Die Elfenprinzessin Keleia
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Gabriele Marchner-Trieb. Die Elfenprinzessin Keleia
Impressum
Kapitel 1. Ich habe nie an die Existenz von Elfen, Fabelwesen und Zwergen geglaubt, bis zu jenem Tag, als ich an einem schönen Samstagnachmittag mit meinem Mann einen Spaziergang machte. Es hatte am Vormittag stark geregnet und nach dem Mittagessen blitzten wieder die Sonnenstrahlen hervor, die es vermochten, einen aus dem Hause zu locken. Ein großer Regenbogen erhob sich über das Tal und die Landschaft sah wie frisch gewaschen aus. Wir waren guter Stimmung und stapften Richtung Wald. Wir unterhielten uns prächtig, lachten und erfreuten uns an unserem schönen Leben. Ein großer Insektenschwarm kreuzte unseren Weg. „Sieh mal, das sind aber große Brummer. Solche habe ich noch nie gesehen“, staunte ich. Eines der vermeintlichen Insekten blieb vor uns in der Luft stehen. „Das hat ja ein Gesicht!“, rief ich erstaunt aus. „Und Hände und Füße!“, kam es ganz baff von meinem Mann. Die Elfe betrachtete uns neugierig und ihre Flügel bewegten sich in unglaublicher Geschwindigkeit. Bevor uns eigentlich bewusst wurde, wer und was uns da begegnet war, zischte das Wesen mit ihrem Schwarm so schnell weg, dass wir verdutzt dastanden. „Was war denn das?“, fragte mein Mann, der den Kopf schüttelte, weil er meinte, eine Halluzination gehabt zu haben. „Nein, nein. Das war schon echt“, murmelte ich überwältigt „Keleia!“, schimpfte Sina, die Zofe der Elfenprinzessin
„Du weißt doch, du sollst nicht immer so neugierig sein. Jetzt haben dich die beiden Menschen gesehen und wissen, dass es uns wirklich gibt.“ „Die beiden haben so glücklich und nett ausgesehen“, verteidigte sich die Elfenprinzessin. Keleia war ein überaus neugieriges Wesen und an Menschen hatte sie besonderes Interesse. Alle Zwerge, Gnome und Elfen betonten immer wieder, wie gefährlich es war, mit dem Menschenvolk Kontakt aufzunehmen. „Menschen sind von Natur aus schlecht. Sie wollen uns nur Böses. Wenn sie einen von uns erwischen, geschehen grauenhafte Dinge!“ Die schaurigsten Geschichten erzählte man sich. Keleia glaubte aber an das Gute im Menschen. Sie konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass ihr ein solches Wesen etwas zuleide tun könnte „Hallo Keleia! Wie geht’s dir heute?“ Aus dem Nichts tauchte eine wunderschöne, smaragdgrüne Libelle auf, deren Flügeln in der Sonne wie kleine Kristalle funkelten. „Schön, dich zu sehen, Tipsy“, begrüßte die Elfe ihren treuen Freund. „Sag mal, Tipsy! Glaubst du auch, dass die Menschen schlecht sind? Heute habe ich zwei Exemplare entdeckt. Die waren bestimmt nett.“ „Die Menschen sind eigenartig. Die meisten freuen sich über Libellen. Sie glauben, dass wir Glück bringen, weil sie uns so selten zu Gesicht bekommen. Manche wollen uns fangen und da habe ich dann immer ein ganz schlechtes Gefühl. Es wird solche und solche geben“, erklärte Tipsy seiner Freundin Keleia. Am Abend lag die Elfenprinzessin lange wach und konnte einfach nicht einschlafen. Die Sache mit den Menschen bereitete ihr Kopfzerbrechen. Sandmännchen Kilian setzte sich an den Rand des Bettes und beklagte sich: „Jetzt war ich schon das dritte Mal da und du schläfst immer noch nicht! Du glaubst wohl, du bist meine einzige Kundschaft!“ „Aber Kilian! Bitte schimpf nicht so mit mir. Heute habe ich schon von Sina eine Standpauke bekommen, weil ich mich zwei Menschen gezeigt habe, und ich kann einfach deswegen nicht einschlafen. Die beiden haben so nett gewirkt. Jeder sagt, Menschen sind schlecht. Was sagst du, lieber Kilian? Tipsy hat mir auch keine vernünftige Antwort darauf geben können“, erzählte die Prinzessin verzweifelt. „Na, weißt du. Von meiner Arbeit als Sandmännchen kann ich nur berichten, wenn die Menschen müde sind, machen sie keine Probleme. Aber ich mache auch nur meine Arbeit und bin dann gleich wieder beim nächsten Kunden. Es wird solche und solche geben. So! Und jetzt schlaf endlich!“ Kilian streute noch eine extra Brise Sand in Keleias Augen. Gott sei Dank schlief die Elfenprinzessin in kürzester Zeit tief und fest. „Hoffentlich verrennst du dich nicht in etwas.“ Kilian das Sandmännchen streichelte Keleia noch über die Wange, schwang seinen Schlafsandsack über die Schulter und zisch, war er weg. Am nächsten Morgen öffnete Sina fröhlich summend die Vorhänge des Prinzessinenschlafzimmers. „Guten Morgen, du Schlafmütze! Kommst du heute gar nicht aus den Federn? Anziehen! Deine Eltern warten schon mit dem Frühstück auf dich und dann ab in die Elfenwaldschule.“ Keleia zog sich noch einmal die Decke über den Kopf und grübelte wieder
Kapitel 2. Als meine Tochter noch klein war, sind wir oft durch die heimischen Wälder gewandert. Ich habe ihr dann immer fantasievolle Geschichten erzählt. Wir haben jeden Baumstumpf untersucht, um Eingänge ins Zwergenreich zu finden, und jedes Geräusch deutete ich meinem Kind als Elfen- und Zwergengetrampel. Meine Tochter erzählte mir dann ganz aufgeregt, dass die Elfe dort drüben, die soeben vorbeigehuscht war, ein wunderschönes, kobaltblaues Kleid trug. Ich freute mich darüber, mit welch herrlich ausgeprägter Fantasie mein Kind ausgestattet war und dass wir die Welt gemeinsam anders sehen konnten. Jahre vergingen und meine Tochter wurde erwachsen. Wir besuchten einen Vortrag, bei dem uns erzählt wurde, wie man mit dem kleinen Volk Kontakt aufnehmen kann. Ich kam aus dem Stauen nicht mehr heraus. Das alles hörte sich für mich so ungeheuer unglaubwürdig an. Meine Tochter sagte begeistert zu mir: „Weißt du noch, wie wir die Elfe mit dem kobaltblauen Kleid im Wald gesehen haben?“ „Wieso wir?“, entgegnete ich sprachlos. Sie hatte als Kind wirklich die Freude erlebt, einer echten Elfe zu begegnen, und ich habe gedacht, dies wäre nur ihrer Fantasie entsprungen. Die Vortragende erklärte uns, dass Kinderherzen anders schlagen. Wenn Elfen, Kobolde und Zwerge spüren, dass es sich um eine reine Seele handelt, werden sie für einen Moment sichtbar. Mitten im Wald befand sich ein lieblich anzusehender Teich, in dem sich allerlei Fischlein und Frösche tummelten und der selbstverständlich für Menschen nicht zu sehen war. In der Mitte des Teiches blühten das ganze Jahr über die schönsten Seerosen. Fliegen, Mücken und viele andere Insekten spielten und tanzten gemeinsam an der Wasseroberfläche. Die Libellen, die so schön grün und blau im Sonnenlicht glänzten, sausten durch am Schilf und Gräser hängenden Spinnennetze. Eine Spinnendame erschreckte so sehr, dass sie beinahe ins Wasser plumpste. „Müsst ihr so übermütig sein und mir immer mein Netz zerstören, ihr Rowdys?“, schimpfte sie auf die Libellen ein. „Oh Entschuldigung, Frau Langbein! Ist dieser Tag heute nicht herrlich?“, schwärmten die fliegenden Geschöpfe und sogleich waren sie schon wieder am anderen Ende des Teiches. Unter einer Weide am Teichufer stand ein hübscher Tisch mit Bänken, die Tischlermeister Severin Koboldus in liebevoller Handarbeit aus einer großen Baumwurzel für die Prinzessin angefertigt hatte. An solch schönen, sonnigen Tagen war Keleia dort nach ihren täglichen Prinzessinnenverpflichtungen anzutreffen „Einen wunderschönen Tag wünsche ich dir, liebe Prinzessin!“, begrüßte Tipsy, die Libelle seine Elfenfreundin und landete am Wurzeltisch, wobei er sich noch von einer hängen gebliebenen Spinnenwebe befreien musste
„Es ist heute wieder herrlich“, schwärmte Keleia. Sie lehnte sich zurück und genoss das lustige Treiben der Teichbewohner. „Willst du mit mir um die Wette schwimmen, Prinzessin?“ Eine Kröte kletterte an Land und die Wassertropfen perlten lustig von ihrem Körper. „Ja, lieber Moritz! Das wäre eine willkommene Abkühlung.“ Keleia streifte ihr rosaglitzerndes Tüllkleidchen ab und sobald sie ins Wasser hüpfte, nahmen die beiden lachend und plusternd ihren Wettkampf auf. Moritz ließ immer die Prinzessin gewinnen, die sich dann über alle Maßen darüber freute. Keleia planschte mit den Fischen, entdeckte kleine Krebse und tauchte mit den Fröschen um schöne Steine. Tipsy, der mittlerweile seine Loopings über den Teich ausprobierte, vernahm aus der Ferne ein leises Weinen. Er flog seiner Wahrnehmung entgegen und entdeckte zwischen zwei Tannenbäumen, auf dem moosbewachsenen Waldboden einen Knaben sitzen, der den Kopf in den Schoss gelegt hatte und bitterlich weinte. Die Libelle näherte sich vorsichtig dem Menschenkind. Der Bub erblickte Tipsy und wischte sich mit seinen Jackenärmel die Tränen aus dem Gesicht. „Bist du eine schöne Libelle! Ob du mir Glück bringst? Könnte ich gut gebrauchen“, schluchzte der Knabe und fing wieder herzzerreißend zu weinen an. Tipsy tat der kleine Mensch leid. Aber wie sollte er helfen? Er flog in Windeseile zum Teich zurück. „Keleia! Keleia!“, rief er aufgeregt. „Ich brauche deine Hilfe, wenn das möglich ist!“ Tipsy erzählte der Prinzessin von dem traurigen Buben. „Es ist mir aber verboten worden, mich sichtbar zu machen
Kapitel 3. Da meine Tochter damals bestätigte, als Kind Elfen gesehen zu haben, und ich mittlerweile auch davon überzeugt war, beschlossen wir, in unserem Garten eine Ecke dem kleinen Volk zu überlassen. Keiner von uns durfte die kleine Fläche betreten. Ich stellte zu meiner Verwunderung fest, dass ab diesem Zeitpunkt genau dort die größten Frauenmäntel und andere Wiesenkräuter wuchsen. Im darauffolgenden Frühling, bei Arbeiten im Garten rund ums Haus, entdeckte ich mitten im Elfengarten eine wunderschöne, rosarote Rose. Ich sah mich um, weil ich glaubte, einem Schabernack aufgesessen zu sein. Weit und breit wuchsen bei uns nämlich keine Rosen. Ich holte aufgeregt meine Familie dazu. „Wahrscheinlich hat sich wer einen Scherz mit uns erlaubt! Die Rose sieht eigentlich gar nicht echt aus, so wie die Farbe leuchtet. Da hat uns bestimmt wer eine Plastikrose in den Elfengarten gesteckt“, war meine Vermutung. Meine Tochter berührte die Rose, wobei sie sich der Dornen wegen von der Echtheit der edlen Blume überzeugen konnte. „Mama, ich glaube die Elfen bedanken sich bei uns für ihren eigenen Platz in unserem Garten!“ Diese Rose blühte tatsächlich nur das eine Mal
Im Dorf wohnte eine alte Dame namens Amalia. Ihr Mann war schon vor einigen Jahren gestorben und ihre Kinder wohnten sehr weit weg. Ihr Sohn Edi war Börsenmakler an der Wallstreet in New York. Er hatte schon ewig nichts mehr von sich hören lassen und ganz darauf vergessen, dass er noch eine Mutter hatte. Tochter Evelyn war eine international gefragte Designerin. Manchmal meldete sie sich telefonisch bei ihrer Mutter, mit dem Nachdruck, es eilig zu haben, weil der nächste Termin schon wieder anstand. Amalias ganze Freude galten den Tauben im Park. Jeden Tag war sie auf ihrer Lieblingsbank anzutreffen. Die schlauen Vögel erwarteten Amalia immer schon ungeduldig. Sie packte altes Brot aus einem dafür vorgesehenen Säckchen und fütterte die Tauben, die sich scharenweise um die alte Dame versammelten. Amalia unterhielt sich prächtig mit den Vögeln. Manchmal blieb Sabine, eine Nachbarin, die vor Kurzem ein Baby bekommen hatte, mit ihrem Kinderwagen stehen und wechselte mit der alten Dame ein paar Worte. Die junge Mutter lud Amalia ab und zu auf einen Kaffeeklatsch ein, um sie ein wenig der Einsamkeit zu entreißen. Sabine hatte es leider auch nicht so leicht. Ihr Verlobter kam bei einem Autounfall ums Leben und jetzt musste sie ihr Baby allein aufziehen. Darum tat auch ihr manchmal Amalias Gesellschaft gut. Luca war jetzt öfters bei Keleia und Tipsy am Teich anzutreffen. Er war stolz darauf, im Elfenreich sein zu dürfen. Luca erzählte viel von der Menschenwelt. Alle hörten ihm aufmerksam zu und staunten über die Eigenheiten der menschlichen Wesen. „Im Park sitzt jeden Tag eine alte Frau. Sie redet mit den Tauben und daher finden sie alle schrullig und ein bisschen verrückt“, erzählte Luca von seiner neuesten Beobachtung. „Wir Elfen reden auch mit den Tieren. Was soll daran so komisch sein?“, bemerkte Prinzessin Keleia. „Na ja! Ihr könnt die Tiere verstehen. Ihr sprecht die gleiche Sprache. Aber wir Menschen können uns mit den Tieren nicht unterhalten. Ich glaube sogar, dass Hunde und Katzen schon genau wissen, was wir sagen, aber umgekehrt leider nicht. Darum bin ich ganz erstaunt. Nur wenn ich bei euch im Elfenreich bin, kann ich alle Tiere verstehen!“, betonte Luca stolz. „Eine befreundete Taube hat mir von der alten Dame erzählt. Sie heißt Amalia und sie sind sehr besorgt um sie. Wenn keine Menschenseele in der Nähe ist, fängt sie oft an zu weinen und hat große Sehnsucht nach ihren zwei erwachsenen Kindern. Die haben scheinbar keine Zeit für sie. Die Tauben haben Mitleid mit der lieben alten Frau“, berichtete Tipsy die Libelle. Keleia hatte eine blendende Idee. „Warum versuchen wir nicht, Amalia zu helfen. Luca! Wir haben dir auch helfen können. Du könntest dich mit der alten Dame anfreunden, dann finden wir heraus, warum sich ihre Kinder nicht mehr um sie kümmern. Wir werden Amalia wieder glücklich machen!“, besiegelte Keleia und alle waren davon begeistert. Edi, Amalias Sohn stand am Fenster seines Büros. Er hatte eine Tasse Kaffee in der Hand, betrachtete die umliegenden Wolkenkratzer und beobachtete das rege Treiben auf New York Citys Straßen. Es war ihm schwer ums Herz. Im Laufe der Jahre hatte er ein Vermögen an der Börse gemacht. Der Stress und der Druck in diesem Job setzten Edi aber sehr zu. Manchmal erinnerte er sich an seine unbeschwerte Kinderzeit, die er und seine Schwester Evelyn erleben durften. Wie schön wäre es, einfach alles hinzuschmeißen, neu anzufangen, eine Familie zu gründen und ruhiger zu treten. Er lächelte, aber da läutete schon wieder sein Handy. Evelyn schluckte wieder einmal ein paar Beruhigungspillen. In letzter Zeit brauchte sie immer mehr von dem Zeug. In zwei Stunden begann die große Modenschau der Pariser Modetage und hinter der Bühne herrschte reinstes Chaos. Die Models wurden gestylt, Kleiderständer wurden wie verrückt durch den Raum geschoben und alle schrien durcheinander, dass man nicht einmal sein eigenes Wort verstand. „Madame Evelyn! Ich bin aufs Tiefste empört! Man hat uns den falschen Gürtel zum silbernen Overall geliefert! Meine Nerven, meine Nerven!“, stöhnte der Chefdesigner. Evelyn öffnete nochmals ihre Pillenbox und meinte zu sich selbst: „Braucht man im Leben so viel Ruhm und Geld? Ist Erfolg alles? Vielleicht sollte ich aussteigen aus dem Ganzen. Zu Mama fahren … sie besuchen, wie früher.“ Amalia saß wie alle Tage im Park. Sie fütterte und unterhielt sich mit den Tauben, die zufrieden und gesättigt gurrten. Luca kam mit seinem Fahrrad angeradelt und setzte sich neben der alten Frau auf die Bank. „Einen schönen guten Tag wünsch ich Ihnen!“, grüßte Luca freundlich
Kapitel 4. In einem Buch lasen wir darüber nach, wie man Kontakt zu Elfen, Kobolden und Zwergen aufnehmen kann. Wir freuten uns mächtig darauf, diese geheimnisvolle Welt kennenzulernen, und begannen mit den Vorbereitungen. Das kleine Volk mag gerne Schokolade und Glitzerzeug. Es sind sehr neugierige Wesen und darum hofften wir, sie damit anlocken zu können, und waren vom Gelingen unseres Projektes überzeugt. Wir formten aus Aluminiumfolie kleine Gebilde, legten sie im Kreis aus und dazu jeweils ein Stück Schokolade, die teilweise in unsere eigenen Münder wanderte. In der Mitte des Kreises stellten wir drei bequeme Gartenstühle auf, sodass wir Rücken an Rücken saßen. So laut Beschreibung. Es wurde dunkel, wir begaben uns auf unsere Plätze und hüllten uns in warme Decken ein. Wir warteten und warteten. Nichts. Überhaupt nichts. Langsam wurden wir genervt und zu alledem fing unser Kater an, mit den Aluminiumgebilden herumzuspielen und die Schokolade zu entführen. „Jetzt lass das!“, schimpfte ich mit der Miezekatze. Aber der schoss unbekümmert die Glitzerkunstwerke durch den Garten. „So geht das nicht! Die Elfen werden sich unter diesen Umständen bestimmt nicht zeigen!“, brummelte ich grantig. Wir wurden alle ein wenig unrund, begannen zu streiten und beendeten – jeder auf jeden beleidigt – das Projekt Elfensichtung. Matthias lummerte wieder einmal vor der Bahnhofskneipe herum und bettelte vorbeigehende Passanten um ein paar Euros an. Mancher erbarmte sich und holte ein wenig Kleingeld für ihn hervor. Andere wurden ärgerlich und beschimpften ihn. „Geh arbeiten! Du brauchst das Geld eh nur zum Versaufen! So welche wie du gehören weggesperrt!“ Solche und andere Gemeinheiten musste Matthias sich gefallen lassen. Er kramte in seiner zerfetzten Manteltasche, zählte das Geld, das er sich erschnorrt hatte, und kaufte sich damit eine Dose Bier. Mit einem gierigen Zug stillte er sein Verlangen nach Alkohol und warf dann die leere Dose in die nächste Ecke. Matthias lebte nicht immer auf der Straße als Obdachloser. Früher hatte er eine eigene, gut laufende Firma, eine schöne Frau und zwei entzückende Kinder. Er hatte sich aber schließlich mit einem Kredit übernommen. Die Geschäfte fingen an, schlecht zu laufen. Nach und nach musste er seine Mitarbeiter entlassen und der Schuldenberg vergrößerte sich immer mehr und mehr. Die Firma samt Eigenheim wurde versteigert, seine Frau verließ ihn und so landete Matthias auf der Straße. Er verfiel immer mehr dem Alkohol und versuchte, sich damit seine Aussichtslosigkeit wegzutrinken. Selbst Flo, ein engagierter Sozialarbeiter und Streetworker, der ihm helfen wollte, wieder auf die Beine zu kommen, erreichte bei Matthias nichts
Er war so enttäuscht vom Leben, dass er immer mehr in eine tiefe Depression fiel und sich vollkommen aufzugeben schien. Am Bahnhof kaufte Lucas Mutter gerne in einem kleinen Lebensmittelgeschäft ein und traf sich, wenn die Zeit es ihr erlaubte, mit ein paar Freundinnen auf eine Tasse Kaffee. Diesmal war Luca mit dabei, denn er brauchte eine neue Hose, wie seine Mutter meinte. „Ich habe überhaupt keinen Bock auf shoppen! Aussuchen darf ich mir so und so nie die, die ich gern hätte! Also, was soll’s“, jammerte der junge Mann. „Du kommst mit! Du wirst wohl ein bisschen Zeit für deine Garderobe erübrigen können. Wenn dir die Hose dann nicht passt, muss ich extra nochmal ins Geschäft zum Umtauschen“, bestimmte Lucas Mutter und somit machten sich die beiden zum Hosenkauf. „Hey Sie! Hätten Sie bitte ein paar Euros für mich? Bitte! Haben Sie ein Herz! Ich habe heute noch nichts gegessen!“, bettelte Matthias Lucas Mutter an, der auf der Treppe in einem Eck zum Einkaufscenter kauerte. „Belästigen Sie uns nicht! Sie geben die Geldspenden doch bloß für Alkohol aus!“, regte sich Lucas Mutter fürchterlich auf und schob ihren Sohn weiter. „Aber Mama! Kann man dem armen Mann denn nicht helfen?“, sagte Luca. „Weißt du Luca! So ein Gesindel wie der dort drüben sollte man in keiner Weise unterstützen. Das ist ein Säufer und selbst schuld, dass es mit ihm so weit gekommen ist. Für so einen öffne ich nicht meine Geldbörse!“, beharrte Lucas Mutter. „Aber Mama! Wir sollten ihn fragen, warum er sich in solcher Notlage befindet. Vielleicht ist es ganz anders, als du annimmst“, versuchte Luca aus Mitleid zu Matthias, seine Mutter zu überreden. „Schluss jetzt, Luca! Wir müssen! Hab’s eilig! Komm schon!“, sagte die Mutter ungeduldig. Luca drehte sich noch einmal zu dem Obdachlosen um und überlegte: „Ob in diesem Fall Keleia und Tipsy helfen könnten?“ „Moritz, du schlimme Kröte! Jetzt hast du mich schon wieder angespritzt!“, beklagte sich Tipsy, die Libelle, als er über den Teich segelte. „Reg dich nicht so auf! Verstehst du keinen Spaß? Die paar Wasserspritzer werden dir schon nicht schaden!“, lachte Moritz und kletterte an Land, um Prinzessin Keleia zu begrüßen. „Tipsy! Luca wird bald hier sein. Jemand braucht wieder unsere Hilfe!“, rief Keleia ihren Libellenfreund herbei. Tipsy landete am Wurzeltisch, schüttelte sich die Wassertropfen von seinen Flügeln und motzte nochmals mit der Kröte: „Schau mal, Moritz, was du angestellt hast! Der ganze Glanz in meinen Flügeln ist futsch! Ich habe sie mir heute Morgen so schön poliert!“ Die Kröte drehte die Augen über und brummte: „Übereitle Libelle.“ „Guten Tag alle zusammen! Freut mich, wieder bei euch zu sein!“, begrüßte Luca die versammelte Teichgesellschaft. Man reichte dem Menschenjungen einen Waldkräutertrank und er begann, von der Begegnung mit dem Obdachlosen Matthias zu erzählen. „Ich habe ein wenig recherchiert. Flo, ein Streetworker, versucht, sich um Matthias zu kümmern, aber er lässt keinen an sich heran. Er bräuchte auch eine psychologische Betreuung, denn er hat sich im Grunde schon vollkommen aufgegeben. Das Schlimmste für ihn war, dass sich seine Familie total von ihm abgewandt hat. Seine Exfrau verbietet ihren Kindern jeglichen Kontakt zu ihrem Vater. Flo sagt, man könnte schon helfen. Dafür hätte die Gemeinde eigens Sozialwohnungen zur Verfügung gestellt. Und irgendeine Arbeit würde man dann schon finden, dass er und solche in Not Geratene wieder zurück ins soziale Leben finden können“, berichtete Luca von seinen Recherchen. „Na dann! Wir haben wieder einiges zu erledigen! Unsere Hilfe ist gefragt!“, sagte die Elfenprinzessin zu Tipsy. Maria, Matthias Exfrau, zündete sich zitternd eine Zigarette an und warf das Feuerzeug zornig gegen den Wohnzimmerschrank. Sie hatte gerade einen Riesenkrach mit ihrem Sohn Tobias. Seit sie damals mit ihren zwei Kindern Matthias verlassen hatte, kamen laufend Probleme auf sie zu. Ständig stritt sie mit ihrem Sohn und jetzt warf ihr der Teenager vor, an dem ganzen Schlamassel schuld zu sein. Der Vater fehlte einfach. Maria setzte sich auf die Küchenbank und zog ihre Knie an das Kinn. Nervös paffte sie an ihrer Zigarette und weinte. Sie dachte an die schönen Zeiten als Familie. Matthias verwöhnte sie sehr. Geld gab’s genug. Reisen, schöne Aufmerksamkeiten und schick ausgehen. Wie lieb er immer gewesen war. Eigentlich liebte sie Matthias noch sehr. Maria hatte es schon lange bereut, ihm nicht beigestanden zu sein. Jetzt war die Situation auch nicht gerade gut. Geldprobleme, einen schlechtbezahlten Job und die Kinder … „Mama! Ich brauche das Geld für den Schulausflug. Die Lehrerin hat mich schon das dritte Mal deswegen angesprochen. Es ist mir schon richtig peinlich“, näherte sich Tamara beschämt ihrer Mutter. Maria dämpfte die Zigarette aus und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, als ob nichts gewesen wäre. „Ach ja! Wie nachlässig von mir. Hatte ich gleich vergessen.“ Maria öffnete eine Lade und gab ihrer Tochter das Ausflugsgeld, dass sie irgendwie zusammengekratzt hatte. Tamara nahm das Geld an sich, packte es in ihre Schultasche, aber fühlte sich gar nicht wohl dabei. „Mama! Wenn ich einfach nicht teilnehme an dieser Klassenfahrt? Wird bestimmt so und so ein langweiliger Ausflug. Ich sage einfach, dass ich krank bin“, schlug Tamara ihrer Mutter vor. Maria streichelte ihrem Mädchen übers Haar und drückte sie an sich. „Ich möchte, dass du mitfährst. Ihr müsst schon auf so viel verzichten. Wir schaffen das schon, meine Große“, beruhigte Maria ihre Tochter. Bevor Tamara die Wohnung verließ, drehte sie sich noch einmal zu ihrer Mutter um und sagte: „Papa fehlt!“ Tobias war stinkesauer auf seine Mutter. Er hatte keine Lust, nach der Schule nach Hause zu gehen, und läutete an der Wohnungstür seines Kumpels Tom. Toms Mutter Claudia öffnete. „Oh, Entschuldigung! Ich störe beim Essen. Ich komme später wieder“, winkte Tobias ab. Man konnte genau in die Küche sehen, wo die ganze Familie am Tisch beieinandersaß und sich die Köstlichkeiten, die Claudia gezaubert hatte, schmecken ließ. „Ach, komm doch rein! Du störst überhaupt nicht!“, freute sich Toms Mutter über Tobias´ Besuch. Sie wusste, welche Sorgen den Buben quälten. „Setz dich zu uns! Hast du Hunger? Meine Frau hat sich mit ihrer Kochkunst wieder selbst übertroffen!“, lud Toms Vater Tobias auf, am Tisch Platz zunehmen. Tochter Katharina stellte ein Gedeck dazu. „Komm schon! Setz dich!“, forderte Tom seinen Freund auf. Tobias griff kräftig zu und ließ es sich schmecken. Es gefiel ihm, dass Tom sich mit seinem Vater so gut verstand. „Ach … wäre Papa wieder bei uns …“, dachte sich Tobias. Kalt war es draußen an diesem Abend. Der Herbst ließ nicht nur die Blätter von den Bäumen fallen, sondern auch die Temperaturen. Matthias stand wieder eine schwere Zeit als Obdachloser bevor. Er setzte sich auf eine Bank und stellte sich den Kragen seines Mantels auf, um ein wenig vor dem kalten Wind geschützt zu sein. Er überlegte, ob er nicht doch zur Sozialhilfestelle gehen sollte, denn sein Magen knurrte. Dort gabs für seinesgleichen immer etwas Warmes zum Essen. „Na sonderbar?“, sagte Matthias, als Tipsy neben ihm auf der Bank landete. „Eine Libelle! Wo kommt denn die her?“ „Das ist mein Freund Tipsy. Ich bin eine Elfenprinzessin und heiße Keleia!“ Matthias sah sich verstört um. „Sollte das Trinken doch lassen“, sagte er zu sich selbst. „Lieber Matthias! Wir werden dich auf eine Reise mitnehmen!“, erklärte ihm Keleia und mit einer kreisenden Handbewegung schwebten sie in der blauen Luftblase. Matthias wurden Szenen aus glücklichen Tagen mit seiner Frau und den Kindern gezeigt, aber auch, dass es den dreien gar nicht so gut ging. Finanzielle Sorgen und die große Sehnsucht seines Sohnes und seiner Tochter nach ihrem Vater. Dann zeigte ihm Keleia einen ehemaligen Obdachlosen, der sich mit Flos Hilfe wieder ins normale Leben integrieren konnte, mittlerweile in einer kleinen Sozialwohnung lebte und eine Arbeit bei einer Spedition bekam. Matthias gab keinen Laut von sich. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Er saß immer noch auf der Bank und es war ihm so eigenartig zumute. Dann machte er sich auf den Weg zum Sozialzentrum. „Matthias! Was für eine Überraschung!“, sagte Flo. „Ich weiß nicht! Da war irgendwas! Aber kannst du mir bitte helfen? Ich will ganz von vorne anfangen! Glaubst du, ich könnte wieder auf die Beine kommen?“, sagte Matthias. „Komm setz dich! Jetzt bekommst du mal was Warmes zum Essen und dann besprechen wir das Ganze. Du kannst auf mich und mein Team zählen“, beruhigte Flo den aufgeregten Mann. Er freute sich, dass sich Matthias endlich helfen ließ. Keleia und Tipsy lauschten dem Gespräch der beiden durchs Fenster. „Das läuft nun schon in die richtige Richtung“, freuten sich die Elfenprinzessin und die Libelle. „Und jetzt zu Maria!“, erinnerte Tipsy die Prinzessin. „Ja, mein Freund! Nun werden wir wieder eine Familie zusammenführen!“ Maria war auf dem Nachhauseweg von der Schicht. Sie war schrecklich müde. Es nagte in ihr, im Streit mit Tobias auseinandergegangen zu sein. „Ob er noch wach ist?“, hoffte Maria, als sie den Schlüssel zur Wohnungstür ins Schloss steckte. Sie drehte das Licht auf, stellte ihre Tasche ab, hing den Mantel auf die Garderobe und zog sich die Schuhe aus. Das Wohnzimmer war hell erleuchtet. „Tobias? Tamara? Seid ihr noch wach?“, rief Maria. Als sie das Zimmer betrat, saß ein Mädchen auf dem Sofa, mit einer Libelle auf der Schulter. „Bist du eine Freundin von Tamara? Wo ist Tamara? Und was machst du hier? Das ist doch eine Libelle?“ Maria betrachtete das ungewöhnliche Paar. „Guten Abend, liebe Maria. Ich bin die Elfenprinzessin Keleia und das ist mein Freund Tipsy. Wir möchten dir etwas zeigen und dir und deiner Familie helfen.“ Keleia machte ihre Handbewegung und gleich darauf waren die drei in der schwebenden, blauen Luftblase. Die Prinzessin zeigte ihr, wie glücklich sie einst mit ihren Liebsten war und Matthias Absturz als Obdachloser und Alkoholiker. Es zerriss Maria fast das Herz, ihren Ex-Mann und Vater ihrer Kinder so sehen zu müssen. Nichts wäre ihr lieber gewesen, als alles rückgängig zu machen. Sie zog ihre Schuhe an, schlüpfte in ihren Mantel und verließ eilig die Wohnung, um Matthias zu suchen. Sie hielt inne und schüttelte den Kopf: „Da war doch wer in meiner Wohnung?“ Auch Maria erinnerte sich nicht mehr an ihren ungewöhnlichen Besuch, aber sie ging wie selbstverständlich in Richtung Sozialzentrum. Matthias ließ sich gerade eine kräftigende, warme Suppe schmecken, die ihm von Flo hingestellt wurde. Maria stand in der Tür und Tränen rollten über ihre Wangen. „Matthias!“, kam ihr zögernd über ihre Lippen. „Komm! Wir gehen jetzt nach Hause zu den Kindern.“ Matthias schob den Teller weg, stand auf, nahm Marias Hände und küsste sie. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr …“ „Ich weiß“, sagte Maria mit bebender Stimme. Flo nickte seinen Kollegen zufrieden zu. „Die schaffen das!“, sagte er und schloss die Tür hinter den beiden ab. Ein halbes Jahr später trafen sich in der Mittagspause Evelyn und Edi in einer charmanten italienischen Pizzeria. Sie nahmen im Gastgarten Platz, um das schöne Wetter zu genießen. „Ich möchte so gern einen Raum neben meinem Schneideratelier mieten und mir eine kleine Boutique einrichten. Dazu würde ich eine nette, kompetente Verkäuferin suchen, auf die man sich verlassen kann. Kannst du mir vielleicht jemanden empfehlen? Oder kennst du eine Frau, die sich dafür eignen würde?“, fragte Evelyn ihren Bruder. „Ich werde mich umhören. Du könntest einen Zettel an deine Schneiderei hängen. Wir könnten in der Bank auch einen weiteren Kundenbetreuer brauchen, aber den Richtigen dafür zu finden, ist gar nicht so einfach“, entgegnete Edi seiner Schwester. Luca war wieder einmal im richtigen Augenblick anwesend. Im Gastgarten der Pizzeria hatten sich er und seine Freunde ein Eis genehmigt. Dabei hörte Luca, was Evelyn und Edi besprachen. „Fahren wir zum Badesee? Das Wasser soll schon warm genug sein, um reinzuspringen“, schlug Elias vor. „Super Idee!“, stimmte Benjamin zu. „Bei mir geht’s leider nicht! Mir ist gerade eingefallen, dass ich noch etwas Wichtiges zu erledigen habe“, sagte Luca zu den Jungs, bestieg eilig sein Fahrrad und sauste davon „Edi! Es hat sich jemand um den Posten als Kundenberater beworben. Ich wusste gar nicht, dass es schon eine Stellenausschreibung gegeben hat. Schau mal drüber! Scheint der ideale Mann für diesen Posten zu sein. Die Bewerbungsunterlagen liegen auf deinem Schreibtisch“, begrüßte ein Kollege Edi vor seinem Büro. „Das ist ja eigenartig? Es war in der Tat noch keine Ausschreibung“, wunderte sich Edi. Er sah sich die Unterlagen durch und wählte die angegebene Nummer. „Ja, hallo! Ich rufe im Auftrag der Bank an, wegen der Stelle des Kundenberaters. Wir würden Sie gerne kennenlernen. Können sie morgen Früh vorbeikommen? Neun Uhr? Ist das bei Ihnen möglich, Herr Matthias?“ „Ja! Dann bis morgen! Danke!“, sagte Matthias verblüfft. Er konnte es kaum glauben. „Maria! Stell dir vor! Die Bank hat mir eine Arbeit angeboten! Kannst du dir das vorstellen? Jetzt geht es wieder aufwärts! Du gehst doch noch einkaufen! Sekt! Eine Flasche Sekt! Was sag ich! Zwei Flaschen Sekt brauchen wir …!“ Matthias war so aufgeregt, dass er Maria in die Höhe hob und beide jubelten. Evelyn hatte für die Suche nach einer Mitarbeiterin ein Plakat entworfen, welches sie an die Eingangstüre ihres Schneiderateliers klebte. Wie es so sein sollte oder nachgeholfen wurde, löste sich mit Elfenzauberhand der Zettel von der Türe und landete direkt vor Marias Füße, die gerade unterwegs durch den Ort war. „Nanu? Was ist denn das?“, fragte sie sich und hob das Papierstück auf und las das darauf Geschriebene. Maria schaute sich um und entdeckte ein paar Meter weiter Evelyns Geschäft. „Das wäre genau das Richtige für mich! So viel Glück innerhalb eines Tages? Ist so etwas möglich?“, redete Maria mit sich selbst
Kapitel 5. Ein Vortrag über die Anderswelt und das Verhalten der Katzen gegenüber diesen Wesen verschaffte mir Klarheit. Mir war es immer ein Rätsel, warum meine Katze, wenn sie unbedingt raus wollte, einfach wieder umdrehte. Ich hielt das für eine Katzenlaune. Dass aber die Hauseingänge von Gnomen und Elfen bewacht werden, überraschte mich sehr, erklärte mir aber das Verhalten der Haustiere, die sehr wohl diese Wesen wahrnehmen können und die sich manchmal einen Schabernack mit den Katzen machen. Ein strenger, kalter Winter fegte über das Land und der Schneefall ließ und ließ nicht nach. Man konnte kaum die Häuser verlassen. Der Verkehr lag lahm, die Schulen hatten geschlossen, zur Freude der Kinder. Die Leute versorgten sich mit dem Allernötigsten und wer zu Hause bleiben konnte, der tat es auch. So auch Johann. Er lebte am Rand des Dorfes in einem kleinen Häuschen, war alleinstehend und galt für die Einheimischen als ein wenig eigenbrötlerisch. Johann hat Zeit seines Lebens für den Ort die Straßen gefegt, im Park und im Zentrum den Müll gesammelt. Seit einigen Jahren bezog er eine kleine Rente. Das Häuschen mit Garten, welches er bewohnte, hatte er von seinen Eltern geerbt. Johann hauchte auf seine Fensterscheibe und rubbelte eine kleine Stelle frei, um sich etwas Sicht nach draußen zu verschaffen. „Ich weiß nicht, wie lange wir noch Holz zum Heizen haben. Wir müssen sparsam sein.“ Kater Felix hob aufmerksam sein Köpfchen, als würde er die Sorgen und Nöte seines Herrchens verstehen. Johann legte einen Scheit nach und rückte seinen Schaukelstuhl näher ans Feuer und wickelte sich in eine warme Decke. Auf dem Tisch stand ein Topf, der Wasser auffing, das unaufhörlich vom undichten Dach tropfte. Das Häuschen war rundum renovierungsbedürftig, aber leider fehlten Johann die nötigen Mittel. In der Menschenwelt heulte der Sturm weiter und immer mehr Schnee fiel auf die Erde. In der Elfenwelt hingegen war und ist ständig schönes Wetter. Naja! Manchmal regnet es auch, denn die Pflanzen brauchen Wasser. „Schade, dass Luca nicht kommen kann! Das grausige Winterwetter hält ihn wahrscheinlich davon ab, das Haus zu verlassen“, sagte Tipsy. „Wenn er wüsste, dass es bei uns im Elfenreich keinen Winter gibt, wäre er schon längst bei uns. Aber bald wird es bei den Menschen wieder Frühling sein. Ich vermisse Luca“, meinte Prinzessin Keleia. Es war ein lauschig warmer Abend. Die Zwerge, Gnome, Kobolde und Elfen waren den ganzen Tag wieder fleißig gewesen. So auch Tischlermeister Severin Koboldus, der beschloss, mit seiner über alles geliebten Frau Isolde einen Abendspaziergang zu unternehmen. „Isolde! Wie wäre es, wenn wir unserem Prinzesschen und ihren Freunden am Teich einen Besuch abstatten würden?“, schlug Severin seiner Frau vor. „Das ist eine blendende Idee, mein lieber Mann. Ich habe Keleia schon lange nicht mehr gesehen. Das Mädchen ist so allerliebst“, freute sich Isolde, holte den Picknickkorb aus der Speisekammer und packte einen Schwarzbeerkuchen ein, den sie am Nachmittag gebacken hatte, eine Flasche von Severins Lieblingswein und für Keleia einen frisch zubereiteten Himbeersaft. Mit dabei war auch Stupsi, ein Rauhaardackel, der dem Tischlerehepaar seit Jahren ein getreuer Gefährte war. Der Dackel konnte es kaum erwarten, mit den Teichfreunden zu spielen. Die Spatzen kündigten den Besuch der Familie Koboldus am Teich an. Die Gelsen halfen, den Wurzeltisch mit einer märchenhaftschönen Tischdecke, die Frau Langbein, die Spinne, für solch besondere Anlässe gesponnen hatte, zu decken. Als Teller verwendeten sie Pestwurzblätter, die man nach Genuss der Speisen als Partyhüte oder Sonnenschutz verwenden konnte. In ausgehöhlten Baumschwämmen servierte man die Getränke. Stupsi sprang mit so einem Anlauf in den Teich, dass das Wasser übers Ufer schwappte. Die Fische und Frösche wichen immer schon vorher aus, sobald sie den Rauhaardackel heranpoltern hörten. Dann kletterte er an Land und schüttelte sich kräftig das Wasser aus seinem Fell, sodass alle rundum eine Dusche davon abbekamen. „Herzlich willkommen, Stupsi! Du konntest es wohl nicht erwarten, uns zu erschrecken!“, begrüßte Keleia den Hund. Der Rauhaardackel war so außer sich vor Freude, dass er sich auf die Hinterbeine stellte, eine Runde im Kreis tanzte und aufgeregt hechelte
„Warst du schon wieder zu ungestüm? Kannst du dich nicht einmal benehmen, Stupsi? “, mahnte lachend Severin seinen Hund. Stupsi setzte sich jetzt artig auf seinen Hintern und wedelte mit seinem Schwanz. „Oh, wie schön es hier nur ist! Guten Abend, Keleia! Es ist eine Freude, dich zu sehen!“, begrüßte Isolde die Prinzessin. „Ganz meinerseits! Der Tisch ist gedeckt! Heute Abend gibt es eine Überraschung für uns. Bei den Seerosen findet ein Konzert mit unseren Froschchor unter der Leitung von Meister Quackus statt“, schwärmte die Elfenprinzessin. „Das ist in der Tat eine große Überraschung. Wir schätzen die musikalische Arbeit des Herrn Quackus sehr“, freuten sich Severin und seine Frau. Der Abend wurde zu einem Erlebnis. Zuerst wurde allerfeinst gespeist und bevor das Froschkonzert begann, setzten sich alle an das Teichufer, um den schönen, quakenden Melodien zu lauschen. Dieses Mal waren die Grillen eingeladen worden, mit einer künstlerischen Einlage mitzuwirken. Die Darbietenden wuchsen über sich hinaus und mit rasendem Applaus gelang es, den Chor zu einigen Zugaben zu motivieren. Zu später Stunde verabschiedeten sich alle voneinander und die Glühwürmchen hatten die Aufgabe, jeden sicher nach Hause zu leuchten. Luca spähte durchs Fenster. „Mama! Jetzt wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis der Frühling kommt?“ „Ja, mein Sohn! Den Winter, scheint es, haben wir überstanden. Die Sonne ist schon kräftig und gibt ihr Bestes“, stimmte die Mutter zu. Sobald die Wege und Straßen frei waren, holte Luca sein Fahrrad aus den Schuppen und auf ging es Richtung Wald, denn er wollte so schnell als möglich Keleia, Tipsy und die Elfenreichbewohner wiedersehen. Auf der Strecke kam er an Johanns Häuschen vorbei. Kater Felix lag mitten am Weg und ließ sich von der Sonne das Fell wärmen. Luca blieb stehen, lehnte sein Fahrrad an eine Mauer und begrüßte die Katze. „Ja,du bist ein Schlauer. Du zwingst alle zum Stehenbleiben, damit man dich streichelt.“ Felix stimmte ein zufriedenes Schnurren an und schmiegte sich an Lucas Beine. „Hat er wieder ein Opfer gefunden, der verwöhnte, alte Kater! Grüß dich, Luca! Machst schon einen Ausflug mit deinem Drahtesel?“, lachte Johann, der sich über den Zaun beugte, um nachzusehen, wen Felix gestoppt hatte. „Hallo, Johann! Wie geht es Ihnen? Haben Sie den Winter so halbwegs überstanden? Der Gartenzaun sieht sehr ramponiert aus!“, stellte Luca fest. „Ach! Wenn’s nur der Zaun wäre. Das Dach ist kaputt, die Fenster verzogen. Die Reparaturen kann ich mir mit meiner kleinen Rente nicht leisten. Vielleicht ist es besser, zu verkaufen und ins Seniorenwohnhaus zu ziehen. Bald wird mein Häuschen so und so nicht mehr bewohnbar sein. Aber wer kauft schon so einen schäbigen Schuppen und um meinen Garten wäre es mir auch leid“, klagte Johann traurig. „Das ist aber wirklich schlimm. Lieber Herr Johann! Machen Sie sich keine Sorgen. Für alles im Leben gibt es eine Lösung“, beschwichtigte Luca den alten Mann, streichelte nochmals Kater Felix, schwang sich auf sein Fahrrad und hatte es besonders eilig, ins Elfenreich zu kommen. Tipsy schwirrte aufgeregt um Luca herum. Die Teichbewohner begrüßten den Langvermissten und Prinzessin Keleia fiel ihrem Menschenfreund in die Arme. „Ach, der Winter war hart, sag ich euch. An so viel Schnee kann sich selbst mein Großvater nicht mehr erinnern. Man konnte kaum das Haus verlassen. Jetzt bin ich froh, wieder bei euch zu sein“, berichtete Luca. Vorsichtshalber erzählte man ihm nicht davon, dass es im Elfenreich keinen Winter gab. „Auf dem Weg hierher bin ich bei dem kleinen Häuschen am Waldrand vorbeigeradelt. Da wohnt Johann mit seinem Kater Felix. Sein Haus hat ziemlich Schaden genommen durch den vielen Schnee. Das Dach und die Fenster sind undicht. Johann hat zu wenig Geld, um sich so große Reparaturen leisten zu können. Vielleicht hast du eine Lösung für dieses Problem, liebe Keleia“, berichtete Luca. „Hmm! Ich glaube, da hätten wir den richtigen Spezialisten an der Hand! Tipsy, was meinst du? Könnten wir Severin und seine Kobolde darum bitten, Johann zu helfen?“, schlug Keleia vor. „Severin wird uns ganz bestimmt helfen!“ Davon war die Libelle überzeugt. So machten sich die Prinzessin und Tipsy auf, die Tischlerei Koboldus aufzusuchen. Vorsichtig spähten sie durch das Fenster der Werkstatt. Alle Gesellen hämmerten, sägten und leimten fleißig an ihren Werkstücken. Severin lachte, als er sah, dass sich Keleia die Nase am Fenster neugierig plattdrückte. Er winkte die beiden herein. „Guten Tag, Severin! Wir stören wahrscheinlich. Aber wir hätten eine ganz große Bitte an dich“, setzte die Elfenprinzessin an, zu erzählen …
Kapitel 6. Meine beste und liebste Freundin war zwischen den Weihnachtsfeiertagen bei uns zu Besuch und wir beschlossen, im Wald eine Suche nach Naturwesen zu starten. Es war ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit und Schnee blieb diesen Winter aus. Wir entdeckten in vielen Bäumen Gesichter und Gestalten, sammelten schöne Wurzeln und Stöcke, bis wir vor einem großen Felsbrocken standen, der ein bemerkenswert lustiges Wesen in sich barg. Der Stein zeigte ein moosbewachsenes Gesicht, er mutete wie ein Igel an und wirkte besonders fröhlich auf uns. Er schien unsere gute Laune widerzuspiegeln. Seit damals ist dieser Platz sehr wichtig für uns geworden, weil das Steinwesen uns immer etwas zu erzählen hat und sein Gesicht sich stetig verändert. Lisbeth und Richard saßen sich sprachlos gegenüber. Die zwei hatten gerade beschlossen, sich endgültig zu trennen. Sie fanden für sich keine Gemeinsamkeiten und kein Gespräch mehr. Bruno, der Labrador, legte seinen Kopf auf Richards Schoß. „Und dieses Vieh kannst du auch mitnehmen!“, zischte Lisbeth. „Wie stellst du dir das vor? Ich bin beruflich ständig unterwegs! Ich kann für Bruno nicht sorgen!“, schrie Richard. „Dieser Hund hört sowieso nur auf dich! Bring ihn doch ins Tierheim! Ich will ihn nicht haben!“ Bruno sah mit traurigen, flehenden Augen sein Herrchen an. Richard streichelte dem Tier über den Kopf und sagte tröstend zu ihm: „Keine Angst, mein Alter. Wir werden eine Lösung finden.“ Bruno fing leise an zu winseln, rollte sich auf seine Hundematte und legte seinen Kopf besorgt auf seine Pfoten. Luca besuchte gelegentlich Johann, der sich immer auf den Besuch des netten Jungen freute. Der alte Mann ahnte schon lange, dass auch Luca Kontakt zur Elfenwelt hatte. Keiner von beiden verlor darüber aber ein Wort. Luca lehnte sein Fahrrad an den Zaun und begrüßte Johann, der auf seiner Hausbank rastete. „Felix hat mich heute gar nicht begrüßt. Ist er im Wald auf Mäusejagd?“, erkundigte sich Luca. „Ich mache mir große Sorgen um meinen Felix. Er ist schon ein alter Kerl. Er liegt nur noch in seinem Körbchen und geht kaum mehr vor die Tür. Fressen mag er auch nicht mehr. Ich weiß nicht recht. Der Tierarzt … du kannst dir schon denken, was er mir rät. Diesmal kann keiner helfen“, klagte Johann. Luca wusste, was er damit meinte. Tipsy bemerkte sofort, wie schwer Luca ums Herz war. „Was ist denn mit dir? So traurig kennen wir dich gar nicht!“, fragte die Libelle den Menschenjungen. „Johanns Kater Felix wird sterben! Kann man da gar nichts machen? Gibt es da vielleicht einen Elfenzauber?“ Luca liefen Tränen über die Wangen, denn er hatte den Kater so liebgewonnen. Die Teichfreunde setzten sich zu dem traurigen Jungen und versuchten, ihn zu trösten. Keleia nahm Lucas Hände und sagte zu ihm: „Leider können wir in diesem Fall nicht helfen. Diese Entscheidung ist einzig und allein Gott überlassen. Wir sind nur ein kleiner Teil seiner vielen Helfer. Ich werde dir etwas zeigen, dass dir vielleicht helfen wird, zu verstehen, und um deinen Schmerz zu lindern.“ Die Elfenprinzessin hob ihre Hand, machte eine kreisende Bewegung und war mit Luca in der blauen Luftblase eingeschlossen, die vieles schon zum Guten verändern konnte. Keleia lud Luca zu einer Reise ins jenseitige Leben ein. Da war ein Tunnel, den sie beschritten, mit herrlich strahlendem Licht. Am anderen Ende tat sich eine paradiesische Landschaft auf, in der sich Menschen und Tiere aufhielten, miteinander spielten, lachten und glücklich waren. Luca verspürte ein unvergleichbares Gefühl der Zufriedenheit und Glückseligkeit, als er durch diese Welt wandelte. Dann zeigte Keleia, wie Johann neben Felix kauerte, ihn streichelte und sich von seinem Liebling verabschiedete. „Wir werden uns irgendwann wiedersehen. Du wirst mir dann entgegenspringen und wir werden gemeinsam im Paradies glücklich sein“, flüsterte Johann seinem sterbenden Kater zu. Im nächsten Moment versammelten sich alle Menschen und Tiere vor dem Tunnel und empfingen die Neuankömmlinge. Großeltern umarmten ihre Kinder. Ein Mann war überglücklich, seine Frau wieder an seiner Seite zu haben. Zwischen den vielen freudigen Menschen tauchten Tiere auf. Unter ihnen auch Felix, der seine Mutter gefunden hatte, die ihm zur Begrüßung die Öhrchen putzte und zufrieden schnurrte. „Luca! Wir müssen wieder zurück. Es ist uns nicht gestattet, so lange hier zu sein“, sagte Keleia. „Oh wie schade! Am liebsten bliebe ich da. Es ist so wunderbar hier“, schwärmte Luca, der auf seinem Fahrrad saß und sich wieder bei Johanns Häuschen befand. Er klopfte an die Tür. Nichts rührte sich. Luca ging ums Haus in den hinteren Bereich des Gartens, wo er den alten Mann vermutete. Eine Schaufel lehnte an der Holzhütte, an der frische Erde haftete. Ein kleines Kreuz mit einer beschriebenen Tafel wies auf ein kleines Grab hin. Johann drückte Luca an sich. Beide weinten still und verloren keine Worte. Sie wussten, dass es Felix gut ging. „Luca, wie wäre es mit einer Tasse Kakao?“, lud Johann schließlich den Buben ein. Es wurde ein harmonischer Nachmittag. Johann erzählte Geschichten und Erlebnisse, die er mit seinem Kater erlebt hatte. Als die Dämmerung hereinbrach, verabschiedete sich Luca und versprach, so oft wie möglich vorbeizuschauen. Der alte Mann winkte seinen jungen Freund noch nach und ließ sich auf seiner Gartenbank nieder, wo ihm Felix oft Gesellschaft geleistet hatte, und schloss dabei seine Augen. Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. „Wie geht es dir, Johann?“, sprach eine vertraute Stimme. „Dass du mich nicht vergessen hast, lieber Sigurd? Nach so langer Zeit besuchst du mich?“, freute sich Johann. „Du scheinst deinen kindlichen Herzschlag nie verloren zu haben, weil du dich an damals erinnern kannst!“, stellte der Elfenkönig fest. „Wir sind alt geworden, wir zwei!“, lachte Johann. „Da hast du recht. Keleia, meine Tochter, wird bald das Elfenreich regieren. Sie ist ein gutes Kind. Wie du wahrscheinlich ahnst, ist Luca der Freund, der du für mich damals warst. Sein Herzschlag wird schon langsamer, weil er erwachsen wird. Bald wird seine Erinnerung an unsere Welt nach und nach verschwinden“, erzählte König Sigurd. Bevor Johann noch mehr von seinem ehemaligen Freund erfahren konnte, war dieser schon längst wieder verschwunden. „Danke für deine Freundschaft“, flüsterte er in die Finsternis. Richard nahm an einen Kongress im Ausland teil. Er war unkonzentriert und machte sich große Sorgen um Bruno, seinen Labrador. Richard liebte seinen Hund sehr und es tat ihm weh, ihn weggeben zu müssen. Lisbeth konnte Bruno überhaupt nicht ausstehen. Sie war von Anfang an eifersüchtig auf das Tier, weil Richard ihm so viel Aufmerksamkeit schenkte. Jetzt, wo alles zerbrach, war es wohl besser für den Hund, ein neues Zuhause zu finden. Bruno lag auf seiner Hundematte. Sein Fressnapf war leer und er hätte dringend rausgemusst. Lisbeth beachtete ihn gar nicht, als sie zur Tür hereinkam. Aber dann entdeckte sie die Pfütze am Fußboden. „So! Jetzt reichts! Du grässlicher Köter! Nicht mit mir!“, schrie Lisbeth, packte Bruno am Halsband und zerrte ihn zum Ausgang. Der Hund wehrte sich und winselte flehend. Lisbeth gelang es, Bruno vor die Tür zu setzen. „In dieses Haus kommst du nicht mehr!“ Bruno suchte den Garten nach Richard ab. Er fing an, die Straße entlangzulaufen, um sein Herrchen zu suchen. Aussichtslos. Sein Magen knurrte. Bei einen der Häuser stand ein Katzenfutternapf im Freien, über den er sich hermachte. Bruno lief weiter und weiter, bis er sich tief im Wald erschöpft unter einem Baum auf dem weichen bemoosten Boden sinken ließ. Er rollte sich ganz eng zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf. Bald versammelten sich neugierige Tiere um den Hund. Ein Rehbock stieß ihn vorsichtig in die Seite. „Lasst doch den armen, erschöpften Kerl in Ruhe!“, schimpfte eine Stimme aus dem Baum, unter dem Bruno schlummerte. „Wir wollen uns nur vergewissern, ob es den Hund gut geht. So tief in den Wald kommt kaum wer“, verteidigte sich der Rehbock. „Aber wie ist es möglich, dass er bei uns im Elfenreich gelandet ist?“, wollte ein Eichhörnchen wissen. „Es scheint, als befände er sich in großer, seelischer Not, und da kann ihm in der Menschenwelt niemand helfen. Dann ist es sehr wohl möglich, dass Hilfesuchende zu uns kommen, ohne von uns zu wissen. Sein Herz muss besonders schmerzen, so wie ich mir das Häufchen Elend anschaue“, erklärte Lumarin, die Stimme aus dem Baum. Lumarin war ein sehr weises, altes Baumwesen, das schon einiges aus seinen langen Leben zu berichten wusste. Viele aus dem Elfenreich holten sich Rat von ihm. „Was machen wir, wenn er aufwacht?“, fragten die Tiere. „Na dann fragen wir ihn einfach!“, antwortete Lumarin und schüttelte genervt seine Baumkrone. „Jedenfalls muss man im Schloss Bescheid sagen. Alfons! Du fliegst zur königlichen Familie und berichtest! “, befahl Lumarin einem kleinen Raben, der sich freute, mit einer so wichtigen Aufgabe betraut zu werden. Alfons war ein wenig tollpatschig, denn meistens vergaß er beim Startversuch, die Flügel auszubreiten, und steckte dann mit dem Schnabel voran im Waldboden
Er ließ sich dadurch nicht verdrießen, kletterte wieder auf den Baum, konzentrierte sich und erhob sich unbeschadet sodann in die Lüfte. Es war schon spät, als König Sigurd noch in seinem Büro damit beschäftigt war, wichtige Zwergenansuchen, die er am Tag nicht mehr geschafft hatte, zu bearbeiten. „Willst du nicht endlich auch zur Ruhe kommen, mein lieber Mann? Du sitzt schon den ganzen Tag am Schreibtisch. Komm zu Bett. Du brauchst deinen Schlaf!“, mahnte zärtlich Königin Lanora ihren Gatten. Da klopfte etwas kräftig gegen die Fensterscheibe des königlichen Büros. Lanora öffnete das Fenster und herein hopste der kleine, tollpatschige Alfons. „Ha! Ich habe es geschafft, hierherzukommen! Lumarin schickt mich! Er hat mich persönlich beauftragt, euch Kunde zu tun!“, sagte Alfons voller Stolz und begann, sich sein schwarzes Federkleid zurechtzubiegen. „Na sag schon! Was hast du zu berichten? Wenn Lumarin dich schickt, muss es sehr wichtig sein!“, wollte König Sigurd voller Ungeduld wissen. Zuerst aber machte Alfons einen eleganten Hofknicks, so wie es sich gehörte. Der kleine Rabe fiel bei diesem Versuch wieder auf den Schnabel, richtete sich angestrengt auf und fing aufgeregt an, zu berichten: „In unserem Wald ist ein großer Menschenhund aufgetaucht. Er ist erschöpft zusammengebrochen und schläft jetzt tief und fest. Lumarin meint, dass der Hund in großer seelischer Not sei und deswegen bei uns im Elfenreich gelandet ist.“ „Hmm! Meine liebe Lanora! Was meinst du? Sollen wir es so einrichten, dass Keleia die Möglichkeit hat, sich wieder darum zu kümmern?“, schlug König Sigurd vor. „Oh ja! Das ist eine Aufgabe für unsere Tochter!“, freute sich die Königin und rief Sina, die Zofe, zu sich, um mit ihr einen Plan auszuhecken. Am nächsten Morgen hatte Keleia noch nicht einmal ihre Augen geöffnet, kitzelte etwas in ihrem Gesicht. Stupsi, der Rauhaardackel, stand auf dem Bett und biss übermütig in einen Polster, sodass überall Federn herumflogen. „Guten Morgen, Prinzessin!“, sagte Sina gutgelaunt. Stupsi bellte erwartungsvoll und Keleia schaute schlaftrunken über den Rand ihrer kuscheligen Decke. „Was machst du denn hier, du kleiner Racker?“, fragte die Elfenprinzessin belustigt. „Liebe Keleia! Isolde und Severin mussten dringend verreisen und würden dich bitten, während ihrer Abwesenheit Stupsi als Gesellschafter bei dir zu behalten“, sagte Sina, die genau wusste, dass dieser Plan funktionierte. „Oh ja! Wir werden viel Spaß miteinander haben!“ Prinzessin Keleia sprang aus ihrem Bett und schlüpfte in Windeseile in ein Kleid. Stupsi bellte übermütig und tanzte auf seinen Hinterbeinen, wie er es immer tat, wenn er sich freute „Nicht so schnell, Stupsi! Wo läufst du denn hin? Willst du gar nicht zum Teich zu unseren Freunden? Dort bist du doch immer so gerne!“, rief Keleia dem Rauhaardackel nach. Stupsi drehte sich immer wieder um, um festzustellen, ob ihm die Prinzessin folgte
Kapitel 7. Auf einer abgelegenen Almhütte nahmen ich und mein Mann an einen Heilseminarwochenende teil. Tage, die mir eine vollkommen andere Welt zeigten, an denen sich mein gesamtes Denken veränderte und wir scheinbar Unerklärbares erleben durften. Einer der Schamanen hatte sich am Nachmittag in den Wald zurückgezogen und erzählte uns am Abend, nachdem wir uns es gemütlich eingerichtet hatten, dass er sich mit einem Waldwesen unterhalten hatte. Wir hörten ihm zu, hielten aber diese Geschichte für eine märchenhafte Erfindung. Wie er uns dann ein Foto zeigte, dass er mit Erlaubnis des Wesens ablichten durfte, blieb uns fast die Luft weg. Es war deutlich auf der Kamera zu sehen. Die Sache steigerte sich am nächsten Morgen nach dem gemeinsamen Frühstück, als man mich nach draußen bat. Ich stellte mich auf Anweisung des Schamanen gerade hin, wobei er seine Hände in Herzhöhe am Rücken und vorne mit etwas Abstand vom Körper hielt, um sich mit mir zu verbinden. Daraufhin zeigte er mir auf einer Anhöhe einen Baum, zu dem er mich schickte und mir erklärte, dass mir da jemand etwas zu sagen hätte. Ich näherte mich skeptisch der Stelle, als sich auf einmal im Baum eine bärtige, männliche Gestalt zeigte. Regungslos und völlig geschockt stand ich mitten in der Botanik und wurde von einem Baumwesen beschimpft. Ich sah mich um, denn ich glaubte, einem Schabernack aufgesessen zu sein, oder schlimmer noch ich glaubte, die Kontrolle über mich verloren zu haben. Das Wesen war so deutlich zu sehen, als ob ein anderer Mensch mir gegenübersteht, und das, was es mir zu sagen hatte, stimmte absolut mit meinem Leben überein. Die Gestalt verschwand allmählich wieder und zu meiner Sprachlosigkeit kam noch dazu, dass sich ein Eichhörnchen direkt vor mich setzte und sich Öhrchen und Pfötchen putzte, mich frech betrachtete und dann gemütlich im Wald verschwand. Diese Geschichte konnte ich natürlich nicht jedermann erzählen, aber es hat sich so zugetragen, ob man mir glaubt oder nicht. Anton belud seinen Anhänger mit einer Motorsäge und Werkzeugen, die er fürs Holzmachen brauchte. Am Vorabend hatte ihm seine Frau Lara den Rucksack mit einer deftigen Jause befüllt. Es war noch dunkel. Anton wollte vor Morgengrauen seine Arbeit beginnen und mittags, wenn die Sonne herunterprasselte, wieder nach Hause fahren. Er setzte seinen Sicherheitshelm auf, bestieg den Traktor und tuckerte Richtung Wald. Als er ankam, blitzten die ersten Sonnenstrahlen durch das Gehölz und die Vögel fingen an, um die Wette zu tirilieren. Bevor Anton zu Werke ging, schenkte er sich aus einer Thermoskanne heißen Kaffee in eine Tasse ein, genoss die angenehme Waldluft und erfreute sich an einem Eichhörnchen, dass geschäftig von einem Ast zum anderen hüpfte. Er packte noch ein Stück Apfelkuchen aus, das er genüsslich verspeiste, und dann sagte er zu sich selbst: „Na dann wollen wir mal!“ Anton startete seine Motorsäge und schon bald darauf fiel der erste Baum. Im Elfenreich herrschte dieser Tage große Aufregung, denn das alljährliche Sonnwendfest Litha wurde bald gefeiert und alle hatten auf irgendeine Weise eine besondere Aufgabe zu erfüllen. Die Zwergendamen kochten köstliche Eintopfgerichte mit Pilzen, Kräutern und Kartoffeln, die in riesigen Töpfen über offenem Feuer schmorten. Die Gnomenfrauen zauberten die leckersten Kuchen und Torten, die mit Waldfrüchten kunstvoll verziert wurden. Die Elfen dekorierten die lange Tafel, an der alle gemeinsam speisten, mit den schönsten Blumen, die im ganzen Reich ihren Duft verströmten. Die Schneiderwerkstatt von Eleonora Zwirnspul war das ganze Jahr damit beschäftigt, für diesen Anlass die ausgefallensten Kostüme und Roben anzufertigen. Die Zwergenmänner sammelten Holz, das für das große Sonnwendfeuer zu einem riesigen Haufen aufgebaut wurde. Der Lehrer studierte in der Elfenwaldschule mit den Schülern Reigentänze und schöne Gedichte ein und Meister Quackus probte jeden Tag mit dem Froschchor. Vor Aufregung fing er jedes Mal an, zu toben, wenn einem der Sänger nur der kleinste Fehler passierte. Selbst die Tiere waren zum Aufräumen des gesamten Reiches eingeteilt. Die Glühwürmchen setzten sich in Glockenblumenblüten, die vom Schloss bis rund um den Teich an Sträuchern und Bäumen angebracht waren und die Aufgabe hatten, am Abend die ganze Landschaft taghell zu beleuchten. Mithilfe aller erstrahlte das Elfenreich zu einem prunkvollen Festplatz. Prinzessin Keleia durfte sich an diesen besonderen Tag einen Ehrengast an ihre Seite wünschen und brauchte nicht lange zu überlegen. „Wir freuen uns, deinen Luca endlich kennenzulernen. Auch ich habe einen Überraschungsgast!“, gab sich König Sigurd geheimnisvoll. Und so wurde das Fest eröffnet. Von allen Ecken und Enden des Reiches drudelten die Gäste heran und nahmen ihre Plätze an der riesig langen Tafel ein. Meister Quackus nahm seinen Dirigentenstab, zählte seinen Froschchor ein und es erklang eine feierliche Hymne, wobei alle ehrerbietend innehielten. In traditioneller Weise entzündete der König mit einer Riesenfackel das Sonnwendfeuer, erhob sein Glas und sagte zu seinem Volk: „Lasst uns miteinander feiern und fröhlich sein!“ Alle prosteten sich zu. Die herrlich duftenden Speisen wurden aufgetragen, ein Orchester musizierte und es dauerte nicht lange, bis getanzt und mitgesungen wurde. Johann hatte es sich an einem lauschigen Platz am Teich im weichen Gras gemütlich gemacht und schaute Stupsi und Bruno beim Herumtollen zu. Er lächelte und erfreute sich an dem fröhlichen Spiel der beiden Hunde. Luca setzte sich neben seinen alten Freund. „Man hat mir schon erklärt, dass ich allmählich vergessen werde. Warum lieber Johann kannst du dich an damals erinnern?“, fragte Luca. „Ich habe mich lange Jahre nicht mehr an diese Zeit erinnern können. Ich bin alt. Vielleicht habe ich meines Alters wegen die Gnade, noch einmal die schönste Zeit in meinem Leben erleben zu dürfen. Ich bin sehr dankbar dafür.“ Johann drückte Luca an sich und sie genossen es, bei diesem einzigartig schönen Fest dabei zu sein. Anton wischte sich den Schweiß von der Stirn, öffnete seine Trinkflasche und nahm einen kräftigen Schluck. Die Mittagszeit nahte und die Sonne heizte tüchtig vom Himmel. „Wenn ich jetzt noch zwei Bäume schlägere, bräuchte ich morgen nur noch drei Stunden in den Wald zu kommen.“ Anton füllte Benzin in die Motorsäge nach und machte sich nochmals ans Werk. Er war aber schon sehr müde und unkonzentriert. Deswegen machte der übereifrige Mann einen folgeschweren Fehler. Er bemerkte nur noch mit Schrecken, wie der Baum auf ihn zu donnerte. Die Vögel zwitscherten aufgeregt und flogen wild durcheinander. Momentan herrschte im Elfenreich vollkommene Stille. Die Musik hörte auf zu spielen und selbst am Teich erlosch jedes auch noch so unscheinbare Geräusch der Insekten. König Sigurd erhob sich und war ganz bleich im Gesicht. „Es ist etwas Schreckliches passiert! Jemand ist in Lebensgefahr und braucht unsere Hilfe.“ Das Fest löste sich auf und alle Bewohner des Elfenreiches strömten Richtung Wald. Ein Bussard führte sie zur Unfallsstelle. „Gott, steh dem armen Mann bei!“, schrie Quirin, einer der Zwerge. Anton lag ohne Bewusstsein und blutüberströmt unter dem gefällten Baum. Vinzenz, der Medicus des kleinen Volkes, untersuchte den Verletzten und fühlte seinen Puls
„Er lebt! Aber wir müssen schnell handeln!“ Mit langen Seilen und übernatürlichen Kräften wurde der Baum so weggezogen, dass Antons Körper befreit war. Auf einem weich ausgebetteten Barren wurde der Schwerverletzte vorsichtig hingelegt, um nicht noch mehr Schaden zu verursachen. Sie trugen Anton zur Krankenstation, wo er sofort medizinisch versorgt wurde. Nach Stunden öffnete sich die Tür der Ordination. Vinzenz, der Medicus, wischte sich den Schweiß von der Stirn und eine Gehilfin half ihm aus dem blutverschmierten Doktorkittel. „Es steht schlecht um den armen Mann. In ein paar Tagen wissen wir mehr und werden alles versuchen, um ihn zu retten.“ Anton wurde rund um die Uhr liebevoll betreut. Die kräuterkundigen Zwerge mischten Tinkturen und Heilsalben, kochten wirksame Tees und setzten mit ihren Naturheilwissen alles daran, den Holzfäller gesunden zu lassen. Lara, Antons Frau, warf einen unruhigen Blick auf die Küchenuhr. Sie hatte bereits das Mittagessen vorbereitet. Normalerweise war ihr Mann um diese Zeit wieder zu Hause. Anton freute sich immer, wenn er das Haus voll Hunger betrat und es ihm entgegenduftete. „Ich könnte jetzt einen Riesentopf von deinem guten Essen verschlingen, so einen Heißhunger habe ich!“, rief Anton sonst laut lachend zur Tür herein. Lara blickte wieder auf die Uhr. „Dreizehn nach zwei! Jetzt fang ich mir wirklich an, Sorgen zu machen. Da stimmt doch was nicht!“ Sie schlüpfte in ihre Schuhe und eilte zügig zum Nachbarsbauernhof. „Hallo Michael! Anton ist noch nicht zurückgekommen. Mir ist ganz mulmig zumute. Kannst du mit mir kommen, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist?“, bat Lara ganz aufgelöst ihren Nachbarn. „Ja, das ist wirklich nicht Antons Art. Lara! Du wartest bei meiner Frau. Ich werde Stefan, meinen Sohn, mitnehmen.“ Michael startete seinen Traktor und Stefan fuhr mit einem Mofa hinterher. „Komm, Lara! Anton hat wahrscheinlich noch länger gearbeitet und die Zeit übersehen. Du wirst sehen, es ist alles gut“, beruhigte Franziska ihre Nachbarin. „Irgendetwas ist hier faul“, sagte Michael zu Stefan, die verblüfft Antons Arbeitsplatz betrachteten. Die Motorsäge und das ganze Werkzeug waren fein säuberlichst am Traktor zur Heimfahrt verstaut. „Anton scheint sich schwer verletzt zu haben. Blut überall, aber keine Spur von ihm. Er kann doch nicht allein den Baum weggehoben haben? Wo ist er nur?“, fragten sich die beiden Männer. „Es muss ihm wer geholfen haben. Wahrscheinlich ist er im Krankenhaus und die wissen nicht, um wen es sich handelt. Genauso wird es sein. Wir werden Lara und Franziska holen und gleich in die Klinik fahren, dann wird sich alles aufklären. Hoffentlich kommen wir nicht zu spät.“ Lara zitterte am ganzen Leib. An der Rezeption des Krankenhauses fragte Michael nach: „Ist ein verletzter Waldarbeiter bei Ihnen eingeliefert worden … Es kann noch nicht lange her sein … Ich nehme an, dass man nicht weiß, um wen es sich handelt … Ist er ansprechbar? Oder bitte sagen Sie schnell … Können wir den zuständigen Arzt sprechen?“ Die Dame am Schalter schüttelte den Kopf: „Beruhigen Sie sich doch! Es ist seit gestern kein Notfall bei uns eingetroffen. Ich werde mich im nächsten Krankenhaus erkundigen, ob ein Schwerverletzter eingeliefert worden ist. Nehmen Sie bitte Platz. Es wird sich alles klären.“ Die nette Rezeptionistin erkundigte sich sofort. An ihrer Reaktion war gleich zu beobachten, dass auch dort kein Unfallopfer aufgenommen worden war. Sie versuchte es in sämtlichen Kliniken der Umgebung. Aber keinerlei Auskunft über einen schwerverletzten Waldarbeiter. „Es kann doch niemand so spurlos verschwinden? Wir müssen die Polizei bitten, eine Fahndung rauszugeben“, meinte Michael verzweifelt. Stunden später durchstreiften Suchtrupps mit speziell ausgebildeten Polizeihunden das gesamte Waldgebiet. Jeder Mann aus dem Dorf beteiligte sich daran, Anton zu finden. Aber vollkommen umsonst. Kein einziger Hinweis über das Verschwinden des Holzfällers. Auch die ganze Nacht über durchsuchte man den auch noch so entlegensten Ort, ausgerüstet mit Scheinwerfern und Taschenlampen. Die Suche wurde nach einer Woche eingestellt. Für Johann und Luca galt es Stillschweigen über den Aufenthaltsort Antons zu bewahren. Der Medicus des Elfenreiches hatte alle Hände voll zu tun, um die Wunden Antons zu heilen. Sein ganzes Wissen wurde ihm und seinen Gehilfen abverlangt. Sogar die königliche Familie half mit, sich um den Verletzten zu kümmern. Königin Lanora wachte nachts rührend am Pflegebett und tupfte dem sich noch immer im Tiefschlaf Befindenden den Schweiß von der Stirn. Am Morgen löste Keleia ihre Mutter von der Nachtschicht ab. In diesen Augenblick öffnete Anton seine Augen und sah sich verwundert um. „Wo bin ich?“, fragte er verwirrt. Anton versuchte, sich aufzurichten, aber ein fürchterlicher Schmerz ließ ihn wieder zurücksinken. „Meister Medicus! Meister Medicus! Er ist aufgewacht! Kommen Sie schnell!“, rief die Elfenprinzessin aufgeregt. „Bleiben Sie ganz ruhig, guter Mann. Sie befinden sich auf dem Weg der Besserung. Sie hatten enormes Glück. In ein paar Wochen wird man von ihren Verletzungen nicht das Geringste bemerken und wir bringen Sie unversehrt in die Menschenwelt zurück“, erklärte Vinzenz. „Menschenwelt? Was soll das? Was ist mit mir passiert? Wer seid ihr?“ Anton konnte es nicht fassen. Im Raum befanden sich ein eigenartig aussehender Arzt und ein Mädchen und eine Frau mit einer Krone auf dem Kopf und festlichen Gewändern. Das Pflegepersonal, scheinbar weiblicher Natur, wuselte emsig durch das Zimmer und schüttelte ihm Polster und Decke zurecht. „Herr Doktor! Sie sind doch ein Doktor? Hab ich mir den Kopf so schwer verletzt, weil ich ganz komische Gestalten sehe?“, erkundigte sich Anton vorsichtig nach seinem Zustand. „Wir müssen dich aufklären. Du hattest einen schlimmen Unfall und befindest dich jetzt im Elfenreich. Wir haben dich aufgenommen, um dich zu retten. Es wäre für dich fast zu spät gewesen und deshalb mussten wir schnell handeln, um dein Überleben zu sichern. Darum bist du bei uns“, erklärte ihm Keleia. Anton schüttelte den Kopf: „So etwas wie Elfen und Zwerge gibt es doch gar nicht! Herr Doktor! Es muss doch ein Medikament geben für meine Sinnestäuschungen!“ Königin Lanora nickte ihrer Tochter zu. „Lieber Anton, ich werde dir etwas zeigen“, sagte die Prinzessin, machte eine kreisende Handbewegung und die beiden befanden sich in der blauen schwebenden Kugel. Der Waldarbeiter erlebte noch einmal den Augenblick, als der Baum auf ihn stürzte, die Vögel aufgeregt durcheinanderflogen und eine Armada kleiner Wesen ihn aus dieser Not retteten und er liebevoll gepflegt wurde. Keleia zeigte ihm dann noch etwas Wichtiges. „Um Gottes willen!“, schrie Franziska aufgeregt. Lara brach bewusstlos zusammen. Michael alarmierte sofort den Notarzt. Dann kam sie langsam wieder zu sich. „Meine Liebe! Haben Sie sich in letzter Zeit öfters übergeben?“, fragte der Doktor, nachdem er sie genau untersucht hatte. „Sie wissen wahrscheinlich, dass Laras Mann verschwunden ist. Sie isst vor lauter Kummer fast nichts mehr“, mischte sich die Nachbarin ein. „Nein, nein! Das ist nicht der Grund des Schwächeanfalls. Liebe Lara, Sie erwarten ein Kind!“, diagnostizierte der Mediziner. Antons Augen strahlten: „Ich muss so schnell als möglich wieder auf die Beine kommen. Ich werde gebraucht. Wie kann ich euch jemals für eure Hilfe danken?“ Anton drückte anerkennend Keleias Hände, die zu ihm sagte: „Sei und tu immer Gutes für deinesgleichen. Das ist Lohn für das ganze Universum!“ Von diesem Augenblick an heilten Antons Wunden rasant und es kam der Tag des Abschieds. Die Zwerge, Kobolde, Gnomen, Elfen und die königliche Familie versammelten sich, um dem Waldarbeiter Glück für seine Zukunft zu wünschen. „Wir werden dich jetzt nach Hause bringen!“ Keleia öffnete ihr Säckchen mit Zauberstaub, streute es über Anton und sogleich stand er vor seinem Haus. „Lara! Lara!“, rief er zur Tür hinein. „Hast du mir gar kein Essen gezaubert? Es duftet mir ja gar nicht entgegen?“ Lara glaubte, zu träumen. Sie stürzte sich in seine starken Arme und klammerte sich so fest wie möglich an Anton, aus Angst, er könnte auf einmal wieder verschwinden. „Wo warst du denn nur? Ich habe geglaubt, dass ich dich niemals wiedersehe!“ Tränen der Freude durchnässten Antons Hemd, sosehr schmiegte sich Lara an ihren Mann. „Ich lass dich und unser Kind niemals mehr allein! Das schwör ich dir!“, sagte er mit zärtlicher Stimme. „Du weißt es?“, wunderte sich Lara. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht um Antons Heimkehr bei den Nachbarn und Dorfbewohnern. Die Leute waren natürlich sehr neugierig und erkundigten sich nach seinem rätselhaften Verschwinden. „Ein Baum ist auf mich gestürzt, dann haben mich die Zwerge gerettet und mich ins Elfenland gebracht, um mich zu heilen“, erzählte Anton den Freunden. Alle schüttelten ungläubig den Kopf und hielten diese Geschichte für frei erfunden. Keiner konnte sich vorstellen, dass er von einem Zwergenarzt behandelt worden war, und es eine Königsfamilie gab, die mitten im Wald wohnte. „Anton hat wahrscheinlich durch einen Unfall ein schweres Gehirntrauma durchlebt, sein Gedächtnis verloren und ist scheinbar irgendwo herumgeirrt, bis wieder die Erinnerung kam. Seine Erzählung kann nicht stimmen. Es sind keinerlei Narben und Spuren einer größeren Verletzung zu erkennen. Sein Gehirn scheint ihm noch ziemliche Streiche zu spielen“, so versuchte sich der Dorfarzt, die Angelegenheit zu erklären. Lara aber glaubte ihren Mann. Ein halbes Jahr später wurde den beiden ein Sohn geboren und sie gaben ihm den Namen Vinzenz. Als die kleine Familie einen Spaziergang durch den Wald unternahm, kamen hinter den Büschen und Bäumen die Elfenreichbewohner hervor und bestaunten den süßen Knaben. Und so wie sie aufgetaucht waren, verschwanden sie wieder in ihre Welt „Weißt du, meine liebe Tochter! Der kleine Vinzenz ist noch ein Baby, aber auch er wird eines Tages wie Luca und Johann das Elfenreich als Wissender besuchen“, sagte König Sigurd zu Keleia. „Ich weiß, Papa“, nickte die Prinzessin zufrieden
Kapitel 8. Ich stamme aus einer Bauernfamilie und hatte das Glück, mich oft in der Natur aufhalten zu können. Insbesondere die Alm meiner Eltern war für mein Heranwachsen der schönste Platz, den man sich vorstellen konnte. Den ganzen Sommer über verbrachten die Kühe mit ihren Kälbern auf den Almweiden. Die Tiere genossen diesen Flecken Erde, da ihnen wunderbar saftige Grünflächen zur Verfügung standen, auf denen noch die üppigsten Blumen und Kräuter wuchsen. Mitten durch das Gebiet schlängelte sich ein Bach und ein Moosfeld sorgte für das Vieh an heißen Sommertagen für eine willkommene Abkühlung. Mein Bruder und ich hatten auf einen der Bachufer einen richtigen Abenteuerspielplatz. Wir stellten uns vor, wie Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel gestrandet zu sein. Unsere Fantasie war grenzenlos. Bunte Steine, die wir im Wasser aufsammelten, erschienen uns als unermesslich wertvolle Funde. Die wunderschönen verschiedenen Farben und Strukturen faszinierten unsere Kinderherzen unendlich. Da es sich manchmal um Versteinerungen handelte, wie unser Vater bestätigte, war der Schatz umso wertvoller. In meinem Wohnzimmer liegen heute noch die damals gesammelten Steine meiner Kindertage und wenn ich sie betrachte, bringen sie mein Herz zum Strahlen „Guten Morgen, Prinzessin Keleia!“ Sina, die Zofe der königlichen Familie, öffnete den Kasten mit der Garderobe für festliche Angelegenheiten und legte ein Kostüm über den Stuhl, das sie für die heutige Landessitzung für angemessen hielt. An dieser Veranstaltung nahmen alle Zwerge, Kobolde, Gnomen und Elfen teil, die eine wichtige Funktion im Elfenreich bekleideten. Dabei wurden Berichte und Anliegen mit dem König besprochen. Keleia nahm an diesem wichtigen Ereignis, an der Seite ihres Vaters, das erste Mal teil. Tipsy klopfte mit einem Flügel an Keleias Schlafzimmerfenster. Sina lachte, als sie der Libelle öffnete, und Moritz sich angestrengt mit seinen Krötenbeinchen am Fenstersims hinaufzog. Alfons, der tollpatschige Rabe, machte wieder einmal eine imposante Fehllandung und steckte mit dem Schnabel im Kopfpolster der Prinzessin, dass die Federn durch das ganze Zimmer flogen. Stupsi, der Rauhaardackel der Familie Koboldus, tanzte auf seinen Hinterbeinen und versuchte, nach dem Federnschnee zu schnappen. „Ach du meine Güte! Müsst ihr mir jedes Mal, wenn ihr hier seid, so ein Chaos verursachen!“, schimpfte Sina auf die tierischen Freunde ein. „Wir wollen Keleia nur alles Gute für heute wünschen!“, verteidigte sich die ganze versammelte Mannschaft und Tipsy zwinkerte der Zofe versöhnlich zu. „Das ist aber lieb von euch! Ich bin fürchterlich aufgeregt. Ich werde keinen Bissen Frühstück hinunterbekommen vor lauter Lampenfieber!“, bedankte sich die Elfenprinzessin bei ihren Freunden. Im Sitzungssaal versammelten sich nach und nach die Teilnehmer und begrüßten sich herzlichst untereinander. Intensive Gespräche und Diskussionen erhitzten im Vorfeld die Gemüter. Eine Fanfare erklang, alle nahmen ihre Plätze ein und erhoben sich, als König Sigurd und die Prinzessin feierlich den Saal betraten. Der Vorsitzende Valerius tat seine Freude über Keleias Anwesenheit kund, eröffnete die diesjährige Landessitzung und rief Faunus Tann, den Hüter des Waldes auf, seinen Bericht zu erstatten. Dieser trat an das Rednerpult, packte seine Unterlagen aus seiner Stofftasche, rückte sich seine Brille zurecht und begann mit sorgenvollem Gesichtsausdruck seine Worte an die Anwesenden zu richten. „In den Vorgesprächen konnte man schon deutlich heraushören, dass die Zerstörung durch den Menschen für jede Sparte unserer Zuständigkeiten ein massives Problem darstellt. Zunehmend werden Wälder aus reiner Profitgier abgeholzt und Flächen sinnlos zubetoniert. Die Tiere flüchten immer weiter in den Wald und ihr Lebensraum wird ihnen Stück für Stück genommen. Von der Nahrung gar nicht zu sprechen. Der natürliche Kreislauf wird in Kürze zusammenbrechen und ich vermute werte Kollegen … weltweit!“ Ein bedrücktes Raunen der Zustimmung ging durch den Saal. Zwerg Julius Kamile, Hüter der Blumen und Kräuter, übernahm jetzt das Wort. „Auch die Felder und Wiesen werden von den Menschen ruiniert durch Überdüngung, Monokulturen und giftige Spritzmittel. Für die Insekten gibt es bald keine Existenzmöglichkeit mehr. Die Bienen! Meine Herren, die Bienen! Sie sterben! Wir wissen, dass es dann auch ein Ende für den Menschen bedeutet. Keine Bestäubung! Keine Früchte! Kein Gemüse!“ Julius Kamile musste seinen Vortrag abbrechen, weil ihm die Stimme versagte. Ein Sitznachbar reichte Julius ein Taschentuch und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Im Sitzungssaal schrien alle aufgeregt durcheinander. Es schien keine Redeordnung mehr zu geben. „Die Tiere werden zuhauf gezüchtet, gemästet und geschlachtet, nur um wieder wegen der Überproduktion im Müll zu landen. Das Ganze ist nicht mehr überschaubar!“ Prinzessin Keleia wurde ganz schwindelig von den furchtbaren Zuständen bei den Menschen. Sie konnte es kaum fassen, was sie da zu hören bekam. Keleia glaubte doch so fest an das Gute im Menschen und deshalb übernahm sie jetzt das Rednerpult. Valerius versuchte, die heißen Diskussionen zu schlichten. „Ruhe! Ich bitte um Ruhe! Unsere Prinzessin möchte gerne etwas zu Gehör bringen!“ Alle Teilnehmer setzten sich wieder auf ihre Plätze. „Sind die Menschen wirklich so schlecht, wie sie von euch dargestellt werden? Ich weiß, dass sie von Herzen gut sind. Es gibt schon so viele Organisationen, die sich für die Umwelt einsetzen. Wir müssen diese Menschen einfach noch mehr unterstützen und alles Erdenkliche unternehmen, in ihr Bewusstsein zu gelangen, um ihnen zu helfen, wo wir können“, sagte Keleia mit bestimmender Überzeugung. „Liebe, sehr geehrte Prinzessin“, erhob nun Silverius Goldzahn, der Hüter der Bodenschätze und Heilsteine, seine Stimme. „Ich muss unserer königlichen Hoheit recht geben. Es gibt weltweit eine Vereinigung von dunklen Gestalten, die die Gier und Ausbeutung den Menschen gebracht haben. Diese bestimmen über die ganze Weltwirtschaft. Das Schlimmste ist, dass die Erde samt ihrer auf ihnen existierenden Lebewesen nach und nach zu erkranken scheinen, weil fast zur Gänze das Gold, Edelmetalle und Heilsteine abgetragen wurden, um damit Geschäfte zu machen. Genau diese dunklen Gestalten haben das gesamte Monopol über die Bodenschätze. Wenn nicht bald gegen diese Mächte etwas unternommen wird, sind wir alle verloren. Das Böse darf nicht siegen.“ „Werter Silverius! Wir danken dir für deine allzu wichtigen Worte. Aber laufen wir nicht selbst der Gefahr, auch wie die Menschen, der Gier und gewissen Verführungen zu verfallen. Auch wir werden von den dunklen Kräften angegriffen. Es ist eine unsichtbare Macht, die jeden von uns erfassen kann“, betonte Valerius. Am Abend lag Keleia lang wach. Der Vollmond schien ein trauriges Gesicht aufgesetzt zu haben und nicht wie sonst das Zimmer taghell zu durchfluten. Vielleicht spiegelte er die sorgenvollen Gedanken der Prinzessin. Königin Lanora setzte sich an den Rand des Bettes. Sie hatte geahnt, dass ihr dieser Tag sehr zusetzen würde. „Als dein Vater damals das Elfenreich übernommen hatte, war die Welt noch in Ordnung. Die Menschen halfen und unterstützten sich gegenseitig. Die Schutzengel brauchten nur aufzupassen, dass niemand stolperte. Die Menschheit braucht jetzt dringend jede denkbare Unterstützung. Tag für Tag sendet Gott Heerscharen von geistigen Helfern, Einhornherden und Engeln auf die Erde, denn wir Wald- und Elfenwesen sind mittlerweile zu wenige. Aber weißt du was, mein liebes Kind. Ich glaube auch an das Gute im Menschen. Das Gute wird siegen. So! Und jetzt schlaf schön!“ Lanora streichelte Keleia übers Haar, drückte ihr einen Gutenachtkuss auf die Stirn und flüsterte ihr noch einen Segensspruch ins Ohr. Der Mond nun durchflutete mit einem lichtvollen Lächeln den Schlafraum und das Herz der Prinzessin atmete auf. „Es wird alles gut! Es ist alles gut!“ Vom Teich her hörte man das vertraute Quaken der Frösche und das Zirben der Insekten, welche Keleia wohl behütet in den Schaf begleiteten. Silverius Goldzahn, der Hüter der Bodenschätze und Heilsteine, kontrollierte täglich die tiefen Höhlen der Erde. Er ließ sich auf einen Stein nieder und grübelte darüber nach, wie es weitergehen sollte. Alle Diamanten, die dort in dieser Nische, Millionen von Jahren im Berg gewachsen, wurden fast gänzlich von Menschenhand abgetragen und zu ihren Zwecken ausgebeutet. Nur einige unentdeckte Räume der Innenwelt ließen ihn Hoffnung schöpfen. „Ach, lieber Silverius!“, meldete sich Limgurd, ein Felsenwesen. „Wir sind abhängig von der Energie des Edelgesteins. Mir geht es immer schlechter. Ich fange an zu bröckeln. Ich weiß nicht, wie lange es mich noch gibt. So geht es uns allen hier unten.“ Den Abend verbrachte Silverius vor seiner Hütte, stopfte sich seine Pfeife und dachte darüber nach, wie es weitergehen könnte, und kam zu einem Entschluss
„Du weißt, welcher Gefahr du dich aussetzt, in die Menschenwelt zu gehen? Die dunklen Mächte sind listig und du bemerkst es meist zu spät, wenn du in ihre Fänge geraten bist“, versuchte Faunus Tann, der Hüter des Waldes, Silverius Goldzahn umzustimmen. „Ich muss dem Ruf meines Herzens folgen und die Menschen überzeugen, Gutes zu tun, um die Erde, auf der sie leben, zu retten.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Silverius von seinesgleichen und verschwand an der Schwelle zur Menschenwelt. „Wir werden unsere schützenden Hände über dich halten. Gott, mit all seinen Helfern, steh dir bei, du guter Silverius!“, rief ihn Valerius nach. Johann erwartete den Hüter der Bodenschätze und Heilsteine schon am Waldesrand. König Sigurd hatte ihn darum gebeten, Silverius bei sich aufzunehmen. Bruno, der Labrador, hüpfte aufgeregt an dem Zwergenmann hoch, als er aus der Schwelle der Elfenwelt hervortrat. „Ja, du alter Racker! Das ist aber eine freudige Begrüßung!“, lachte Silverius. „Ich heiße dich herzlichst willkommen, mein Freund. Es ist mir eine große Ehre, dich bei mir aufnehmen zu dürfen und einer der Vermittler unserer Welten zu sein“, begrüßte Johann den ehrwürdigen Silverius Goldzahn, der seinen Gastgeber freundschaftlich die Hände drückte. „Lieber Johann! Auch mich freut es, meine Zeit in eurer Welt bei dir verbringen zu dürfen“, bedankte sich Silverius. Die Nacht kam und um Johanns Häuschen blies ein eigenartiger Wind. Bruno verhielt sich unruhig und spitzte seine Ohren. Er lief aufgeregt durch das ganze Haus. Eigenartige Schatten bewegten sich durch den Garten und ein unheimliches Flüstern durchbrach die Nachtstille. Silverius stand am Fenster und hatte einen Kristall in der Hand, den er zum Schutz gegen das Böse bei sich trug. Er klopfte den Labrador liebevoll auf das Fell. „Alles gut, Bruno. Sie sind machtlos. Sie wollen mich nur einschüchtern. Dir und deinem Johann wird nichts passieren.“ Der Hund winselte dennoch besorgt. „Luca! Wo willst du denn jetzt schon in aller Frühe hin?“, fragte Lucas Mutter verwundert, die gerade aufgestanden war und sich Richtung Küche bewegte, um den Teekessel aufzustellen. „Oh! Guten Morgen, Mama! Johann hat Besuch bekommen und mich zum Frühstück eingeladen“, erklärte Luca sein baldiges Verlassen des Hauses. „Und wozu brauchst du deinen Laptop?“ „Johann überlegt sich, einen Computer anzuschaffen, und hat mich darum gebeten, ihm so manches zu zeigen. E-Mail, Internet und sonstiges.“ „Was will denn der alte Mann mit Internet?“, versuchte die Mutter noch, ihrem Sohn zu entlocken, aber Luca machte sich schnell davon, um ihren lästigen und bohrenden Fragen zu entkommen. „Lass ihn doch! Johann ist so ein guter Freund für Luca. Die beiden verstehen sich und Bruno ist ihm auch so wichtig geworden. Ist doch besser, er kümmert sich um den alten Mann und den Hund, als wenn er irgendwo herumlungert, vielleicht in schlechte Gesellschaft gerät und irgendeinen Blödsinn anstellt. Johann hat einen guten Einfluss auf Luca!“, sagte Uwe, Lucas Vater zu seiner Frau, der gerade seine Tageszeitung von draußen geholt hatte. Er gab ihr zur Besänftigung einen Kuss auf die Wange und setzte sich an den gedeckten Samstagmorgenfrühstückstisch. Lucas Mutter schüttelte den Kopf und murmelte in sich hinein: „Hmm! Ich weiß, dass alles ok ist. Aber ein Geheimnis haben die zwei doch.“ Bruno wartete schon ungeduldig am Gartenzaun. Als er die Reifen von Lucas Fahrrad um die Ecke quietschen hörte, spitzte er erwartungsvoll die Ohren. Luca lehnte sein Gefährt an den Schuppen und begrüßte den Hund. „Na, Bruno! Wie geht’s dir? Guten Morgen, Johann! Herzlich willkommen, lieber Silverius!“, schmunzelte der Bub aufgeregt. „Na dann, würd ich sagen! An die Arbeit!“ „Aber zuerst trinkst du deinen heißgeliebten Kakao!“, lachte Johann. Die drei setzten sich an den Laptop und nahmen weltweit mit allen Umwelt- und Friedensbewegungen Kontakt auf, denn Silverius hatte vor, diese Menschen auf einen Platz zu bringen und mit ihnen gemeinsam die Erde ins Positive zu verändern. Bis zum späten Abend arbeiteten sie an diesem Projekt. „Und wie soll es nun gelingen, all diese Menschen, die auf der ganzen Welt verstreut sind, an einen Ort zu versammeln?“, fragte Johann verzweifelt. „Mein Freund“, sagte Silverius Goldzahn. „Wir werden Keleia bitten, uns mit ihrer Elfenzauberkraft zu helfen.“ Und schon stand die Prinzessin da. „Oh, Keleia“, rief Luca freudig. „Ihr habt mich gerufen? Und nun bin ich da!“, sagte Keleia. Mit Elfenzauberstaub gelang es, alle Menschen, die für das Gute um Mutter Erde kämpften, auf einen Punkt zusammenzubringen. Silverius Goldzahn drang mit seinen Worten tief in die Herzen der Anwesenden ein. Es wurde gelacht, gesungen und geweint. Da bat der Hüter der Bodenschätze und Edelsteine Prinzessin Keleia, die Erde mit ihrer blauen Luftblase zu umschließen, um aufzuzeigen, wie das Leben im Miteinander und ein Handeln im Einklang mit der Natur sein kann. Auf jeden Kontinent reichten sich die Menschen aller Rassen die Hände, bis eine unendlich lebende Kette entstand, die sich in kürzester Zeit so festigte, dass keine Macht der Welt sie durchbrechen konnte. Der Himmel leuchtete und glitzerte in den prächtigsten Farben des Regenbogens. Böse und schlechte Gedanken schienen wie ausgelöscht zu sein, denn ein Übermaß an Liebe war überall spürbar. Soldaten warfen ihre Waffen weg und umarmten ihre Feinde. Dann wurde der Menschheit gezeigt, welches Elend und Unglück unter dem Einfluss der dunklen Mächte sich immer mehr verbreiten wird, wenn sie nicht bereit sind, sich gegen jene aufzulehnen. Krieg, Hunger, Umweltverschmutzung, Naturkatastrophen, Hass, Neid, Gier, Lieblosigkeit, Mord und Totschlag … „Wenn jeder Mensch mit einer Kleinigkeit anfängt, etwas zu verändern, wird sich die Erde schnell erholen. Gebt jetzt ein gutes Beispiel ab und wenn es nur ein Lächeln ist, mit welchem man den Nächsten beschenkt“, beschloss Silverius seine Rede. Von diesem Tag an veränderte es sich auf der Welt und die dunklen Mächte waren gezwungen, sich zurückzuziehen „Frühstückst du schon wieder bei Johann?“, fragte Lucas Mutter ihren Sohn, der wieder dabei war, eilig das Haus zu verlassen. Luca drehte sich nochmals zu seiner Mutter um und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Tschüss, Mama! Bis später!“ Vater Uwe, mit der Tageszeitung unterm Arm, nahm die Tür entgegen und schmunzelte seinem Sohn nach. „Schau dir das an, Uwe! Luca hat uns das Frühstück hergerichtet!“ Eine Karte, auf der stand „Ich hab euch lieb!“, und eine rote Rose in einer Vase schmückten den Tisch. „Sag ich doch! Johann hat einen guten Einfluss auf unseren Luca!“, freute sich der Vater. „Und trotzdem! Die beiden haben ein Geheimnis!“, meinte die Mutter „Ehrenwerter Meister Silverius Goldzahn! Wir freuen uns, euch wieder bei uns zu haben“, begrüßte Valerius den Hüter der Bodenschätze und Heilsteine im Schloss bei der Audienz des Königs. Die Elfenprinzessin durfte neben ihrem Vater am Thron Platz nehmen. „Mit der Hilfe Keleias und unseren Freunden Luca und Johann ist es uns gelungen, Großes zu bewirken. Die Erde erholt sich. Liebe und Gerechtigkeit kehrt wieder bei den Menschen ein“, beendete Silverius seine Berichterstattung. Im ganzen Elfenland wurde gefeiert und gelacht. Vom Teich her hörte man den Froschchor die allerlieblichsten Melodien quaken. Vögel, Libellen und Insekten tanzten fröhlich und unbeschwert an der Wasseroberfläche. Sogar die Fischlein hüpften vor Freude aus dem Wasser in die Luft. Silverius Goldzahn kontrollierte nun wieder täglich die tiefen Höhlen des Erdinneren und lächelte zufrieden. Edelsteine und Kristalle funkelten ihm entgegen, die am Fels und in den Gesteinsnischen wuchsen und die unterirdischen Höhlengänge zum Strahlen brachten. „Ach, lieber Silverius! Ich fühle mich wie neugeboren!“, freute sich Limgurd, das Felsenwesen, auf dessen Nase gerade ein wunderschöner Rubin entstand. Als Meister Goldzahn am Abend vor seiner Hütte saß, ließ er sich seine Pfeife wohlverdient schmecken. Manchmal in der Nacht hört man noch das leise unheimliche Flüstern der dunklen Mächte, dessen Schatten durch die Nacht streifen. Nur das Wort Liebe genügt und sie müssen weichen
Kapitel 9. Ganz in unserer Nähe befindet sich ein Waldgebiet mit naturbelassenem Moor und einen idyllischen kleinen Teich, der dafür angelegt wurde, Insekten, Libellen und Wassertieren einen Lebensraum zu ermöglichen. Ich besuche diesen besonderen Platz gerne und hoffe immer wieder, mit Wesen des Waldes Kontakt aufnehmen zu können. An einen schönen Sommertag motivierte ich meine Tochter, mich auf einen kleinen Spaziergang zu begleiten. Unser Bestreben war es, uns durch meterhohes Gestrüpp näher an das Teichufer zu kämpfen, und nun steckten wir, wie wir uns denken hätten können, mit unseren Schuhen im Dreck. Aber immerhin, wir hatten den Teich erreicht und wurden dafür mit einem außergewöhnlichen Naturereignis belohnt. „Schau dir das an!“, rief ich entzückt. Wir wurden von einer Schar Fluginsekten umzingelt. Sie waren hauchdünn, hatten einen wunderschönen kobaltblauen, länglichen Körper und durchsichtige Flügel, die anmutig leicht schwebten, als würde der Wind Daunenfedern durch die Luft wirbeln. Hunderte von diesen lieblichen Insekten ließen sich auf den umliegenden Pflanzen nieder. Eine unvorstellbare Glückseligkeit und Dankbarkeit erfüllten unsere Herzen für solch ein Naturschauspiel. Zu Hause durchstöberte ich das Internet nach dieser Art Libellen, wie ich annahm. Naja! Was soll ich berichten. Diese Spezies konnte ich nicht finden „Tipsy? Was ist denn mit dir los?“, rief fragend Luca der Libelle nach. Tipsy schwebte am Teichrand entlang, summte verträumt ein romantisches Liedchen und war nicht fähig, seine Umwelt wahrzunehmen. Moritz kauerte am Ufer und schmollte. „Ich habe Tipsy angespritzt, aber der reagiert überhaupt nicht auf mich. Wenn er sich nicht ärgert, macht das absolut keinen Spaß!“, regte sich die Kröte auf, tauchte beleidigt unter Wasser und versuchte, jemand anderen zum Spielen zu finden. Frau Langbein gelang es heute, ein besonders schönes Netz zu spinnen. Als die Libelle in Sicht war, wollte sie schon beginnen, mit Tipsy zu schimpfen, um ihr Kunstwerk zu verteidigen, dass er im übermütigen Fluge öfters zerstörte. Aber er beachtete die Spinne überhaupt nicht, roch an einer Seerose und seufzte glückselig. Frau Langbein schaute ihm verdutzt nach und schüttelte nur den Kopf. „Warum benimmt sich Tipsy denn so eigenartig?“, fragte Luca seine Elfenfreundin. „Oh! Da gibt es ein hübsches Libellenfräulein! Unser Freund ist über beide Flügel verliebt!“, schmunzelte Keleia. Luzylinde war aber auch ein entzückendes Wesen. Sie war zierlich und kobaltblau. Seit sie mit ihrer Familie an den Teich gezogen war, betörte Luzylinde mit ihren großen Kulleraugen sämtliche Libellenherren. Sie ließ aber alle abblitzen, denn sie interessierte sich nur für einen und das war Tipsy, der aber viel zu schüchtern war, um seine Angebetete um ein Rendezvous zu bitten
Für diese Wochenende stand das alljährliche Lughnasadh-Picknick des Elfenreiches auf dem Plan. Alle, die Lust und Laune hatten, füllten ihre Körbe mit den herrlichsten, selbst gemachten Köstlichkeiten, die untereinander getauscht und verkostet wurden. Bunte Decken wurden ausgebreitet. Nach und nach glich die Wiese einem riesigen Patchworkmuster. Fröhliches Geplauder war weithin zu hören. Und wie es duftete! Isolde Koboldus, die Frau des Tischlermeisters, hatte ein neues Rezept für Pilzpastete kreiert, das Stupsis Nase aufs Energischste angenehm reizte, woraufhin er kurzerhand eine kleine Schüssel aus dem Korb entführte. Man übte über diesen kulinarischen Diebstahl Nachsicht und bald schmunzelten alle, als irgendetwas hinter einen Busch genüsslich schmatzte. Den ganzen Tag über hörte man: „Hmm! Ist das gut!“ „Da musst du mir aber das Rezept geben!“ „Heuer hast du dich aber selbst übertroffen!“ „Ich bekomme nichts mehr hinunter, aber von dem Haselnussapfelstrudel versuch ich noch ein Stück!“ Keiner kann sich vorstellen, welche Vielfalt und Kreativität in den zubereiteten Speisen steckten. Das Lughnasadh-Fest, das bei den Menschen als Erntedank gefeiert wird, wurde auch zum Anlass genommen, die neu zugezogenen Zwerge, Elfen, Kobolde, Gnome und Tierfamilien im Elfenreich willkommen zu heißen. Diesmal galt die Begrüßungszeremonie der Familie der reizenden Luzylinde. „Wir danken euch von Herzen und wir freuen uns, im Elfenreich aufgenommen worden zu sein. Wir fühlen uns, als wären wir nie wo anders zu Hause gewesen“, schwärmten Vater Tawio und Mutter Sana. Der Elfenkönig bat die Waldkapelle um einen Walzer und forderte Sana zum Tanz auf. Tawio verbeugte sich ehrerbietend vor der Königin Lanora. „Darf ich bitten, eure Hoheit?“ Und schon drehten sich alle Tanzlustigen zu den flotten Melodien. Keleia klopfte Tipsy auf die Schulter. „Nun los! Das ist deine Chance! Fordere Luzylinde zum Tanz auf, sonst schnappt sie dir einer weg!“, forderte die Prinzessin ihren Freund auf, endlich Mut zu fassen, seine Auserwählte anzusprechen. Keleia schob Tipsy vorwärts. Als er vor dem Libellenfräulein stand und sie ihn mit ihren unglaublich schönen Augen anlächelte, brachte er kein Wort heraus und blieb wir erstarrt in der Luft kleben. Sein Herz raste so verrückt, dass man es hin und her hüpfen sah. „Guten Tag, Tipsy“, hauchte Luzylinde verlegen mit ihrer süßen Stimme. „Du wolltest mich wahrscheinlich fragen, ob ich mit dir tanzen möchte!“ Luzylinde schnappte ganz frech seine Hände und führte ihn zur Tanzfläche. Es wurde für das Libellenpaar Platz gemacht, denn der besondere Glanz, der von den beiden Verliebten ausging, ließ alle bewundernd zur Seite treten. Die Musikanten fingen diese einmalige Stimmung ein und spielten, schien es, nur mehr für Tipsy und Luzylinde. Vater Tawio nahm seine Frau Sana liebkosend in den Arm und sagte: „Ich habe es von Anfang an gewusst, dass wir unser aller Glück hier finden werden.“ Ab diesen Abend waren die zwei Turtellibellen unzertrennlich und Tipsy hatte nur noch Augen für seine wunderschöne Luzylinde. Moritz, die Kröte, war sehr traurig, denn er vermisste Tipsys Gesellschaft. Auch wenn sich die beiden unterschiedlichen Tiere meistens nur neckten, waren sie trotzdem bis jetzt die dicksten Freunde gewesen. Keleia bemerkte, welch Kummer die Kröte bedrückte. Sie setzte sich ans Teichufer und badete ihre Füße im erfrischenden Nass. „Na, Moritz! Wie wär’s? Sollen wir wieder einmal um die Wette schwimmen? Haben wir schon lange nicht mehr gemacht!“, versuchte die Prinzessin, Moritz zu begeistern. „Nein, ich habe keine Lust! Es ist mir zu heiß heute“, schmollte die Kröte und ließ sich unter Wasser gleiten. Am Abend, bevor Keleia zu Bett ging, bürstete Sina der Prinzessin die langen Haare. Die Zofe konnte im Spiegelbild den sorgenvollen Blick der Prinzessin sehen. „Dir macht schon wieder einmal etwas zu schaffen! Willst du mir erzählen, was dich so beschäftigt?“, fragte Sina vorsichtig nach. „Moritz macht mir Sorgen! Seitdem Tipsy verliebt ist, hat er sich sehr verändert. Er will mit keinem mehr spielen und hat ständig schlechte Laune. Ich verstehe das nicht. Moritz hat doch so viele andere Freunde! “, sprudelte es aus der Prinzessin heraus. „Ich glaube, ich muss dir etwas Wichtiges von Moritz erzählen“, sagte Sina und setzte sich zu Keleia. „Moritz lebt schon sehr lange bei uns im Elfenreich. Er lebte schon am Teich, noch ehe du geboren warst. Ich kann mich noch gut an eure erste Begegnung erinnern, als du noch ein Kleinkind warst. Er schaute dich mit seinen großen Krötenaugen freundlich an. Du hast ihn von diesem Augenblick an geliebt. Moritz war immer schon ein fröhlicher und beliebter Zeitgenosse. Damals lernte er seine große Liebe Theodora kennen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verknallt er war. Die beiden waren so ein schönes Paar und es dauerte gar nicht lange und es wurde Hochzeit gefeiert. Die Zeremonie fand bei der großen Seeroseninsel statt. Alle im Elfenreich nahmen an der Trauung teil. Ein schönes, aufregendes Fest wurde gefeiert. Aber das Glück war nicht von langer Dauer. Theodora hatte ein sehr übermütiges Wesen und wollte unbedingt die Menschenwelt kennenlernen. Moritz redete auf sie ein und versuchte alles, sie von diesem Leichtsinn abzubringen. Aber sie hüpfte über die Schwelle, verließ das Elfenland und war seit damals nie mehr gesehen. Für Moritz brach eine Welt zusammen und er konnte dieses Unglück lange nicht verkraften“, erzählte die Zofe. „Glaubst du liebe Sina, dass Theodora noch irgendwo in der Menschenwelt lebt? Vielleicht sollten wir versuchen, sie zu finden!“ Keleia war begeistert von dieser Idee. „Die Zwergenmänner haben damals alles Erdenkliche unternommen, um eine Spur von ihr aufzunehmen, aber jeder Versuch scheiterte“, antwortete Sina. Die Elfenprinzessin grübelte noch einige Zeit darüber nach und entschloss sich, Theodora aufzustöbern und zurückzuholen, denn sie konnte bestimmt mit Lucas Hilfe rechnen „Am besten klappern wir alle Tümpel, Pfützen und Teiche ab. Vor allem das Moorgebiet sollten wir absuchen. Da gibt es auch einen seichten sumpfigen See“, schlug Luca vor. Keleia streute Zaubersand über sich und ihren Freund. Im nächsten Moment befanden sich die beiden mitten im Menschenwald, nicht unweit der Schwelle zum Elfenreich. Sie kamen auf dem Weg zum Moor an einem tiefen, finsteren Tümpel vorbei. Einige Kröten- und Froschaugenpaare beobachteten die Fremden mit Argwohn. „Guten Tag, ihr lieben Kröten und Frösche! Ich habe eine wichtige Frage an euch! Kennt ihr eine Krötendame namens Theodora?“, erkundigte sich die Prinzessin freundlich. Einer der Frösche hüpfte mutig an Land und betrachtete Keleia und Luca. „Du kannst dich also mit uns verständigen. Dann nehme ich an, dass du aus dem Elfenreich zu uns gekommen bist?“ „Oh ja! Ich bin Prinzessin Keleia und das ist Luca. Wir wollen unseren Freund Moritz seine Theodora wieder zurückbringen.“ „Das ist aber lieb von euch, aber hier am Tümpel kennen wir keine Theodora. Versucht es mal im Moor und erkundigt euch dort nach Jonathan. Er weiß vielleicht etwas von eurer Vermissten, denn er kümmert sich immer um alle“, gab der nette Frosch Auskunft. Und so machten sich Keleia und Luca weiter auf ihre Suche. Im Moor lag ein gespenstischer, dunkler See, um den herum das Gelände wild verwachsen war und der Boden sumpfig und unwegsam. Eine Schar Vögel schreckte auf und erhob sich laut kreischend in die Lüfte. Im Schilf tummelten sich Tausende Gelsen und an einem Baum machte sich hämmernd ein Specht zu schaffen. „Ist das unheimlich hier“, meinte Luca ängstlich. „Und wie sollen wir jetzt diesen Jonathan finden?“ Vor den beiden ließ sich eindrucksvoll eine große Nebelkrähe nieder. „Ich bin Jonathan! Mir wurde schon berichtet, dass Besuch aus dem Elfenreich zu uns gekommen ist!“ „Guten Tag, lieber Jonathan! Wir freuen uns, dich kennenzulernen. Ich bin Prinzessin Keleia und das ist Luca!“, stellte Keleia sich und ihren Freund vor. „Ein freundlicher Frosch erzählte uns von dir und dass du alle hier kennst. Wir suchen Theodora, eine Krötenfrau, die vor langer Zeit sich entschlossen hat, in die Menschenwelt zu hüpfen, und seitdem spurlos verschwunden ist. Ihr Mann Moritz ist deswegen sehr traurig und wir wollen ihm eine Freude machen und seine Frau wieder zurückbringen“, erzählte die Elfenprinzessin der Krähe, die ihr aufmerksam zuhörte. „Theodora ist schon lange fort. Im ersten Jahr hat sie mit einer Krötenwanderung zu ihrer Geburtsstätte das Moor verlassen. Mehr kann ich euch nicht berichten“, sagte Jonathan abweisend. Keleia wollte sich mit dieser Auskunft nicht zufriedengeben, denn sie spürte, dass die Krähe etwas verheimlichte. Bevor Jonathan wieder davonflog, wandte er sich nochmals zu den beiden um. „Manchmal will jemand nicht gefunden werden. Als die Zwerge Theodora damals gesucht haben, musste ich ihr versprechen, ihren Aufenthaltsort niemanden zu verraten.“ „Warum denn nur? Alle wollten, dass Theodora wieder nach Hause kommt. Moritz, ihr Mann, leidet deswegen heute noch!“, hoffte die Prinzessin auf eine Antwort. „Ich habe mich so fürchterlich geschämt!“, hörte man die Stimme einer Kröte, die aus einem Wasserloch emporkletterte. „Ich nahm an, Moritz würde mir diesen Übermut niemals verzeihen. Dann verging ein Jahr ums andere und ich glaubte, dass er mich ganz und gar aus seinem Herzen verbannt hat“, erzählte Theodora sehr bedrückt. „Liebe Theodora! Wer aufrichtig liebt, verzeiht alles!“, erklärte Keleia der reumütigen Krötenfrau. „Die Sehnsucht nach meinem Moritz ist immer geblieben und ich habe jeden Tag an ihn gedacht. Liebe Prinzessin, kannst du mich bitte wieder nach Hause bringen?“, fragte Theodora beschämt. „Aber natürlich! Darum sind wir gekommen! Das wird die schönste Überraschung, die Moritz je erlebt hat!“, freuten sich die Elfenprinzessin und Luca. Die Tiere des Moores versammelten sich, um Theodora Lebewohl zu wünschen. „Wir freuen uns für dich, dass du wieder die Möglichkeit hast, ins Elfenland zu deinen Moritz zurückzukehren!“, hielt Jonathan seine Abschiedsrede. „Meine lieben Freunde! Ich danke euch von ganzem Herzen, dass ihr mich wohlbehütet in eure Mitte aufgenommen habt!“, bedankte sich die Krötenfrau bei den Tieren. Jonathans Augen füllten sich mit Tränen, denn er hatte Theodora sehr liebgewonnen. Der Abschied tat ihm weh und er sagte mit gebrochener Stimme: „Leb wohl, meine liebe Freundin!“ Er breitete seine mächtigen Flügel aus und flog davon, weil sein Herz zu sehr schmerzte. „Danke, Jonathan! Du hast mich immer vor allen Gefahren beschützt!“, rief Theodora der Nebelkrähe nach. „Also liebe Prinzessin! Ich bin bereit!“, sagte die Krötendame fest entschlossen. Keleia streute Zaubersand und im nächsten Augenblick waren die drei am heißgeliebten Teich im Elfenreich. In Kürze versammelten sich viele Schaulustige, die wissen wollten, wen die Prinzessin und Luca mitgebracht haben. Der alte Hase Ambrosius Lampelfell stellte seine Löffel auf und war fassungslos. „Da beiß‘ ich mir doch eines meiner Ohren ab. Unsere Theodora ist wieder da!“ Wie der Blitz verbreitete sich im Reich die Nachricht, dass die Langvermisste endlich wieder wohlbehalten zurückgekehrt war. Nur Moritz bekam von alledem überhaupt nichts mit, denn er schmollte hockend irgendwo im Schilf. Alfons, der tollpatschige Rabe fühlte sich bemüßigt, Moritz zu finden. „Na, seht mal!“, rief Luca aufgeregt. „Alfons hat es beim ersten Startversuch geschafft, wegzufliegen!“ „Ah! Endlich hat er kapiert, wie fliegen funktioniert!“, staunten alle und applaudierten dem kleinen Raben. Alfons überflog das Schilf und als er die traurige Kröte entdeckte, vergaß er natürlich vor lauter Aufregung wieder einmal, seine Flügel zu benutzen. Er landete glucksend und prustend im Wasser und schrie aus lautem Halse: „Hilfe! Hilfe! Ich ertrinke!“ Ein Schwarm Spatzen zogen den abgestürzten Tollpatsch aus dem Teich und setzten ihn am Ufer ab, wo er völlig entkräftend in der Wiese saß und sich das Nass vom Gefieder schüttelte. Wegen des Tumultes um Alfons bemerkte keiner, dass Moritz aus Sorge um den kleinen Raben angehüpft gekommen war und außer sich vor Glück seine verloren gegangene Frau entdeckte. „Meine Theodora ist wieder da!“ Die Kröten fielen sich in die Arme. „Verzeih mir!“, sagte Theodora schluchzend zu ihrem Mann. „Ich bin so glücklich, dass ich dich wieder bei mir habe!“, tröstete Moritz seine Frau und gab ihr einen dicken Kuss
Kapitel 10. Seit Luca an der Universität studierte, war er nur noch an den Wochenenden zu Hause bei seinen Eltern anzutreffen, zog sich aber immer sofort zurück und versank über seinen Lehrbüchern. Jeder Frage wich er aus und beim gemeinsamen Mahl stocherte er gedankenverloren in seinem Essen herum. Meistens entschuldigte er sich bei seinen Eltern mit der Begründung, keinen Appetit zu haben, und verschwand wieder in seinem Zimmer. „Was denkst du Uwe? Wird Luca das Studium zu anstrengend? Ich mache mir große Sorgen um unseren Sohn. Er weicht jedem Gespräch aus. Johann und Bruno besucht er auch nicht mehr. Hat er vielleicht mit dem alten Mann gestritten?“ Lucas Mutter schleuderte tausend Fragen durch die Luft. „Weißt du, was ich darüber denke! Unser Sohn hat Liebeskummer!“, war Uwes Meinung. „Liebeskummer? Na, ich weiß nicht! Dass wir davon nichts mitbekommen hätten, dass er ein Mädchen kennengelernt hat?“, fragte sich die Mutter nachdenklich. „Hast du deinen Eltern in dem Alter alles auf die Nase gebunden? Er wird sich schon an uns wenden, wenn gesprächsbedarf ist“, versuchte der Vater, die ewigen, bohrenden Fragen seiner Frau abzuwehren. „Vielleicht hast du recht! Ich sollte aufhören, mir Sorgen zu machen“, beruhigte sich Lucas Mutter, räumte den Tisch ab und begann, die Küche in Ordnung zu bringen. Uwe nahm die Zeitung zur Hand, um die Sportnachrichten durchzublättern. Aber er gab natürlich niemals zu, dass er sich genauso einen schweren Kopf wie seine Frau machte „Jetzt geht es unserer Keleia genauso, wie es mir ergangen ist. Liebeskummer macht traurig. Ich hätte ihr so gerne geholfen“, seufzte Moritz, als er sich mit Tipsy traf. „Zum Teich kommt sie auch nicht mehr.“ „Weißt du, was? Wir werden mit Alfons und Stupsi zum Schloss wandern und unsere Prinzessin besuchen. Das kann so nicht weitergehen. Wir müssen versuchen, sie auf andere Gedanken zu bringen“, beschloss die Libelle. Es dauerte nicht lange und die Bande stand am Schlosstor, um Einlass zu erbitten. „Ich werde hinauffliegen und nachsehen, ob sich Keleia in ihrem Prinzessinnenzimmer aufhält!“, erklärte Alfons, der kleine Rabe und startete Richtung Schlafzimmerfenster. „Oje! Was wird bei Alfons diesmal schiefgehen?“, lachten die Freunde und schon war es geschehen. Vor lauter Aufregung übersah der Tollpatsch das geschlossene Fenster, donnerte gegen die Scheibe und rutschte, sich noch mit seinen Rabenkrallen am Mauerwerk festhaftend, hinunter. Er landete auf seinem Vogelhintern und es entfloh Alfons nur noch ein enttäuschtes „Autsch“. Moritz und Tipsy kugelten am Boden vor lauter Lachen. Stupsi umkreiste bellend den kleinen Raben. Sina, die schon längst das Chaosquartett beobachtet hatte, öffnete das Schlosstor und schmunzelte. „Was ist denn da für ein Radau?“ Die Freunde stellten sich jetzt ganz artig in Reih und Glied vor der Zofe auf. „Wir machen uns große Sorgen um Keleia und haben uns gedacht, wenn wir sie besuchen, könnten wir sie auf andere Gedanken bringen. Wegen Luca und so …“, sprach Tipsy im Namen aller. „Ihr seid wahrhaft gute Freunde!“, lobte Sina. „Die Prinzessin ist in der Tat nicht mehr dieselbe, die sie einst war. Keleia verliert kein Wort mehr über Luca. Sie beschäftigt sich nur noch ausschließlich mit ihren Studien und hat mich ausdrücklich darum gebeten, von niemandem gestört zu werden. Es tut mir leid für euch, dass ihr umsonst gekommen seid.“ Die Freunde ließen traurig den Kopf hängen und nahmen enttäuscht Abschied von Sina. „Wartet!“, rief König Sigurd den Tieren nach. „Meine lieben Freunde! Ich möchte gerne, dass ihr mich zu Lumarin, dem alten Baumwesen, begleitet, um ihn zu befragen. Er lebt schon Hunderte von Jahren im Elfenreich und kann uns vielleicht Rat geben. Es muss doch eine Lösung für meine Tochter und Luca geben. Es kann so nicht weitergehen!“ „Es ist uns eine Ehre, eure Majestät!“, sagte Tipsy. Stupsi tanzte wieder aus lauter Freude auf seinen Hinterpfoten und japste aufgeregt. „Ich werde vorausfliegen, um uns anzukündigen!“, wollte sich Alfons, der kleine Tollpatsch, anbieten. „Ach du meine Güte! Nein!“, hielt Moritz den Raben zurück, um eine weitere Bruchlandung zu vermeiden. Der Elfenkönig hob seine Hand und im nächsten Augenblick waren er und die Tiere mitten im Wald vor dem Baum, in dem Lumarin wohnte. „Welch hoher Besuch!“, freute sich das Baumwesen und alles Blattwerk, Zweige und Äste schienen sich vor dem König zu verbeugen. „Mein werter alter Freund!“, sprach Sigurd und räusperte sich. „Ich nehme an, dir wurde schon zugetragen, welch Bürde Keleias Herz zu tragen hat. Ich weiß mir keinen Rat. Unsere Prinzessin leidet sehr und ich befürchte, dass sie der Liebe wegen die Regentschaft nicht annehmen wird.“ Lumarins Stirn verwandelte sich in tiefe Sorgenfalten, sodass sich die Rinde vom Baum abzulösen drohte. „Mein lieber König! Ihr wisst, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt die Krönung Prinzessin Keleias zur Herrscherin des Elfenreiches vollzogen werden muss, da sich sonst unser Reich im Nichts auflösen würde. So verlangt es das Gesetz. Es gibt nur eine Möglichkeit. Wenn Luca Keleia wirklich zutiefst und aufrichtig liebt und bereit wäre, an der Seite der neuen Königin als Prinzgemahl sein restliches Leben zu verbringen, dürfte er niemals mehr die Schwelle zur Menschenwelt überqueren, denn das hätte seinen Tod zufolge.“ Ein kalter Schauer durchfuhr den König. „Ach, könnten wir nur etwas tun!“, jammerten Tipsy und Moritz. Stupsi legte den Kopf auf seine Vorderpfoten und winselte traurig. „Das Gesetz sagt doch, menschliche Besuche sind jederzeit möglich. Wenn Luca sich dafür entscheiden würde, hier im Elfenreich bei unserer Prinzessin zu bleiben, könnte er doch seine Familie oder Freunde herbringen lassen!“, überlegte Alfons. „Das ist gut gedacht, mein kleiner Kamerad. Es müssten Menschen sein, denen man in jeder Weise vertrauen kann“, freute sich König Sigurd über diesen Vorschlag. „Nur eines bedenkt!“, fiel ihnen Lumarin, das Baumwesen ins Wort. „Auch wenn es sich um die vertrauensvollsten Menschen handeln würde, dürften diese nur einmal im Jahr für eine Stunde auf Besuch kommen. Das Fest Imbolc ist dafür vorgesehen, weil dieser Tag uns eine Stunde mehr Licht spendet.“ „Ich werde Johann einweihen und ihn darum bitten, mit Luca zu sprechen“, beschloss der Elfenkönig. Bei den Menschen war wieder ein strenger Winter eingekehrt und eine mächtige Schneedecke legte sich über das Land. Es wurde bitterkalt, aber sobald die Sonne sich zeigte, glitzerte der Schnee in den herrlichsten Regenbogenfarben. Auf allen Hügeln sausten Kinder, rotbäckig von der kalten Luft, mit ihren Schiern und Schlitten die Hänge hinunter. Johann zog sich seinen wärmsten Mantel an und setzte sich eine dicke Haube auf. „Komm, Bruno! Auf geht’s! Wir werden Luca einen Besuch abstatten“, sagte Johann zu dem Labrador, der zustimmend bellte und sich auf diesen Ausflug freute. Kaum öffnete der alte Mann die Haustüre, sprang Bruno vor Übermut in den nächsten Schneehaufen, wobei er vollständig zu versinken drohte. Er buddelte sich energisch aus dem kalten Weiß, schüttelte sich den Schnee aus dem Fell und hechelte vor Vergnügen. Luca saß über seinen Büchern, machte sich Notizen, aber seine Gedanken schweiften nur um Keleia. „Ach! Warum muss Liebe so wehtun“, stöhnte der junge Mann und sein Herz brannte vor Kummer. Der Labrador war schon vorausgelaufen und bellte vor Lucas Fenster wie verrückt. „Bruno!“ Seinen vierbeinigen Freund zu hören, half Luca, sich aus seinen Stimmungstief zu reißen. Er lief dem Hund entgegen. Bruno stieß ihn vor lauter Freude um, sodass die beiden am Boden landeten. „Aber Bruno! Luca wird doch ganz nass!“, lachte Johann. Luca befreite sich von der weißen Pracht und umarmte seinen alten Freund. „Sigurd schickt mich zu dir! Du wirst dir schon denken können, worum es geht.“ Luca nickte nur und sagte: „Ich hol mir nur was Warmes zum Anziehen. Die kalte Luft wird mir guttun und einen freien Kopf machen.“ Lucas Mutter beobachtete die zwei Männer vom Fenster aus, als sie weggingen. „Immer dieses Geheimnisvolle zwischen den beiden.“ Luca und Johann gingen eine lange Strecke am Bach entlang. Abwechselnd schossen sie einen Schneeball oder einen herumliegenden Zweig, den Bruno mit großer Begeisterung nachjagte und sich wie ein Irrer im Schnee wälzte. Die gespannte Stimmung fing sich allmählich an zu lockern. „Du liebst Keleia sehr, nicht wahr?“, begann Johann das Schweigen zu durchbrechen. Luca steckte seine Hände in die Hosentaschen, um der Kälte zu entfliehen, schaute dem Labrador zu, der irgendeine Fährte aufnahm und eifrig schnüffelte. „Habe es lange verdrängt, weil ich genau wusste, dass wir keine Zukunft haben. Dass es so wehtut, hätte ich nicht gedacht“, öffnete Luca sein Herz. „Es gäbe da eine Lösung, wenn es dir wirklich ernst ist und deine Liebe groß genug ist.“ Johann begann, wie Sigurd ihm aufgetragen hatte, Luca alles genau zu erklären. „Für immer im Elfenreich leben? Nie mehr nach Hause können? Wie soll ich das meinen Eltern beibringen?“ Luca schien völlig überfordert. Johann nahm seinen jungen Freund in den Arm. „Lass dir alles in Ruhe durch den Kopf gehen und hör darauf, was dir dein Herz zu sagen hat. Ich weiß, es wird eine schwere Entscheidung für dich werden. Ich bin immer für dich da.“ Der alte Mann verabschiedete sich und rief den Labrador an seine Seite. „Komm, Bruno!“ Luca schaute ihnen noch verzweifelt nach, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden waren, dann zog er seine Mütze tiefer ins Gesicht, schob den Schal bis zur Nase hoch und wanderte so lange, bis er eine Entscheidung für sich gefunden hatte. Es war schon stockdunkel, als Luca endlich nach Hause kam und seine Eltern beim Abendessen antraf. „Mama! Papa! Ich muss mit euch sprechen. Es ist sehr wichtig. Es wird sich in meinem oder besser gesagt in unserem Leben alles ändern. Komplett alles.“ Vater Uwe und die Mutter schauten sich verwundert an. Luca setzte sich zu seinen Eltern und fing an, seine ganze Geschichte zu erzählen. Während sich der junge Mann offenbarte, fielen Tausende von Sternschnuppen auf die Erde und im Elfenreich verfärbte sich der Himmel tiefrot. Keleia sprang auf, verließ ihre Gemächer, lief die Treppe hinunter und fiel ihrer Mutter in die Arme. „Ist es möglich! Ist es wirklich möglich?“ „Ja, mein Kind!“, sagte Königin Lanora und küsste ihre Tochter zärtlich auf die Stirn. König Sigurd stand am Balkon, als er den Himmel betrachtete und zufrieden lächelte. „Jetzt wird alles gut.“ Im gesamten Elfenreich brachen Zwerge, Gnome, Elfen, Kobolde und Tiere in Richtung
Schloss auf, um sich dort zu versammeln. Die königliche Familie trat auf die Terrasse und im Schlosshof war es so mucksmäuschenstill, dass man eine Tannenbaumnadel hätte fallen hören, so gespannt waren die Elfenreichbewohner auf die Verkündigung des Königs. Sigurd küsste mit Freudentränen in den Augen seinen Damen die Hände und wandte sich seinem Volk zu. „Es ist wunderbar, dass wir alle hier versammelt sind. In Kürze wird Keleia die Regentschaft unseres Landes übernehmen. Luca wird als Prinzgemahl an der Seite der neuen Königin sein Leben verbringen. Gott hat diese zwei Kinder zusammengeführt und die Wege geebnet, dies möglich zu machen.“ Der Elfenkönig hob seine Hand und im nächsten Augenblick stand Luca neben Keleia. Der zukünftige Prinzgemahl kniete sich vor seine Angebetete. „Meine liebste Keleia! Willst du meine Frau werden?“ Die Prinzessin zog ihn an sich und rief aus voller Überzeugung, sodass es das Volk hören konnte: „Ja! Ich will!“ Im Schlosshof umarmte jeder den Nächsten. Die Elfenreichbewohner jubelten, sangen und tanzten und sämtliche Zwergenhüte flogen in die Höhe. Severin Koboldus schnappte sich seine Isolde, gab ihr einen Schmatz, dass es nur so schnalzte. „Ich muss dir wieder einmal sagen, wie sehr ich dich liebe!“ Isolde wurde rot vor Verlegenheit und war entzückt. „Oh Severin, du alter Schwerenöter!“ Und so galt es, das schönste Fest aller Zeiten vorzubereiten. An diesem Ereignis nahmen nicht nur die Bewohner des Elfenreiches teil. Engel wurden gesandt, deren Flügel und Gewänder aus purem Gold überzogen waren. Weiße Einhornherden standen im ganzen Land Spalier, um der neuen Königin und dem Prinzgemahl ihre Ehre zu erweisen. Ein Feuerwerk schrieb in den buntesten Farben Keleia und Luca in den Himmel und Schwäne formierten sich am Teich zu einem großen Herz. Elfenmädchen, die einen Haarkranz aus Rosenblüten auf ihren Köpfchen trugen, hatten die Aufgabe, mit einem Zauberstab alles, was sie berührten, zum Glitzern und Funkeln zu bringen. Keleias Brautkleid bestand aus den edelsten Spitzen und war mit feinen, zierlichen Bergkristallen, die Silverius Goldzahn für die Prinzessin ausgewählt hat, besetzt. Vier junge kräftige Rothirsche, mit mächtigen Geweihen, zogen die Kutsche des Brautpaares und alle jubelten Keleia und Luca zu. König Sigurd und Königin Lanora ritten auf zwei Einhörnern hinter der Kutsche nach und winkten dem Volk zu. Ein Gnom führte die Ehrengäste zu ihren Plätzen. Moritz, Theodora, Tipsy und Lucylinde wurde der Platz neben Lucas Eltern zugewiesen. „Es ist uns eine große Freude, endlich die Familie des Prinzgemahles kennenzulernen. Gnädige Frau, wenn ich Ihnen sagen darf, Sie sehen allerliebst aus!“, begrüßte Moritz Lucas Eltern und verbeugte sich. „Uwe! Eine Kröte hat gerade mit uns gesprochen!“ „Na ja! An das müssen wir uns wohl gewöhnen“, sagte Vater Uwe und zuckte mit den Schultern. „Unser Sohn ist glücklich und das ist doch die Hauptsache!“ „Es kommt mir immer noch so vor, als befänden wir uns in einem Traum. Ich weiß, welch schwere Entscheidung es für Luca war, der Liebe wegen sein bisheriges Leben aufzugeben, aber er hat sein Glück gefunden und das erfreut mein Mutterherz.“ Uwe drückte seine Frau an sich. „Er wird geliebt und beschützt. Lass uns diesen Tag genießen, auch wenn wir nur einmal im Jahr hierherkommen dürfen.“ „Es gäbe da eine Möglichkeit!“, mischte sich Johann in das Gespräch der beiden ein. „Ich habe mich entschlossen, für immer im Elfenreich zu bleiben. Es hält mich nichts mehr bei den Menschen und Bruno hat hier seinen Freund Stupsi. Es macht mir nichts aus, nie mehr zurückkehren zu können.“ Die Augen von Lucas Mutter fingen an zu strahlen. Sie wandte sich ihrem Mann zu und sagte: „Uwe, was meinst du dazu?“ „Lanora! Isolde! Könnt ihr mal probieren, ob mein Eintopf ausreichend gewürzt ist?“, Lucas Mutter reichte den Frauen einen Löffel, die begeistert in das köstlich, riechende Gericht eintauchten. „Meine Liebe! Du machst mir den Rang streitig, die beste Köchin des Elfenreiches zu sein!“, schmunzelte Isolde Koboldus. „Das ist tatsächlich das Beste, was ich seit Langen gekostet habe!“, schwärmte auch die Königinmutter Lanora und bewaffnete sich mit zwei Topflappen, um einen Kuchen aus dem Ofen zu holen, denn die Vorbereitungen für das Frühlingsfest Ostara waren in vollem Gange. Und Vater Uwe? Der hatte seinen Traumberuf in der Tischlerwerkstatt Koboldus gefunden. Die Gesellen hatten große Freude mit ihm, da er ohne eine Leiter verwenden zu müssen, die oberen Arbeiten übernahm. Nach Feierabend baute er für sich und seine Frau ein kleines Häuschen in der Nähe des Teiches. Am Morgen brachte ihm eine Brieftaube die Elfenwaldpost, in der Uwe sehr interessiert am Frühstückstisch blätterte. Manchmal besuchte Johann mit Bruno das Paar und manchmal trafen sie sich beim Wurzeltisch am Teich, wo Sigurd einen frisch gekelterten Apfelwein ausschenkte. Ach ja, und wie könnte es anders sein! Die Krötenkinder hatten Spaß daran, die Libellenkinder mit Wasser anzuspritzen, die wiederum Frau Langbeins Spinnennetz aus Übermut und Raserei zerstörten. Die Spinnendame fing natürlich fürchterlich an, mit ihnen zu schimpfen: „Jetzt fängt das alles von vorne an mit euch Rowdys!“ Stupsi sprang wie immer, wenn er mit Severin und Isolde zum Teich kam, mit Karacho ins Wasser, sodass die Fischlein und Frösche in Deckung gingen. Alfons, der kleine tollpatschige Rabe, lernte nie richtig fliegen und wurde ständig aus den unmöglichsten Situationen gerettet. Alles nahm seinen gewohnten Gang im Elfenreich. Ein paar Jahre vergingen, als der Holzfäller Anton, der einst von den Zwergen gerettet wurde, im Wald Brennholz für den Winter fällte. Sein Sohn Vinzenz, der mittlerweile zu einem strammen Burschen herangewachsen war, ging seinem Vater fleißig zur Hand, als mit einem Male wunderschöne, leuchtende Gestalten die beiden umkreisten. „Papa, schau mal wie schön!“, rief der Junge entzückt. Ein kleines Mädchen saß auf einem Baumstumpf und lächelte die beiden an. „Guten Tag lieber Vinzenz, ich bin die Elfenprinzessin Viktoria!“
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