Mari reitet wie der Wind

Mari reitet wie der Wind
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Mari liebt ihr Pony Paloma über alles. Und die Stute lässt sich von niemand anderem reiten. Denn Mari reitet ausgezeichnet, ohne Sattel und mit großem Einfühlungsvermögen. Als ihr Onkel stirbt, muss Mari machtlos mitansehen, wie der grausame Großbauer Aumale ihr die geliebte Stute wegnimmt. Nach einer dramatischen Flucht mit Paloma kommt Mari bei Zirkusleuten unter. Doch wie soll es nun weitergehen?

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Federica de Cesco. Mari reitet wie der Wind

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Federica de Cesco

Mari reitet wie der Wind

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»Paloma! Du fehlst mir so! Und ich will nicht, dass andere dich reiten. Wenn wir doch irgendwohin gehen könnten, wo uns niemand findet! Aber ich hab kein Geld und ich muss zur Schule...« Paloma schien ihre Traurigkeit zu spüren. Sie beugte den Hals, um mit ihren Nüstern Maris Wange zu berühren. Das Mädchen presste sich enger an das Pferd. Dicke, heiße Tränen füllten ihre Augen. »Wenn wir wirklich wollten. Ja, wenn . . .« Nein, unmöglich! Sie musste sich diese Idee aus dem Kopf schlagen. Mari blinzelte, warf ihr Haar aus der Stirn. Die Versuchung, Paloma zu reiten, nahm zu, bis sie an nichts anderes mehr denken konnte. Weit und breit war kein Viehhüter in Sicht. In der Nähe lag ein gefällter Baumstamm, vom Salzwasser gebleicht und ausgewaschen. Mari trat auf den Baumstamm, krallte sich in der Mähne des Pferdes fest. Der Schimmel wartete, wie er es immer tat, bis das Mädchen auf seinem Rücken saß. Tiefer, gleichmäßiger Atem hob und senkte Palomas Flanken. Ihr Rücken war breit, federnd und warm. Ruhig und langsam setzte sie sich in Bewegung. Bei jedem Schritt fühlte Mari das mächtige Spiel ihrer Muskeln. Sie lehnte sich weit nach vorn, streichelte Palomas Hals, sprach leise in das wippende Ohr des Pferdes.

»Du möchtest auch gern galoppieren, nicht wahr? Aber wir müssen vorsichtig sein. Du gehörst mir nicht mehr, verstehst du? Du gehörst diesem blöden Kerl. Ich weiß, das ist schwer zu ertragen. Aber es ist nun mal so . . .« Paloma schüttelte den Kopf, drängte vorwärts. Mari biss sich hart auf die Lippen. Nur eine Bewegung und sie würden im Flug dahinstürmen. Wie der Blitz, wie der Sturmwind, wie der Wildbach. Mit einem Mal vergaß Mari jede Vorsicht. Ein Schwindelgefühl erfasste sie, der Boden schien unter ihr wegzugleiten. Sie beugte sich tiefer über die Mähne des Schimmels, stieß dicht an seinem Ohr einen langen, spitzen Schrei aus. Da sprang das Pferd mit einem Satz vorwärts, trug Mari in pfeilschnellem Galopp über den Strand. Welch ein Ritt! Mari erschien er als der schönste ihres Lebens. Sie umklammerte Palomas warme Flanken mit den Beinen, krallte sich an der Mähne fest. Ohne Zaumzeug oder Sattel fing sie jeden Sprung mit einer geschickten Gegenbewegung ab. Mari hatte sich nie überlegt, wie sie das fertigbrachte, es war einfach eine Sache, die sie konnte. Mari dachte nicht mehr daran, vorsichtig zu sein; sie gab sich völlig diesem herrlichen Gefühl hin: Es war, als hätte sie Flügel. Sie warf den Kopf zurück, ließ sich tragen, wohin das Tier wollte. Der Himmel leuchtete türkisblau, sie war ganz von Luft und Licht umgeben. Doch auf einmal mischte sich ein anderes Geräusch in das Trommeln der Hufe. Mari schreckte aus ihrem Wachtraum auf, warf einen Blick über ihren Rücken. Sie sah, dass sich etwas Braunes bewegte. Einen Augenblick zuvor war noch nichts da gewesen, doch jetzt zeichneten sich drei Reiter scharf gegen den Himmel ab. Die Viehhüter hatten das Verschwinden der Pferde entdeckt und ritten schnell zum Strand, um die Tiere einzufangen. Nun hatten sie die Reiterin bemerkt, schwenkten ihre Dreizackgabeln und schrien ihr Worte zu, die der Wind davontrug. Schon kamen sie von den Dünen herabgejagt. Sandwolken stoben auf. Lähmender Schrecken fuhr Mari in die Glieder. Das, was sie machte, war verboten. Die Viehhüter würden sie einfangen, der Polizei übergeben. Womöglich musste sie eine Buße bezahlen. Oder sie kam ins Gefängnis, wie ihr Vater. Was nun? Angst schnürte Mari die Kehle zu. Sie klammerte sich fester an Paloma. Ihre einzige Hoffnung war, so viel Vorsprung zu gewinnen, dass sie von dem Rücken des Pferdes springen und im Unterholz verschwinden konnte, bevor sie eingeholt wurde. Sie legte sich flach über Palomas Mähne. Die Stute sprang schnell und wild. Sie liebte es zu rennen, raste über den Strand, mit fliegender Mähne und der Nase im Wind. Es war, als berührten ihre Hufe kaum den Boden. Die Guardians hatten sich an die Verfolgung gemacht. Doch als Mari sich umsah, erkannte sie, dass ihr Vorsprung wuchs. Die Viehhüter holten nicht auf, weil sie erwachsene Männer waren, deren Gewicht für die Pferde schwer zu tragen war. Aber plötzlich flog in einiger Entfernung eine Wildente auf und aus den Augenwinkeln sah Mari zwei andere Gardians von einem Dünenkamm vor ihr herunterpreschen. Wenn sie ihnen auswich, würde sie ihren Vorsprung verlieren. Doch das war jetzt nicht zu vermeiden. Keuchend riss Mari den Schimmel herum. Palomas blitzschnelle Wendung warf sie fast zu Boden, doch sie hielt sich auf dem Pferd. Der einzig mögliche Ausweg führte über eine Stierweide ganz in der Nähe. Es gab noch Gutsbesitzer, die vom Ertrag ihrer Viehherden lebten. Die schwarzen Stiere mit den säbelförmigen Hörnern wurden zum Stierkampf gebraucht. Den Tieren geschah dabei kein Leid, denn es handelte sich um ein reines Geschicklichkeitsspiel, bei dem weiß gekleidete Männer ein rotes Band zwischen den Hörnern der Stiere lösten und dafür eine Belohnung in Geld erhielten. Dieses Spiel war in der Camargue sehr beliebt. Mari wusste, dass die Stiere nur angriffen, wenn sie gereizt wurden. Ein galoppierendes Pferd jedoch würde sie mit Sicherheit erschrecken. Trotzdem hatte Mari vor den Stieren weniger Angst als vor den Viehhütern. Sie biss die Zähne zusammen, trieb Paloma zu höchster Geschwindigkeit an. Schon wurden die Stiere wie dunkle Felsen im Buschwerk sichtbar. Sie hatten das heransprengende Pferd gewittert. Argwöhnisch standen sie da, mit gesenktem Kopf und bebenden Flanken. Erst im letzten Augenblick nahm Mari den hohen Zaun aus Stacheldraht wahr, der das Weidegebiet der Stiere vom offenen Strand trennte. Er war zu hoch, als dass ihn Paloma hätte nehmen können. Mit voller Kraft presste Mari ihr Knie an Palomas Flanke, riss sie von dem Hindernis weg. Im Bruchteil eines Atemzuges, als sie den Zaun schon fast berührten, legte Mari sich zur Seite, wendete das Pferd, jagte ganz dicht am Stacheldraht entlang. Schweiß bedeckte ihr Gesicht. Im Hitzegeflimmer des Küstenstreifens holten sie ihre Verfolger schnell ein, sie waren schon ganz nahe. Vor ihr lag das Meer, blau und bewegt, mit glitzernden Wogenkämmen. Plötzlich kam Mari der rettende Gedanke. Das Meer, ja! Die Reiter mit ihren Ledersätteln, ihren schweren Kleidern würden ihr nicht in die Wellen folgen. Sie presste ihre Fersen in Palomas Flanken. Von seinem Schatten begleitet, flog das Pferd dem Wasser entgegen. Am Meer standen einige verkrüppelte Bäume, von Salz und Sonne verbrannt. Ein paar rosa Flamingos, die in den Pfützen nach Garnelen fischten, erhoben sich wie rosa Blumen in die Luft. Im vollen Galopp erreichte Paloma die Wellen. Ein mächtiger Sprung schien die Stute vom Boden loszulösen. Sekundenlang glaubte Mari zu schweben. Sie spürte die Kälte, als Paloma in die wirbelnde Flut tauchte. Ein Rauschen erfüllte ihre Ohren, ein gurgelndes Gewicht drückte sie unter Wasser. Sie klammerte sich mit aller Kraft an der Stute fest. Schäumende dunkelblaue Wellen schlugen über ihr zusammen.

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