FILM-KONZEPTE 65 - Christian Petzold

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Es gebe die Maler, die Musiker und die Literaten unter den Filmemachern – er selbst sei natürlich ein Literat, sagte Christian Petzold einmal in einem Interview. Man erkennt einen typischen Petzold-Film an seiner Sachlichkeit. Es wird auf pompöse Effekte und kinematografische Spielereien verzichtet, stattdessen aber durch subtile Narration eine zweite Ebene eröffnet: die der emotionalen Abgründe, der unaufgearbeiteten Geschichte und Morde. Beispiele hierfür sind «Phoenix» (2014), «Transit» (2018) und die drei «Polizeiruf-110»-Filme (2015-2018). Die Liebe ist das Band, das unwahrscheinliche Wendungen stiftet, etwa in «Jerichow» (2008) und «Undine» (2020). Die Cinephilie Petzolds übersetzt sich in eine intellektuelle Reflexivität, die die Erwartungsspielräume des Publikums erweitert. Ganz fundamentale Themen wie das der Schuld werden so neu verhandelt, beispielsweise in «Wolfsburg» (2003). Petzold ist ein Filmemacher, der sensibel für Geschlechterrollen ist und der es vermag, Stereotype und Haltungen aufzubrechen, ohne zu provozieren. Die sechs Beiträge des Bandes widmen sich den bislang weniger erforschten Filmen und Themen, wie dem Einsatz der Musik, und folgen in exemplarischen Detailanalysen den Spuren der Filmgeschichte in seinen Arbeiten.

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Inhalt

Fragen, rätselhafte Ellipsen und filmische Enigmen

Von Malern, Musikern und Literaten

Motive und Narrative. Liebe in Zeiten der Umbrüche

Gespensterhaftigkeit

Geschundene Körper. Sexualität und Scham. Frau und Mann

Autofahrten

Modelle. Semiotische Dramaturgie

Cinephilie, Erinnerung, Geschichte als Gegenwart

Romantische Motive

Geräusche und Atmosphären. Immersive Sound, Ambience Sound und Musik

Zu diesem Band

Die Hörbarkeit des Transzendenten in den Filmen Christian Petzolds

Der filmische Raum

Die Musik und das Virtuelle

Die transzendierende Funktion des Geräuschs

Schuld in Christian Petzolds WOLFSBURG

I. Vorüberlegungen zum Begriff der Schuld

II. Philipp Gerbers Fall. Kausalitäten

III. Mediendifferenzen und Wahrnehmungsräume

IV. WOLFSBURG – ein Pluriversum von Schuld

V. Peripetie der Schuld. Die Liebe zwischen Philipp und Laura

VI. Existenzielle Auffassungsformen der Schuld: Wim Wenders’ EVERY THING WILL BE FINE (2015)

VII. Semiotische und malerische Räume

Der geschlechtsspezifische Raumsinn bei Christian Petzold

Der weibliche urbane Blick im Wandel

Geschlechtsspezifische Wahrnehmung des Raums: Wiederkehrende Cafés und das Gewicht der Pariser Politik und der Geschichte Berlins

Fazit: Die Rekonfiguration des Kapitals (der Städte) in Vardas Frühwerk und Petzolds Spätwerk

Die Untote in der Nachkriegslandschaft

Gespenster bei Christian Petzold

Zwischen Genrekino und Sozialstudie. Christian Petzold und Rainer Werner Fassbinder

PHOENIX und MARIA BRAUN

Nellys Reise ins Licht

Schlussbemerkung

Film als Resonanzraum

I. Das Konzept der Offenheit

II. Die Struktur der Fatalität

III. Die Ästhetik des Verismus – Barock und Romantik

IV. Das Visionäre

V. Fazit

Männliche Melodramen

I. Vom Polizeifilm zum männlichen Melodrama

II. TATORTE – generische Brüche oder Petzolds Ausgangslage anhand des Endes

III. KREISE – männliche Baupläne, weibliche Tücke, Formatkritik, Star-Kino

Biografie

Filmografie. Spielfilme

Kurzfilme

Autor*innen

FILM-KONZEPTE

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Andreas Becker Fragen, rätselhafte Ellipsen und filmische Enigmen. Zur Einführung

Iakovos Steinhauer Die Hörbarkeit des Transzendenten in den Filmen Christian Petzolds

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Ana: Doch!

Später auf der Party wird der Streit tatsächlich eskalieren, aber bereits hier zeigt Petzold, dass aus einer Vorahnung ein Konflikt entsteht. Letztlich ist die Scham davor, den Ansprüchen und Erwartungen der gesellschaftlichen Schicht nicht zu entsprechen, der Auslöser des Konflikts wie das Band, das Johannes und Sarah zusammenschweißt.20 Ana weiß nicht, wovor sich Johannes fremdschämt oder welches erwartete Verhalten sie nicht aufführen kann. Was Petzold hier zeigt, ist Responsivität bzw. sind responsive Konfliktfelder. Wie immer lässt sich Scham schwerlich diskursivieren. Die Romeo-und-Julia-Geschichte wirkt so glaubhaft, weil Petzold sich Zeit nimmt und den jungen Schauspielern vertraut. Die Körperlichkeit und das sinnliche Ausleben der Sexualität mit Ana (das vor allem in Hochhäuslers DREILEBEN-Folge kurz angedeutet wird) ist durch den Konflikt gegenüber der bürgerlichen Mittelschicht, aus der Johannes kommt, belegt. Die Montage deutet das in den Kussszenen an, indem sie den Bildraum spiegelbildlich zweiteilt, anstatt die identifikatorische Sicht einzunehmen.21

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