Träume der Ellen Stein
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Georg Hermann. Träume der Ellen Stein
Träume der Ellen Stein
Vorspruch
I. Die Tante
II. Johanna
III. Das Brautpaar
IV. Zukunftspläne
V. Erinnerungen
VI. Schlafe, was willst du mehr
VII. Die Brautfête
VIII. Die Schwester
IX. Protektion
X. Der Abschied
XI. Im Anwaltsbureau
XII. Eine Lappalie
XIII. Der Professor
XIV. Die letzte Bahn
XV. Das Laboratorium
XVI. Das Interview
XVII. Der Assistant
XVIII. Der Sohn
XIX. Zu neuen Ufern
Отрывок из книги
Georg Hermann
So also stand hier Aussage gegen Aussage ... und man begriff nicht, warum der Wirt, Herr Brenneisen, jedem, der es hören und nicht hören wollte, verkündete, dass er lieber ein einfaches Arbeiterhaus in der Müllerstrasse besässe, als drei solcher ruhigen und feinen Häuser mit Luxuswohnungen auf dem Kurfürstendamm; denn in der Müllerstrasse hätte man für seine Gutmütigkeit zwar auch keinen Dank, aber weniger Ärger. Was wiederum in mehrfacher Beziehung sich von der Wirklichkeit entfernte, denn das Haus lag gar nicht „auf“ dem Kurfürstendamm, sondern man konnte nur über drei Querstrassen weg von dem einen Eckfenster aus die kahlen Zweige der Rüstern des Kurfürstendamms in der staubgrauen Novemberluft noch gerade ahnen; und des Abends konnte man vom Kurfürstendamm her den Schimmer einer Lichtreklame konfettihaft in Dreissigsekundenpausen — wie das Warnungszeichen eines Leuchtturms — aufblitzen, schwinden und wieder aufblitzen sehen. Das war alles. Der Versuch nebenbei, den Besitzer der Elvirabar zu einem ähnlichen Dachfeuerwerk zu animieren (bei weitgehendem Entgegenkommen des Herrn Brenneisen für die Miete des Dachstuhls) war gescheitert oder doch vorerst als gescheitert zu betrachten.
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Ellen Stein fühlt, dass dieser Ausfall pariert ist, und es bleibt für sie keine Zeit mehr zu einem zweiten. Also abgeblasen! „Schön, Johanna, dann werden wir weiter zusammenbleiben, und hoffentlich“ — (wozu lügt man? denkt sie) — „hoffentlich noch recht lange. Aber das Gefühl, das Sie hier denken, dass ich Sie ausnütze, wäre mir uner ...“ Aber Ellen Stein sagte nicht mehr: unerträglich! — denn ihr letzter inspizierender Blick hatte auf dem Tisch vieles entdeckt, was ihr peinliches Missfallen erregte. „Aber haben Sie denn keinen englischen Jam mehr, Johanna?“ ruft sie empört und schnuffelt — ein Tschin, dem ein Bissen verdächtig vorkommt — an einem Kristallschälchen. „Man blamiert sich doch. Den deutschen kann man doch wirklich keinem Menschen vorsetzen! Und die Biskuits! Bringen Sie sofort die holländischen! Ebensogut hätte man auch ein Stück Pappe mit Zucker hinstellen können. Und Papierservietten! Das ist wirklich der Comble! Herrgott, wir sind doch hier immer noch bei Steins und immer noch nicht bei Peitel Topfflechter. — Nicht die grossen, die kleinen Damasttücher bitte!“
Johanna steht scheinbar wie begossen da. Aber sie notiert sich jedes Wort innerlich. „Gott für wen denn?“ sagt sie mehr für sich, während sie die Servietten kunstvoll wie kleine Miniaturschwäne zusammenfaltet, „mit dem Bräutjam kann man doch auch keine Bilder herausstecken, habe ich mir sagen lassen. Weest du Ellen, wenn ich so viel Geld hätte, wie Gretchen und ihr Mann, denn dürfte mir so einer überhaupt nicht über die Schwelle kommen. — Is er denn nu schon Arzt, oder will er erst eener werden? Des könnte für Ruth doch mindestens ein Professor sein.“ Johanna mischte geschickt ihren Ton von unverfälschter Biederkeit mit ihrem philosophischen, so geschickt, dass selbst Ellen Stein nicht ahnte, was dahinter sich verborgen hielt. „Nicht wahr, Ellen, mit Frau Professor, da kann man sich heutzutage überall sehen lassen. Aber: Frau Doktor! — des ist ja jetzt einfach jede. Siehste, wenn du eben nicht das Unglück jehabt hättest ...“
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