mit einem Schlag blind. Man hat dir deine unbändige Freude angesehen, stille, ungetrübte Verzückung. Gestrahlt hast du, übers ganze glänzende Gesicht, und schienst von weit entfernt spielender Musik bezaubert. Wie gut ich diesen Zustand kenne. Dieses Hochgefühl der Liebenden, die ihr Bett mit ihrem Auserwählten teilt. Die leichte körperliche Anspannung, die sanfte Benommenheit. Ich dachte damals, dieser Zustand sei allen Frauen vertraut, von Geburt an, selbst wenn sie ihn über Jahre hin verbergen müssen oder überhaupt nie die Gelegenheit bekommen, ihn offen zu zeigen. Manche haben dieses Glück wirklich nie, dir blieb es sechzehn Jahre lang verwehrt. Du und Djawid, ihr habt euch in euer Schlafgemach zurückgezogen wie zwei Mönche, einer uralten Tradition getreu. Vielleicht auch nur, um eine Kerze anzuzünden. Ohne Yalda und Nima wäre diese Lesart die wahrscheinlichere. Wer euch im Laufe eines Tages beobachtete, der sah nie zärtliche Gesten, keine Anzeichen für eine liebevolle Beziehung, die verraten hätten, dass zwischen euch Dinge passieren, die euch Freude machen. Djawid war nicht der Typ Mann, der seiner Frau in die Küche folgt, hinter ihr stehenbleibt und sich an sie schmiegt. Und du warst nicht die Sorte Frau, die sich bückt, vorgeblich, um irgendwas vom Boden aufzuheben, tatsächlich aber, damit man ihr in den Ausschnitt schauen kann. Forough wandte diesen Kniff gern an, wobei ihr völlig egal war, dass ihr Dekolleté an die in so mancher Schusterwerkstatt hängenden Lederlappen erinnerte.
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Du hast es in ein Wort gefasst: „Geist.“
Dieses Wort, aus deinem Mund, kam dem Fund eines Fläschchens Parfüm unter hundert Fläschchen Arznei gleich. Ich hab gestaunt. Genau wie damals, als ich das Buch über Traumdeutung unter deinem Kopfkissen entdeckt hatte.
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