Grundbegriffe der Ethik

Grundbegriffe der Ethik
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Gerhard Schweppenhäuser erläutert in verständlicher Sprache zentrale Fragen und Begriffe der Ethik. Ausgehend von der seit jeher bestehenden Grundspannung zwischen Freiheit und Determinismus, Autonomie und Fremdbestimmung, vermittelt er Sichtweisen und Antwortoptionen verschiedener ethischer Schulen von der Antike bis heute. Dabei orientiert er sich an zehn Problemfeldern: «Seiendes und Geltendes», «Praktische Vernunft», «Ethik und Politik», «Sollen, Pflicht», «Freiheit», «Autonomie», «Gerechtigkeit», «Menschenrechte und moralphilosophischer Universalismus», «Glück» und «Gutes, gelingendes oder stellvertretendes Leben». Eine vorzügliche Einführung in die großen ethischen Debatten – auch für Anfänger.
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Gerhard Schweppenhäuser. Grundbegriffe der Ethik

Grundbegriffe der Ethik

Inhalt

[9]1. Vorbemerkungen

[13]2. Seiendes und Geltendes. 2.1 Normen und Werte

2.1.1 Wertlehre

2.1.2 Werte-Lamento

2.2 Kontroverse Werte

2.3 Ethik und Moral

2.4 Doppelsinn von Reflexion

2.5 Empirische Ethik und der naturalistische Fehlschluss

2.6 Ethik und Moralphilosophie

[61]3. Praktische Vernunft

3.1 Begründbarkeit von Moral

3.2 Moralische Dilemmata

[78]4. Ethik und Politik

4.1 Entscheidungen, Mittel und Zwecke

4.2 Legalität und Moralität; Verantwortungs- und Gesinnungsethik

[89]5. Sollen, Pflicht

5.1 Pflichtethik

5.2 Kategorischer Imperativ

5.3 Moralische Krise

[111]6. Freiheit

6.1 Determinismus und Indeterminismus

6.2 Antinomie und Doppelstandpunkt

6.3 Willensfreiheit kontra Handlungsfreiheit

[140]6.4 Vermittlungen

6.5 Moralisches Koma und innere Freiheit

6.6 Neuronaler Determinismus kontra Willens- und Handlungsfreiheit

[167]7. Autonomie

7.1 Der Autonomiebegriff in der politischen Philosophie

[173]7.2 Moralische und sittliche Autonomie

7.3 Selbstbestimmung und Verantwortung im Zeichen des Transhumanismus

[189]7.3.1 »Übermensch« und »Überwindung« des Subjekts

[193]7.3.2 Gentechnologie

7.3.3 Digitalisierte Autonomie

[212]8. Gerechtigkeit. 8.1 Gesetz und Moral

8.2 Tausch und Macht

8.3 Fairness

8.4 Gerechte Kriege?

[257]9. Menschenrechte und moralphilosophischer Universalismus

9.1 Menschenwürde und Naturrecht

9.2 Die Ambivalenz des Universalismus

9.3 Intervention und Legitimation

9.4 Anerkennung der anderen

[285]10. Glück

[286]10.1 Wunschloses Unglück?

10.2 »… objektiv ein gar sehr zufälliges praktisches Prinzip«

[292]10.3 Lust

10.4 Negativer Glücksbegriff

[306]11. Gutes, gelingendes oder stellvertretendes Leben?

[315]Literaturhinweise

[330]Zum Autor

[331]Namenregister

[335]Sachregister

Fußnoten

Über dieses Buch

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

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Gerhard Schweppenhäuser

Moralisches Handeln, lehrte Kant, ist praktische Vernunft, freie Selbstbestimmung. Das Wesentliche »jeder Moral ist, dass sie ein langer Zwang ist«, schrieb Nietzsche (1886, 91). Wir haben es hier mit weit mehr zu tun als mit zwei inkompatiblen Paradigmen der philosophischen Tradition. Die beiden Aussagen widersprechen einander aufs entschiedenste, weil sie sehr präzise die gegensätzlichen Bestimmungen benennen, die in der Sache selbst liegen. Keine freie Selbstbestimmung ohne Selbstbeherrschung; kein Zwang ohne den Widerstand, den er hervorruft und aus dem sich Freiheit herausbilden kann.

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Schon Heinrich Rickert hat um die Wende zum 20. Jahrhundert versucht, den unauflösbaren Widersprüchen bzw. Aporien des Wertobjektivismus und gleichzeitig den Aporien seines Gegenstücks, des reinen Subjektivismus der Werte, zu entgehen. Für Rickert sind Werte zwar keine ontologischen Wesenheiten, aber mehr als bloß subjektiv-beliebige Setzungen. Alles Werten finde stets in kulturellen Zusammenhängen statt, und Kultur ist eine »wertbehaftete Wirklichkeit«. Die Wirklichkeit der Werte ist, so Rickert, eine geistige Wirklichkeit der Bewertung und der Anerkennung von Geltungsansprüchen, mit denen sich eine Kulturwissenschaft zu beschäftigen habe, die »Sinndeutung« betreibt (Rickert 1899, Prechtl 1999). Als Max Weber nach dem Ersten Weltkrieg die Frage nach dem »Wert« der Wissenschaft stellte, fragte er nach dem »Sinn«, den organisierte, fortschreitende Forschung für die Interessen der Menschheit hat, und er meinte damit einen »über das Technische hinausreichenden Sinn« (Weber 1919a, 20). Der Sinn moderner, arbeitsteiliger Wissenschaft sei nicht etwa die Prätention, dass man veraltete Fragen nach dem »›Sinn‹ der Welt« (24) beantworten könne. Weber bezeichnet den – nicht bloß instrumentellen – Sinn von Wissenschaft als Wert. Dies impliziert Folgendes: Die Bedeutung des entbehrungsreichen und gefahrvollen Prozesses der Naturbeherrschung durch Arbeit, Technik und Wissenschaft besteht darin, dass er der Menschheit etwas verheißen kann, für das sich Mühe, Hingabe und Opfer lohnen. Was ist »wissenswert« (26)? Wofür lohnt sich der geistige, physisch-zeitliche und finanzielle Aufwand methodisch [23]kontrollierter, logisch und technisch überprüfter Forschungsprozesse? Weber, der sich an dieser Stelle auf Nietzsche beruft, meinte nicht, dass Wissenschaft und Technik Glück zu versprechen hätten – aber doch immerhin die »Beherrschung des Lebens« (25), im gesellschaftlichen wie im naturhaften Sinne.

Die Klage über einen ›Werteverfall‹ gehört zum Markenkern rechtsgerichteten politischen Denkens. Eine sogenannte »Werteunion« beispielsweise, die sich 2017 innerhalb der CDU/CSU als Widerstandsgruppe gegen Bundeskanzlerin Merkel formiert hatte, bezeichnet sich selbst als »Zusammenschluss wertkonservativer und wirtschaftsliberaler Unionsmitglieder« (Werteunion 2020). Eines ihrer Hauptanliegen besteht im Kampf gegen die Zuwanderung von Fliehenden nach Europa. Zu den Anführern der »Werteunion« gehört Hans Georg Maaßen, der wegen seiner Nähe zur nationalistisch-völkischen Partei AfD 2018 als Chef des bundesdeutschen Geheimdienstes zurücktreten musste. In einer Zeit, da rassistische und antisemitische Attacken auf offener Straße in der Bundesrepublik immer häufiger und brutaler stattfinden, propagiert die »Werteunion« eine sogenannte ›europäisch-deutsche Leitkultur‹ und »warnt vor Gefahr von links« (Werteunion 2020).

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