Zivilstand Musiker

Zivilstand Musiker
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Vor 100 Jahren gründete Alexander Schaichet das erste Schweizer Kammerorchester in Zürich. Der in Odessa geborene, hochbegabte Violinist war in Jena Musikprofessor gewesen. Er weilte 1914 ferienhalber in der Schweiz und konnte nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht mehr ausreisen. Unter "Zivilstand " notierte der Staatenlose damals im Formular der Fremdenpolizei: «Musiker». Er heiratete die ungarische Pianistin Irma Löwinger und machte in den folgenden Jahren auch in der Limmatstadt seinen Weg. Alexander Schaichet leitete das erste Kammerorchester der Schweiz von 1920 bis 1943 und prägte als Musikpädagoge Generationen von Musikerinnen und Musikern. Zum 100-jährigen Jubiläum würdigen sechs bekannte Autorinnen und Autoren Leben und Wirken von Alexander Schaichet und beleuchten die Geschichte des Kammerorchesters sowie die gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen in den 1920er-Jahren: Michael Eidenbenz, Esther Girsberger, Peter Hagmann, Verena Naegele, Dieter Ulrich und Christoph Wehrli. Mit einem Vorwort von Martin Vollenwyder.

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Группа авторов. Zivilstand Musiker

Inhalt

Aufbrüche und Reaktionen in der Nachkriegszeit – Schweiz und Kanton Zürich

Sehnsucht nach Harmonie

Einseitiger Patriotismus

Vom «sozialen Galopp»zum Bürgerblock

Schwache Basis für den Völkerbund

Von der Austerität zum Aufschwung der Stadt

Demografischer und sozialer Wandel

Etablierte Sozialdemokraten

Drastische Haushaltssanierung

Wohnungsbau für die «Gartenstadt»

Schritte zur Sozialversicherung

Expandierender Verkehr

Kämpfe um neue Freizeitkultur

Zentren des kulturellen Lebens

Juden aus Osteuropa – Anfeindungen und Karrieren

Ein Ort der Integration

Literatur

Gründung und Jahre des Aufbaus 1920 bis 1923

Das Kammerorchester und die Literaturbeschaffung

Die glücklichen Jahre des Aufschwungs mit zeitgenössischer Musik 1924–1927

Höhepunkte auch bei der Alten Musik

Basler Konkurrenz und grosse Zäsur 1927 bis 1933

Nach 1933 – Alte Musik und Schweizer Komponisten

Bartók und Burkhard

Wachsende Finanzprobleme, Weltkrieg und das Collegium Musicum

Das unaufhaltsame Ende 1940 bis 1943

Literatur

Elternlos in Odessa

Über Lemberg und Krakau nach Leipzig und Jena

Gestrandet in den Schweizer Bergen

Die erste Gründung – ein Kinderorchester

Beruflich und familiär etabliert

Selbstironische Theatralik

«Die Idee ist massgebend»

Die offizielle Schweiz – der fremde «Ostjude»

Hinwendung zur jüdischen Kultur

Gründung des Vereins zur Förderung jüdischer Kunst in der Schweiz

Kriegsbeginn, gefolgt von einem Kündigungsschreiben

Plötzliche Konkurrenz aus Basel

Neue berufliche Perspektive

Träger der bedeutendsten Zürcher Kulturehrung

«Alles, was da geigte, kam aus Schaichets Schule»

Die Zeit der Pioniere – Aufbruch in Zürich und Basel

Vom Emphatischen zum Musikantischen – das Kammerorchester nach 1945

Historisch informierte Praxis, ein Paradigmenwechsel

Neue Perspektiven seit den Jahren nach 1990

Literatur

Anmerkungen

Bildnachweis

Dank

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Sehr gerne habe ich zugesagt, für dieses Buch zu Ehren von Alexander Schaichet und seinem 1920 gegründeten ersten Kammerorchester der Schweiz das Vorwort zu schreiben. Es gab nämlich einen direkten Zusammenhang zwischen dem grossen Musiker und Pädagogen und meiner Familie: Mein Grossvater väterlicherseits war vor dem Ersten Weltkrieg in Warschau als junger Kapellmeister tätig gewesen und musste nach Ausbruch des Kriegs in die Schweiz zurückkehren. Als Musikdirektor im aargauischen Wohlen veranstaltete er mit dem Orchester Wohlen und dem gemischten Chor Harmonie ganze Saisonprogramme. Zum Auftakt der Saison 1924/25 hatte er als Solisten das Ehepaar Irma und Alexander Schaichet eingeladen!

Als Alexander Schaichet 1914 bei einem Ferienaufenthalt in der Schweiz vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht wurde und deshalb eine Rückkehr nach Jena nicht mehr möglich war, existierte das Tonhalle-Orchester als erstes Berufsorchester der Schweiz bereits seit 46 Jahren. Der aufgrund seiner grossen kulturellen Erfahrung in den verschiedensten Ländern und Funktionen tätig gewesene Musiker erkannte rasch, dass es neben dem grossen Orchester ein kleineres Ensemble mit anderer Ausrichtung brauchte. Dank seinem unermüdlichen Schaffen und seiner Überzeugungskraft erreichte er dieses Ziel.

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Die ersten Jahre nach Kriegsende waren recht bewegt. Auf den regionalen Streik im August 1919 reagierte der Stadtrat dem Personal gegenüber mit Massregelungen und Entlassungen.51 Arbeitsniederlegungen waren weiterhin nichts Aussergewöhnliches, blieben jedoch, wie etwa der dreimonatige Ausstand im Baugewerbe 1920, auf materielle Fragen und einzelne Branchen beschränkt. Der folgende Konjunktureinbruch traf die Stadt hart – von der Stimmung mag etwa die Erinnerung zeugen, dass Stadtrat Hermann Häberlin, der Versammlungen von Arbeitslosen besuchte, nachts zeitweise nur bewaffnet und in Begleitung eines Detektivs ausging.52

Die Stadt selbst war 1920 in eine akute Finanzkrise geraten. Die Massnahmen der letzten Kriegsjahre zur Versorgung der zahlreichen Bedürftigen und andere Faktoren hatten zu einem Defizit von vierzig Prozent der Einnahmen geführt, und die Grossbanken waren, möglicherweise auch aus politischen Gründen, ohne Garantie des Kantons zu keinen weiteren Krediten bereit. Die Stadt musste sich in den USA Geld zu einem Wucherzins leihen und sich unter kantonale Vormundschaft stellen, also namentlich die parlamentarischen Ausgabenbeschlüsse genehmigen lassen. Harte Sparmassnahmen, die Entlassung von mehreren hundert Arbeitern, Angestellten und Beamten sowie eine drastische Steuererhöhung führten zu einer baldigen Verbesserung, Mitte 1922 endete der «Garantievertrag» mit dem Kanton. Der wirtschaftliche Aufschwung verschaffte dann der Stadt wieder einigen Handlungsspielraum.

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