Отрывок из книги
Der Tag, an dem ich meine medizinische Karriere ernsthaft überdachte, war ein schöner Herbsttag. Buntes Laub fiel von den Bäumen, und die Temperatur kletterte einmal mehr über die Zwanzig-Grad-Marke. Eigentlich wäre es ein guter Tag gewesen. Ich jedoch saß heulend bei meiner Hausärztin und bat sie um eine Überweisung zur Magenspiegelung, zur Darmspiegelung, zur Mammographie und zum Röntgen der Lunge. Einer Ultraschalluntersuchung des Bauchraums gegenüber war ich auch nicht abgeneigt. Ich war davon überzeugt, an einer schrecklichen Tumorerkrankung zu leiden, mindestens weit fortgeschritten und definitiv unheilbar. Nebenbei bemerkt war ich gerade Mitte dreißig, was die Wahrscheinlichkeit einer Tumorerkrankung zwar nicht auf null setzte, aber doch nicht sehr wahrscheinlich machte.
»Ihr Job macht es Ihnen ja auch nicht wirklich leicht«, sagte meine Hausärztin mitfühlend. »Jemand, der eh schon eine leichte Neigung zur Hypochondrie hat, wird natürlich in der Palliativmedizin täglich mit neuen Triggerfaktoren konfrontiert. Da war es ja eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis Sie zusammenklappen.«
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»Das ist echt pervers. Wirklich. Ich verstehe nicht, warum man solche Patienten nicht einfach mal in Ruhe lässt.« Linda schüttelte den Kopf. »Umso wichtiger, dass du dich von der ganzen Sache distanzierst. Das kann nicht gut gehen. Glaub mir, ich habe es schon oft genug erlebt.«
Ich glaubte Linda, und ich war ja auch gewillt, Herrn Fischer ein wenig auf Abstand zu halten, was mir jedoch nicht sonderlich gut gelang, da er mich etwa zweimal in der Woche anrief; wahlweise, um sich bei mir über die inkompetenten Kollegen in der onkologischen Tagesklinik aufzuregen oder die professionelle Versorgung zu loben, die ihm dort widerfuhr. Ich wusste, dass es Zeit für ein klärendes Gespräch war. Herr Fischer musste sich entscheiden – SAPV oder Chemotherapie, beides gleichzeitig ging nicht. Nur … wie sagte ich das diesem Mann, dem nur noch wenig Zeit blieb, der sich an jeden noch so vagen Hoffnungsschimmer klammerte und sich nun auch an mich krallte wie ein Ertrinkender? Während ich so darüber nachdachte, klingelte das Telefon. Ein Blick auf das Display genügte, um zu wissen, wer der Anrufer war. Die Nummer kannte ich inzwischen auswendig.
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