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Freda Meissner-Blau. Die Frage bleibt
Die Frage bleibt
INHALT
SAN FRANCISCO, 1947/48
PROLOG
1WURZELN
2IM ELTERNHAUS
3GOTTLOSES KIND
4JUGEND IM NATIONALSOZIALISMUS
51945: FLUCHT UND ÜBERLEBEN
6DEN FRIEDEN GEWINNEN
7SEHNSUCHT KONGO
8HOW DO WE TICK?
9AUFBRUCH IN PARIS
10BODEN UNTER DIE FÜSSE BEKOMMEN
11MIR AUF DIE SPUR KOMMEN
12GESCHICHTEN AUS DER AU
13EINE POLITIKERIN, DIE KEINE IST
14WEGGEFÄHRTEN
15ÜBERS ALTER(N)
EPILOG
DAS LETZTE (NACH-)WORT
LAUDATIO FÜR FREDA MEISSNER-BLAU
BILDNACHWEIS
Отрывок из книги
Freda Meissner-Blau
DIE FRAGE BLEIBT
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Nein, nicht was Sie jetzt vielleicht glauben. Sondern: Auf der Alm, bei dieser Holzvilla, gab es einen Gärtnerburschen, der für meine Großeltern gearbeitet hat. Er war ein Tscheche, der schlecht Deutsch konnte. Ich hab ihn ein bissel verehrt, er war so etwas wie meine erste Liebe, natürlich heimliche Liebe, was immer Liebe heißt, wenn man gerade einmal sechs oder sieben Jahre alt ist. Eines Tages arbeitete er wieder auf der Alm, auf der Böschung. Meine Großmutter ist auch da – diese äußerst gestrenge, selbstbewusste und mächtige Frau, vor der ich immer etwas Angst hatte. Sie steht hinter dem Rhododendron, tritt hervor, und sie spricht zu ihm herunter. Streng sagt sie zu ihm, was er zu tun hat, und nicht dort soll er arbeiten, sondern das soll er machen. Er nimmt seine Kappe runter, beugt demütig den Kopf und sagt: »Ja, vážená paní!« »Gnädige Frau«, heißt das. Ich hätte heulen können. Ich wollte ihm sagen: »Steh gerade, mach das nicht!« Ich wusste, er war bettelarm, es waren so viele bettelarm in den 1930er Jahren. Diese Unterwürfigkeit hat mir damals sehr wehgetan.
Nach einigen Wochen war er verschwunden. Sie hat ihn wahrscheinlich gekündigt. Ich konnte ihn nicht vergessen, und so habe ich das Stubenmädchen nach ihm befragt. Ich erfuhr, dass er ins tschechische Militär in die Kaserne in Znaim einberufen worden war. Ich bekniete dann den Chauffeur meiner Großeltern, der uns von Reichenberg nach Linz fuhr, wo wir damals schon wohnten, einen Umweg über Znaim zu fahren. Wir fuhren an der Kaserne vorbei. In meiner Naivität habe ich geglaubt, er steht da und wartet, bis wir kommen. Es war spät am Abend, und natürlich war kein Mensch auf der Straße, also null Erfolg, ich habe ihn nie wieder gesehen. Aber damals kam mein Schmerz über Unterdrückung erstmals auf, zugleich habe ich so etwas wie eine Revolte gegen meine Großmutter in mir gespürt. Ich habe zumindest innerlich gegen sie revoltiert. Denn wie kann sie so zu ihm sprechen, dass er so demütig den Kopf beugt?
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