FILM-KONZEPTE 59 - Ulrich Seidl

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Описание книги

Ulrich Seidl (*1952) hat einen nahezu unvergleichlichen Stil, der bis zu seinem ersten Film «Einsvierzig» (1980) zurückreicht. In der Folgezeit drehte Seidl über zwei Dutzend Filme und wurde zu einem der provokantesten Filmemacher Österreichs.
Ulrich Seidl ist nicht nur ein scharfer Kritiker seiner Heimat. Das Werk des Regisseurs zeichnet sich vor allem durch eine einzigartige filmische Stilistik aus: Die meisten seiner Filme vermischen fiktionale Anteile und dokumentarische Techniken; unabhängig von ihrer vermeintlichen Künstlichkeit wirken die Filme realistisch und authentisch. Das bisweilen verstörende Verhalten der Protagonisten, das in Filmen wie «Hundstage», der 2001 den Großen Preis der Jury bei den Filmfestspielen von Venedig gewann, «Im Keller» (2014) oder «Safari» (2016) zum Ausdruck kommt, ermöglicht einen Blick in die dunkelsten Abgründe Österreichs und in die privaten Höllen der Menschen, die porträtiert werden.
Der Band gibt nicht nur eine Einführung in zentrale Aspekte des Seidl'schen Schaffens sowie der Rezeption seiner Filme, sondern befasst sich auch mit den Schlüsselelementen von Seidls Signatur als 'auteur': seiner Kritik an bürgerlichen Verhaltensnormen, seinem Interesse an fotoästhetischen Darstellungsweisen sowie seiner Bereitschaft, die Figuren in kuriosen bis hin zu peinlichen Situationen zu zeigen – alles um seiner Filme willen.

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Inhalt

Faction, Tableaus, Voyeurismus

I. Fragmentarische Blicke auf das Werk eines umstrittenen Regisseurs

II. Die Ästhetik der Seidl-Filme

III. Das scheinbar Dokumentarische und die Sozialkritik

IV. Kritik und Wertschätzung: Ulrich Seidl als auteur

Wirklichkeit und Interpretation in Ulrich Seidls BILDER EINER AUSSTELLUNG und DER BUSENFREUND. I. Zur Einordnung in Seidls Gesamtwerk

II. Die Welt der Kunstliebhaber

III. Rupniks Wahrnehmung der Welt

IV. Seidls Inszenierungstechniken

V. Die Konstruierbarkeit von Kunst und Wirklichkeit

Die Welt der Mode ist nicht schön

I. »(D)a geht nichts mehr.«

II. »Ich bin kein Hochzeitsfotograf.«

III. ›Durchblick‹ und Durchschaubarkeit oder: Ein Tauschgeschäft

Zum Fremdschämen

I. Die Novität des Fremdschämens

II. Das Private publik machen: JESUS, DU WEISST (2003)

III. Rigide Architekturen und soziale Praktiken: IMPORT EXPORT (2007)

IV. Körper in Fülle – PARADIES: HOFFNUNG (2013)

V. Aus der Mitte heraus

Real oder realistisch?

I. Sein und Schein

II. Seidls kontrollierte Bilder

III. Zu Objekten degradiert

IV. Die Umgestaltung der menschlichen Erfahrung

IV. Die Autorität des Filmemachers

Out of Austria

I. Von Kolonialismus zu Neokolonialismus

II. Tourismus

III. Lodges

IV. Jäger

V. Tiere

VI. Rassismus

Biografie

Filmografie

Autor*innen

FILM-KONZEPTE

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Corina Erk

Faction, Tableaus, Voyeurismus. Die Filme Ulrich Seidls – eine Werksichtung

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Charakteristisch für Seidls Filmbilder sind zudem Aufnahmen nahezu bewegungsloser Menschen, die zum Beispiel auf der Wohnzimmercouch sitzen, die wiederum in der Mitte des Raums steht. Häufig werden die Menschen auch am unteren Bildrand positioniert, wohingegen die mit großer Sorgfalt gestalteten Wände im Hintergrund die Blicke des Publikums auf sich ziehen. Auf diese Weise generiert die bewegungslose, statische Kamera starre, gerahmte Bilder, regelrechte Tableaus, die zum Markenzeichen des Regisseurs geworden sind und an die Fotografien von Diane Arbus erinnern.29 Diese Tableaus zeugen vom strengen Formwillen Seidls. Seine allenfalls um Atmo-Töne ergänzten reduzierten Bildeinstellungen erweisen sich als symmetrische, geometrisch geordnete Bildkompositionen mit genauer Kadrierung. Findet doch Figurenbewegung statt, dann bleibt immerhin die Kamera statisch. So arbeitet Seidl in seinem gesamten Werk letztlich immer wieder mit ähnlichen Darstellungsverfahren und Bildmotiven: »Seidl ist ein besessener Stilist, ja geradezu ein Geometer am Visuellen, der seine Bilder ausmisst und die Sujets mit einer Vorliebe für die Symmetrie arrangiert.«30

Seidls stilistisch kohärente, negativ gewendet mitunter zum Manierismus neigende Filmbilder erfahren auf diese Weise eine Ästhetisierung, die in starkem Kontrast zu den oft verstörenden und intimen Szenen steht, die sie zeigen. Dabei bezieht sich die gezeigte Intimität zum einen auf die dargestellten Innenräume, die einem Eindringen in die häuslichen Privaträume der Menschen gleichkommt; sie ist zum anderen aber auch eine Visualisierung der Intimität des Innenlebens der Menschen und ihrer seelischen Zustände. Seidls Figuren schauen aufgrund ihrer direkten Blicke in die Kamera zurück, sie blicken quasi das Publikum an und ermöglichen auf diese Weise Fragen nach Identitätsfindung und Momente der Selbstoffenbarung gleichermaßen. An das Lacan’sche Spiegelstadium erinnernd,31 arbeitet Seidl hier gleichsam mit einer Spiegelästhetik. Daneben lässt sich von einer gewissen religiösen Aufladung der Kamera sprechen: Sie wirkt wie ein Auge, in das die Beichtenden blicken. Beim Gezeigten handelt es sich zumeist um scheinbar arretierte Momente, in denen Zeit und Raum stillstehen, obwohl technisch gesehen das Filmbild natürlich weiterläuft. Aufgrund der seriellen Montage ähnlicher, mitunter schockierender Bilder hintereinander weg, sind Seidls Filme visuelle Zeugnisse der Alltagsmonotonie. Schwenks, die die Umgebung in den Blick nehmen, bevor sie die Figuren fokussieren, werden genutzt, um das jeweilige Soziotop zu studieren.

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