Ruanda
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Gerd Hankel. Ruanda
Inhalt
Zeittafel
Einleitung
Teil I
1. Der allgegenwärtige Völkermord und das normale Leben
1.1 Ferne Verbrechen und Formen des legitimen Umgangs damit
1.2 Die Wahrheit der Sieger, die Wahrheit der Besiegten und die Notwendigkeit einer Vereinbarkeit von beidem
2. Die Gacaca-Pilotverfahren und ihre Wahrnehmung in Ruanda
2.1 Zwischen Verheißung und Zumutung – Aspekte einer widersprüchlichen justiziellen Herausforderung
2.2 Völkermord, Massaker und andere Verbrechen – Begriffe und ihre Botschaften zur Benennung von Unrecht
Teil II
1. Ein Staat konstituiert sich unter schwierigen Bedingungen, aber nach vorgefasstem Plan
1.1 Das Selbstverständnis der neuen ruandischen Politik und die Frage nach seiner Berechtigung
1.2 Der Unterschied zwischen geschriebenem Recht und praktischer Politik oder der Verweis auf die afrikanische Form der Demokratie
2. Zehn Jahre danach – Erinnerung an den Völkermord und Aufbau eines neuen Feindbildes
2.1 Individuelles Leid und dessen öffentliche Anerkennung – über Inhalt und Grenzen von Betroffenheit und Gedenken
2.2 Schlimmste Verbrechen, viele Täter, eine Schutzmacht: von Abgründen in dieser und jener Richtung
Teil III
1. Die Gesellschaft bekommt Helden
2. Gacaca beginnt im ganzen Land. Die Hoffnungen der Täter und die Befürchtungen der Opfer
Exkurs: Was 1994 in Ruanda Täter zu Tätern machte und die Frage nach der Besonderheit der ausgeübten Gewalt
3. Die neue Politik nach außen. Vom Nutzen mächtiger Freunde
Exkurs: Was den Völkermord in Ruanda vom Holocaust unterscheidet
4. Die neue Politik nach innen. Effizienz, Effizienz, Effizienz
Teil IV
1. Siege (und Scheinsiege) in der Politik
Exkurs: Entwicklungspolitik in Ruanda – zwischen Anbiederung, Verständnis und Kritik
2. Siege (und Scheinsiege) im Recht – vom zweifelhaften Erfolg rechtsoffensiver Maßnahmen
3. Siege (und Scheinsiege) im Krieg – das überraschende Bündnis mit dem Kongo und dessen Folgen
Teil V
1. Gacaca – Ende und Ergebnis eines ambivalenten Unternehmens
2.Arusha – vom zweifelhaften Sinn einer gezügelten internationalen Strafjustiz
3. Die Gefährlichkeit oppositioneller Tätigkeiten innerhalb und außerhalb Ruandas
4. Die Lüge als politisches Prinzip? – Der Fall der Bewegung M 23 und seine grundsätzliche Bedeutung
Abschließende Bemerkungen, einschließlich eines Rückblicks auf die Jahre 2013 bis 2015 und einer Annäherung an die Frage: Wie viel Unrecht verträgt der Fortschritt?
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Fußnoten. Teil I Erste Eindrücke, ein kurzer Rückblick und beginnende Reflexionen über die Fragwürdigkeit von Begriffen (im Jahr 2002)
Teil II Eine neue Verfassung, erstmalige Präsidentschafts- und Parlamentswahlen und die Herausbildung eines Narrativs (in den Jahren 2003 und 2004)
Teil III Die Zeit der Konsolidierung (in den Jahren 2005–2007)
Teil IV Ein selbstbewusster Staat in Afrika (die Jahre 2008–2010)
Teil V Die langen Schatten der Vergangenheit und die fortdauernde Vereitelung ihrer Aufhellung (die Jahre 2011 und 2012)
Abschließende Bemerkungen, einschließlich eines Rückblicks auf die Jahre 2013 bis 2015 und einer Annäherung an die Frage: Wie viel Unrecht verträgt der Fortschritt?
Отрывок из книги
Gerd Hankel
Leben und Neuaufbau nach dem Völkermord
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Dass Ruanda, das 1994 nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats war, als einziges Mitglied dieses Gremiums gegen die Einsetzung des Ruanda-Tribunals stimmte, mutet vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung und etlicher inhaltsgleicher Erklärungen ruandischer Politiker in den Monaten zuvor befremdlich an. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Die Gegenstimme markierte jedenfalls einen deutlichen Missklang, der sich bis heute, mal mehr, mal weniger klar vernehmbar, durch das Verhältnis zwischen dem »Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda« und Ruanda selbst zieht. Das Tribunal sei nicht effizient genug, blind für die ruandische Geschichte und Kultur und unsensibel gegenüber den Überlebenden, lauten die Vorwürfe. Auch darauf wird noch zurückzukommen sein.
Ende August 1996 wurde vom ruandischen Übergangsparlament das erste Gesetz verabschiedet, das eine strafrechtliche Ahndung von Völkermordverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermöglichen sollte.63 In den gut zwei Jahren, die seit dem Völkermord vergangen waren, war mit Hochdruck an dem Wiederaufbau der Justiz gearbeitet, waren Staatsanwälte und Richter ausgebildet worden und hatten in Kigali Konferenzen stattgefunden, die internationales Wissen über den Umgang mit Massenverbrechen vermitteln wollten.64 Das Gesetz wies die Verfahren noch zu bildenden Sonderkammern bei den ordentlichen Gerichten und den Militärgerichten zu (Artikel 19). Die Tatverdächtigen wurden je nach Tatschwere in vier Kategorien eingeteilt, vom Organisator des Völkermords und Massenmörder über den einfachen Mörder und Schläger bis hinunter zum Plünderer (Artikel 2). Die Höchststrafe konnte auf Tod lauten, doch bestand generell die Möglichkeit, das Strafmaß durch ein frühes Geständnis erheblich zu mildern (Artikel 15 und 16), im günstigsten Fall sollte z. B. ein Mörder nur eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren erhalten. »Durch ein System, das geringere Strafen für geständige Verdächtige vorsah, sollte dazu beigetragen werden, die Wahrheit über das, was zwischen 1990 und 1994 geschehen war, herauszufinden«, meinte dazu Martin Ngoga, von Juli 2006 bis Oktober 2013 Generalstaatsanwalt von Ruanda, und im Hinblick auf die Kategorisierung der Täter fügte er hinzu »sie berücksichtigte den Umstand, dass zwar die Beteiligung der Bevölkerung am Völkermord sehr hoch gewesen war, doch nur eine kleine Zahl von Führern den Völkermord geplant und dazu aufgerufen hatte. Die Kategorisierung der Verdächtigen entsprach dem Grad ihrer Verantwortlichkeit für begangene Verbrechen.«65
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