Péter Nádas' Parallelgeschichten
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Группа авторов. Péter Nádas' Parallelgeschichten
Inhalt
Vorwort der Herausgeber. Zwischen Literatur und Reflexion
Péter Nádas’ Parallelgeschichten
Ein gescheitertes Schiff?
Die Frage, wer spricht
1. Standortbestimmungen
2. Quellen lesen
3. Geschichts-Bilder
4. Geschichten von unten
Revealing and Subversive Laughter in Péter Nádas’s Parallel Stories
Gneis
1. Körperfarbener Stein: Der Gneis als Metapher der Eigeninterpretation
2. Körper als (Bau)Steine
3. Körper als Erzähltechnik: Annäherungen mit Hilfe der korporalen Narratologie
Im Schnittpunkt der Horizonte
Multiperspektivität
1. Theoretischer Rahmen: Perspektivität und Perspektivismus
2. Narrative Strukturen und Verfahren in Péter Nádas’ Parallelgeschichten
3. Close Reading: Ein herrschaftliches Haus
4. Conclusio
Das Verhältnis zwischen Stimmen und der narrativen Struktur im Roman Parallelgeschichten von Péter Nádas
Damengeplauder am anderen Ufer
Nádas and Realism1
Sexualität und Körperlichkeit in Nádas’ Parallelgeschichten
Einleitung
Exkurs: Psychoanalyse in Ungarn
Psychoanalyse im Sozialismus
Psychoanalyse, Eros, Sexus
Nach Freud
Psychoanalyse, Tod, Horror
Abjektion und die Mütter
Die soziokulturelle Bedeutung der Abjektion
Die traumatischen Hintergründe und das Abjekt in den Parallelgeschichten
Sexualität und Bewusstsein
Die Psychoanalyse in den Parallelgeschichten. Die Position der Psychoanalytikerin, Irma Szemző
Der Erzähler und die Psychoanalyse
Einige Charaktere der Parallelgeschichten, psychoanalytisch revidiert. Professor Lehr
Ágost und Gyöngyvér
Kristóf
Kristóf und Abjektion
Die Chance in der Begegnung mit dem Abjekt
Zusammenfassung
… also mit ethischen Maßstäben komme ich nicht sehr weit. Ich muss die einzelnen Personen verstehen …
Fußnoten. Péter Nádas’ Parallelgeschichten
Ein gescheitertes Schiff?
1. Standortbestimmungen
2. Quellen lesen
3. Geschichts-Bilder
4. Geschichten von unten
Revealing and Subversive Laughter in Péter Nádas’s Parallel Stories
Gneis
1. Körperfarbener Stein: Der Gneis als Metapher der Eigeninterpretation
2. Körper als (Bau)Steine
3. Körper als Erzähltechnik: Annäherungen mit Hilfe der korporalen Narratologie
1. Theoretischer Rahmen: Perspektivität und Perspektivismus
2. Narrative Strukturen und Verfahren in Péter Nádas’ Parallelgeschichten
3. Close Reading: Ein herrschaftliches Haus
4. Conclusio
Das Verhältnis zwischen Stimmen und der narrativen Struktur im Roman Parallelgeschichten von Péter Nádas
Damengeplauder am anderen Ufer
Nádas and Realism
… also mit ethischen Maßstäben komme ich nicht sehr weit. Ich muss die einzelnen Personen verstehen …
Отрывок из книги
Wolfgang Müller-Funk / Gábor Schein
Péter Nádas’ Parallelgeschichten
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Seinem Roman stellt Péter Nádas ein Parmenides-Zitat über den Kreislauf der Geschichte voran. Es scheint also auch im Roman selbst darum zu gehen, dass dieser Kreislauf nicht durchbrochen werden kann: Carl Maria Döhring verübt aufs Neue das Familienverbrechen, und Ágost Lippay wiederholt die Involvierung seines Vaters in die Strukturen der Staatsgewalt. Das gilt insbesondere auch für die Frauenfiguren, denen zwar ein mehr oder weniger schillerndes Leben, wie das einer Balletttänzerin oder der Ehepartnerin von berühmten Wissenschaftlern, aber keine eigenständige Entwicklung zugebilligt wird. Es scheint aber im Roman auch eine andere Möglichkeit auf. So beim Kommissar Kienast, der an hereditärer Epilepsie leidend im Kindesalter in eine NS-Anstalt gesperrt wurde, aber als Polizist am Ende des Romans gerade unterwegs ist, das Verbrechen Carl Maria Döhrings, mit dem das Buch begonnen hat, aufzuklären. Kienast ist ein Beispiel dafür, dass man aus dem Kreislauf ausbrechen kann. Ein anderer Ausweg ist die Emigration, wie jene des Architekten Alajos Madzar. Wobei Emigration nicht als Scheitern, sondern eben als Chance angesehen werden muss – eine Interpretation, die in diktatorischen Regimen gern in Verruf gebracht wird.
Die Frage, um welche Geschichte es bei Nádas geht, lässt sich auch einschränken, indem man danach fragt, wie die Gesellschaftsschicht heißt, deren Geschichte hier entfaltet wird. Welcher Gesellschaftsschicht gehören die Figuren des Romans an? Es ist ohne Zweifel das Bürgertum, und zwar in der Vielschichtigkeit dieser Kategorie. Es sind Staatsbeamte, die gewillt sind, die Vorgaben der jeweils etablierten Politik zu exekutieren, es sind Staatsbürger, also Citoyens, die die politischen Weichenstellungen nicht nur passiv über sich ergehen lassen, sondern vielfach aktiv mitgestalten, motiviert durch die Hoffnung auf persönliche Karrieremöglichkeiten, und es sind auch Kulturbürger, die als Wissenschaftler „etwas voranbringen“ und ihre moralischen Wertvorstellungen verwirklicht sehen wollen. Sie verstehen sich als die Mehrheit, die daher ein demokratisches Recht habe, ihre Mehrheitsposition als politisch Bestimmendes durchzusetzen. Sie fühlen sich als diejenigen, deren Zeit nun gekommen ist. Daher werden die relevanten Kämpfe innerhalb der Gruppe selbst geführt. Sie sind genauso Täter wie Opfer, wobei durchaus auch der Fall vorstellbar ist, dass die Tat durch erlittenes Leid gerechtfertigt wird. Nádas’ Figuren repräsentieren das ungarische Bürgertum. Es sind ein Architekt, eine Psychoanalytikerin, ein Politiker, ein Wissenschaftler, ein Holzhändler, ein Schiffskapitän, ein Übersetzer und ihre jeweiligen Familienangehörigen. Das Bürgertum der Zwischenkriegszeit war nach 1945 zunächst Objekt stalinistischer Säuberungen und ab Ende der 1950er-Jahre Mitträger des Systems. Die kommunistischen Funktionäre stammten aus ihm oder wuchsen in es hinein. Das prägte die Schicht, und diese Schicht ist es, die in Nádas’ Buch seziert wird. Die Träger der Geschichte sind bei Nádas die Bürger. Und zwar, indem das Bürgertum eine spezifische – ungarische, mitteleuropäische – Bedeutung bekommt. Und diese Schicht kann auch bei Nádas nicht scheitern, weil sie sich im Kreislauf perpetuiert.
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