Deutschlandglotzen
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Gerhard Stadelmaier. Deutschlandglotzen
Inhalt
Avantpropos
Der kleine rote Ball oder: Wer sitzt auf dem Königsthron?
Lage und Sprache der Nation oder: Treibt sie zu Paaren!
Wer guckt, wird beguckt oder: Die Gouvernantentanten im Stuhlkreis
Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Mops oder Pornotheker
Es gabat a Leich’ oder: Hier dürfen Familien Verbrecher jagen
Dazu haben sie die tiefen Blicke oder: Das Drama, zum Teufel, höret nimmer auf
Ich bin ein Komiker, holt mich hier raus! oder: Die beleidigten Hofnarren
Отрывок из книги
Reihe zu Klampen Essay
Herausgegeben von
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Sowohl der Königspudel in Frankreich als auch die Fürsorge-Leitwölfin und ihre Kanzlerwelpen in Deutschland traten in einem so seltenen wie denkwürdigen Moment auf: Als wirklich einmal die Welt und ihre Geschichte stillstand beziehungsweise stillzustehen schien. Als außer den täglich verkündeten Zahlen der an Covid-19 Erkrankten, Gestorbenen oder davon Genesenen nichts von dem wahrzunehmen war, was sonst immer ein dauernder, dahinstrudelnder Fluss an Meldungen von Katastrophen und Konflikten und Konferenzen und Problemen war. Ein Fluss, der auf einmal versiegt schien. Es schien, als hätte sich mit Hilfe und unter Anleitung eines verteufelt kleinen Virus, unseres kleinen roten Balls, die große unbekannte, unserer täglichen Aufmerksamkeit völlig abgewandte Rückseite der wahrnehmbaren Welt in den Vordergrund gedreht. Ohne aber ihr Geheimnis preiszugeben, also ohne Mittel und Wege zu zeigen, wie sie rasch durchforscht, bewältigt, entschlüsselt werden könnte. Was gerade von den drei Kanzlerwelpen sonst immer, wenn sie auf dem Bildschirm auftauchten, als sie noch nicht in zellophanverhüllte sterile Mikrophone sprachen und auch noch keine Nasen- und Mundschutzmasken trugen, in lässiger, aber doch jede Menge an Straffheit in Reserve versprechender Haltung vorgetragen wurde, nämlich dass sie »die Lage« oder auch »die Sache« oder »das Problem« wenn nicht im Griff, so doch im Kopf hätten, das fehlte ihnen jetzt völlig. Trotz oder gerade wegen aller Entschlossenheitsrhetorik.
Und wenn früher das Fernsehteam, das um sie herum war oder ihnen entgegenfilmte und den geeigneten Hintergrund für das Statement suchte, am besten eine holzgetäfelte Wand in einer Parteizentrale oder ein lichtes Treppenhaus oder auch nur die Rückwand der Bundespressekonferenz, wenn also das Fernsehen den jeweils zu Befragenden förmlich inszenierte, wie es ja alles, was es zeigt, in irgendeine Szene setzt, dann war es üblich, dass der zu Befragende oder auch nur der etwas besonders Wichtiges Sagenwollende zuerst mal gezeigt wurde, wie er eine Treppe herunter- oder einen lichtdurchfluteten Flur entlanggeht. Als sei er eben zu etwas ganz Unaufschiebbarem, Dringlichem, dem Fluss der Welt, wenn nicht der Geschichte, mindestens aber der Gegenwart Beförderndem unterwegs. Und als lasse er sich halt jetzt in Gottes Namen herab, um ganz rasch das dringende Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu befriedigen in Sachen Mindestlohn oder Brexit oder Klimawandel mitsamt entsprechenden Schulschwänz-Demonstrationen jeden Freitag oder Energiewende oder Rechtsterrorismus oder verkorkster Thüringer Ministerpräsidentenwahl oder rassistischen oder antisemitischen Amokschießereien mit neun Toten wie in Hanau oder zwei Toten wie in Halle – und hätte die Synagogentür dort nicht den Kugeln des Attentäters standgehalten, hätte es Dutzende von jüdischen Toten an diesem Tag gegeben.
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