Das Buch der Wunder
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Hanna Lützen. Das Buch der Wunder
Hanna Lützen. Das Buch der Wunder. Aus dem Dänischen. von Christel Hildebrandt
Prolog
1. Ankunft
2. Wissen
3. Der Reliquienhändler
4. Der Fall
5. Das Brandzeichen
Epilog
Glossar. Allgemein über die Personen
Begriffe
Über das Buch
Ebook-Kolophon
Buchkolophon
Inhaltsverzeichnis
Guide
Отрывок из книги
Lindhardt & Ringhof
Eskil ist zu seinen erschütterndsten und furchterregendsten Erinnerungen vorgedrungen. Jetzt will er Herbert vom Kloster Esrom berichten. Sein ›eigenes‹ Kloster, das 1151 auf dem Boden errichtet wurde, den der dänische König Erik Lam durch königliches Privileg an Eskil übertragen ließ. Hierher reisten die Clairvauxmönche, um zu Eskils Männern zu stoßen und an dem Wiederaufbau eines verfallenen Benediktinerklosters mitzuwirken, welches etwas abseits von den Siedlungen und von befahrbaren Wegen lag. Die französischen Mönche wanderten durch Europa gen Norden und spürten, wie das Klima herber und die Menschen rauer wurden, je weiter die Reise sie führte. Sie erschauerten und dachten voller Sehnsucht an ihr Stammhaus in Clairvaux und baten Gott flehentlich um Kraft, damit sie ihre Arbeit bei diesem primitiven, schmutzigen Menschenschlag verrichten konnten, dessen Stimmen wie das Belfern wilder Tiere klang. Aber Eskil nahm die missmutigen Brüder freudig auf und nach kurzer Zeit stand ein fertiges Haus da mit frischen Rodungen für den Kräutergarten sowie Gräben, die bald zu einem neuen Brunnen und Bewässerungssystemen werden sollten. Die Lage im nördlichen Teil der Insel Seeland ermöglichte es Eskil, dem Ort weiter gewogen zu sein. Die Entfernung von Lund nach Esrom war unbedeutend und so konnte der Erzbischof sich jederzeit über den Stand seiner Stiftung unterrichten lassen. Häufig kam er den Zisterziensern zu Hilfe, wenn sich Probleme auftaten. Der Orden der Zisterzienser stand für Eskil an erster Stelle und jedes Mal, wenn er zu Besuch kam, nahm er sich die Zeit, die Annalen des Klosters durchzulesen.
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Ermutigt von der gefassten Miene des Alten, zögerte William nicht länger. »Du hast meine Gedanken erraten! Auch ich habe das Gefühl, dass Rus erwachen will und schon bald hier in Esrom sein Unwesen treiben wird. Wir haben ein Opferlamm unter unserem Dach, aber auch wir brauchen Schutz. Gottes Engel ist unsere eigene Stärke und unser Glauben. Der Engel lebt in uns und wir wollen das Böse nicht fürchten!«
Der kalte Wind ließ die beiden Männer nicht länger schaudern. Beide hatten sich daran erinnert, wie sie entdeckt hatten, was der Keller unter der Küche barg: William war nach dem Ende der Bauarbeiten nach Esrom gekommen. Er sollte den Platz von Abt Folmer einnehmen, der im ersten Jahr einer Krankheit erlegen war. Bei seiner ersten Inspektionsrunde war sein Blick auf eines der kleinen Lukenlöcher aus dem Kellergelass unter der Küche gefallen. Es war ein eiskalter Wintertag gewesen und niemand, der seine sieben Sinne beisammen hatte, würde sich in dem eisigen, nassen Keller aufhalten, der als einziger Raum von der Klosteranlage der Benediktiner noch geblieben war und zu nichts anderem als zur Aufbewahrung von Getreide und von Vorrat gedient hatte. Dennoch hatte sich für einen Moment ein Gesicht gezeigt. Ein weißes Gesicht mit schwarzen, ausdruckslosen Höhlen für Augen, Nase und Mund. Der Schädel war vorschriftsmäßig rasiert gewesen – mit einer Tonsur. Es war der Kopf eines Mönchs gewesen, der dort unten aufgetaucht war. William hatte mehrmals erschrocken geblinzelt und die Erscheinung war verschwunden. Erst später hatte er von der Legende von Rus erfahren. Sie lief wie ein Alpdruck zwischen den Brüdern hin und her und niemand wollte von der Geißel der Benediktiner berichten. Erst als Bruder Sigurd, der auch nach Esrom gekommen war, die ganze Geschichte erzählt hatte, war William sich seiner Sache sicher gewesen. Er hatte Rus’ hässliche Fratze aus dem dunklen Kellerloch hervorstarren sehen. Aber warum? Es hieß doch, Rus wäre schon vor langer Zeit verjagt worden. Warum war er jetzt zurückgekommen, nachdem ein neues Haus errichtet und ein neuer Abt eingeführt worden war? William sah sich selbst nicht als schwach an, ganz im Gegenteil, durch seine unerschütterliche Ruhe und seine Sicherheit bei der Beschlussfassung hatte er viel Respekt gewonnen. Und da Spekulationen eine entschiedene Vorgehensweise nur verhinderten, hatte William deshalb resolut dafür gesorgt, dass in der Küche über dem Kellerraum ein Exorzismus stattfand. Niemand wagte sich dort direkt hinunter und deshalb beschloss man, dass die Seance mit ein wenig Glück direkt über Rus’ Nest abgehalten werden konnte. Aber mittlerweile deutete einiges darauf hin, dass die Kraft der Austreibung durch die Bodenbretter abgeschwächt worden sein musste – Rus war nur in den Schlaf verbannt. Jetzt wachte er wieder auf, wenn sie Franz’ Traum richtig deuteten!
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