Das Wesen des Christentums
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Feuerbach Ludwig. Das Wesen des Christentums
Impressum
Vorworte
Vorwort zur dritten Auflage
Einleitung. Erstes Kapitel: Das Wesen des Menschen im allgemeinen
Zweites Kapitel: Das Wesen der Religion im allgemeinen
Erster Teil: Das Wahre, d. i. anthropologische Wesen der Religion. Drittes Kapitel: Gott als Wesen des Verstandes
Viertes Kapitel: Gott als moralisches Wesen oder Gesetz
Fünftes Kapitel: Das Geheimnis der Inkarnation oder Gott als Herzenswesen
Sechstes Kapitel: Das Geheimnis des leidenden Gottes
Siebentes Kapitel: Das Mysterium der Dreieinigkeit und Mutter Gottes
Achtes Kapitel: Das Geheimnis des Logos und göttlichen Ebenbildes
Neuntes Kapitel: Das Geheimnis des welterschaffenden Prinzips in Gott
Zehntes Kapitel: Das Geheimnis des Mystizismus oder der Natur in Gott
Elftes Kapitel: Das Geheimnis der Vorsehung und Schöpfung aus Nichts
Zwölftes Kapitel: Die Bedeutung der Kreation im Judentum
Dreizehntes Kapitel: Die Allmacht des Gemüts oder das Geheimnis des Gebets
Vierzehntes Kapitel: Das Geheimnis des Glaubens – das Geheimnis des Wunders
Fünfzehntes Kapitel: Das Geheimnis der Auferstehung und übernatürlichen Geburt
Sechzehntes Kapitel: Das Geheimnis des christlichen Christus oder des persönlichen Gottes
Siebzehntes Kapitel: Der Unterschied des Christentums vom Heidentum
Achtzehntes Kapitel: Die christliche Bedeutung des freien Zälibats und Mönchtums
Neunzehntes Kapitel: Der christliche Himmel oder die persönliche Unsterblichkeit
Zweiter Teil: Das unwahre, d. i. theologische Wesen der Religion. Zwanzigstes Kapitel: Der wesentliche Standpunkt der Religion
Einundzwanzigstes Kapitel: Der Widerspruch in der Existenz Gottes
Zweiundzwanzigstes Kapitel: Der Widerspruch in der Offenbarung Gottes
Dreiundzwanzigstes Kapitel: Der Widerspruch in dem Wesen Gottes überhaupt
Vierundzwanzigstes Kapitel: Der Widerspruch in der spekulativen Gotteslehre
Fünfundzwanzigstes Kapitel: Der Widerspruch in der Trinität
Sechsundzwanzigstes Kapitel: Der Widerspruch in den Sakramenten
Siebenundzwanzigstes Kapitel: Der Widerspruch von Glaube und Liebe
Achtundzwanzigstes Kapitel: Schlußanwendung
Отрывок из книги
Ludwig Feuerbach
Das Wesen des Christentums
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Wahrheit ist aber in unsrer Zeit nicht nur Unsittlichkeit, Wahrheit ist auch Unwissenschaftlichkeit – Wahrheit ist die Grenze der Wissenschaft. In demselben Sinne, als sich die Freiheit der deutschen Rheinschifffahrt jusqu' à la mer, erstreckt sich die Freiheit der deutschen Wissenschaft jusqu' à. la vèritè. Wo die Wissenschaft zur Wahrheit kommt, Wahrheit wird, da hört sie auf, Wissenschaft zu sein, da wird sie ein Objekt der Polizei – die Polizei ist die Grenze zwischen der Wahrheit und Wissenschaft. Wahrheit ist der Mensch, nicht die Vernunft in abstracto, das Leben, nicht der Gedanke, der auf dem Papier bleibt, auf dem Papier seine volle, entsprechende Existenz findet. Gedanken daher, die unmittelbar aus der Feder in das Blut, aus der Vernunft in den Menschen übergehen, sind keine wissenschaftlichen Wahrheiten mehr. Wissenschaft ist wesentlich nur ein unschädliches, aber auch unnützliches Spielwerkzeug der faulen Vernunft; Wissenschaft ist nur Beschäftigung mit für das Leben, für den Menschen gleichgültigen Dingen, oder, gibt sie sich ja mit nicht gleichgültigen Dingen ab, doch eine so indifferente, gleichgültige Beschäftigung, daß darum kein Mensch sich kümmert. Ratlosigkeit im Kopfe, Tatlosigkeit im Herzen – Wahrheits- und Gesinnungslosigkeit, kurz, Charakterlosigkeit ist daher jetzt die notwendige Eigenschaft eines echten, rekommandabeln, koschern Gelehrten – wenigstens eines solchen Gelehrten, dessen Wissenschaft ihn notwendig in Berührung mit den delikaten Punkten der Zeit bringt. Aber ein Gelehrter von unbestechlichem Wahrheitssinne, von entschiedenem Charakter, der eben deswegen den Nagel mit einem Schlage auf den Kopf trifft, der das Übel bei der Wurzel packt, den Punkt der Krisis, der Entscheidung, unaufhaltsam herbeiführet – ein solcher Gelehrter ist kein Gelehrter mehr – Gott bewahre! – er ist ein »Herostat« – also flugs mit ihm an den Galgen oder doch wenigstens an den Pranger! Ja, nur an den Pranger; denn der Tod am Galgen ist den ausdrücklichen Grundsätzen des heutigen » christlichen Staatsrechts « zufolge ein unpolitischer und »unchristlicher«, weil offen ausgesprochner, unleugbarer Tod, aber der Tod am Pranger, der bürgerliche Tod, ist ein höchst politischer und christlicher, weil hinterlistiger, heuchlerischer Tod – Tod, aber ein Tod, der nicht scheint Tod zu sein. Und Schein, purer Schein ist das Wesen der Zeit in allen nur einigermaßen kitzligen Punkten.
Kein Wunder also, daß die Zeit des scheinbaren, des illusorischen, des renommistischen Christentums an dem Wesen des Christentums einen solchen Skandal genommen hat. Ist doch das Christentum so sehr außer Art geschlagen und außer Praxis gekommen, daß selbst die offiziellen und gelehrten Repräsentanten des Christentums, die Theologen, nicht einmal mehr wissen oder wenigstens wissen wollen, was Christentum ist. Man vergleiche nur, um sich hievon mit eignen Augen zu überzeugen, die Vorwürfe, welche mir die Theologen z. B. in betreff des Glaubens, des Wunders, der Vorsehung, der Richtigkeit der Welt gemacht, mit den historischen Zeugnissen, die ich in meiner Schrift, namentlich in dieser zweiten, eben deswegen mit Belegstellen bedeutend vermehrten Auflage anführe, und man wird erkennen, daß diese ihre Vorwürfe nicht mich, sondern das Christentum selbst treffen, daß ihre »Indignation« über meine Schrift nur eine Indignation über den wahren, aber ihrem Sinne gänzlich entfremdeten Inhalt der christlichen Religion ist. Nein! es ist kein Wunder, daß in einer Zeit, welche – übrigens offenbar aus Langerweile – den abgelebten, den jetzt ach! so kleinlichen Gegensatz zwischen Protestantismus und Katholizismus – ein Gegensatz, über den jüngst noch der Schuster und Schneider hinaus war – mit affektierter Leidenschaftlichkeit wieder angefacht und sich nicht geschämt hat, den Hader über die gemischten Ehen als eine ernsthafte, hochwichtige Angelegenheit aufzunehmen, eine Schrift, welche auf den Grund historischer Dokumente beweist, daß nicht nur die gemischte Ehe, die Ehe zwischen Gläubigen und Ungläubigen, sondern die Ehe überhaupt dem wahren Christentum widerspricht, daß der wahre Christ – aber ist es nicht die Pflicht der »christlichen Regierungen«, der christlichen Seelsorger, der christlichen Lehrer, dafür zu sorgen, daß wir alle wahre Christen seien? – keine andere Zeugung kennt, als die Zeugung im heiligen Geiste, die Bekehrung, die Bevölkerung des Himmels, aber nicht der Erde – nein! es ist kein Wunder, daß in einer solchen Zeit eine solche Schrift ein empörender Anachronismus ist.
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