Gewalt in den Weltreligionen

Gewalt in den Weltreligionen
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Religionen waren von Anfang an mit Gewalt verbunden, das zeigt sich an der Rekonstruktion archaischer Opferrituale wie an den Ursprungsmythen der Völker. Erst allmählich konnte in der Entwicklung der Glaubensgemeinschaften die Vergöttlichung der Gewalt überwunden werden. Georg Baudler zeichnet diese Entwicklung nach und macht anhand zahlreicher historischer Beispiele deutlich, welche kulturellen und intellektuellen Voraussetzungen geschaffen werden mussten, um das Ideal des Friedens und der gewaltlosen Auseinandersetzung zu verbreiten. Er hat dabei westliche wie östliche Entwicklungslinien im Blick und arbeitet besonders heraus, wie in der so genannten ›Achsenzeit‹ (Karl Jaspers) religiöse Führergestalten wie Jesus und Buddha auftraten, die der Gewaltausübung und -feier andere Modelle gegenüberstellten. Dass aber damit die Tradition des Gewaltkultes noch nicht restlos gebrochen werden konnte, zeigen Beispiele, die bis in die Gegenwart reichen.

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Georg Baudler. Gewalt in den Weltreligionen

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

A. Der Ursprung: Gewalt als das Heilig-Göttliche

Zur Einführung: Religion als Reaktion auf Symbolerfahrung

Die Mutter-Kind-Beziehung

Der Raubtier-Gott

Die Nachahmung des Raubtiergottes

Sich Göttliches einverleiben

Der Rausch des Tötens

Die Jagd nach dem Sündenbock

Der Sündenbockmechanismus als Ursprung des Opferrituals

Initiation als Verwandlung zum Raubtier

Opfern als Gewalthandlung

Blutrache und Krieg

Egalitäre Gesellschaften

Versklavung

Das Wirken der gewaltfreien Gottessymbolik

Die Upanishaden und das vor-buddhistische Asketentum

Buddha und der „mittlere Weg“

Die Ethisierung der indo-iranischen Religion durch Zarathustra

II. Der geistige Aufbruch in China: Jen (Konfuzius) und Tao (Laotse)

Die ethische Durchdringung aller Lebensbereiche durch Konfuzius

Die mystische Durchdringung allen Seins und Lebens durch Laotse

III. Der geistige Aufbruch in Griechenland: Das höchste Eine und Gute

Die Kritik der griechischen Dramendichter an den gewaltverhafteten Göttern

Die Suche der griechischen Philosophen nach dem Göttlich-Guten

IV. Der geistige Aufbruch in Palästina: Von der El- zur Abba-Erfahrung

Die Ausgangssituation: El, der uralte Gott

Die Überwindung der El-Erfahrung durch die Jahwe-Erfahrung

Die Überwindung der Zwiegesichtigkeit Jahwes in der Anrufung und Erfahrung Gottes als Abba durch Jesus

C. Die heutigen fünf großen Weltreligionen

1. Der Hinduismus

Samsara und ahimsa – Grundbegriffe der indischen Gewaltfreiheit

Götterwelt und Lebenspraxis

Gewalt und Gewaltüberwindung in der Bhagavadgita

Gewaltloser Kampf? Zu Mahatma Gandhi

Gewaltlosigkeit und Gewalt im Theravada-Buddhismus

Gewalt und Gewaltüberwindung im sich ausbreitenden Buddhismus

Der Buddhismus in China und Japan

Der Buddhismus in Tibet

II. Die nahöstliche Tradition

Gewaltverhaftete Texte in der Hebräischen Bibel

Gewaltüberwindende Texte der Hebräischen Bibel

Die Lieder vom gewaltlos leidenden Gottesknecht

Die Friedensbotschaft des Rabbi Jesus

Gewalt und Gewaltfreiheit: Die Vermittlung

Die Passionsgeschichte als Ereignis radikaler Gewaltüberwindung

Der grundsätzliche Gewaltverzicht im frühen Christentum

Das Christentum im Römerreich: Der neue Einbruch der Gewalt

Die Blutspur: Inquisition, Hexenverfolgung, Kreuzzüge, Gewalt-Mission

Der Islam als die „Religion Abrahams“ und die darin liegende Gewaltüberwindung

Unterdrückung der Frau, Blutrache, Opfertötung, „Heiliger Krieg“: Die Profanisierung archaischer Gewalt

Der gewaltige Gott: Das im islamischen Gottesverständnis enthaltene Gewaltpotenzial

Islamische Selbstmordattentäter: Rückfall in archaische Gewaltreligiosität

4. Der biblische Monotheismus – eine Quelle von Intoleranz und Gewalt?

Zur postmodernen Infragestellung des biblischen Monotheismus

Zur Gewalt im christlichen und islamischen Monotheismus

Schlussbetrachtung: Gewalt und Wahrheit

Anmerkungen

Quellen

Monographien, Aufsätze, Artikel

Benützte Nachschlagewerke

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

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Georg Baudler

Gewalt in den Weltreligionen

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Gewiss legt sich dem Naturwissenschaftler eine solche Erklärung nahe. Doch auch sie hebt den aufgedeckten Widerspruch nicht wirklich auf. Denn auch die biologische Erklärung arbeitet mit einem Lebenstrieb, der sich durch die Tatsache der Sterblichkeit und des Todes nicht eindämmen lässt, sondern über beides hinausgreift. Die Frage, die über eine agnostisch-atheistische oder eine religiös-gläubige Lebenshaltung entscheidet, ist, ob ich bereit und fähig bin, eine symbolische Dimension in den Vorgängen und Dingen der Wirklichkeit wahrzunehmen und mit ihr umzugehen, oder ob mir diese Bereitschaft und Fähigkeit fehlt. Die Muttergottheit ist ja nichts anderes als das, was im todumgreifenden Symbol des Lebens zum Ausdruck kommt.

Tiefenpsychologisch geschulten Lesern mag der hier entwickelte Begriff der Muttergottheit zu einseitig positiv erscheinen. Denn tiefenpsychologisch gehört zum sogenannten „Archetypus“ der Mutter auch der verschlingende Aspekt, wie er in den Hexen der Märchen sowie in Göttinnen wie Kali, Gorgo oder Anat zum Ausdruck kommt. Doch in der tiefenpsychologischen Anthropologie wird die geschichtliche Entwicklung des Menschseins eingeebnet. Ein nur etwa drei- bis fünftausend Jahre zurückreichender Querschnitt durch die Menschheitsgeschichte liefert die Bausteine und Versatzstücke zu einer statischen Anthropologie, die für alle Völker aller Zeiten festgeschrieben wird. Doch was sind drei- bis fünftausend Jahre menschlicher Geschichte gegenüber den Jahrmillionen, in denen sich das Menschenwesen entwickelt hat? Unter den vielen gefundenen Frauenstatuetten der Jüngeren Altsteinzeit, räumlich verteilt von Nordsibirien über den Mittelmeerraum bis Südfrankreich und Nordspanien und zeitlich aus vielen Jahrtausenden stammend, findet sich keine Gorgo und keine Kali.17 Offenbar ist der negative Aspekt des Mütterlichen nicht ein weiblicher „Elementarcharakter“, wie dies E. Neumann in der Nachfolge C. G. Jungs konstruiert.18 Solche Gestaltungen sind vielmehr der symbolische Ausdruck jener geschichtlichen Erfahrungen, wie sie während einiger Jahrtausende besonders in matriarchal geprägten Gesellschaften durch eine Muttergottheit, die grausame Menschenopfer fordert, gemacht wurden.19

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