Sie nannten ihn Roger

Sie nannten ihn Roger
Автор книги: id книги: 1925515     Оценка: 0.0     Голосов: 0     Отзывы, комментарии: 0 1316,92 руб.     (13,08$) Читать книгу Купить и скачать книгу Купить бумажную книгу Электронная книга Жанр: Языкознание Правообладатель и/или издательство: Bookwire Дата добавления в каталог КнигаЛит: ISBN: 9783990483893 Скачать фрагмент в формате   fb2   fb2.zip Возрастное ограничение: 0+ Оглавление Отрывок из книги

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Описание книги

Im Alter von einundzwanzig Jahren erfüllt sich Rüdiger Roderer seinen Kindheitsraum vom Fliegen. Er besucht eine Flugschule und erwirbt den Privatpilotenschein. Nach Erwerb des Berufspilotenschein fliegt er ein- und zweimotorige Propellerflugzeuge für Unternehmen innerhalb Europas. Manager und Prominente fliegt er mit Zwei- und dreistrahlige Exekutiv-Jets, nachdem er den Linienpilotenschein erworben hatte für Firmen in Europa, Afrika und Saudi-Arabien. Später als Boeing-Kapitän fliegt er schließlich für Arbeitgeber in Europa und Australien um die ganze Welt. Er erlebt dabei allerhand Kurioses, Lustiges, Anrührendes, aber auch Gefahrensituationen, die nicht immer einfach zu meistern waren.

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Hans Grabner. Sie nannten ihn Roger

Impressum

Bild 1, 3, 10, 11, 12, 14, 15 Grafik nach einem Foto von Markus Buttinger. Bild 2. Grafik nach einem Foto von Sigi Angerer. Bild 4. Grafik nach einem Foto von Chris Ianno. Bild 5 Grafik nach einem Foto von Jan Vanhulle. Bild 6, 9, Grafik nach einem Foto von Hans Grabner. Bild 7 Grafik nach einem Foto von Peter Leu. Bild 8 Grafik nach einem Bild von Aviationphotocompany. Bild 13 Grafik nach einem Foto von George Tsialtas. Bild 16 Grafik nach einem Foto von Tina Grabner. Bild 17 Grafik nach einem Foto von Cornelius Braun/The Flying Bulls

Kapitel 1. Privatpilot. Mit meiner damaligen Freundin Joanna saß ich, Rüdiger Roderer, eines Tages am Gipfel eines Zweitausenders. Ein Sportflugzeug flog eine lange Schleife um den Berg und entschwand bald darauf in der Ferne. Bücher über Flugzeuge und Piloten hatten mich schon immer fasziniert. Dass ich als Kind davon geträumt hatte, einmal Pilot zu werden, erzählte ich Joanna. Irgendwann musste ich meinen Traum wohl vergessen haben. Dazu sei es sicher noch nicht zu spät, meinte meine Begleiterin, eine Germanistikstudentin. Auch sie wollte Pilotin werden. Mit ihrem Cousin sollten wir uns unterhalten, schlug sie vor. Er war Segelflieger und könnte uns beraten. Als unsere Pläne im Freundeskreis bekannt wurden, wollte auch Franz, einer meiner Schulfreunde, mitmachen. Ein Treffen mit Vincent war bald arrangiert. Im Kaffee „Abendsonne“ erzählte Vincent wortreich von seiner Ausbildung zum Segelflieger und euphorisch über seine bisherigen Erfahrungen. Wie wir weiter vorgehen sollten, wusste er nicht wirklich. Er meinte, wir sollten uns an Herrn Oberhofer, den Obmann des Segelflugvereins, wenden. Herr Oberhofer, ein hemdsärmeliger, viel beschäftigter Mann, kannte sich aus. Auf meine Frage, ob ich eine Position als Pilot, Navigator oder Flugengineer anstreben sollte, antwortete der Segelflieger-Obmann: „Wenn du fliegen willst, musst du Kutscher werden.“ Die Entwicklung in den nächsten Jahren bestätigte, dass dies ein sehr weiser Rat war. Herr Oberhofer erklärte auch, dass wir ein sogenanntes „Medical“ benötigten, ausgestellt von einem Fliegerarzt. Erst danach könnten wir einen Flugschülerausweis beantragen und uns bei einer Flugschule bewerben. Er übergab uns noch die nötigen Adressen und wünschte uns viel Glück. Wir sagten: „Vielen Dank für die detaillierte Auskunft und auf Wiedersehen.“ Der erste Rückschlag erreichte Joanna, ihr Vater legte sein Veto ein und machte klar, dass Joannas Studienabschluss absolute Priorität hatte. Der nächste Schlag traf meinen Freund Franz, er bestand den Sehtest nicht. So schrumpfte das begeisterte Trio zu einem Einzelkämpfer, was ich sehr bedauerte. Trotz des Ausfalls meiner Freunde war ich entschlossen, in die Fliegerei einzusteigen. Schon im Frühjahr 1962 startete bei der Flugschule „FS-STMK“ am Flughafen Graz Tahlerhof ein Privatpiloten-Kurs. Zusammen mit sieben weiteren Kandidaten begann meine Ausbildung. Die Privatpiloten Lizenz (PPL) ist die Grundlage für jede höhere Lizenz. Nun ging es endlich los. An zwei Abenden pro Woche fanden die Theoriekurse statt und an den Wochenenden die praktische Flugausbildung. Es gab eine Menge zu lernen: Luftrecht, Meteorologie, Flugzeugkunde und Navigation. Als Schulflugzeug diente eine zweisitzige Cessna 150, angetrieben von einem 100 PS Continental O-200 Motor. Die Instrumentierung war dazumal noch sehr spartanisch und Funkgeräte waren in Schulflugzeugen noch nicht üblich. Die Fluginstrumente bestanden aus der Geschwindigkeitsanzeige, einem Höhenmesser und einem Variometer (für Steig- und Sinkraten). Hilfsmittel für die Navigation bestanden aus einer Borduhr und dem Magnetkompass. Zur Motorüberwachung diente ein Drehzahlmesser. Ansonsten gab es nur noch Volt und Amperemeter, die Tankanzeigen und einige Warnlampen

Während des Flugtrainings sitzt der Schüler auf der linken Seite, das ist bei Flächenflugzeugen der Platz des verantwortlichen Piloten. Auf der rechten Seite am Doppelsteuer überwacht der Fluglehrer seinen Trainee. Während der Theoriekurs planmäßig ablief, stellte sich die Durchführung des Flugtrainings eher problematisch dar. An mir lag es nicht, war ich doch bei den Ersten, die frei flogen. Das heißt, ich hatte bereits meinen ersten Alleinflug erfolgreich absolviert. Für jeden Flugschüler ist der erste eine Herausforderung. Der Fluglehrer überwacht diese Trainingsflüge vom Rand der Landebahn aus, meistens waren vier Maschinen gleichzeitig in der Platzrunde. Das Problem war das Wetter, das an einigen Wochenenden kein Flugtraining zuließ. Mitunter hatten auch die Fluglehrer keine Lust und spielten lieber Karten. Sie verwiesen auf Wind und Wetter und lehnten damit, berechtigt oder nicht, Trainingsflüge ab. Eine Beschwerde gegen diese Praxis schätzte ich als sinnlos ein. Kurzentschlossen kündigte ich meinen Job in Kapfenberg und mietete ein möbliertes Zimmer in Graz. Die 80 km von zu Hause zur Flugschule waren ohnehin sehr zeitaufwändig und auch mit meinem kleinen Renault 4CV auf die Dauer zu teuer. Schon bald fand ich eine Anstellung als Techniker in einer mittleren Maschinenfabrik. Somit stand ich auch während der Woche nach Dienstschluss für das Flugtraining zur Verfügung. Meinen Rückstand holte ich bald auf und zog mit meinen Mitstreitern gleich. Am Flughafen Graz (LOWG) ging es damals recht gemütlich zu. Für Flughäfen gelten sogenannten 4-Letter-Codes, LOWG für Graz, wobei die beiden ersten Buchstaben die Region angeben. Parallel zu diesen ICAO Codes gibt es auch noch die aus drei Buchstaben bestehenden IATA-Codes der Fluggesellschaften, für Graz GRZ. Die Graslandebahn der Motorflieger liegt östlich der Hauptstart-/Landebahn, die der Segelflieger westlich davon. Linienflugzeuge waren damals eher selten zu sehen. Wegen eines Flugschülers, der die Lichtsignale vom Kontrollturm, erst rotes Dauersignal dann noch mehrere rote Feuerwerkskörper, ignorierte, musste eine Douglas DC-4 mit 60 Passagieren an Bord ihren Landeanflug abbrechen. Erst nach einem weiteren Anflug konnte die Viermotorige landen. Mein Mitschüler hatte zwar die Lichtsignale gesehen, jedoch nicht erkannt. So weit waren wir mit unserer Theorieausbildung noch nicht. Unser Fluglehrer, ein älterer ruhiger Typ, brach darauf das Flugtraining ab. Erst wenn wir die Lichtsignale kennen würden, sagte er, wollte er das Training wieder aufnehmen. Mit meiner Flugausbildung kam ich gut voran, abgesehen von einer harten Landung, bei der das Flugzeug erst nach drei Bocksprüngen normal ausrollte. Schuld war eine zu hohe Landegeschwindigkeit und/oder eine zu hohe Sinkgeschwindigkeit. Nach den Platzrunden trainierten wir die Signallandungen. In 600 Metern Höhe reduzierte man die Motorleistung auf Leerlauf, nachher musste die Maschine in einem Bereich innerhalb von 100 Metern gelandet werden. Weiter zum Flugtraining gehörten die Links- und Rechtsspiralen sowie Schlepplandungen. Die Spirale startete in 1000 Metern Höhe auch ohne Motorleistung, nach drei 360-Grad-Drehungen gibt der Schüler kurz Gas, danach landet er wie bei der Signallandung. Bei der Schlepplandung mithilfe des Motors war das Limit 50 Meter. Die Alpeneinweisung ist normalerweise ein stressfreier Teil der Ausbildung. Von Graz flogen wir entlang der Schlechtwetter-Route (angenommen wurde eine Wolkenuntergrenze von 150 bis 300 m über Grund) nach Salzburg. Nach dem Start ging es westlich an Graz vorbei, danach entlang der Mur. Schon kurz nach Graz wird das Murtal verdammt eng und es wechselt dauernd die Richtung. Von wegen stressfrei, in 300 Metern über Grund, immer den Fluss im Visier, bis Sankt Michael. Nun Kurs Westnordwest zum Schoberpass. Da das Gelände anstieg und ich unter den angenommenen Wolken fliegen musste, verringerte sich die Flughöhe auf 150 Meter. Viel Platz war da nicht rechts und links der Flugbahn, nur steiler Bergwald. Weiter ging es entlang der Enns, jetzt problemlos nach Westen. Danach folgten wir der Salzach, die sich zwischen Hagen- und Tennengebirge nach Norden schlängelte. Ziemlich unwohl und klein fühlte ich mich inmitten dieser riesigen Felswände. Erst als wir die Starkstromleitung, die die Schlucht kreuzt, hinter uns hatten, fühlte ich mich wohler. Die letzte Teilstrecke nach Salzburg, der Anflug und die Landung, waren für mich dann fast schon Routine. Das „Grüne Dauersignal“, das „Landung frei“ bedeutete, bekamen wir in der Warteschleife vom Kontrollturm. Eine Funkausrüstung hatte diese Cessna 150 nicht. Schon bei der nur angenommenen Wetterlage war die Flugroute eine Herausforderung. Bei realem Schlechtwetter wollte ich sie so lieber nicht fliegen, vermutlich war das der Sinn dieser Demonstration. Nach dem Start in Salzburg flogen wir zuerst nach Norden. Nach einer Rechtskurve dann direkt, diesmal über die Berge, zurück nach Graz. Das war dann schon eher so, wie ich mir die Fliegerei vorstellte. Ende September war es so weit. Der Tag der Wahrheit, der Tag der Prüfung war gekommen. Eine aus sechs strengen Herren bestehende Prüfungskommission beurteilte die theoretischen und praktischen Kenntnisse der Anwärter. Am Vormittag die Theorie. Zuerst waren die Fragen schriftlich zu beantworten und anschließend auch noch mündlich. Nach meiner Beschreibung einer Kaltfront meinte der Prüfungskommissar sarkastisch, er hoffe, ich würde nie mit einer Kaltfront konfrontiert werden. Am Nachmittag folgte die praktische Prüfung. Die Kommission beurteilte in Landebahnnähe sitzend das Flugprogramm. Dabei war eine Signallandung, gefolgt von einer linken und einer rechten Spirale, jeweils gefolgt von einer Landung sowie einer Schlepplandung, vorzuführen. Der Flugschüler saß alleine in der Maschine und musste immer innerhalb eines Signalfeldes landen. „Geschafft“, dachte ich nach meinem Prüf-Flug und ich hatte recht. Für den Privatpilotenschein, ein hellbraunes Dokument mit Lichtbild, fehlten mir noch der Höhenflug und der sogenannte Dreiecksflug. Den Höhenflug konnte ich einige Tage nach der Prüfung erledigen. Beim Dreiecksflug musste der Alpenhauptkamm zweimal überflogen werden. Von Graz nach Klagenfurt, weiter nach Linz und zurück nach Graz verlief die geplante Strecke. Mittlerweilen war der Herbst ins Land gezogen, die Tage wurden kürzer und Nebel verhinderte immer wieder meinen Dreiecksflug. Die Regeln für Sichtflug (VFR) forderten unter anderem 8 km. Flugsicht an den Flughäfen. Meine Geduld wurde hart auf die Probe gestellt, erst im darauffolgenden Frühjahr konnte ich den Dreiecksflug endlich absolvieren. Problemlos kam ich nach Klagenfurt. Nach Linz wurde es am Pyhrn eng, gerade noch kam ich zwischen Passhöhe und Wolkenuntergrenze durch. Zurück nach Graz flog ich dann über den Wolken, nach Zeit und Kompass. Als ich endlich wieder die Erde zwischen den Wolken sichtete, drückte ich den Flieger hinunter. Zufrieden stellte ich fest, dass ich südöstlich der Stadt nicht weit vom Flughafen herausgekommen war. Damit hatte ich meine Ausbildung mit insgesamt 30 Stunden und 20 Minuten Flugzeit abgeschlossen. Schon kurz nach der Pilotenprüfung hatte ich meine Zelte in Graz abgebrochen und mich bei meinem ehemaligen Arbeitgeber wieder beworben. Bald darauf konnte ich auch meinen früheren Arbeitsplatz wieder einnehmen. Der Umzug nach Hause war für mich ein schwarzer Tag. Erst traf ich zufällig Joanna, die mir freudestrahlend von ihrer bevorstehenden Hochzeit mit Maurice erzählte. Den Franzosen kannte ich flüchtig und ich gratulierte ihr notgedrungen. Freunde wollten wir bleiben und blieben es auch, obschon wir uns nur selten sahen. Den ganzen Sommer hatte ich entweder bei der Arbeit oder am Flugplatz verbracht, fürs Privatleben blieb da keine Zeit. Auf der Heimfahrt stellte der Renault nach einem Motorschaden seinen Betrieb ein. Die Diagnose eines Mechaniker-Freundes fiel vernichtend aus. Der Wagen war ein Fall für den Schrotthändler. Ein Fahrrad ersetzte den 4CV, war sowieso gesünder, sportlicher und auch besser für die Umwelt. Das Klima war aber damals noch kein Thema. In Kapfenberg vom Anfang an dabei. Der Flugplatz Kapfenberg LOGK wurde 1963 eröffnet. Die Stadt sowie das in der Nähe befindliche Metallwerk hatten das Projekt verwirklicht. Die Start-/Landebahn 07–25 (in Richtung 070°–250°) ist 600 m lang. Das Hauptgebäude mit Büro, Schulraum und Restaurant sowie ein Hangar mit Werkstätte bildeten die Anlage. Später kamen noch ein Aufbau mit Hotelzimmern sowie ein weiterer Hangar und ein Kontrollturm dazu. Der Platz, die Heimat des „Fliegerclub OS“ („OS“ steht für Obersteiermark) war damals hochfrequentiert. Dem Club angeschlossen war eine Zivilluftfahrtschule. Heimisch waren auch einige Segelfliegerclubs aus der näheren Umgebung. Gemanagt wurden die Zivilluftfahrtschule und der Flugplatz von Herrn Roman Raschke, einem PPL-Lehrer. Er war ein korrekter, aber strenger Chef. Eher konziliant war sein Stellvertreter Herr Brandner, der Segelfluglehrer. Nach der Fertigstellung des Kontrollturmes vervollständigten zwei Gendarmen die Belegschaft. Die Flugzeugflotte bestand aus dem Flaggschiff Cessna 175, die mit Funk und Navigationshilfen ausgerüstet war, weiters aus einer Piper PA 18 Super-Cub und zwei Cessna 150, diese drei hatten keine Funkausrüstung. Für mich lief es ausgezeichnet, mein Arbeitgeber genehmigte mir flexiblere Arbeitszeiten. Damit war ich an Nachmittagen am Flugplatz verfügbar. Die Topographie rund um den Platz und die doch recht kurze Graspiste erforderten eine Platzeinweisung. Dem Chef persönlich musste ich mein Können anhand von drei Starts, Platzrunden und Landungen demonstrieren. Erst danach durfte ich Passagiere mitnehmen. Anfangs waren risikobereite Verwandte und Freunde meine Fluggäste. Später flog ich auch Leute, die noch nie geflogen waren oder ihre Heimat einmal von oben sehen wollten – diese übernahmen die Flugkosten. Der erste Dämpfer. Dass auch ein kleines Flugzeug wie die Cessna 150 kein Spielzeug ist, sollte ich alsbald erfahren. Zu einem Rundflug mit einem Passagier startete ich Richtung Osten. Anfangs schien alles normal, dann hatte ich das Gefühl, dass die Maschine nicht richtig beschleunigte. Erst zu spät realisierte ich, dass die Startbahn für einen Start diesmal nicht ausreichen würde. Voll in die Bremsen stieg ich und schaltete den Motor aus. Die Bremswirkung am noch nassen Gras war aber insuffizient (unzureichend). Das Ende der Startbahn kam schneller als erwartet. Nachdem wir eine Straße überrollt hatten, brachte ich den Flieger auf der angrenzenden Wiese endlich zum Stehen. Keine Ahnung hatte ich, weshalb die Maschine nicht wie sonst beschleunigt hatte. Dass ich aber den Start zu spät abgebrochen hatte, war mir klar. Zum Glück entstand kein Schaden am Flugzeug und verletzt wurde auch niemand. Nachdem wir mit vereinten Kräften die Cessna zurück zum Flugplatz geschoben hatten, inspizierte der Chef die Maschine aufs Genaueste. Er fand das Problem an der aktiven Vergaservorwärmung. Offensichtlich hatte ich diesen Status bei meinen Kontrollen übersehen und so musste ich eine (berechtigte) Standpauke vom Flugplatzleiter über mich ergehen lassen. Der Chef sprach von großem Glück, wäre ein Auto oder auch nur ein Fußgänger auf der Straße gewesen, hätte der Vorfall böse geendet. So weit hatte ich noch gar nicht gedacht, bei dem Gedanken daran wurde mir heiß und kalt zugleich. Die mir auferlegten drei Wochen Flugverbot schätzte ich als sehr milde ein. Meine freie Zeit verbrachte ich auch weiter am Flugplatz. Die Flugzeugtankstelle betreute ich und ich half auch beim Aus- und Ein-Hallen der Flugzeuge. Als ein Wiener für seine Übungsflüge eine Cessna 150 mietete, wurde ich ihm vom Chef als Ortskundiger zugeteilt. Da hob er auch das über mich verhängte Flugverbot wegen meines missglückten Starts wieder auf. Der Mann war gleich alt wie ich und machte einen sehr kompetenten Eindruck. Er erzählte, dass er im kommenden Jahr seine Berufspilotenausbildung plante. Die erforderlichen 200 Flugstunden wollte er gegen Ende des Jahres geloggt haben. Auf meine Frage: „Wie viele Jahre hast du denn für die 200 Stunden gebraucht?“, meinte er: „Knapp zwei Jahre.“ Beeindruckt fragte ich, wie er das denn geschafft hatte. Ich rechnete mit vier bis fünf Jahren. Er habe jede Gelegenheit, sofern das Wetter passte und er auch ein Flugzeug mieten konnte, genutzt, erklärte der Wiener. Dass seine Eltern es voll finanzierten, fügte er hinzu. Ein Flugzeug mit Spornrad. Die hauptsächlich zum Schleppen von Segelflugzeugen angekaufte Piper Super Cub mit 150 PS hatte ich im Fokus

Segelflieger zu schleppen bot eine gute Gelegenheit, um kostenlos Flugstunden zu sammeln. Stunden, die ich für meinen nächsten Karriereschritt Richtung Berufspilot brauchte. Zu meinem Glück nutzten außer den beiden Chefs mit ihren Flugschülern die Flugzeuge nur einige Auserwählte. Eine Spornradmaschine wie diese Piper erforderte eine abgeänderte Starttechnik, auch die Landungen wollten gelernt sein. Die Einweisung auf der Piper, bei der der Fluglehrer oder ein Passagier nicht neben, sondern hinter dem Piloten sitzt, übernahm Herr Brandner. Nach der Umschulung durfte ich nun auch Fluggäste mit der Piper befördern. Was allerdings eher selten der Fall war, da die Passagiere die Cessnas bevorzugten. Um Segelflieger in den Bergen zu schleppen, fehlte mir noch einiges an Erfahrung, meinten die Chefs. Zwei Tote und zweimal Totalschaden. Ein tödlicher Flugunfall bei schönstem Wetter über problemlosem Gelände. Es gab zwei Tote in einem komplett zerstörten Flugzeug. Wie konnte das passieren? Ein erfahrener Pilot stürzte bei bestem Flugwetter einfach ab. Das Ergebnis der Flugunfall-Untersuchung war unmissverständlich und unfassbar. Pilot und Passagier waren bereits vor dem Absturz an einer heimtückischen Kohlenmonoxydvergiftung gestorben. Die Heizung in dieser Flugzeugklasse funktioniert, indem man Frischluft über die Abgasrohre in die Kabine führt. Bei undichten Auspuffrohren führte das früher immer wieder zu schlimmen Problemen. Heute zeigen „Kohlenmonoxyd-Wächter“ diese Gefahren an. Einige Wochen später setzte eine Cessna 150 aus Wien kommend bei der Landung auf der Landebahn 07 sehr spät auf. Der Pilot versuchte durchzustarten. Es war bereits sein dritter Versuch und auch der misslang gründlich. Die Maschine stürzte aus zehn Metern Höhe auf die angrenzende Wiese. Als ich das am Rücken liegende Flugzeug erreichte, kroch der Passagier aus den Trümmern, gab mir seinen Fotoapparat und bat um ein Foto. Es war dies sein erster Flug, wie er sagte. Pilot und Passagier blieben gottlob unverletzt. Das Flugzeug war danach irreparabel, ein Totalschaden. Allgemeines Funktelefonisten-Zeugnis. Gegen Ende des Jahres reduzierte sich das Flugaufkommen aufgrund der Wetterlage. Die Flugschule nutzte die Zeit, um einen Kurs für das „Allgemeine Sprechfunkzeugnis“ zu veranstalten. Natürlich war auch ich unter den Kursteilnehmern. Das „AFZ“ berechtigt den Inhaber zum Funk-Telefonie-Dienst und zur Flugfunknavigation in englischer und deutscher Sprache. Die Berechtigung ist Voraussetzung für höhere Lizenzen und auch für Flüge ins Ausland. Einer der Kursteilnehmer vertrat eines Tages die Ansicht, dass „Roger“, die englische Version von Rüdiger, viel besser zu einem angehenden Berufspiloten passte. Das sahen auch die anderen Kursteilnehmer so. Roger statt Rüdiger, ich war nicht happy, aber letztendlich chancenlos, dieser Spitznamen sollte mich mein weiteres Berufsleben begleiten. Wie in Österreich üblich, musste die Gruppe der Schüler die “AFZ“ Prüfung vor einer Kommission ablegen und danach auch noch ihre Fertigkeiten während eines Prüfungsfluges nachweisen. Gut lief es beim Fliegen, weniger gut bei den Schönen. Ende März 1964 startete der Flugbetrieb wieder durch. Sowohl die Flugschule der Motorflieger als auch die der Segelflieger waren voll ausgelastet. Es gab viel zu tun, auch für mich. Immer wieder startete ich mit Flugbegeisterten zu Stadt- und Alpenrundflügen. Schon bald schätzten auch die Chefs meine Fähigkeiten als ausreichend für das Schleppen von Segelfliegern ein. Schulung und Prüfung verliefen erfolgreich und nach Eintrag der Berechtigung in den „PPL“ war ich einsatzbereit. Im Schnitt brachte mir ein Schleppflug zehn Minuten Flugzeit, bei zwanzig Starts immerhin gut drei Flugstunden. Rundflüge brachten im Schnitt etwa eine halbe Flugstunde, Alpenrundflüge bis zu drei Flugstunden. Zusätzlich erlaubte man mir eine Einweisung auf der Cessna 175, „dem Flaggschiff“, damit war ich einer der vier Auserwählten, die die 175 fliegen durften. Felix und Max, zwei Flugschüler, die auch eine Berufspiloten-Ausbildung anpeilten, kündigten an, dass sie mich schon bald abservieren würden. Gelassen konterte ich: „Da müsst ihr noch viel lernen.“ Das war der Startschuss für eine tolle Freundschaft mit viel Spaß. Während ich fliegerisch die Nase vorne hatte, lagen die Freunde bei den Stadtschönheiten voraus. Felix, ein sportlicher Typ, fuhr einen 1959er Austin Healey. Max, ein richtiger Frauentyp und Casanova, hatte ein 1960er Fiat Coupe Argentina. Punkten konnte ich nur mit dem von meinem Bruder geliehenen 1958er Alfa Romeo Giulietta. Ausgehen konnte ich mir höchstens zweimal pro Monat erlauben. Denn der Berufspilotenschein, die Verwirklichung meines Traumes, hatte für mich oberste Priorität. Allerdings gab es da auch eine bezaubernde Blondine, die ausgeführt werden wollte. Keine einfache Situation, wenn einem einerseits die Zeit und anderseits auch das Geld fehlt. Lange hielt diese Romanze leider nicht. Zu einem ihrer Arbeitskollegen hat die Schöne schon bald gewechselt. Dass mir innerhalb eines Jahres nun schon das zweite Topgirl den Rücken zeigte, gab mir dann doch zu denken. Selbstkritisch meinte ich, dass ein kurzer Anruf pro Woche, wenn überhaupt, und ein, zwei gemeinsame Abende im Monat wahrscheinlich nicht für eine Beziehung reichten. Aber mehr Zeit hatte ich, wollte ich mein Ziel erreichen, eben nicht. „Noch nicht“, wie ich mich selbst tröstete. Wieder einmal Glück gehabt. Die vor jedem Flug obligatorische Vorflugkontrolle beinhaltet auch einen Rundgang um das Flugzeug. Bei einer aktuellen Außenkontrolle stellte mein Passagier viele Fragen. Die noch am Bugrad befindliche Schleppgabel übersah ich, mit dieser startete ich zu einem Rundflug. Die Gabel dient zum Rangieren des Flugzeugs am Boden. Der diensthabende Gendarm (Polizist) am Tower sah es und folgte mir mit einem zweiten Flieger. Er kam nah heran und zeigte eine Schleppgabel. Augenblicklich war mir klar, dass die Gabel, eingeklinkt und auf der Bugradverkleidung liegend, nur wenige Zentimeter unter dem drehenden Propeller lag. So ruhig als möglich flog ich zurück zum Platz. Den Motor stellte ich noch vor der Landung ab und landete mit stehendem Propeller. Der Gendarm hatte durch seinen Einsatz einen teuren Schaden vermieden und mir eine Menge Ärger erspart. Zum Dienst am Kontrollturm waren damals nur Beamte mit PPL zugelassen. Zu meinem Glück waren die Chefs abwesend. Erwähnen müssen wir den Zwischenfall nicht, meinte mein Retter, das sah ich natürlich auch so. In Manchester. Das Jahr ging zu Ende und ich organisierte einen Englandurlaub, um meine Englischkenntnisse zu verbessern. Aus Kostengründen wohnte ich bei entfernten Verwandten. Jeannie, eine hübsche achtzehnjährige Lady aus der Nachbarschaft, unterstützte mich bei meinem Sprachstudium. Die sechs Wochen gingen schnell vorbei und ein wenig wehmütig trat ich die Heimreise an. Der abgesprochene Briefwechsel in Englisch scheiterte. Nach nicht wirklich gelungenen Versuchen gab ich das Vorhaben auf. Mit der Cessna 172 nach Spanien

Kapitel 2. Propellerflugzeuge „Alpenflug“ war ein Rundflugunternehmen am Flughafen Wien Schwechat. Der Manager Rudi war ein typischer Playboy. Er verkaufte die Tickets und brachte die Passagiere zu unseren Flugzeugen. Die Flotte bestand aus einer Piper Cherokee Six mit sieben Sitzen und einer sechssitzigen Cessna 206. Nach einer kurzen Einweisung auf den einmotorigen Maschinen war ich einsatzbereit. Mit Instrumentenflugberechtigung und den Gewichtsklassen B/C war ich für diesen Job eigentlich überqualifiziert. Meine Aufgaben waren primär Stadt- und Alpenrundflüge. Im Grunde tat ich dasselbe wie bisher in Kapfenberg, wurde aber immerhin dafür bezahlt. An den Wochenenden vervollständigte ein Teilzeitpilot die Belegschaft. Abwechslung boten einige Frachtflüge (meist Zeitungen), aber auch der eine oder andere Geschäftsflug. Die weiteste Tour ging in die Schweiz, nach Genf, mit einem Passagier. Während des Rückfluges nach Wien verschlechterte sich das Wetter rasch. Schon kurz nach Lausanne verlangten tiefliegende Wolken eine Strategieänderung. Ein IFR Flugplan (Plan für Instrumentenflug) wäre eine Möglichkeit gewesen. Diese Idee verwarf ich. In Linz war ich einmal über den Wolken angekommen und bin nach einen NDB Approach (Instrumentenanflug) gelandet. Die Cessna 172 war für IFR nicht zugelassen, das wusste die Flugsicherung und der verantwortliche Kontroller zeigte mich an, weswegen ich vom Luftfahrtbundesamt verwarnt wurde. Auch die Piper war nur für Sichtflug zugelassen, also versuchte ich es über den Wolken. Schlussendlich musste ich auf 18.500 Fuß (5.600 m) steigen, um über der Bewölkung zu bleiben, was die 300 PS starke Maschine problemlos schaffte, aber ohne Sauerstoffausrüstung war diese Höhe schon brenzlig. Als nach zwei Flugstunden endlich die Bewölkung einen Sinkflug zuließ, fiel mir ein Stein vom Herzen. Eines Tages, nach einem Alpenrundflug mit einer Dame und zwei Herren, steckte mir die Passagierin, eine schöne Argentinierin, heimlich ihre Telefonnummer zu. Mit der eleganten Lady verabredete ich mich auf einen Kaffee. Carmen war Anfang zwanzig, eine zierliche Grazie mit dunkelbraunen Haaren und schönen, ausdrucksstarken Augen. Sie war charmant und erzählte von Argentinien und von Buenos Aires, ihrer Heimatstadt. Als ich mich verabschiedete, fragte sie noch, ob ich sie in einen Club begleiten wollte. Am nächsten Samstag gäbe es eine tolle Party. Es war ein elitärer Club und ich offensichtlich „underdressed“, was aber keinen störte. Zu fortgeschrittener Stunde sah ich der Rechnung besorgt entgegen. Diese war aber bereits beglichen, als ich sie bezahlen wollte. Vermutlich hatte Carmens Vaters, ein hoher Botschaftsangehöriger, die Kosten übernommen. Ihr Vater hat sich auch mit mir unterhalten. Er erzählte, dass in Südamerika Piloten gesucht würden. Von einzigartigen Aufstiegschancen sprach er. Irgendwie sah ich, gerechtfertigt oder nicht, in Carmen einen Lockvogel. Mit Argentinien, dazumal eine Militärdiktatur, hatte ich nichts am Hut. Bedauerlich, aber damit war diese Liaison schon wieder zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Mit dem Oktober endete auch mein Saisonvertrag. Es war eine schöne Zeit in Wien, ich denke gerne daran zurück. Mit der Cessna 320 überfordert. In Stuttgart bei der Firma IHS (Industrie-Heizung-Systeme) hatte ich einen adäquaten Arbeitsplatz gefunden. Die Firma gehörte Herrn Rechter, der sie auch führte. Er kam aus der Schweiz, war so um die vierzig Jahre alt. Ein seriöser Mann, über 1,80 m groß, mit sonorer Stimme. Als Pilot für das firmeneigene Flugzeug hatte er mich eingestellt. Eine kleine möblierte Wohnung konnte ich sofort beziehen, ich war begeistert

Die mit zwei 260 PS Motoren angetriebene Cessna war für einen Piloten und maximal fünf Passagiere zugelassen. Die Maschine hatte eine Enteisungsanlage und war auch für Instrumentenflüge zugelassen. Um die Cessna legal zu fliegen, fehlte mir noch die Typenberechtigung. Bei der Umschulung stellte mein Fluglehrer erhebliche technische Mängel an dem Flieger fest. Er erstellte eine Fehlerliste und forderte die Behebung der Beanstandungen vor der weiteren Umschulung ein. Nachdem ich keinen willigen lizenzierten Piloten fand, flog ich die Maschine selbst nach Nürnberg in die Werft. Auch wenn ich noch keine Berechtigung dafür hatte. Als die wesentlichen Defekte repariert waren, pilotierte ich den Flieger zurück nach Stuttgart. Nun konnte ich das Flugtraining fortsetzen und mit dem Checkflug abschließen. Nach dem Eintrag in meine Lizenz konnte ich diese Cessna legal fliegen. Für Flugzeuge über 2.000 kg Abfluggewicht war in der BRD damals eine Typenberechtigung erforderlich. Allein als Anfänger die C-320 ohne Autopiloten zu fliegen, war keine leichte Aufgabe. Ungefähr zwei Wochen später, nach einigen ereignislosen Flügen, folgte ein höchst lehrreicher. Am späten Nachmittag sollte ich Ersatzteile nach Nürnberg fliegen und anschließend leer zurückkommen. Der Hinflug erfolgte ohne besondere Vorkommnisse. Im Restaurant traf ich meinen Freund Ernst, den kannte ich seit meiner Ausbildung bei Aviation Training. Ernst hatte eine Maschine in die Werft geflogen und wollte zurück nach Stuttgart. „Du kannst als Co-Pilot mit mir zurückfliegen“, offerierte ich ihm. Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Als wir das Flugplatz-Restaurant verließen, war Nebel eingefallen, es wurde auch schon dunkel. Bei Nacht und dichtem Nebel rollten wir zur Startbahn. Dabei stellten wir den Ausfall des rechten Generators fest, was uns nicht besonders störte. Beide waren wir bisher primär einmotorige Maschinen, die generell nur mit einem Generator ausgerüstet waren, geflogen. Nach dem Start in einer Rechtskurve fiel teilweise auch noch die Instrumenten-Beleuchtung aus. Es wurde ziemlich dunkel und gleich darauf sehr laut in der Maschine. Die Luftgeräusche übertönten schon die Motoren. Durch den Lichtausfall abgelenkt, hatte ich die Kontrolle verloren. Der künstliche Horizont war kaum zu sehen. Trotzdem gelang es mir, die Maschine zurück in eine etwa waagrechte Position zu drehen. Danach zog ich die Nase des Fliegers übermäßig nach oben. Als die Lautstärke und Fahrtanzeige rapid abnahmen, stiegen wir fast senkrecht aus dem Nebel in eine Vollmondnacht. Rasch drückte ich die Nase wieder nach unten, was sicherlich einen Absturz verhinderte, wodurch wir aber zurück in den Nebel stürzten. Irgendwie, wie genau wussten wir beide nicht, brachte ich die Cessna dann doch noch unter meine Kontrolle und auch aus dem Nebel heraus. Danach setzten wir Kurs nach Stuttgart. Der Kontrollturm: „D-IBER (das Kennzeichen der Cessna 320), zum dritten Mal, was ist Ihre Flughöhe, haben Sie Probleme?“ Ernst: „Flugfläche 100, (etwa 3.000 m). Ja, wir hatten Probleme mit unserer Funkanlage.“ Dass die Hauptfunkanlage ausgefallen wäre, erzählte Ernst der Flugsicherung. „Nun nutzen wir das zweite (Reserve-) Funkgerät, das arbeitet fehlerfrei.“ Mittlerweile war der Puls bei Ernst und auch bei mir wieder im normalen Bereich. Nach der Landung in Stuttgart feierten wir mit einigen Bieren das glückliche Ende der Beinahe-Katastrophe in der Flughafenkantine. Die in einer Baracke untergebrachte Gaststätte hieß bei den Flughafenmitarbeitern „Zum schmutzigen Löffel“. Dass wir den Flug nur mit viel Glück überlebt hatten, bezweifelte keiner von uns. Wir waren uns auch einig, dass zumindest bei Nachtflügen beide Generatoren funktionieren sollten. Schließlich vereinbarten wir noch Stillschweigen, ansonsten wäre die noch nicht vorhandene Reputation auch noch beim Teufel gewesen. Nach der Reparatur des Generators erhielt ich meinen nächsten Flugauftrag. An einem Nachmittag sollte ich nach Mannheim fliegen und von dort am darauffolgenden Tag mit Ersatzteilen weiter nach Luton in England. Eine Hochnebeldecke über Mannheim ließ einen direkten Anflug nicht zu. Doch ein GCA Approach in Heidelberg (radarkontrollierter Anflug am damaligen US-Militärflugplatz), gefolgt von einem Sichtflug entlang der Autobahn nach Mannheim, sollte machbar sein. Leider hatte sich bis dahin die Wetterlage so verschlechtert, dass ich erst nach der „Minimum (Höhe) Meldung“ des Radarcontrollers die Landebahn erkennen konnte. Froh, die Piste zu sehen, landete ich ohne Freigabe. Gleich darauf empfing mich die Militärpolizei mit MPs im Anschlag. Ein Colonel (Oberst) kam mit einem Jeep angebraust. Es war der Flugplatzkommandant (Base Commander). Er teilte mir mit, dass nur ein Anflug mit anschließendem Überflug genehmigt wurde, und fragte: „Wieso sind Sie gelandet?“ Ich antwortete: „Das Wetter hat sich rapide verschlechtert. Ein Sichtflug war unmöglich und zurück in den Nebel wollte ich auf keinem Fall. Wenn ich jetzt in den Knast muss, ist das für mich das kleinere Übel.“ Der Amerikaner lachte und erklärte: „Ins Gefängnis müssen Sie deswegen nicht, auch der Flieger kann vorerst hier stehen bleiben.“ Danach beauftragte er die Militärpolizisten, mich an das Tor zu bringen. Ein Hotel in der Nähe erwies sich als geeignetes Nachtquartier. Nachdem in der Nacht eine Kaltfront durchgezogen war, hatte sich das Wetter gebessert, womit der Weiterflug ins 10 km entfernte Mannheim auch problemlos durchführbar war. Sollte man meinen! Im Landeanflug reduzierte ich die Leistung der Motoren auf Leerlauf, doch als ich danach die Leistung wieder steigern wollte, quittierten beide Motoren den Dienst. Gerade noch schaffte ich es über die Flugplatzbegrenzung auf die Graslandebahn. „So kann es nicht weitergehen“, dachte ich. Wenn ich jeden zweiten Flug nur mit Glück überlebte, würde das früher oder später in einem Fiasko enden. Schon bei der nächsten Gelegenheit wollte ich meinen Boss, Herrn Rechter, überzeugen, dass eine Grundüberholung des Fliegers unumgänglich wäre. Ansonsten würde ich kündigen müssen. Der Flug nach England und zurück nach Stuttgart verlief ereignislos, außer dass der rechte Generator wieder ausfiel und sich ein Motor in Luton nur mit der Hammermethode starten ließ. Bei diesem Startvorgang brauchte es einen zweiten Mann, in diesem Fall übernahm ein Vorfeld-Mitarbeiter diese Aufgabe. Mit Hammerschlägen musste dieser den Starter aktivieren, während der Pilot den Startknopf drückte. Das Startergehäuse wies schon deutliche Spuren dieser Methode auf. Gelernt hatte ich dieses Verfahren von meinem Vorgänger. Zurück in Stuttgart wurde ich von meinem Chef über den Verkauf der Cessna 320 als auch über den Ankauf einer Cessna 337 informiert. Herr Rechter fügte hinzu, dass die nötige Umschulung schon in den nächsten Tagen erfolgen würde. Für die ersten Flüge hatte er einen Instrumentenfluglehrer zu meiner Unterstützung engagiert. Damit waren meine Probleme gelöst. Schon besser mit dem Skymaster

Die Cessna 337 Super Skymaster ist ein zweimotoriger Schulterdecker. Ein eher ungewöhnliches Zentralschubsystem sorgte für eine leichtere Handhabung. Ganz ohne Schwachstellen war aber der Flieger auch nicht, denn der Heckmotor hatte laufend Kühlprobleme. Er fiel auch öfter, von Piloten unbemerkt, während sie zum Start rollten, aus. Dies führte zu mehreren Startunfällen. Das Flugzeug war aber besser ausgerüstet. Neben einem einachsigen Autopiloten gehörten nun auch Kopfhörer zur Ausstattung. Nach problemloser Umschulung und erfolgreich absolviertem Checkflug fand der erste Geschäftsflug mit dem Boss nach Düsseldorf statt. Schon kurz nach dem Start tauchten wir in Regenwolken ein und erlangten erst kurz vor der Landung wieder Sicht. Den Autopiloten nutzte ich für die Richtung, die Trimmung für die Höhe und im Anflug auch für den Gleitwinkel. Somit konnte ich kurzfristig die Fluginstrumente aus den Augen lassen, für Frequenzwechsel, Checkliste usw. Bei der Cessna 320 endete sowas meist mit 30 bis 40 Grad Schräglage. Dieser einfache Autopilot war eine echte Hilfe. Nur mein mitfliegender Fluglehrer war sichtlich gestresst, Regenwetter war nicht seine Welt, eine Unterstützung war er daher nicht. Das sah auch mein Chef so. Nach der Landung in Stuttgart merkte er mit breitem Grinsen an: „Den brauchen Sie nicht.“ Während ich mit der C 320 ausschließlich Fracht befördert hatte, nutzten nun auch mein Boss, der Verkaufsleiter und Monteure die Cessna 337 als Transportmittel. Der Chef der Verkaufsabteilung, ein immer gut gelaunter Mittvierziger, schwärmte sogar, dass die Landebahn jetzt immer direkt vor der Maschine lag, sobald wir aus den Wolken kamen und freie Sicht hatten. Was offenkundig nicht immer so war. Er erzählte von Nächten in Militärgefängnissen, die er mit meinem Vorgänger verbracht hatte. Einmal in der Türkei und ein anderes Mal in Spanien, wo sie wetterbedingt auch unerlaubt auf Militärplätzen gelandet waren. Offensichtlich waren die dortigen Kommandanten weniger kooperativ als der amerikanische Colonel in Heidelberg. Von Spanien nach Frankreich. Von Asturias, an der Nordküste von Spanien, sollten wir über Nantes nach Paris Le Bourget fliegen. Als einer meiner Passagiere sich über die Zeit vergeudende Abfertigung eines Zollbeamten beschwerte, kontrollierte uns dieser penibel volle vier Stunden. Endlich war es so weit, nach dem Start setzten wir Kurs nach Nantes. Über der Biskaya, als wir das VOR (Drehfunkfeuer) von Nantes erst erheblich später als errechnet empfingen, machte ich einen Time-Distance-Check (Zeit-Distanz-Check), um unsere Position zu überprüfen. Dazu flog man quer zum Kurs und stoppte die Zeit zwischen zwei Radiales. Die Sekunden pro Grad ergaben die Minuten zur Station. Das war dazumal dort für uns die einzige Möglichkeit, den Standort zu bestimmen. Wir lagen 25 Minuten zurück, der Gegenwind war stärker als berechnet. Für unser Ziel Paris reichte der Sprit trotzdem. Nach Athen. Der nächste Nachtflug mit Ersatzteilen ging über Rom-Campino nach Athen-Elpiniki und wurde erneut zu einer riskanten Angelegenheit. Da ich doch noch relativ unerfahren war, unterschätzte ich die Gefahren einer Alpenüberquerung bei kritischer Wetterlage. Von Zürich bis Lugano setzte die Cessna extrem viel Eis an. Die Enteisungsanlage dieses Flugzeuges arbeitete mit Gummimatten (sogenannte Boots), die zyklisch aufgeblasen wurden und so das Eis von den Tragflächen und dem Leitwerk absprengten. Zwischendurch erhöhte das angesetzte Eis das Gewicht der Maschine und störte die Aerodynamik. Dadurch konnte das schwach motorisierte Flugzeug die Minimumhöhe nicht mehr einhalten. Da Umkehren auch keine Option war, flog ich mit ungutem Gefühl 500 Fuß (150 m) unter der Mindesthöhe über die Gipfel und hoffte, dass diese Höhe ausreichen würde. Im Tessin sank dann das Terrain ab und ließ eine geringere Flughöhe zu. Nach dem Tankstopp in Rom übermannte mich der Schlaf. Fast 1000 Fuß (300 m) zu tief und über 25 nautische Meilen (50 km) südlich des Kurses wachte ich wieder auf. Schlagartig war ich hellwach, checkte meine Position und setzte Kurs zum nächsten Pflichtmeldepunkt. Meine Überflugzeit für diesen und die Flughöhe korrigierte ich. Damals waren nachts nur wenige Flugzeuge unterwegs und Radarüberwachung gab es noch keine. Der zwei Tage später geplante Rückflug verzögerte sich, da sich der Frontmotor nicht starten ließ. Der Versuch ohne Zuladung nur mit dem Heckmotor abzufliegen, scheiterte. Die Maschine erreichte bei +35 °C nicht die nötige Startgeschwindigkeit, ich musste den Start abbrechen. Letztendlich erinnerte ich mich an die Hammermethode, diese war dann hilfreich. Die von den Amerikanern auch „Push Pull“ genannte Cessna 337 animierte durch ihr Design offensichtlich Piloten, einen Start auch mit nur einem Motor zu versuchen. In Hamburg probierte auch ein Pilot einen Start nur mit dem Heckmotor. Seine Cessna 337 stürzte, kurz nachdem er abgehoben hatte, als er das Fahrwerk einfuhr, ab. Meinem Chef erzählte ich von den Problemen, die ich bei der Alpenüberquerung gehabt hatte. In Zukunft würde ich bei derartigen Wetterlagen die Alpen umfliegen, teilte ich ihm mit. Das sah mein Chef ein und versprach, möglichst bald eine leistungsstärkere Maschine anzuschaffen. Angebote von Cessna und Piper Aircraft hätte er bereits vorliegen. Er meinte, dass es entweder eine Piper PA 31 Navajo oder eine Cessna der Baureihe 400 werden würde. Noch vor Ende des Monats sollte eine Entscheidung fallen. Damit hatte ich nicht gerechnet, das übertraf meine Träume. Helen. Anfang Mai, an einem Sonntag in Stuttgart, sah ich Helen wieder. Jene Helen, die damals meinem Freund Max den Laufpass gegeben hatte. Die Freude war beiderseits groß, sozusagen Liebe auf den zweiten Blick. Die schöne Helen liebte Miniröcke und Stöckelschuhe. Ihre hellbraunen Haare trug sie meist als Hochfrisur. Sie war mittelgroß, schlank und immer modisch gekleidet. Dezent geschminkt, lachte sie viel und gerne. Seit einem knappen Jahr arbeitete sie in Stuttgart in einer Nobelboutique. Sie hatte bereits einen großen Bekanntenkreis und führte auch mich in diesen ein. In der Folge normalisierte sich auch mein gesellschaftliches Leben. Partys, Kegelabende, Ausflüge und mehr waren wieder am Programm. Schon Ende des Jahres bezogen Helen und ich eine Zweizimmerwohnung. Meinen Fiat 600 ersetzte ich durch einen 1966er Fiat 1100 R. Dieser erschien mir schon eher eines Piloten würdig. Langsam wurde ich routinierter. Die Neue, eine Cessna 411, angetrieben von zwei 340 PS Motoren, war der erste Typ der 400er-Reihe. Die Maschine mit vier komfortablen Passagiersitzen in Clubanordnung hatte ein abgetrenntes Cockpit und auch eine separate Toilette. Ausgerüstet war die Maschine mit Wetter-Radar, modernem Autopiloten und einer Sauerstoffanlage. Mit 350 km/h Reisegeschwindigkeit war sie für damals recht schnell und auch die Reichweite von gut 2.000 km lag weit über dem Durchschnitt. Die meisten Ziele der Firma waren nun nonstop erreichbar. Das Überfliegen der Alpen wurde mit den stärkeren Motoren und mit der Sauerstoffversorgung erheblich sicherer. Daneben wurde ich auch noch auf der verkauften 337 eingesetzt, die ein Topmanager eines internationalen Konzerns gekauft hatte. Dem Manager, einem nicht gerade erfahrenen Piloten, musste ich als Co-Pilot assistieren. Mit der Cessna 411 flogen wir nach Adana/Türkei. Kurz vor dem erreichen unseres Zieles, stellte ich fest das die Navigationskarten für Adana, in unseren Unterlagen fehlten. Nachts in IMC (in Wolken) überflogen wir das NDB (Funkfeuer) für den Anflug zur Landebahn 05. Da die Stadt nahe am Meer lag und die Sicht sowie die Wolken-untergrenze ausreichend waren konnte ich einen selbstgestrickten Anflug riskieren. Später im Hotel, um Mitternacht, gab es auf der Dachterrasse noch ein ausgezeichnetes Abendmahl. Mein Zimmer war schön, urig war die Dusche, eine normale Gießkanne mit warmem Wasser hing an der Decke. In Hamburg. Nach einem Abendessen mit einem mir bekannten Piloten stellte ich fest, dass ich meine Geldbörse im Hotel vergessen hatte. Da wir im selben Hotel nächtigten, bat ich ihn, mir 20 DM zu leihen, um meine Rechnung zu bezahlen. Mein Bekannter, ein älterer, sehr vorsichtiger Pilot, lieh mir das Geld, verlangte aber einen Schuldschein. Ich könnte ja auf dem Weg zur Unterkunft überfahren werden, war seine Begründung. Zurück im Hotel gab ich ihm die 20 DM und forderte den Schuldschein zurück. Er könnte die Rückgabe ja vergessen und das Geld ein weiteres Mal fordern, war meine Argumentation. Im Vergnügungsviertel entlang der Reeperbahn in Hamburg-St. Pauli machte ich meine nächste unangenehme Erfahrung. In einer Bar, die das Glas Bier um 3 DM anbot, setzte ich mich an die Theke. Gleich darauf gesellte sich eine Dame aus dem Milieu zu mir und wollte einen Drink. Ein Bier wollte ich ihr gerne spendieren, unter der Auflage, dass sie sich trollt (entfernt). Die Rechnung danach über DM 153,- missfiel mir sehr, ich verwies auf die Reklame und wollte nur DM 6,- bezahlen. Die von mir eingeladene Dame würde nur Champagner trinken, behauptete der Geschäftsführer. Dass ich der Lady nur ein Bier spendieren wollte, glaubte er mir nicht. Den angebotenen Scheck nahm der Barkeeper nicht an. „Nur Bares ist Wahres“, meinte er, von den DM 53,- in meinem Portemonnaie ließ er mir zwei DM für die Straßenbahn. Prima Air. Mitte 1970 wechselte ich zu „Prima-Air“, einem Unternehmen, das Flüge für Geschäftsreisende anbot. Der Eigner Herr Schwarm war jung, dynamisch und hatte viele Ideen. Groß, schlank, eher lässig gekleidet betrachtete er die Dinge durch eine dicke Hornbrille. Schnelle Autos und alten Whiskey liebte er. Für Verkauf und Operation war Frau Sommer, eine attraktive Mittdreißigerin, zuständig. Zum Einsatz kam eine „Queen Air 65“, die der Cessna 411 ähnlich, gleichwohl eine Nummer größer war. Die Maschine hatte sechs Passagiersitze, ein separates zwei Mann Cockpit und eine abgetrennte Toilette. Nach meiner Umschulung auf die Queen Air, ging ich mit den Prüfunterlagen, zur Außenstelle des Regierungspräsidiums. Die hübsche Sachbearbeiterin wollte „Queen Air“ in meine Lizenz eintragen. Ihr Chef sagte: „Beech 65,50 lautet der korrekte Eintrag, du großer weißer Vogel“. Wir lachten, denn erst vor kurzem musste der Dienststellenleiter sich formell bei ihr entschuldigen, da er sie eine dumme Gans genannt hat. So leger ging es seinerzeit am Internationalen Airport von Stuttgart zu. Die etwa zehn Jahre alte Maschine hatte einige Mankos. Das Wetterradar sowie der Autopilot funktionierten nicht und das trotz mehrerer Reparaturversuche. Die Starthilferaketen, die nur für sehr kurze Startbahnen verwendet wurden, waren nicht betriebsbereit. Die HF-Schleppantenne war immer noch ausfahrbar, aber das angeschlossene Kurzwellen-Funkgerät nicht funktionsfähig. Sowohl das KW-Gerät als auch die Startraketen waren für das Einsatzprofil von Prima Air unnötig. Problematischer waren die in den Wintermonaten oft versagenden Fahrwerksanzeigen. Nach Starts auf nasser oder mit Schneematsch bedeckter Startbahn funktionierten oft die Micro-Switches des Fahrwerks vor der Landung nicht. Ohne „Gear down“ Anzeige half nur ein Vorbeiflug am Tower mit der Bitte um eine Sichtkontrolle. Ob das „Undercarriage“ auch verriegelt war, konnten die Kontroller aber nicht sehen. Also wurde zur Sicherheit auch immer die Feuerwehr angefordert. Die Landungen verliefen trotz ungutem Gefühl immer störungsfrei. Den Feuerwehrleuten machten diese Einsätze Spaß, es ersparte ihnen so manche Übung. Auf der Queen Air flog ich als PIC (Pilot in Command). Richard, er hatte vor Kurzem bei „Aviation-Training“ seine Berufspiloten-Ausbildung abgeschlossen, war als Co-Pilot engagiert. Der Norddeutsche mit schon schütterer Haarpracht war mittelgroß und kräftig. Er war hart im Nehmen, ein ausdauernder Hobbyrennradfahrer. Es ging auch ganz gut ohne Autopiloten, einer von uns beiden steuerte die Maschine manuell, der andere war zuständig für die Navigation und den Funkverkehr. Schon bald flogen wir die „Queen Air“ auch bei schwierigen Wetterbedingungen routiniert zu den geplanten Zielen. Auch wenn das Wetterradar keine Echos anzeigte, schalteten wir es in Wolken ein, da es sehr beruhigend auf die Passagiere wirkte. Gewitter. Im Verlauf eines Fluges von Stuttgart nach Dublin gerieten wir mit unserer Queen Air über London auf FL 100 (Flugfläche etwa 3.000 m Seehöhe) in ein heftiges Wintergewitter. Es wurde dunkler und dunkler, der Schneefall im Sturm immer dichter. Fast gleichzeitig fielen beide Motoren aus. Mit einem steilen Sinkflug konnten wir die Geschwindigkeit halten. Der Luftstrom drehte nun über die Luftschrauben die Motoren. Wir vermuteten, dass der massive Schneefall die Ursache für den Leistungsausfall war. In geringerer Höhe, so hofften wir, würden die Motoren wieder funktionieren. Während wir rapide an Höhe verloren, änderte sich der Niederschlag über Schneeregen in Starkregen. Nach unserem Notruf dirigierten uns die Controller direkt zum Flughafen London Gatwick. In etwa 2.000 Fuß (600 m) Höhe meldete sich der rechte Motor, wie von uns erhofft, zurück. Den linken Motor, der keine Reaktion zeigte, stellten wir kurzerhand ab. Die Landung, konfiguriert für eine „one engine out landing“ (Landung mit einem ausgefallenen Motor) war auch bei strömendem Regen problemlos. Von der Feuerwehr begleitet rollten wir zu einem Wartungshangar. Dass die Luftzufuhr am linken Motor vollständig durch Schneematsch blockiert war, konnte man nach Öffnen der Motorhauben (Cowling) deutlich sehen. Reichlich Matsch war auch am rechten Triebwerk, nur der Bereich für die „Alternate Air“ (Alternative Luftzufuhr) war vermutlich durch den Regen frei von Schnee gespült worden. Wieso es nur bei einem Motor klappte, wusste auch der Techniker nicht. Er meinte, dass wir mit dem rechten Triebwerk einfach Glück gehabt hatten. Die Fluggäste hatten nur den Ausfall des linken Triebwerks mitbekommen. Zum Glück, denn mit einer Panik in der Kabine wäre die Situation nicht einfacher geworden. Vor dem Weiterflug nach Dublin war eine Inspektion der Motoren erforderlich. Der ungeplante Nachtstopp gab uns Zeit, das eben Erlebte zu verarbeiten. Nach Irland flogen wir danach bei traumhaftem Rückseitenwetter (Wetterphänomen nach einer durchgegangenen Kaltfront) In Erinnerung blieb uns und unseren Passagieren auch ein „Queen-Air“ Flug von Stuttgart nach Brüssel. Damals flog man noch entlang von Luftstraßen von Sender zu Sender, oftmals durchgehend in Wolken. Ohne funktionierendes Wetterradar durchflogen wir blind alle Gewitter entlang der Flugroute der Reihe nach. Dabei wurde der Flieger samt seinen Insassen massiv durchgeschüttelt. Bei einem Solo-Rückflug (solo: ohne Co-Pilot und ohne Passagiere) von Nizza nach Stuttgart geriet ich mit eben dieser „Queen Air“ in ein schweres Unwetter über den Schweizer Alpen. Nicht einmal die Schweizer Flugsicherung konnte die Maschine in den gewaltigen Gewitterwolken nach meinem Hilferuf erfassen. Der Radarkontroller empfahl einen Kurs nach Nord-Ost. Die Turbulenzen waren haarsträubend, es war, als würde der Flieger von einer riesigen Hand immer wieder nach unten und gleich darauf wieder nach oben geschleudert. Die Instrumente waren kaum ablesbar, die Höhenanzeige ging rauf und runter und der Fahrtmesser nützte seinen vollen Grün-/Gelbbereich aus. Mit viel Mühe konnte ich die Maschine halbwegs waagrecht und annähernd auf Kurs halten. Gott sei Dank brachte mich der Flieger, dessen Belastungsfähigkeit ich bewunderte, heil aus dem Sturm. Nie mehr wollte ich die Alpen bei Gewitterlage ohne funktionierendes Radar überfliegen. Wetterlagen überraschen mitunter auch Meteorologen. Dichter Nebel am Flughafen Stuttgart verhinderte unseren für acht Uhr geplanten Start nach Paris. Der diensthabende Meteorologe auf der Wetterwarte erklärte, dass er bis Mittag keine Besserung erwartete. Als wir kurz danach das Büro verließen sahen wir schon die Sonne. Zurück in der Wetterwarte empfahl ich den Leuten, einmal aus dem Fenster zu schauen. Es geht auch ohne. Geschwindigkeitsanzeige. Einige Tage später flogen wir von Köln-Bonn mit limitiertem Panel (Ausfall von Fluginstrumenten) zurück nach Stuttgart. Das war so nicht geplant, aber die Passagiere kamen unerwartet früh zurück. Zudem erschienen sie direkt am Flugzeug, denn Kontrollen waren damals noch nicht üblich. Wegen des vorverlegten Rückflugs in Hektik hatten wir vergessen, die Stau-Rohr-Schützer abzunehmen. Die Folge war, dass während des Fluges die Fahrtmesser-Anzeigen fehlten. Aber mit dem richtigen „Power-Setting“ (Motorenleistung) und etwas Gefühl für die Maschine war uns die Flugdurchführung trotzdem ohne Aufsehen zu erregen gelungen. Zu Ostern auf Kurzurlaub. nach Griechenland

Mit meinem Chef, der auch einen Berufspilotenschein besaß, flog ich als Co-Pilot nach Kreta. Mit an Bord der Queen-Air war neben den Gästen des Chefs auch Helen, meine Freundin. Es war unser erster gemeinsamer Urlaub. Auf dem Rückflug besuchten wir noch die Insel Korfu. Eine herrliche Bucht an der Westküste, die ich von früher kannte, empfahl ich zu besuchen. Der Vorschlag erwies sich als Fehlschlag. Da traute ich meinen Augen nicht: Ein Betonklotz, der Rohbau eines großen Hotels, beherrschte die einstige Idylle. Der früher wunderschöne Sandstrand war nun übersät mit Bauschutt und das einst klare Wasser war mit Teerklumpen verunreinigt. Mit Brettern waren die Fenster des kleinen Restaurants zugenagelt. Entsetzt verließen wir die Bucht. Es war sicher nicht das erste und auch nicht das letzte durch Bausünden zerstörte Naturjuwel. Der Linienpilotenschein (ATPL) Im Herbst 1970 ersuchte ich um Dienstfreistellung, um die in der Staatlichen Ingenieurschule Rüsselsheim angebotene theoretische Ausbildung zum Linienflugzeugführer zu besuchen. Meine alten Schulden hatte ich mittlerweile beglichen und einen neuen Kredit für die Weiterbildung aufgenommen. Der Lehrgang startete im Oktober 1970 und endete im März 1971. Die Fachrichtungen Flugplanung und Meteorologie waren sehr umfangreich. Bei den Techniklektionen standen neben den gängigen Turboprop, Turbojet und Bypass Triebwerken (wie das Pratt & Whitney JT 8D) sowohl die neuen Turbofans als auch noch die großen Sternmotoren auf dem Programm. Auch im Fach Navigation war es ein Mix aus neuer und alter Technologie. So wurde schon moderne INS (Trägheitsnavigation) und, neben der barometrischen Navigation, auch noch die gute alte Astronavigation gelehrt. Die umfangreiche Ausbildung erforderte im Anschluss einen fünf Tage dauernden Leistungsnachweis. Einige Monate später erhielt ich die Nachricht, ich hatte die Prüfung bestanden. Hurra! Mein erster Turboprop. Die Beechcraft „King-Air“ war für mich das erste Flugzeug mit Turboprop Motoren und Druckkabine

Kapitel 3. Düsenflieger. Ein Umzug nach München wurde erforderlich. Eine geeignete, bezahlbare Mietwohnung fanden Helen und ich leider nicht. Letztlich kauften wir (voll finanziert) eine Dreizimmerwohnung. Im dritten Stock gelegen, mit schönem Balkon nach Süden. Problemlos verlief die Jobsuche bei Helen, die bald im Zentrum der Stadt eine freie Stelle in einem Modehaus fand. Typrating Learjet 23. Mit Johnny, einem Amerikaner, der etwas älter als ich war, sollte ich das Learjet Rating (Berechtigung) erwerben. Der sonst eher wortkarge Texaner erzählte mir, dass ihn die Fluglotsen in Frankreich nicht verstanden hätten und behaupteten, er könne kein Englisch. Erst als er seinen amerikanischen Pass vorwies, verzichteten sie auf eine Anzeige. Auch für mich war der nasale Akzent des Texaners anfangs nur schwer zu verstehen. Mit der Bahn fuhren wir nach Luxemburg und von dort flogen wir mit einer Douglas DC-8-63 der Loftleidir (später Icelandair) über Keflavik in Island nach New York. Anschließend düsten wir weiter nach Grand Rapid in Michigan, zum Ground-Course für den Learjet. Zwei Wochen später, nach dem schriftlichen Test und den mündlichen Prüfungen, ging es weiter nach Lincoln in Nebraska zum Flugtraining. Der Learjet 23 war ein zweistrahliges Geschäftsreiseflugzeug für bis zu sechs Passagiere. Die zwei Strahltriebwerke „General Electric CJ610-4 Turbojet Engine mit je 12,7 kN“ sorgen für eine unglaubliche Beschleunigung. Der Jet erreichte eine Reisegeschwindigkeit von 900 km/h. Mit seinen Flügelendtanks hatte der elegante Tiefdecker eine Reichweite von knapp 2.500 km. Von München aus erreicht die Maschine fast jeden Flughafen in Europa nonstop. Für den Flieger ist eine Zwei-Mann-Crew, Kapitän und Co-Pilot, vorgeschrieben

Nach dem Outside Check und einer kurzen Einweisung stand mein erster Flug mit dem Learjet am Programm. Ein Simulator für diesen Flieger war damals noch nicht verfügbar. Die ersten Learjet-23 Take-Offs (Starts) waren sehr beeindruckend. Die Maschine ging los wie eine Rakete. Schon beim ersten Start stellte mein Fluglehrer, ein risikofreudiger Ex-Militär-Pilot, einen Motor kurz nach V1 ab. Nur mit Mühe konnte ich ein Ausbrechen der Maschine aufgrund des asymmetrischen Schubes vermeiden. Nach dem Abheben registrierte ich fast zu spät einen „nose up trim runaway“, auch vom Lehrer ausgelöst, der führte zu einem extremen Anstellwinkel. Um die Kontrolle wiederzuerlangen, rollte ich den Flieger auf 90° Bank (Schräglage) und korrigierte danach die Trimmung. Mein Instruktor quittierte es mit einem Grinsen, die Feuerprobe hatte ich somit bestanden. Die sogenannte V1 (Go/No Go) wird vor jedem Start anhand einer Tabelle bestimmt. Ein während des Startvorganges auftretender erheblicher Defekt führt vor Erreichen der V1 zu einem Startabbruch. Darüber wird abgeflogen, da die Startbahn für eine Vollbremsung nicht mehr reicht. Die Trimmung dient zur Beibehaltung der Fluglage ohne Steuerkräfte vom Piloten. Ein Kurzschluss der Höhenrudertrimmung, wie vom Lehrer simuliert, konnte mit dem Höhenruder nicht voll kompensiert werden, die Flugzeugnase rotierte weiter nach oben. Deshalb drehte ich den Flieger auf die Fläche und korrigierte mit dem Ersatzsystem die Trimmung. Ob beim ersten Take-Off (Start) schon ein Motorenausfall und dazu auch noch ein Kurzschluss in der Trimmung sinnvoll sei, fragte ich mich. Auch heutzutage ist das Training für eine Musterberechtigung nicht einfach, wird aber, wie auch die Checkflüge im Flugsimulator, somit risikolos durchgeführt. Das Training blieb hart, normale Starts und Landungen waren die Ausnahme. Neben den obligatorischen Notverfahren waren auch Landungen auf aufgelassenen Flugplätzen, wo das Gras einen halben Meter hoch zwischen den Betonplatten stand (das ist sicher nur in den USA möglich) am Programm. Die elektrische Bugrad Steuerung war knifflig. Mit zwei Schaltern, einem zum Einparken und einen weiteren für die Rollwege, steuerte man über die Seitenruderpedale das Flugzeug. War das Bugrad nicht zentriert beim Umschalten, flog man fast aus den Sitzen. Mein Kollege Johnny, der Amerikaner, war weniger hart im Nehmen, er hat sein Training zum Co-Piloten frustriert abgebrochen und ist abgereist. Nach zwölf Flugstunden intensivstem Training folgte der Checkflug bei einem Inspektor der FAA (Luftfahrtbehörde in den USA). Mein deutscher Linienpiloten-Schein wurde durch einen „FAA Commercial-Pilot“ (Berufspilotenschein) anerkannt. Für die Instrumentenflugberechtigung musste ich noch einen schriftlichen Test absolvieren, was mir ohne Vorbereitung nur knapp mit 72 % (70 % waren Minimum) gelang. Mit dem Lear 23 über den Atlantik. Inzwischen war auch Herr Kurmann in Lincoln eingetroffen. Nach der offiziellen Übernahme des Executive Flugzeuges flogen wir noch nach Boston in Massachusetts. Mangels eines lizensierten Co-Piloten flog ich nun mit meinem Boss zusammen den Learjet. Mein Chef hatte zwar kein Lear-Rating, war aber ein sehr erfahrener Pilot und übernahm den Funkverkehr. Die erste Teilstrecke von Lincoln nach Boston war auch für mich reines Vergnügen. Es war der erste Flug, den ich richtig genießen konnte, bei dem ich nicht laufend mit Fehlfunktionen konfrontiert wurde. Am Tag darauf flogen wir von Boston nach Goose-Bay in Kanada und weiter über die Südspitze Grönlands nach Reykjavik. Notausrüstung für den Nordatlantik hatten wir keine, da diese zu teuer und faktisch für eine Notwasserung auch nicht ausreichend war. Die 2.500 km lange Strecke über den Nordatlantik konnte der Lear nur mit Rückenwind „nonstop“ bewältigen. Der Treibstoff für den Flug zum Ausweichflughafen und für weitere 30 Minuten musste an Bord sein. In Goose-Bay und Reykjavik standen je ein VOR (Drehfunkfeuer) und im Atlantik seinerzeit zwei Schiffe für die Navigation zur Verfügung. Für den größten Teil der Strecke war der Kompass die einzige Hilfe. Die Abweichung bei der ersten Position war nach der Radarüberprüfung eines der Navigations-Schiffe gering. Auf halber Distanz fiel dann der Autopilot aus, er sollte nie wieder funktionieren. Das zweite Schiff konnte den Lear nicht orten, er war außerhalb der 100-km-Reichweite des Radars. Keinen Grund zur Sorge sah ich, Island verfehlen würden wir sicher nicht. Als wir den Navigationssender von Reykjavik schließlich empfingen, waren wir nur knapp 100 km nördlich unseres geplanten Kurses. Das war akzeptabel, da wir unsere Position über Grönland, das sich unter Wolken versteckte, nicht überprüfen konnten. Unseren Steuerkurs mussten wir mit bis zu -43° korrigieren. So hoch war damals die Ortsmissweisung (Variation) über Grönland. Dessen ungeachtet landeten wir, dank Rückenwind, nach einem Drei-Stunden-Flug in der isländischen Hauptstadt. Nach dem Tanken und einem Imbiss flogen wir weiter nach München. Die gut 2.700 km lange Strecke bewältigte der Lear in 3 Stunden und 40 Minuten. Im Anflug konnten wir auch sehen, dass die „LOW FUEL“ Warnlichter (nur noch etwa 300 Liter Kerosin im Tank) korrekt funktionierten. Von den Mitarbeitern wurde der „Lear“ mit einer Hangar Party begrüßt. Gut eine Woche nutzte SASM ihren Jet privat für Flüge nach England, Frankreich, Jugoslawien und Österreich noch mit US-Kennung. Ein Start mit Überraschungen. Nach Erhalt der deutschen Zulassung D-IKRA (die Buchstaben KR standen für Kurmann und Rohem) konnte SASM den Lear nun auch gewerblich operieren. Vor dem Eintrag des Learjet 23 in meine deutsche Lizenz wurde ich noch von einem deutschen Sachverständigen überprüft. Der TRE (Type-Rating-Examiner) meinte nach dem Checkflug, dass zu einem ordentlichen „Lear-Kapitän-Check“ auch eine sauber geflogene Fassrolle gehöre. Dabei dreht man das Flugzeug um die eigene Längsachse in Form eines Korkenziehers innerhalb eines gedachten Fasses, wobei die Kräfte der Beschleunigung immer positiv bleiben sollten. Den Flieger konnte man drehen, ohne einen Tropfen aus einer freistehenden Kaffeetasse zu verlieren. Die Rolle führte ich zur Zufriedenheit des Prüfers aus. Inzwischen hatte auch Ernst, wir kannten uns seit unserem „Beinahe-Absturz“ gut, seine Co-Pilotenausbildung für den Learjet abgeschlossen. Somit war der Flieger endlich legal einsetzbar. Nur der Autopilot, der sogar schon eine Taste für Autothrust (Autoschub) hatte, war konstant unwillig und auch reparaturresistent. Da manuelles Steuern in großen Höhen (12.500 m) überaus anstrengend (fordernd) war, wechselten wir uns alle 20 Minuten ab. Die Ziele innerhalb Europas waren meist zwischen einer und drei Stunden erreichbar. In der Paris-Area (Umgebung von Paris) war schon damals ein Transponder (Sekundärradar) vorgeschrieben. Im Anflug auf Paris Le Bourget mit der D-IKRA wurden wir vom Radar-Kontroller auf das fehlende Transpondersignal angesprochen. Ernst versprach auf Nummer zwei umzuschalten, freilich erfolglos, denn die Maschine hatte noch keinen. Beim Rückflug entstand das gleiche Theater, es war also höchste Zeit, die Maschine nachzurüsten. Fast zwei Wochen flogen wir danach mit einem Hydraulik-Leck, da die Mechaniker den Haarriss, den sie während der Nachtschichten suchten, lange nicht lokalisieren konnten. Nach jeder Landung musste der Hydrauliktank nachgefüllt werden. Auch die Leistungskontrolle war zeitweise problematisch. Ein bis zwei Wochen vor dem Service lieferten die Motoren mit den Leistungshebeln auf Leerlauf (idle) noch zu viel Schub. Um zu landen, mussten wir im Endanflug eines der beiden Strahltriebwerke abschalten (außer Betrieb setzen), sonst war die Geschwindigkeit, um aufzusetzen, zu hoch. Für Ernst und mich waren Landungen mit asymmetrischem Schub schon bald nichts Außergewöhnliches mehr. Da von und zur Landebahn ohnehin nur ein Motor benutzt wurde, fiel es auch nicht weiter auf. Die Leuchten der Fahrwerksanzeigen fielen öfter aus, weshalb wir im Endanflug dann noch die Glühbirne wechseln mussten. Das half nicht immer. In Genf sind wir einmal durchgestartet. Erst als wir das Fahrwerk mit dem Emergency System (Druckluft) ausgefahren hatten, konnten wir landen. Das Ende von Prima Air. Das dramatische Ende der „Prima Air“ durch den Absturz der SA-26AT in Stuttgart kostete Karl Hugo, seinem Co-Pilot-Kollegen und sechs Führungskräften eines Württemberger Konzerns das Leben. Das Flugzeug war kurz nach dem Start nach einer engen Platzrunde bei einem Notlandeversuch zerschellt. Restlos geklärt werden konnte die Unfallursache nicht. Die Unfallkommission befragte auch mich und Ernst, wir waren kurz vor der Katastrophe mit unserer King-Air gestartet. Heftigen Schneefall und Nassschnee beobachteten wir beim Start und im Abflugbereich, weitere Wetter-Anomalitäten hatten wir jedoch nicht registriert. Dass wir unsere Maschine kurz vor dem Start enteisen ließen, wussten die Beamten, wollten es aber auch noch bestätigt haben. Möglicherweise war Schnee ein Faktor bei dem Crash. Mein vorerst letzter Flug. mit einer Propellermaschine. Gegen Ende des Jahres sollten Ernst und ich die verkaufte King-Air nach Amerika überstellen. Am Flug von Prestwick nach Keflawick fiel die Heizung aus und der Gegenwind frischte auf. Auf Island landeten wir mit wenig Sprit und total durchgefroren. Da die Reparatur wegen fehlender Teile nicht zeitnah durchführbar war, wurden wir angewiesen, mit dem nächsten Linienflieger zurück nach München zu kommen. Erst über dreißig Jahre später, in Pension, sollte ich wieder Propellerflugzeuge fliegen. Der zweite Learjet. Kurz danach kaufte SASM einen zweiten Learjet. Einen auf 24er modifizierten 23er, mit verbesserter Ausrüstung wie DME (Abstandsmessgerät), Transponder und einem verbesserten Autopiloten, der zumindest im Reiseflug arbeitete. Auch diesen Lear überführte ich mit Herrn Kurmann als Co-Piloten. Mit meinem Boss, er war ja nicht wesentlich älter als ich, zu fliegen war stressfrei. Zuerst flogen wir von Denver (Stapleton International) nach New York (La Guardia Airport). Am Tag danach ging es dann weiter nach Goose Bay auf Labrador. Ursprünglich war ein Weiterflug nach Reykjavik geplant. Doch diesmal reichte die Rückenwindkomponente nicht für einen direkten Flug nach Island, weshalb wir eine Zwischenlandung in Narsarsuaq auf Grönland einplanten. Nach erstem Kontakt informierte uns der Kontrollturm, dass Narsarsuaq wegen Nebels geschlossen werden musste. „Also auf nach Sondre Stromfjord“, sagte ich und setzte Kurs zum Ausweich-Flugplatz. Der lag 700 km weiter im Norden. Als wir 200 km südlich des Airports das VOR (Drehfunkfeuer) empfingen, waren wir erstaunlich genau auf Kurs, nur zu spät. Der Wind war wohl stärker als angenommen. Davor war der Kompass unsere einzige Hilfe. Den ersten Anflugversuch starteten wir schon im Dunkeln bei heftigem Schneeschauer. Am Minimum, 60 m über Grund, sahen wir die Lichter der Landebahn nicht. Wir mussten den Landeanflug abbrechen und durchstarten. Beim zweiten Versuch schon nicht mehr ganz stressfrei, denn schon seit einiger Zeit leuchtete die „LOW FUEL“ Warnung. Deshalb wich ich früh vom ILS nach rechts unten in den vage sichtbaren Fjord aus. Über dem Flugplatz am Ende des Fjords waren die Wolken dichter und lagen auch tiefer. Ein weiterer Fehlanflug hätte zweifellos mit einer Katastrophe geendet. Während des Tiefflugs im Fjord erspähten wir zuerst die Blitzfeuer im Schneegestöber. Kurz danach kamen, zum Glück, auch die Lichter der Landebahn und die Landebahn in Sicht. Mein Boss und auch ich atmeten erst einmal tief durch, denn der Anflug war schon bedenklich gewesen. Nach der Landung wollte der Airport Kommandant wissen, wie viel Sprit wir noch in den Tanks hatten. Um den guten Mann zu beruhigen, behauptete ich, dass es noch für eine halbe Stunde gereicht hätte. Damit war der Chef des Flughafens zufrieden. Während wir einen Imbiss zu uns nahmen, schätzte auch Herr Kurmann den vorangegangenen Anflug als sehr grenzwertig, aber auch als letzte Chance ein. Wenn die Wetterprognose gestimmt hätte, wären wir jetzt kurz vor Island, war mein Kommentar. Das sah auch mein Boss so, er war ja bei der Wetterberatung, während ich den Tankvorgang beaufsichtigte. Sowohl für Narsarsuaq als auch für Sondre Stromfjord war gutes Wetter, „sky clear“, also wolkenlos, vorhergesagt. Für abgelegene Territorien waren damals die Trefferquoten der Meteorologen noch ausbaufähig. Damals war die Datengrundlage für die Prognosen noch weit vom heutigen Stand entfernt, die Rechner und Wettersatelliten noch in den Kinderschuhen. Ein salopper Spruch unseres Lehrers in Meteo lautete: „Wer einmal lügt, ist noch lange kein Meteorologe.“ Der Flugplatz von Narsarsuaq liegt am Ende eines 100 km langen Fjordes und ist nur im Sichtflug erreichbar. Auch Sondre Stromfjord (heute Kangerlussuaq) liegt am Ende eines 170 km langen Fjordes, hatte aber schon damals ein ILS, Instrumentenlandesystem. Die Winde verhielten sich weiter wenig kollegial. Eine weitere Zwischenlandung in Amsterdam wurde für den Flug von Island nach München erforderlich. Dieser Lear bekam das Kennzeichen D-IKRB. Auch zwei weitere Piloten wurden eingestellt. Zuerst kam Georg, ein sportlicher, gutaussehender Typ Anfang dreißig als Kapitän. Er hatte früher bei der Luftwaffe F-84 Düsenjäger geflogen. Später kam noch ein weiterer Mittdreißiger als Co-Pilot dazu. Ein bisschen Spaß muss sein. Eines Tages flogen Georg und ich leer, ohne Passagiere, mit dem Lear 23 zurück nach München. Gleich nach dem Start in Stuttgart, sobald wir außer Sicht des Kontrollturms waren, drehten wir Fassrollen. Erst drehte Georg drei Rollen nach links, gefolgt von drei Fassrollen nach rechts. Danach flog ich die Rollen in derselben Reihenfolge. Das Spiel wiederholten wir bis zum Sinkflug nach München. Wir nannten es Rolling Home. Neapel. 5.000 Lire veranschlagte der Taxifahrer für die Fahrt ins Zentrum der Stadt. Als ich mit einer 10.000-Lire-Banknote bezahlte, behielt er sie und bemerkte, das sei korrekt für zwei Personen. Auch mahnte der Taxifahrer zur Vorsicht, denn in Neapel gäbe es viele spitze Buben („Spitzbuben“ meinte er, und er war sicher einer der größten). Ein Restaurant empfahl er mit dem Zusatz, die Plätze direkt am Hafen zu meiden. Als wir am Abend in der Gaststätte speisten, amüsierten wir uns über Buben, die im Hafenbecken badeten. Diese schwammen später an das Geländer des Restaurants und flirteten mit den Gästen. Nach einem Pfiff griffen sie in die Teller der verdutzten Besucher und verschwanden mit deren Hauptspeisen. Nun verstanden wir die Warnung des Taxifahrers. Tags darauf bestiegen wir den Vesuv. Nach dem Abstieg folgte ein so nicht geplanter fünfstündiger Fußmarsch zurück ins Hotel. In der Vor-Handy-Zeit war eben ein Taxi nicht immer und überall erreichbar. Der dritte Lear und weitere Änderungen. Schon einen Monat später kam ein dritter, zuvor in der Schweiz zugelassener Lear 24B zur Flotte. Dieser war weiter optimiert, unter anderem durch vogelschlagsichere Frontscheiben und einem Bremsschirm. Der FD hatte eine V-Bar anstatt den Kreuzzeigern, der Flieger wird so gesteuert, dass das dreieckige Flugzeugsymbol in das angezeigte V passt. Der 24B bekam die Kennung D-IKRC. Auch sonst tat sich einiges: Herr Kurmann blieb wie bisher Manager und Flugbetriebsleiter, gab aber die Position des Chefpiloten an Georg weiter. Die Einweisungs-Berechtigung (TRI, Type-Rating-Instruktor) für den Lear sollte ich beantragen. Für dieses Ziel war die Erstellung eines „Learjet Trainings Syllabus“ (Lehrplan) erforderlich. Eine harte, umfangreiche Aufgabe, auch wenn ich einen Großteil abschreiben konnte. Danach hatte ich meinen Urlaub auch redlich verdient. Südlich von Fuengirola in Spanien hatte Helen einen Bungalow gebucht. Direkt am Meer, an einem eher abgelegenen Strand mit einer kleinen Snackbar. Nur wenige Urlauber und einige Spanier bevölkerten die Bucht. Es war schön, am Tag zu faulenzen und am Abend mit dem Bus zum Abendessen in die nahe Stadt zu fahren. Nach zwei paradiesischen Wochen ging es zurück in den Alltag nach München. Alltag ja, aber langweilig nicht. Kaum hatte ich die Einweisungsberechtigung für den Learjet eingetragen, wurde ich auch als Instruktor eingesetzt. Mein erster Trainee war mein Chef. Dank seiner allgemeinen Flugerfahrung sowie seiner bisherigen Aktivitäten (Atlantiküberquerungen) mit dem Lear war Herr Kurmann unproblematisch. Mein nächster Trainee war auch an SASM beteiligt. Herr Rohem, ein „Self Made Millionär“ war so Mitte vierzig, er war einer der ersten Jet-Piloten Deutschlands. Schon während des Zweiten Weltkrieges hatte er als Testpilot deutsche Düsenflugzeuge geflogen. Mit dem Learjet kam er gut zurecht. Mittlerweile auch zum Sachverständigen (TRE) ernannt, nahm ich meinen beiden Chefs auch die ersten Checkflüge ab. In Linz und Graz (Österreich), damals relativ verkehrsarme Flugplätze, überprüfte ich ihre Anflüge und verschiedene Flugübungen. Geschenkt habe ich meinen Bossen nichts. Für seine PIC Berechtigung musste Herr Rohem seine Fähigkeiten, unter anderem auch bei einem Startabbruch in Wels (LOLW), auf einer für den Lear sehr kurzen Landebahn nachweisen. Das Flugaufkommen stieg kontinuierlich, immer mehr Ziele, auch in Nordafrika und dem Nahen Osten, wurden gebucht. Da fertige Lear-Piloten kaum am Markt waren, wurde ich vermehrt als Trainingspilot eingesetzt. Mit dem von 23 auf 24 modifizierten Lear übte ich mit einem meiner Schüler einen „Emergency Descend“ (Notabstiegsübung) aus 12.000 m Höhe. Als wir nördlich von Graz in etwa 3.000 m die Maschine abfingen, wurde es nach einem Flame Out (Flammabriss) verdammt ruhig in dem Flieger. Nach Neustartversuchen lieferte ein Motor wieder Schub. Das zweite Triebwerk verweigerte, wegen einer defekten Zündanlage, wie die Technik später feststellte, den Dienst. Nicht weiter schlimm, erklärte ich. „Single Engine Landing“ (Ein-Motor-Landungen) müssten wir ohnehin üben. Der Grund für die Überraschung: Die D-IKRB war ursprünglich ein Lear 23er, er wurde zum 24er modifiziert, nur die Motoren nicht. Bei diesen älteren Antrieben durfte in der Höhe die Leistung nur allmählich reduziert werden. Ein anderes Mal, nach mehreren Trainingslandungen, bemerkte ich nach der letzten Landung, dass die Bremsscheiben glühten. Das Problem hat dann die Feuerwehr zum Glück schnell behoben. Auch eine „Hot Batterie“ zwang mich eines Tages zu einer Notlandung, es war höchste Zeit, denn die Batterie ähnelte bereits einer Kugel. Eine weitere Umstrukturierung. Mitte 1974 übernahm Herr Rohem, warum auch immer, SASM zu hundert Prozent, in der Folge auch das Management. Befremdend für mich, da doch alles hervorragend lief. Zum neuen Flugbetriebsleiter wurde ein Herr Müller bestellt. Er kam von einer regionalen Fluglinie. Auch die Technik wurde aufgestockt, mit einem technischen Leiter und zwei weiteren Mechanikern. SASM war bisher nur für den Betrieb von Flugzeugen bis zu einem maximalen Abfluggewicht von 5.700 kg (FAR 135) autorisiert. Was einfacher war und bisher auch reichte. Dass das Abfluggewicht bei den 24ern häufig darüber lag, übersah man generös. Für den Einsatz des neuen, bereits bestellten Lear 35 war jedoch eine Betriebsgenehmigung (AOC) über 5.700 kg obligatorisch. Der in der Administration erfahrene Herr Müller organisierte das für den größeren Lear erforderliche AOC (Air Operator Certificate) zeitgerecht. Mit der Autorisierung für Fluggeräte über 10 Tonnen stieg natürlich auch der Verwaltungsaufwand. Alles wurde nun penibel überwacht. Ab sofort waren Fassrollen tabu. Der von den Piloten wenig geliebte Papierkram nahm zu. Für Flugpläne, den Load & Trim Sheets (Ladepläne) usw. mussten nun auch Kopien bei den jeweiligen Startplätzen hinterlegt werden. 24 Stunden sollten diese Unterlagen verfügbar bleiben. In Frankreich erntete man bei der Abgabe dieser Briefumschläge fast immer grandioses Gelächter wegen der Bezeichnung „Couvert“, was ja übersetzt nicht Kuvert, sondern Gedeck heißt. Herr Rohem, ein Industrieller, managte SASM sehr erfolgreich so nebenher. Das musste auch ich, der noch Herrn Kurmann nachtrauerte, anerkennen. Der neue Boss, war verheiratet mit einem wesentlich jüngeren Supermodel, er war bei allen SASM Angestellten bald sehr beliebt. Der erste Lear 35 für SASM. Gegen Ende des Jahres wurden Udo und ich nach Wichita in Kansas/USA abkommandiert, zur Ausbildung auf den neuen Lear. Georg, der Chefpilot, war unabkömmlich. Udo war relativ neu in der Firma, doch ein schon sehr erfahrener Learjet-Pilot und auch TRI &TRE auf diesem. Der noch in Entwicklung befindliche Flieger hatte Platz für acht Passagiere und einen entsprechend großen Gepäckraum. Ausgestattet mit neuen, modernen Turbofanmotoren sollte der Neue rund 50 % mehr an Reichweite bringen. Obwohl er um über 30 % schwerer war und nur 20 % mehr Treibstoff mitführte als die Maschinen der zwanziger Serie. Der neue Motor von Garrett, der TFE 731-2-2B. mit einer Startleistung von 15,6 kN, ein Zweiwellenantrieb mit Frontfan (Bläser), sollte das ermöglichen

Für die Theorie waren in Wichita zehn Tage und drei weitere Tage für den „Triebwerk-Lehrgang“ bei Garrett in Phoenix Arizona eingeplant. Die Auslieferung der neuen Maschine an SASM war zum Jahresende geplant, verzögerte sich aber wie üblich. Wir zwei flogen zurück nach München. Gut zwei Monate später war es dann endlich so weit: auf nach Wichita zum Flugtraining. Ein Flugsimulator für diesen Typ war damals noch nicht verfügbar. Im Verlauf der Einreiseformalitäten sah ein Grenzbeamter der USA, dass Udo einen zweiten Reisepass mitführte. Es dauerte Stunden, dem Beamten zu erklären, dass in Europa viele Piloten einen zweiten Pass hatten. Denn ein Einreisestempel von Israel macht diesen Pass für Saudi-Arabien unbrauchbar, damit durfte man nicht einreisen, umgekehrt war es genauso. Häufig lag auch ein Pass für den Eintrag eines Visums bei einer Botschaft. Der Learjet 35 war fantastisch, ein Hochleistungsflugzeug. Mit seiner Reichweite von gut 3.700 km waren außer Europa alle nordafrikanischen Staaten und auch die Kanaren nonstop erreichbar. Der Flieger war nicht nur außen, sondern auch innen wesentlich leiser als die alten Lears. Udo und ich hatten aufgrund unserer Erfahrungen auf den älteren Learjet-Typen wenig Probleme beim Training und auch keine bei den nachfolgenden Checkflügen. Um uns anschließend als TRI & TRE anzuerkennen, forderte das Luftfahrtbundesamt mindestens 50 Flugstunden auf dem Flugzeug. Diese Erfahrung erwarben wir auf einer Promotion-Tour für Gates-Learjet. Unter der Aufsicht eines „Lear-Produktion-Line-Testpiloten“ flogen wir den Flieger zu diversen Vertretungen in Nordamerika. Natürlich hatte das Baby auch Kinderkrankheiten: Beim Versuch, Stockholm Radio mit HF (Kurzwelle) in 10.000 m Flughöhe zu rufen, quittierten beide Motoren den Dienst. Nicht tragisch, das Wetter war gut und die Triebwerke bald wieder am Laufen. Ein zweiter Versuch, auf Wunsch des Testpiloten, endete mit gleichem Ergebnis. Das Kurzwellenfunkgerät hatte über die Fuelcomputer die Spritzufuhr zu den Motoren blockiert. Die Kurzwellenfrequenzen über 20.000 kHz hatte man darauf vorübergehend gesperrt. Einige Tage später flogen wir unseren Boss, Herrn Rohem, von Toronto nach Wichita. Plötzlich auftretender dichter Rauch im Cockpit und in der Kabine zwang uns zu einer Notlandung in Chicago O’Hare. Eine schadhafte Isolierung war die Ursache des Schwelbrandes. Nach einem Anflug im Schneesturm auf den „Chautauqua County Airport“ bei Jamestown begann der Lear sich kurz nach dem Aufsetzen auf der mit Schnee bedeckten Landebahn zu drehen. Ich zog den Bremsschirm, als die Maschine schon quer zur Landebahn dahinschlitterte, dadurch drehte der Bug wieder nach vorne und der Flieger stabilisierte sich. Die Situation war bereinigt. Eine neue Erfahrung auch für den uns begleitenden Testpiloten. Endlich ging es nach Hause: von Gander in Neufundland in 5 Stunden und 40 Minuten nach London Gatwick und dann weiter nach München. Die Atlantiküberquerung war dank des neuen Omega-Verfahrens einfach. Es war ein Hyperbelfunknavigationssystem, das später vom GPS abgelöst wurde. Das System arbeitete im VLF Bereich (Längstwellen), die acht Sendestationen, verteilt am ganzen Erdball, wurden von der „United States Coast Guardia“ betrieben. Am 30. 09. 1997 wurden diese Sender abgeschaltet. Der neue Lear kam bei den SASM Kunden sehr gut an, war er doch wesentlich leiser. An Bord gab es nun heißen Kaffee aus einem Container statt lauwarmen aus den Thermoskannen. Das Niveau des Caterings konnte mit der kleinen Galley angehoben werden. Zuständig für den Service war aber nach wie vor der Co-Pilot. Nun operierte die Firma vier gut ausgelastete Learjets mit inzwischen sechs Crews und insgesamt 20 Angestellten. Privates. In München fühlten Helen und ich uns mittlerweile recht wohl. Ein neuer Freundeskreis, Arbeitskolleginnen und Kollegen inklusive, trugen dazu bei. Auch mit den Stuttgartern blieben die Freundschaften intakt. Kurzurlaube in Kitzbühel waren für uns als begeisterte Skiläufer unentbehrlich. Ein Sommerurlaub auf Ibiza brachte im Jahr danach Familienzuwachs. Die kleine Lara war nun Mittelpunkt der kleinen Familie, ein absoluter Sonnenschein, lustig und aufgeweckt, entwickelte sie sich prächtig. Schon im Alter von zwei Jahren wurde sie in die weitere Familienplanung einbezogen. Ihre Eltern ließ sie wissen, dass sie einen Bruder nicht wolle und eine Schwester brauchte sie schon gar nicht. Damit war dieses Thema auch erledigt. In Paris. Für Gates Learjet präsentierten Ernst und ich den Lear 35 auf der Air Show in Paris Le Bourget. Es war eine interessante Aufgabe. Abwechselnd beantwortete der eine die Fragen von Lear-Interessenten, während der Zweite sich derweil die Ausstellung ansehen konnte. Am letzten Tag besuchte unser Boss mit seiner Frau die Luftfahrtschau. Zum Abschluss luden Herr und Frau Rohem uns zu einem feudalen Abendessen ein. Am Tag danach flogen wir zurück nach München. SASM ersetzte die alten Lears nach und nach mit Lear 35 und später den letzten mit einer Falcon 20. Nur dem 23er trauerte ich nach, es war mein erstes Düsenflugzeug und auch das mit der imponierendsten Steigleistung. Lear 35A. Dass man den Lear 35 noch verbessern kann, hat Gates-Lear mit dem 35A bewiesen. Die neue Century III Wing hatte einen größeren Flügelnasen-Radius als der alte Flügel. Dadurch konnte die VREF (Geschwindigkeit kurz vor der Landung), die beim 35er noch je „Landegewicht“ zwischen 220 und 260 km/h lag, nun am 35A auf komfortable 200 bis 230 km/h gesenkt werden. Ähnlich war die Verbesserung bei der V1 (Stopp oder Go beim Start) Probleme und Problemchen. Einige Monate später, nach einem Start (Abheben) in Stuttgart, quittierte das rechte Triebwerk nach einem lauten Knall den Dienst. Wir landeten die Maschine nach einer Platzrunde. Mit einem doppelten Cognac verarzteten wir einen Passagier, dem vor Schreck die Nase blutete. Eine gebrochene Kompressorschaufel war der Auslöser des „Motorausfalls“ (Engine Failure), stellte die Technik fest. Der Motor TFE 731-2-2B der Firma Garrett war neu am Markt und hatte noch Kinderkrankheiten. Den Flugauftrag erledigten wir, mit leichter Verspätung, mit unserem Lear 23. Bevor der Lear 23 durch einen weiteren 35er ersetzt wurde, kreuzte noch ein Möwenschwarm unseren Anflug auf Rotterdam. Die dortige Feuerwehr reinigte freundlicherweise den Flieger mit Hochdruck-Wasser von den über den ganzen Lear verteilten Federn und Blut. Von den Möwen geriet aber keine in eines der Triebwerke. Die General Elektrik CJ610 Strahlturbinen waren ziemlich robust. Als kurz vor der Landung in Wien einmal ein Rebhuhn in den Lufteinlass eines Triebwerks geriet, entstand kein Schaden, danach roch es allerdings nach gebratenem Hähnchen in der Kabine. Den zweimaligen Funkausfall am Lear 24 fanden mein Kollege und ich weniger lustig. Das erste Mal passierte es im Anflug auf Paris Le Bourget, dann noch einmal in London Gatwick. Unangenehm deshalb, da einerseits die Anflug-Verfahren bei Funkausfall recht kompliziert und außerdem von Land zu Land sehr unterschiedlich sind. Im sogenannten Osten (dem damals kommunistischen Balkan), wurde auch das Umfliegen von Gewittern oft nicht gestattet. Nach einem Start in Bukarest in Rumänien gerieten Ernst und ich mit der D-IKRB in ein heftiges Gewitter. Der Lear mit seiner geringen Spannweite war relativ stabil. Freilich kassierten wir einige Blitzschläge, was den Antennen nicht guttat. Zum Teil verkohlt, war danach ihr Wirkungsgrad mies und damit auch die Funkverbindung. Elmsfeuer an den Cockpitscheiben hatten wir öfter, diesmal hatten wir auch welche an den Tip-Tanks, die in Flugrichtung züngelten. Ein Anruf der Flughafenpolizei aus Nizza löste in der Firma erhebliches Gelächter aus: Die Polizisten hatten am Vorfeld einen Mann festgenommen, der behauptete, ein SASM Kapitän zu sein. Das war unglaubwürdig für die Ordnungshüter, da dessen Outfit aus abgerissenen Jeans, die seinen halben Allerwertesten unverhüllt zeigten, und einem zerrissenen T-Shirt bestand. Es war ein Kollege, der betont locker für einen Ferry-Flug gekleidet zum Dienst erschienen war. Herr Heiter, sein passender Name, wurde freigelassen und gebeten, möglichst schnell zu verschwinden. Die Firma reagierte mit einer Dienstanweisung, ab sofort war das Tragen der Uniform auch bei Ferry-Flügen obligatorisch. Im Verlauf eines Fluges mit einem 35er Lear von Lagos in Nigeria nach Algier war auf der 3.500 km langen Strecke nur die Navigationshilfe am Start- und Zielort betriebsbereit. Das war damals in Afrika nicht ungewöhnlich. Dennoch mussten die Navigationspunkte als auch das Überfliegen der Staatsgrenzen gemeldet werden. Unser Lear hatte keine Langstrecken-Navigation-Ausrüstung. Da blieb nur die Koppelnavigation mit Kompass, Fahrtmesser und Uhr. Als uns eine Boeing 707 überholte, fragte ich die Boeing-Crew: „Wohin fliegt ihr?“ „Nach Paris-Charles-de-Gaulle über Algier“, war die Antwort. Wir nahmen an, dass die Langstreckenmaschine adäquat (mit Trägheitsnavigation) ausgerüstet war. Also folgten wir ihr und später ihren Kondensstreifen. Als die Boeing plötzlich hart nach Nordwest drehte, korrigierten auch wir unseren Kurs. Etwas später, als wir das Drehfunkfeuer von Algier empfingen, waren wir noch immer außerhalb der Luftstraße. Fritz meinte: „So genau wären wir nur mit dem Kompass auch angekommen.“ „Wohl wahr“, meinte ich, „mit dem von uns errechnetem WCA (Vorhaltewinkel) eher genauer.“ Von Krakau in Polen sollten wir eine Gruppe von Managern zurück nach München fliegen. Bei der Ausreisekontrolle stellte eine strenge Zöllnerin fest, dass einige Passagiere noch Zloty vom Zwangsumtausch hatten. Die Beamtin erklärte, dass die Ausfuhr, das Verschenken oder gar ein Entsorgen von Zloty strengstens verboten ist. Spät am Abend waren am Airport aber schon alle Gaststätten und Geschäfte geschlossen. Nun war die Frage, was tun mit dem Geld. Zur späten Stunde fanden wir dann eine „Spenden-Dose“ vom Roten Kreuz, wo sie ihre Zloty legal loswerden konnten. Endlich konnten wir abfliegen. Der Start erfolgte bei dichtem Nebel. Kurz nach dem Abheben war ein Knall zu hören, gleichzeitig fiel der linke Motor aus. Da die Wetterlage eine Landung in Krakau nicht zuließ, steuerten wir Wien, den „Takeoff Alternate“ (Ausweichflugplatz) an. Auslöser des Triebwerksausfalls war eine heiß gelaufene Ölpumpe. Nur einige Tage später, auf einem Flug von Olbia auf Sardinien zurück nach München, hatten wir das gleiche Problem. Wieder war eine heiß gelaufene Ölpumpe der Auslöser für einen Motorausfall. Diesmal geschah es auf einem „Ferry“ (Überführungsflug ohne Passagiere) bei schönem Wetter über den Alpen, weshalb wir mit einem Motor weiter zum Heimatplatz flogen. Schlussendlich bekam Garrett auch dieses Problem in den Griff. Mit Richard als Co-Pilot hatte ich einen bemerkenswerten Einsatz. Von München nach Turin und anschließend über Genua nach Tripolis in Libyen sollten wir fliegen. Nach dem Start in München kam ein Anruf vom Tower: „Ihr habt den wichtigsten Mann vergessen.“ Also zurück, zuerst mussten wir einmal Sprit ablassen, sonst wären wir über dem Landegewicht. gewesen. Dann den Chef der Gruppe, den zuvor niemand vermisste, borden. Später über Turin mussten wir in die Warteschleife. Vorrausichtlich 20 Minuten, wegen Schneeräumung, meinte der Kontroller. Bald danach schloss der Tower den Platz wegen extremen Schneefalls. „Also auf nach Genua“, sagte ich, „dahin müssen wir sowieso.“ Genua war nach dem Ausfall von Turin und den beiden Mailänder Flughäfen total überfordert und wies den Lear zurück. Nach Nizza auszuweichen war dann die letzte Möglichkeit. Dort landeten wir mit „low fuel lights on“, was in diesem Fall legal war. Am Nachmittag flogen wir unsere Passagiere, da Turin noch immer geschlossen war, nach Genua. Danach die italienischen Kunden mit erheblicher Verspätung nach Tripolis. Als wir am folgenden Tag zurück nach Genua jetteten, hatte sich die Wetterlage noch nicht wirklich gebessert. Eine Landeerlaubnis erhielten wir erst, nachdem wir eineinhalb Stunden in der Warteschleife verbracht hatten. Darauf flogen wir sofort weiter nach Turin, um die Münchner wieder nach Hause zu bringen. Sie waren am Vortag mit der Bahn von Genua nach Turin gefahren. Bei der Landung im heftigen Schneesturm blockierte dann auch noch das linke Hauptfahrwerk. Beide Reifen der Zwillingsräder platzten, auch die Felgen waren danach Schrott. Ein Schleppfahrzeug brachte den Flieger in die Werft. Richard meinte später im Hotel, dass er auf solche Flüge in Zukunft gerne verzichten würde. Die von mir angeforderte Ersatzmaschine brachte auch Mechaniker und Ersatzräder mit. Ursache war ein Kurzschluss in der Parkbremse. Nach Mailand Linate sollten wir Geschäftsleute fliegen. Dichter Nebel verhinderte die Landung dort, wir wichen nach Mailand-Malpensa aus. Der Frühnebel in Linate sollte sich spätestens zu Mittag aufgelöst haben, meinten die Meteorologen. Danach sollten wir die Manager von Linate zurück nach München fliegen. Der Nebel hielt sich nicht an die Prognose, er blieb hartnäckig liegen. In Malpensa schien die Sonne aus einem azurblauen Himmel. Einen Espresso gönnten wir uns noch vor dem Rückflug. Als wir mit unseren Fluggästen zum Learjet fuhren, mussten wir den Flieger im nicht prognostizierten, eingefallenen dichten Nebel suchen. Für den Start reichte die Sicht gerade noch. Unser Auftrag lautete: Ferry nach Rabat-Sale in Marokko, und von dort sollten wir zwei Passagieren nach Stockholm Arlanda in Schweden fliegen. Als wir am frühen Morgen ziemlich müde Stockholm erreichten, fragte uns der Kontroller bereits zum zweiten Mal, wann wir den unseren Sinkflug starten wollten. Meinen Kollegen, er fungierte als PF, fragte ich, ob er einen großen Flugplatz südlich von Arlanda kenne. Er kannte keinen, ich auch nicht. Also musste der Flughafen tief unter uns der Internationale Airport von Stockholm sein. Wir flogen noch in Reiseflughöhe auf 39.000 ft. Plötzlich waren wir hellwach, ich entschuldigte uns, der Kontroller lachte und führte uns mit einer weiten Schleife zur Betriebspiste. Die Kunden. Während „Prima Air“ nur Klienten aus dem Raum Stuttgart beförderte, hatte SASM Auftraggeber aus ganz Deutschland und den angrenzenden Staaten. Konzernvorstände, Banker, Manager, Hochadel, Künstler und Musiker beiderlei Geschlechts. Einer dieser Konzernvorstände trauerte lange der King-Air nach. „Die einzige Zeit, wo ich ungestört arbeiten konnte, war während des Fluges“, sagte er einmal. Der schnellere Lear halbierte diese Zeit, was er bedauerte. Der Großteil der Kunden war pünktlich, auch da die Leute wussten, dass die Maschine oft nicht warten konnte. Schon kleine Verspätungen brachten meine Kollegen und mich unter Zeitdruck. So musste ich einmal ohne die verspäteten Passagiere abfliegen, um meinen weiteren Flugplan einzuhalten. Das Verhalten der Passagiere gegenüber den Piloten war meist sehr freundlich, Ausnahmen bestätigten die Regel. Als wir Paris anflogen, waren einmal alle Landebahnen wegen Schneeräumung geschlossen. Unser Fluggast, ein bekannter Manager, meinte, dass ihn das nicht interessiere. Sein Termin sei wichtig, sollte er nicht pünktlich ankommen, würde er den Flug auch nicht bezahlen. „Auf einem geschlossenen Flughafen können wir nicht landen, entweder wir halten in der Warteschleife, bis der Platz geöffnet wird, oder wir fliegen Sie zurück“, erklärte ich ihm. Hinzu fügte ich: „das mit der Bezahlung müssen sie direkt mit SASM regeln“. Nach kurzer Überlegung wollte der Herr Vorsitzende dann doch noch die Öffnung des Airports abwarten. Fritz sollte einmal eine dünne A4-Mappe für einen Gewerkschaftsboss zum Flieger tragen. Der Co-Pilot lehnte ab, bot aber an, den Cargo Service damit zu beauftragen. Das missfiel diesem Mann sichtlich, zornig trug er den Hefter selbst die zehn Schritte zum Flieger. Ihren Passagieren sind Exekutiv-Piloten sonst gerne behilflich, sie lassen sich aber ungern zu Narren machen. Die Falcon 20. Um den gestiegenen Ansprüchen ihrer Kunden zu genügen, orderte SASM eine Dassault Falcon 20. Angetrieben von zwei General Electric CF700-2D2 Motoren mit 20,02 kN Startschub. Zum Basistriebwerk CJ610 kam eine Fan-Stufe dazu, eine weitere Niederdruckturbine wurde radial mit einem Fan erweitert. Eine eher selten angewandte Technik, die sogenannte „Aft-Fan-Engine“. Die Maschine war größer als der Lear, ausgestattet für 10 Passagiere, 2 Piloten und eine Stewardess

Kapitel 5. Nigeria „Afrika is the answer.“ Diesen Satz hörten wir oft in Nigeria, worauf sich dieser bezog, blieb rätselhaft. Für mich war Afrika die Antwort, da fand ich endlich wieder einen Arbeitsplatz. Ein alter Bekannter gab mir den Tipp. Die Firma „Trans Nigeria Limited“ stellte mich als Kapitän für ihre neue Dassault Falcon 50 ein. Den Job erhielt ich, da ich Flugerfahrung auf der Falcon 20 nachweisen konnte. Die Holdinggesellschaft mit Sitz in Kano, im Norden Nigerias, war über 4.000 km von meinem Wohnsitz entfernt und auch nicht einfach erreichbar. Nach jeweils sechs Wochen Dienst waren drei Wochen frei eingeplant. Das war nicht einfach für das Familienleben. Es war aber mein einziges Angebot, darüber hinaus war es überdurchschnittlich bezahlt. Mein neuer Boss, Alhaji Shehu, war ein Geschäftsmann und Islamwissenschaftler. Der prominente Nigerianer war um die fünfzig Jahre alt und stattliche 1,90 Meter groß. Er wurde mit dem Titel Alhaji angesprochen, da er bereits mehrmals Mekka besucht hatte. Er war immer traditionell in Babban Riga gekleidet, mit Schlangenlederschuhen, die farblich perfekt auf seine Kleidung abgestimmt waren. Sein Stellvertreter Alhaji Sani war etwas jünger und brachte einiges mehr auf die Waage. Auch er liebte die farbenfrohe, klassische Kleidung. Die Falcon 50, eine Weiterentwicklung der Falcon 20, ist ein dreistrahliges Geschäftsflugzeug. Die brandneue Maschine hatte eine Reichweite von 5.500 km. Zehn komfortable Sitze hatte die Kabine. Sie war mit modernem IRS und einem Omega-System für Langstreckenflüge ausgerüstet. Zwei Kapitäne und ein Co-Pilot sollten die Maschine abwechselnd operieren. Der zweite Kapitän war Frederik (Fred), ein Deutscher, der ebenfalls Erfahrung auf der Falcon 20 hatte. Er war eingefleischter Jungesselle und etwa in meinem Alter. Der künftige Co-Pilot Dieter lebte schon länger in Kano. Er war über dreißig Jahre alt, sportlich, kam von der deutschen Luftwaffe und flog danach eine Cessna Citation. Dieter hatte schon eine nigerianische Lizenz. Eine im Land gültige „Airline Transport Pilot Licence“ brauchten auch Fred und ich. Also suchten wir beim Federal Ministry of Civil Aviation um einen Prüfungstermin an. Die Unterlagen, um uns auf die Prüfung vorzubereiten, kauften wir bei einer Flugschule. Für das Medical (fliegerärztliche Untersuchung) musste ich dreimal nach Lagos. Zuerst funktionierte das Röntgengerät nicht, beim zweiten Mal war der Röntgenologe unauffindbar. Da der Linienpilotenschein alle sechs Monate verlängert werden musste, hatten wir zweimal pro Jahr dieses zweifelhafte Vergnügen. Zuerst erhielt Fred die Einladung zur Prüfung. Zu meinem Termin war ich in Paris, am Theoriekurs für die Falcon 50. Eine Bitte um Vorverlegung hatte der zuständige Beamte abgelehnt. Dass ich deswegen extra aus Paris anreisen musste, interessierte ihn, der offensichtlich keine Freude mit Europäern hatte, nicht. Folglich jettete ich am Tag vor der Prüfung nach Lagos. Der recht umfangreiche Test zog sich bis zum Abend hin. Auf dem Rückflug mit Nigeria International Airline schnappte ich mir beim Einsteigen einen Sechserkarton Bier aus der Galley, wie ein Vielflieger mir zuvor geraten hatte. Später teilte ich mit meinen Sitznachbarn. Auf den Service warteten die Passagiere vergeblich, es gab nichts. Das Luftfahrtunternehmen war seiner Zeit weit voraus, es war wie heute bei den Billig-Airlines. Der Theoriekurs für die Falcon 50, einschließlich der Prüfungen, endete kurz vor Weihnachten. Da die Auslieferung der Maschine und das folgende Flugtraining für Anfang Jänner geplant waren, konnte ich Weihnachten und den Jahreswechsel zu Hause bei meiner Familie verbringen. Ein Flugsimulator für die Falcon 50 war noch nicht disponibel. Fred und ich absolvierten das Flugtraining in Bordeaux. Jeder hatte eine Trainingseinheit am Vormittag. In einem Chalet in Flughafennähe verbrachten wir die zweistündige Mittagspause

Zum erlesenen Essen gehörte für jeden von uns eine Viertelliterflasche Wein. Alle drei Flaschen hat der Instruktor getrunken, er müsse ja nicht fliegen, war sein Kommentar. Fred und mir war es recht, ein echter Franzose verträgt das wohl. Am Nachmittag wieder Airwork, da gingen wir schon an die Leistungsgrenzen der Maschine. Nach Abschluss unseres Flugtrainings waren die Checkflüge fast Routine. Für die Falcon 50 Instruktor Berechtigung (TRI) musste ich einen weiteren Prüfungsflug vom rechten Sitzplatz absolvieren. Startklar zum Einsatz. Einige Tage später, nach Erledigung des Papierkrams und nachdem die Maschine auch das nigerianische Kennzeichen auflackiert hatte, ging es nach Kano. Mit auf dem Flug war auch Alain, ein Dassault Techniker. Die nächsten sechs Monate sollte er den Flieger und die Passagiere betreuen. Die Falcon versorgte er gut und gerne, lustlos und miserabel aber die Fluggäste. Die Firma stellte uns ein Haus in Kano zur Verfügung. Das Grundstück war umgeben von einer mit Stacheldraht bewehrten hohen Mauer. Fred hatte sein eigenes Zimmer mit Bad. Als Familienvater hatte ich zwei Zimmer mit Bad. Ein großes Wohnzimmer und die Küche teilten wir uns. Der Co-Pilot hatte sein eigenes Haus und der Techniker war im Hotel untergebracht. Das Personal, den Koch-Steward, einen Gärtner und drei Wachleute bezahlte das Unternehmen. Der Koch-Steward, Achmed, wohnte mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im sogenannten Boy-Quarter, das auch innerhalb der Mauer lag. Um ihn zu ordentlicher Arbeit und Loyalität zu animieren, verdoppelten Fred und ich privat sein Gehalt. Hinter dem Haus durften der Gärtner und die Wachleute ihre Tomaten ziehen. Als sie auch die Wiese vor dem Haus landwirtschaftlich nutzen wollten, gebrauchten wir unser Vetorecht. Die mit Pfeil und Bogen bewaffneten Wachen rüsteten wir zusätzlich mit aus England importierten Schlagstöcken und „Custodian Helmen“ (Kopfbedeckung der britischer Polizisten) aus. Neben London und Luton in England lagen die meisten Destinationen innerhalb Nigerias und den Anrainerstaaten. Lagos war das Hauptziel, die Stadt war damals nicht ungefährlich. Einem Überfall auf einer Fahrt zum Hotel konnte unser Fahrer nur durch ein verwegenes Manöver entgehen. Zwei Pickups wollten uns stoppen. Unser Fahrer bremste hart! Als die Pickups auch bremsten, wich er nach links aus und gab Vollgas, dadurch entkamen wir den Räubern. Mehrmals sorgte auch die Flugsicherung für eine Überraschung: Unseren Anflug in Lagos mussten wir abbrechen, zurück in die Warteschleife war die Order, da die Präsidentenmaschine im Anflug war und der Airport deswegen für eine Stunde kurzfristig geschlossen wurde. Irritiert waren wir, als wir unseren Steigflug unterbrechen mussten, obwohl die auf Gegenkurs befindliche Maschine noch 150 km entfernt war. Als die Distanz nur mehr 30 km betrug, erhielten wir die Freigabe für den weiteren Steigflug, wir warteten aber den Gegenverkehr vorsichtshalber ab. Der Kontroller hatte offensichtlich die Entfernungsangaben missinterpretiert. Auch das Wetter in der Gegend hatte seine Tücken. Zwischen Kano und Lagos mussten wir oft unangenehme Gewitterfronten durchfliegen, die 50.000 Fuß (15.000 m) in den Himmel ragten. In Lagos waren wolkenbruchartige Regenschauer nicht selten. Als wir mit der Falcon bei Gewitterregen in der Warteschleife kreisten, hörten wir, dass Nigeria International Airline ihren Anflug wegen Starkregen abbrach. Kurz danach forderten sie zu unserer Überraschung eine Landung nach Sicht an. Der örtlich begrenzte Regenschauer war nach Westen abgezogen. Wieder zurück in Kano fiel unser Generator, der am Abend für Licht sorgte, aus. Das öffentliche überlastete Stromnetz brach, sobald es dunkelte, zusammen. Die von uns gerufenen einheimischen Experten zerlegten den Stromerzeuger erfolgreich, danach war der Generator allerdings schrottreif. Wir mussten uns einen neuen gebrauchten kaufen. Ahmed erhielt von Fred eine detaillierte Bedienungseinweisung, auch für den Dieselnachschub sollte er in Zukunft sorgen. Das kaufmännische Talent Ahmeds fiel Fred und mir erst Monate später auf. Ahmet stellte uns genau den doppelten Dieselpreis in Rechnung. Na ja, neben Frau und den zwei kleinen Kindern hatte er jetzt auch noch seine neue Freundin im Nachbarbezirk zu versorgen. Anrecht auf bis zu vier Frauen, merkte Ahmed an, hat er. als Moslem. Unseren Boss flogen wir mehrmals nach London zum Zahnarzt. Als ich ihn kennenlernte, war er fast zahnlos. Nach der Generalsanierung seines Gebisses fürchtete er, von seinen Landsleuten nun nicht mehr erkannt zu werden. Seine Bedenken stellten sich gleichwohl als unzutreffend heraus. Der Alhaji Shehu reiste stets in Begleitung und legte größten Wert auf Pünktlichkeit. Das sollte sein Stellvertreter Alhaji Sani beizeiten herausfinden. Nach dem Losrollen von der Parkposition in Kano sah ich Sani aus der Abflughalle kommen. Wir stoppten die Maschine und ich wies Alain an, die Treppe auszufahren. Das aber missfiel dem Chairman, der immer minutiös die Zeit einhielt, er unterbrach den Vorgang und Sani blieb nur die Airline nach London. Als ich Alhaji Sani wiedersah, normalerweise ein sehr freundlicher Zeitgenosse, wurde ich von ihm ignoriert. Erst nachdem ich ihn über das Intervenieren unseres Bosses beim Abflug informiert hatte, war die Beziehung wieder in Ordnung. Inzwischen hatte auch Dieter den Falcon 50 Theoriekurs abgeschlossen. Das Flugtraining hatte ich mit ihm in Kano durchgeführt. Den anschließenden Checkflug konnte ich ihm, mittlerweile als Examiner anerkannt, auch abnehmen. Jetzt konnten wir mit dem Wechselmodus, sechs Wochen Dienst, drei Wochen frei, starten. Fred flog nach Hause. Dieter absolvierte unter meiner Aufsicht seine Supervision. Danach konnte ich nach Hause. Erkrankungen waren nicht eingeplant. Die Heim- und Rückreise war Privatsache. Alain ging planmäßig zurück nach Frankreich zu Dassault. Ihn ersetzten Grace und Rena, zwei hübsche Damen, beide Ende zwanzig. Die Engländerin Grace war früher Stewardess und jetzt liiert mit einem britischen Geschäftsmann. Rena, die Frau eines deutschen Managers, arbeitete auch vorher in der BRD als Flugbegleiterin. Die zwei Ladys teilten sich den Job. Fred vermutete Langweile als Grund bei den Damen, denn finanziell nötig hatten sie es sicher nicht. Mit den Stewardessen stieg der Service auf ein gutes Niveau, was unsere Passagiere goutierten. Kein Wunder, Alain war Techniker und der Service seine Sache nicht. Bei den Libanesen. Einen ungewöhnlichen Abend verbrachte ich gemeinsam mit einer Gruppe von etwa zehn Personen im Libanon Club. Nach ausgezeichnetem Essen (außergewöhnlich in Nigeria) wurde zum Tanzen aufgespielt. Am Nebentisch saßen Libanesen mit ihren Frauen, sie forderten die Europäerinnen immer wieder zum Tanz auf. Tanzfreudige Männer aus unserer Gruppe, holten sich bei den Libanesinnen ausschließlich Körbe. Nachdem ich das eine Weile beobachtet hatte, fragte ich den Patron, wieso das den so sei. Er antwortete: „Our women are not prostitutes.“ Der Umkehrschluss bleibt dem geneigten Leser überlassen. Anschließend vereinbarten wir, uns weiter freundlich zu verhalten. Allerdings lehnten nun auch die Europäerinnen jede Aufforderung zum Tanzen ab, mit Hinweis auf einen baldigen Aufbruch. Eilig hatten wir es dennoch nicht, ein bisserl provozieren wollten wir schon. Der Club war für meine Freunde und mich erledigt. Ähnlich überhebliches Verhalten von Libanesen hatte ich weder vorher noch nachher beobachtet. Ein weiterer unguter Abend. In der im Südosten von Nigeria gelegenen Stadt Port Harcourt besuchten wir am Abend den Biergarten unseres Hotels. Nachdem wir eindeutige Angebote professioneller Damen ablehnten, beschimpften diese Fred und mich als Rassisten und attackierten uns mit ihren Stöckelschuhen. Da blieb nur der Rückzug in die drückend heiße Hotelbar. Später im Zimmer fand ich meinen Koffer aufgebrochen vor. Es fehlten 60.000 Lire (ein verschmerzbarer Schaden), an die hundert Naira und einige Dollar. Die 270 englische Pounds ließ der Dieb zurück, da er englisches Geld und den Wert wohl nicht kannte. Außerdem hatten die Einbrecher meinen Walkman (Sony) mitgenommen, den dazugehörigen Kopfhörer ließen sie zurück. Wieder in England. Nach einer Landung in Luton sollten wir die Falcon gleich zurück nach Kano fliegen, was ich mit Hinweis auf die Duty Time (Dienstzeitregelung) ablehnte. Eine gute Woche später flogen wir von London nach Kano und gleich zurück nach London. Wieso das denn gehe, wollte der Boss darauf von mir wissen. „Alhaji“, sagte ich, „um in Kano pünktlich zu starten, müssen wir lange vor dem Abflug einchecken. Immigration, Zoll, Health und Wetter, das dauert in Kano. Diese dreieinhalb Stunden plus fünfeinhalb Stunden Flugzeit ergibt neun Stunden, danach ist ein Rückflug nicht mehr möglich. In London reicht eine Stunde vor dem Abflug, und für einen turn aroud (Umdrehen) in Kano reicht auch eine Stunde, ergibt mit den zweimal fünfeinhalb Stunden Flugzeit also insgesamt 13 Stunden, somit unter der maximalen Dienstzeit von 14 Stunden.“ „Aha“, meinte darauf der Chairman. Zurück in Nigeria. Generell sind die Nigerianer, besonders die Hausa, freundliche Menschen, die gerne und viel lachen. Aber auch in Kano kam es immer wieder zu Überfällen. Am Haus brachten Fred und ich deshalb eine Sirene an, die an einer Batterie angeschlossen war. Einschalttasten hatten wir in unseren Zimmern. Aktivieren mussten wir die Anlage aber nie. Wenn ich im Rückspiegel einen PKW mit vier strammen Männern ausmachte, dann drehte ich im nächsten Kreisverkehr einige Runden. Folgte mir das Auto noch immer, fuhr ich in das nächste große Hotel oder zur nächsten Polizeistation. Damit war das Problem elegant gelöst. Eine Fahrt in eine Sackgasse hat für manch einen tödlich geendet. Einmal gab es Ärger mit einem Taxifahrer. Er verlangte von Fred und mir zehn Naira für eine Strecke, die normal für Schwarzafrikaner einen halben Naira und für Europäer fünf Naira kostete. Eine Gruppe Studenten, die die Diskussion beobachteten, brachten sich aggressiv ein. Sie überzeugten Fred und mich, dass zehn Naira gerechtfertigt waren. Im Sommer verbrachte auch meine Frau mit unserer Tochter die Schulferien in Kano. Helen erzählte von einem Deutschen, der unmittelbar vor ihr einreiste. Der Mann hatte offen eine Menge Bargeld bei sich, was Helen als sehr riskant einschätzte. Zu Recht, denn der Herr hat keine zwei Stunden überlebt. Man fand ihn erschossen ohne Bares in einer Sackgasse. Irgendwann machte ich mit meiner Familie und Freunden einen Ausflug in den Busch. Rena, die auch mit dabei war, entdeckte ein kleines eingeborenes Mädchen, deren linker Arm leblos nach unten hing. Nur ausgekugelt, diagnostizierte die ausgebildete Krankenschwester nach genauerer Betrachtung. Die Verständigung mit dem Vater war schwierig, dennoch brachte Rena das Kind in eine Klinik. Ein Betäubungsmittel war damals in Kano nicht erhältlich. Ohne Betäubung, unter lautem Wehklagen, gelang die Behandlung. Nur einige Wochen später war das Kind putzmunter und auch nicht mehr behindert. Das Dorf mit seinen Rundhütten und Lehmboden war erstaunlich sauber. Kein Müll und auch keine Fliegen waren zu sehen. Anders war es bei den stolzen Massai, die wir in Kenia besuchten. Da konnten wir nur mit Mühe den allgegenwärtigen Kuhfladen ausweichen. Zusätzlich wurden wir von Fliegenschwärmen attackiert. Eine Spritztour zur Freizeitanlage am Bagauda-Stausee machte ich mit Helen und Lara. Nach eineinhalb Stunden Fahrt erreichten wir den Einlass. Meine Kühltasche mit unseren Getränken war in der Anlage unerwünscht. Ich versprach, sollten am Kiosk nach elf Uhr noch kalte Getränke erhältlich sein, bekämmen sie die Tasche samt Inhalt geschenkt. Darauf ließ uns der Aufseher, der die Umstände kannte, laut lachend passieren. Schon vor zehn Uhr gingen dem Kiosk die kalten Getränke aus. Die Wasseraufbereitung für das fünfzig Meter lange Schwimmbecken sah ich mir zur Sicherheit an. Die Pumpen und E-Motoren lagen vollständig unter Wasser und waren sicher schon länger funktionsunfähig. Instandhaltung war in Nigeria seinerzeit noch unterentwickelt. Die Familie verzichtete danach auf den geliebten Wassersport. Beizeiten waren die Ferien zu Ende und Helen mit Lara auf dem Rückflug nach München. Nach der Abreise von meiner Familie verbrachte unser Kochsteward Ahmed wieder viel Zeit bei seiner Freundin, was seiner Frau missfiel. Sie wollte, dass Fred und ich Ahmed mehr auslasteten. Nicht einfach, da wir ja nur sporadisch anwesend waren. Mit zu Ahmeds wenigen Aufgaben gehörte die Zubereitung des Frühstücks, sofern einer von uns in Kano war. Die freien Abende verbrachten wir meistens im „Kano Flyingclub“. Das Essen dort war akzeptabel, das Bier kühl und man traf fast immer Bekannte. Vielmehr als wieder einmal die Fenster zu reinigen, fiel uns nicht ein. Erst eine Invasion von Wanderameisen auf das Haus, brachte Arbeit für unseren Steward. Da besorgte ich für Ahmed einen Drucksprüher, Sprühmittel und eine Atemmaske. Als ich nach einigen Tagen zurückkam, hatte Ahmed zwar die Ameisen besiegt, war aber krank. Er hatte zu viel Insektenschutzmittel eingeatmet, da ihm das Tragen der Maske lästig war. Ein Bekannter aus dem „Kano Flyingclub“ hatte uns zu einer Werksbesichtigung in Kano eingeladen. Der Deutsche war Betriebsleiter einer moderne „Soft Drink Factory“. Er erzählte lachend, dass während seines Urlaubs die Firma nur wegen einer verklemmten Dose stillstand. Die indischen und pakistanischen Techniker konnten innerhalb drei Wochen den Fehler nicht lokalisieren. Es war ein moderner Betrieb. In einen Teil der Anlage wurden verschiedene Säfte eingeleitet. An einer anderen Position führte man die Bleche ein. Heraus kamen fertige, gefüllte und beschriftete Dosen. Mitten in der Nacht auf dem Weg zum Airport ignorierte ich eine rote Verkehrsampel und wurde von bewaffneten Polizisten angehalten. Auf meiner Seite war die Ampel grün, behauptete ich kühn. Der verdutzte Polizist rief seinen Vorgesetzten und berichtete den Vorfall, dieser fluchte: „In diesem Scheißland funktioniert auch gar nichts!“ Auf der Rückfahrt, ich hatte Fred direkt am Vorfeld an der CLA Boeing abgeholt, kontrollierten die Polizisten noch immer alle Reisenden genau. Im Koffer von Fred waren Spezialitäten aus Deutschland (Schinken, Wurst und Käse), deren Einfuhr nicht erlaubt war. Während wir noch überlegten, wie wir die Umgehung der Einreisekontrollen erklären könnten, erkannte einer der Polizisten mich wieder und winkte uns durch. Der erste Flug nach Hongkong. Während unsere Reisepässe für einen Fernosttrip kontrolliert wurden, unterhielt ich mich mit Grace. Dabei gebrauchte ich den Ausdruck „silly“. Ein hinter mir stehender Grenzbeamter fühlte sich beleidigt, er nahm mich fest und mit zur Vernehmung. Ich verdeutlichte, in welchem Zusammenhang das Wort fiel. Der Beamte, ein eher seltener Weißenhasser (vielleicht nicht unbegründet), wollte meine Version nicht glauben. Als er dann meinen Pass genau kontrollierte, fand er zwölf Ausreisestempel, aber nur fünf Einreisestempel. „Das Stempeln ist nicht meine Sache“, sagte ich, „darüber müssen Sie sich mit Ihren Kollegen unterhalten, manche tun es, andere nicht.“ Darauf entließ er mich unfreundlich. Wie wir die Kontrollen bei der Einreise umgingen, konnte er zum Glück nicht nachvollziehen. Somit starteten wir noch pünktlich nach Kairo. Am nächsten Tag flogen wir weiter über Maskat nach Bangkok. In der Hauptstadt Thailands hatten wir zwei Tage frei und sahen uns die zentralen Sehenswürdigkeiten an. Danach ging es nach Hongkong, wo wir nach turbulentem Anflug am Kai Tak International Airport unmittelbar vor einem Taifun landeten. Die Falcon parkten wir gegen die Hauptwindrichtung. Vollgetankt trotzte der Flieger dem Sturm. Viel von der Stadt sahen wir nicht, da die Stadtverwaltung eine Ausgangssperre angeordnet hatte. Flug- und Schiffsverkehr waren eingestellt, der Wind blies mit Orkanstärke. Nachdem sich das Wetter beruhigt hatte, mussten wir weiter nach Singapur. Der Flug war unruhig und der Boss ärgerte Grace, indem er sich wie immer nicht anschnallte. „Nur nicht aufregen, den Boss schützt Allah“, konstatierte ich. Nach der Ankunft bei tropischem Regen am Seletar Airport im Norden des Stadtstaates klarte es rasch auf. Den Tag in Singapur nutzten wir für eine Stadtrundfahrt. Die Metropole war auffallend sauber, keinerlei Unrat sahen wir in der Stadt. Schon für eine weggeworfene Zigarettenkippe bezahlte man damals 100 Singapur-Dollar, sofern man erwischt wurde. Danach erholten wir uns noch am Palawan Beach auf der nahen Insel Sentosa. Am folgenden Tag flogen wir in acht Stunden und fünfzehn Minuten nach Bahrain, ziemlich am Limit unserer Maschine. Dann in knapp acht Stunden nach Luton. Inzwischen waren Ziele in den europäischen Hauptstädten normal, London und Luton aber weiterhin die wichtigsten. In Saudi-Arabien. Eines Tages, als Fred und ich in Dschidda in der Lobby eines Hotels saßen, erkannten wir unseren Boss im Büßergewand nicht und ignorieren ihn deswegen. Er und seine Begleiter amüsierten sich darüber königlich. Am Tag darauf in Riad waren der Alhaji, sein Gefolge und auch wir bei einem Scheich zum Essen eingeladen. Zuerst gab es einen Aperitif in der gut bestückten Privatbar des Gastgebers. Anscheinend bestätigt auch in Saudi-Arabien die Ausnahme die Regel. Vielleicht war es aber auch nur die Apotheke des Scheichs, als Medizin ist Alkohol ja erlaubt. Unser Boss mit Anhang und auch wir begnügten uns mit alkoholfreien Getränken. Bei diesem traditionellen Festmahl wurde als Vorspeise eine arabische Hühnersuppe gereicht. Ein ganzer, am Spieß gebratener Hammel war das Hauptgericht. Mein Tischnachbar, ein alter zahnloser Araber, riss einen ansehnlichen Brocken aus dem Hammel und warf ihn mir auf meinen Teller. Ich bedankte mich, stocherte in dem unappetitlichen Happen herum, murmelte etwas von fantastisch und exzellent, aber viel zu viel. Das Stück kam wieder auf die Platte, wie all die anderen Reste auch. Danach konnten erst die Kinder und letztendlich auch die Frauen sich an den mittlerweile kalten Resten des Festschmauses ergötzen. Eine Botschaftsangehörige hatte Rena vorab über die örtlichen Sitten aufgeklärt. Danach wurde Rena aus unerklärbaren Gründen plötzlich übel, weshalb Fred und ich die für das Festmahl indisponierte Stewardess zurück ins Hotel bringen mussten. Weiter ging es nach Medina, der zweitheiligsten Stadt des Islam. Genau wie Mekka ist Medina eine verbotene Location für Ungläubige respektive Nicht-Moslems. Wir logierten im Sheraton außerhalb der Stadt, mitten im Nirgendwo. Wenig begeistert von Saudi-Arabien war Rena. An die Pools durfte sie nicht, und wenn sie etwas brauchte, musste einer von uns es für sie bestellen. Frauen wurden von der Bedienung einfach ignoriert. Von Medina flogen wir in siebeneinhalb Stunden nach Luton, wo auch unsere Stewardess wieder als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft angesehen wurde. Marokko. Eine andere Flugreise mit dem Chairman und seiner Begleitung führte uns über Bamako und Dakar nach Fes in Marokko. In Bamako, der Hauptstadt Malis, die am Niger (Fluss) liegt, verbrachten wir zwei Tage. Die Gegend ist seit der Altsteinzeit besiedelt. Die Stadt war im Mittelalter ein Zentrum islamischer Gelehrter. In Mali, Senegal und Marokko sind die Küchen, im Kontrast zu Nigeria, erstklassig. Als wir in Fes, die auch als Kulturhauptstadt des Landes bezeichnet wird, im Hotel eincheckten, wunderten wir uns über unsere Zimmernummern. Im sechzehnten Stock sollten wir wohnen. Wir befanden uns in der Lobby eines einstöckigen Gästehauses. Später im Fahrstuhl löste sich das Rätsel, die Stockwerke gingen nach unten. Das erstklassige Hotel klebte förmlich an einer Felswand. Vom Balkon hatte ich einen grandiosen Ausblick. Die Cessna Citation 2

Kapitel 7. Australien. Mein neuer Einsatzort war Perth in Westaustralien. Die Stadt am Swan River liegt auf 32° südlicher Breite und 116° östlicher Länge auf der Südhalbkugel, somit rund 13.500 km von meinem Wohnort entfernt. Was sollte es, wie bisher hatte ich nach sechs Wochen Dienst drei Wochen frei. Die Reisen vom und zum Einsatz bezahlte, wie in Saudi-Arabien, die Firma. „Caution Corporation“ (CC), mein neuer Arbeitgeber, war ein weltweit operierendes Konglomerat mit Diamantenminen, Brauereien, Großhandelsfirmen und Fernsehstationen

Kapitel 8. Frankfurt. Als ich Ende Juni aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach Hause kam, fand ich zwei unterschriebene Verträge von Südwest Flugdienst zur Gegenzeichnung vor. Obschon ich eine Einkommenseinbuße hinnehmen musste, war ich erfreut und unterzeichnete die angebotenen Verträge. Ich wollte einfach mehr Zeit mit meiner Frau Helen und Tochter Lara verbringen. Der Schulungsvertrag startete nicht am Firmensitz in Frankfurt, sondern ungewöhnlicherweise in Minneapolis/USA. Nach erfolgreicher Umschulung auf die Boeing 757 (Type Rating) sollte die Schulungsvereinbarung automatisch durch einen Arbeitsvertrag ersetzt werden. Zum Glück hatte ich die letzten drei Tage bei Caution Corporation frei, so konnte ich pünktlich am ersten Juli in Minnesota antreten. Tickets, Hotel und Spesen übernahm natürlich Südwest Flugdienst. Die Boeing 757-200. Die Boeing 757 ist ein sehr schönes, zweistrahliges Mittelstrecken-Verkehrsflugzeug für bis zu 239 Passagiere. Der Flieger hat eine Reichweite von etwa 7.500 km. Am Abend im Hotel traf ich Jochen, der Düsseldorfer sollte zusammen mit mir das B 757 Type Rating erwerben. Jochen war ein eher klein gewachsener, dazu leicht übergewichtiger, angenehmer Zeitgenosse. Er war auch schon als Kapitän zweimotorige Turboprops geflogen. Bei SWF war er als Co-Pilot unter Vertrag. Zuerst hatten wir wie üblich 14 Tage graue Theorie und danach noch

Kapitel 9. München. Die Boeing 767-300ER ist ein zweistrahliges Großraumflugzeug. Es kann maximal 351 Passagiere befördern und hat eine Reichweite von knapp 11.000 km. Die Maschine von WWA (World-Wide-Airline) hatte insgesamt 280 Sitzplätze, unterteilt in Business- und Economy-Class

Da das Boeing-757-Rating (Berechtigung) auch die B 767 beinhaltet, benötigte ich hierfür nur eine Einweisung. Nach dem Simulator-Training/Check waren noch einige Landungen mit der Maschine zu absolvieren, normalerweise. Aber was ist schon normal? Stattdessen flog ich mit Hubert als Co-Pilot ein voll besetztes Flugzeug nach Colombo. Hubert war Instruktor und Examinier, ich kannte ihn aus Frankfurt. Die freien Tage in Sri Lanka verbrachten wir, die Crew und ich, mit meiner Frau am Pool. Der Staat war zu diesem Zeitpunkt im Wahlkampfmodus, ein Politiker wurde erschossen und in der Nähe des Hotels explodierte eine Bombe, daher war die Lage für Ausflüge zu unsicher. Den Rückflug nach München absolvierte Hubert. Er war etwas unsicher am rechten Sitz und forderte meine Unterstützung bei der Landung. Das lehnte ich ab, als Instruktor müsse er es auch alleine hinkriegen. Nach der eher positiven Landung des Prüfers war ich auf der Boeing 767-300 ER einsatzbereit. Wieder in Sri Lanka. Jahre später, kurz vor einem Start nach Colombo, informierte mich ein Techniker über ein Leck in der Hydraulik. Nicht schlimm, meinte er, bis 150 Tropfen pro Minute war akzeptabel, wir zählten 145. Die Alternative wäre acht Stunden Verspätung. Warten aufs Ersatzteil und Reparatur. Während des Fluges schalteten wir dann das undichte System ab, um weniger Hydraulik zu verlieren und kurz vor der Landung wieder dazu. Die Boeing 767 hat drei voneinander unabhängige Systeme. Dem übernehmenden Kapitän erklärte ich die Sachlage, wir zählten 147 Tropfen. Die freien Tage in Sri Lanka nutzten wir diesmal für einen Besuch von Sigiriya, ein Monolith, auf dem sich die Ruinen einer Festung befinden. Der Aufstieg auf den etwa 200 m hohen Felsen verläuft über steile Steintreppen und über (damals) rostige Eisenstege und Leitern. Es war für einige Flugbegleiter eine Herausforderung. Auf halber Höhe unter einem Felsüberhang befinden sich Fresken von barbusigen Wolkenmädchen. Ein grandioser Rundblick entschädigte uns für den mühevollen Aufstieg. Die Grundmauern des Palastes und die Zisternen für Regenwasser sind noch gut erhalten. Bei vormaligen Aufenthalten hatte ich schon den Buddha von Thanthirimale, eine 14 m lange liegende Statue aus einem Felsen gemeißelt, die Stadt Kandy in der Zentralprovinz, das Elefanten-Waisenhaus und vieles mehr besucht. Bei einem späteren Zwischenstopp in Sri Lanka kaufte ich auf Rat meiner Tochter Lara, die mich wieder einmal begleitete, ein Oldtimer-Motorrad. Eine 350 ccm Matchless Baujahr 1949. Es brauchte einige Zeit, um die Maschine zu mir nach Hause, nach Kitzbühel, zu überführen – ein ganzes Jahr. Weitere acht Jahre waren nötig, um sie für den Verkehr zuzulassen. Mein Schwager, ein sehr begabter Bastler, hat sich um die Überholung des Motors, des Getriebes, der Kupplung und weitere Reparaturen gekümmert. 2002 war sie schließlich fahrbereit. Zurück in München wurde ich vom Chefpiloten zum Kaffee eingeladen – im Klartext: Es gab eins auf die Mütze. Die Beschwerde des Kapitäns, der die Boeing 767 von Colombo nach München zurückflog, war der Grund. Dieser zählte die Hydrauliktropfen nochmals nach und kam dann auf 152 (um zwei zu viel), er ließ die Boeing notdürftig mit einem Flex-Schlauch reparieren, bevor er nach Hause flog. Der Chefpilot sah das Problem locker, meinte aber, eine mündliche Rüge müsse er mir schon erteilen. Diese nahm ich gelassen zur Kenntnis, fragte aber nachher die WWA Techniker, wieso sie das Problem nicht ähnlich lösen konnten. Die sarkastische Antwort hierzu: „Ein illegaler Pfusch wie dieser wäre bei WWA undenkbar.“ Auf den Seychellen. Bei einem Anflug um Mitternacht auf dem Internationalen Airport der Seychellen waren wir mit starkem Regen und heftigen Böen konfrontiert. Die Boeing wurde kurz vor der Landebahn 13 aus der Anfluglinie raus nach links versetzt. Ein Go-Around (Durchstarten) wäre in dieser Situation richtig, aber nochmals durch das Sauwetter wollte ich nicht. Daher zog ich die Maschine schräg über die Bahnbeleuchtung auf die Piste. Auf dem Weg ins Hotel meinte der Co-Pilot, dass er eigentlich einen Go-Around hätte einfordern müssen, nur hatte auch er keinen Bock auf einen zweiten Versuch und vertraute darauf, dass ich die Landung schon hinkriegen würde. Zu vorgerückter Stunde genehmigten wir uns auf die identische Einschätzung noch einen Schlaftrunk. Gemeinsam mit drei Flugbegleiterinnen erkundete ich mit einem Cabrio (Leihwagen) die Insel Mahe. Zuerst fuhren wir nach Süden entlang der Ostküste bis Petite-Polis-Beach. Zurück fuhren wir nach Victoria, über die Westküste und La Misere Road. Im Anschluss besuchten wir noch den Morne Sychellois National Park. Als die Straße, eher ein schmaler Weg, plötzlich an einer Bergflanke endete, übergab die bisher fahrende Stewardess mir das Steuer. Im Rückwärtsgang durfte ich den Berg hinunterfahren. An einer Ausbuchtung versuchte ich zu wenden. Als wir quer zur Fahrbahn standen, wurden wir von abenteuerlich aussehenden Männern mit geschwärzten, finsteren Gesichtern eingekreist. Einige hatten lange Messer zwischen den Zähnen. Wie aus dem Nichts war die Bande aufgetaucht. Im Cabrio, wie auf dem Präsentierteller, ohne jede Fluchtmöglichkeit, beobachteten wir besorgt das Geschehen. Kurz währte eine absolute Stille, nur meinen Herzschlag, oder war es der meiner Beifahrerin?, hörte ich. Plötzlich wurde die Totenstille von lautem Gelächter abgelöst. Es waren Soldaten, die sich während einer Übung einen Jux mit uns erlaubten. Beliebt bei den WWA Crews war auch der im Südwesten der Insel gelegene, meist menschenleere Intendance Strand. Den Warnhinweis auf gefährliche Strömungen ignorierten wir gelassen. Baden in hoher Brandung hatte eben seinen Reiz. Am Ruhetag des kleinen Lokals am Strand überquerten wir die dortige Halbinsel über einen Bergrücken zum Takamake Beach. Den steilen Aufstieg bei über 35 °C verkraftete eine junge Flugbegleiterin nicht, ihr Kreislauf kollabierte. Leider erlangte die hübsche Kollegin ihr Bewusstsein wieder, bevor wir Männer uns einigen konnten, wer nun die Mund-zu-Mund-Beatmung durchführt. Nach unserem Abstieg zum Strand fanden wir ein originelles Restaurant mit kreolischer Küche. Ein Start auf Mauritius. Mauritius war eine meiner beliebtesten Destinationen. Der Inselstaat im Indischen Ozean ist bekannt für seine Strände, Riffe, Lagunen und den Black River Gorges Nationalpark. Unter anderem sind der Hindu Tempel Maheswarnath Mandir im Norden, die Rochester Falls und Port Lois, die Hauptstadt, sehenswert. Hobie-Cat-Segeln war bei den Crewmitgliedern sehr beliebt. Auch Golf und Tennis spielten wir auf der Insel. Ein Abflug (Takeoff) nach München blieb meinem Co-Piloten und mir im Gedächtnis. Damals war die Landebahn nur 2.560 Meter lang, später wurde sie um fast 500 m verlängert. Bei maximalem Startgewicht wollte die 767 nicht wie berechnet bei VLOF abheben, erst kurz vor dem Ende der Startbahn erhob sich das Flugzeug träge in die Luft. Die geplante Reiseflughöhe missfiel an diesem Tag der Boeing, also flogen wir 2000 Fuß tiefer. Unser Ziel München erreichten wir mit Minimum Treibstoff. Vermutlich war die Maschine um einige Tonnen schwerer als berechnet. Das kann vorkommen, Passagiere und ihr Handgepäck wurden und werden, divergent zur Fracht, nicht gewogen. Schon seit einigen Jahren versuchen mehrere Airlines, dies zu ändern. Immer wieder taucht die Forderung auf, die Tickets nach Gewicht (Eigengewicht plus Gepäck) zu berechnen. Bis heute erfolglos, wäre wohl. diskriminierend. Abwechslungsreiche Karibik. Aus dem Standby (Bereitschaftsdienst) wurde ich zu einem Einsatz gerufen. Von München nach Holguin auf Kuba und weiter nach Havanna sollten wir fliegen. Über dem Atlantik, nach Erteilung der Genehmigung zum Überfliegen des großen Teiches (Oceanic Clearance), schaute ich mir in Ruhe die Flugunterlagen nochmals genauer an. Vor dem Abflug war wenig Zeit. Als ich die Ankunft nachrechnete, stellte ich fest, dass wir den Flughafen zwei Stunden vor dessen Öffnung erreichen würden. Der Co-Pilot kam zum gleichen Ergebnis. Für ein zweistündiges Holding (Warteschleife) würde der Sprit nicht reichen. Über Kurzwelle, damals noch über eine Relaisstation in Stockholm, informierten wir München darüber, und dass wir planten direkt nach Havanna zu fliegen. Einige Stunden später war alles palletti, Holguin öffnete ausnahmsweise früher. Später in Havanna besuchten wir eine Zigarrenmanufaktur. Es war eindrucksvoll zu sehen, wie die Arbeiterinnen flink und fingerfertig die Zigarren von Hand herstellten. Mit einem gemieteten Oldtimer fuhren wir anschließend zu der von Ernest Hemingway bevorzugten Mojito Bar. Die Gäste dort waren damals noch hauptsächlich Kubaner. Die amerikanischen Autos aus den 40er- und 50er-Jahren sind neben Musik und Rum typisch für Kuba. In Varandero, auf der schmalen Halbinsel Hicacos, erlebten wir hautnah einen Hurrikan. Da wir deshalb das Hotel nicht verlassen konnten, leerten wir gemeinsam eine Flasche Rum, gestreckt mit Cola. Die Getränke waren ein Präsent des Hotels. Die folgende Nacht verbrachten wir in unseren Badezimmern, was nicht wirklich komfortabel war, dafür aber ziemlich sicher. Am nächsten Tag war dann Chaos am Flughafen. Flugzeuge, die noch vor dem Sturm gelandet waren, konnten nicht mehr abfliegen. Passagiere überbevölkerten die An- und Abflughalle. Wir waren die ersten, die nach einer genauen Wetteranalyse den Rückflug vorbereiteten. Startbereit warteten wir auf der Startbahn noch gut 20 Minuten, bis das errechnete Fenster (Wetterbesserung) eintrat. Nach dem Start flogen wir erst eine halbe Stunde nach Westen, um dem Sturmtief zu entkommen, danach setzten wir Kurs nach München. Während eines Nachtanfluges auf die Landebahn 09 in Punta Cana gingen kurz vor der Landung alle Lichter aus. Nach einem Go-Around und einigen Warteschleifen war die Beleuchtung wieder in Betrieb. Doch als wir nach der Landung das Vorfeld erreichten, standen wir ein weiteres Mal im Finstern – das Notaggregat war auch ausgefallen. Die Palmdächer des im dominikanischen Baustil errichteten Flughafengebäudes hatte der Hurrikan entsetzlich ramponiert, ähnlich sahen die Hotelanlagen aus. Die Schattenseite der All-inclusive-Kultur lernten wir in Puerto Plata kennen. War es früher oft schwierig, einen Tisch in einem der zahlreichen Restaurants am Hafen zu bekommen, so war es mittlerweile mühselig, noch eine bewirtschaftete Gaststätte zu finden. In Santo Domingo, der Hauptstadt und einer der ältesten Städte der Karibik, gab es dieses Problem nicht: Hier fand man Restaurants an jeder Ecke, mit europäischen Speisen oder auch originellen, nationalen Gerichten. Viva Mexico. Cancun, auf der Halbinsel Yucatan in Mexiko gelegen, war eine weitere geschätzte Destination von uns. Mit dem Auto erreicht man in zweieinhalb Stunden Chichen Itza. Die Tempelpyramide des Kukulcan befindet sich in dieser Ruinenstadt. Nachfahren der Maya leben auch heute noch auf Yucatan. Die Glanzzeit, die sogenannte „Späte Klassik“ der Maya-Kultur, währte von 600 bis etwa 1.300 nach Christus. Die Ruinen von Tulum, die direkt am Meer an der sogenannten Riviera Maya liegen, sind wirklich sehenswert. Auf der Insel Mujeres besuchten wir einen der schönsten Strände der Karibik, den Playa Norte. Danach sind wir quer über die Insel bis zu der Ruine des Ixchel Tempel an der Südspitze der Insel gefahren. Nach der Wetterberatung für den Rückflug nach München verschoben wir den Abflug wegen des angekündigten starken Rückenwindes um eine Stunde. Was uns einige Passagiere nicht glauben wollten, sie vermuteten technische Gründe. Später über dem Nordatlantik registrierten wir eine Rückenwind-Komponente von 220 Knoten, das war stärker als vorhergesagt. Damit flogen wir mit gut 1.250 km/h über Grund (Wasser), was einige Passagiere irritierte. In München mussten wir noch in die Warteschleife, um nicht vor der genehmigten Betriebszeit zu landen. Silvester 1998 landeten wir in Montego Bay auf Jamaica. Wie zum Jahreswechsel üblich, lud ich am Abend die Crew im Namen der Company zum Abendessen ein. Nachdem ich die Rechnung beglichen hatte, entriss mir diese der Kellner und verschwand. Erst nach heftigem Protest, mit Unterstützung vom Co-Pilot und Purser, bekam ich ein Duplikat ausgestellt. Vermutlich wollte das Restaurant die Steuern sparen. Zurück nach München flogen wir mit einer technisch limitierten Maschine. Die gemeldete Landebahnsicht bei unserer Ankunft betrug 200 Meter, was normalerweise gut ausreicht, doch wegen einiger technischer Probleme benötigten wir 400 Meter. Die Wetterwarte prognostizierte die nötige Sicht in einer halben Stunde. Nach einer Stunde in der Warteschleife und immer noch nicht mehr als 200 Metern Sicht drehten wir zum Ausweichplatz Stuttgart ab. Auf halbem Weg dahin meldete die Flugsicherung: „400 Meter Sicht in München.“ Einen direkten Anflug ohne jede Verzögerung zur Landebahn 08 könnten wir akzeptieren, waren wir uns einig. Den bekamen wir auch und landeten mit nur noch zwei Tonnen Sprit an Bord. Das war das absolute Minimum für die Boeing 767-300ER. Vorfreude auf Thailand. Auf einem Flug von München nach Bangkok informierte mich eine der Stewardessen über das ungebührliche Verhalten von drei Flugbegleitern. Die Vorfreude auf das kommende Nachtleben versetzte die Homosexuellen in Hochstimmung, was einige Passagiere nicht goutierten. Den Purser rief ich ins Cockpit. Ein tadelloses Benehmen der Kabinenbesatzung forderte ich ein. In Bangkok würde ich sonst für den Rückflug eine neue Kabinen-Crew anfordern. Danach war das Verhalten der Stewards wieder, wie es sein sollte. Schau an, dachte ich bei mir, Bangkok scheint nicht nur für manchen älteren Mann, sondern auch für gewisse Homosexuelle ein begehrtes Ziel zu sein. Bangkok hat auch kulturell viel zu bieten, z. B. den Großen Palast mit dem Wat Phra Kaeo Tempel, in dem sich der Smaragd-Buddha befindet, den nur der König berühren darf. Wat Pho ist der Tempel des liegenden Buddha, der ist 46 Meter lang. Der drei Meter hohe goldene Buddha im Wat Traimit Tempel besteht aus fünfeinhalb Tonnen Gold. Auch der Wimanmek-Palast, ein komplett aus Teakholz gefertigtes Gebäude, ist bewundernswert. Am gegenüberliegenden Ufer des Chao Phraya befindet sich der Tempel der Morgendämmerung Wat Arun mit seinen steilen Treppen. Zum Fünfuhrtee gingen wir gerne auf die Terrasse des Mandarin Oriental und zum Abendessen ins Silom Village. Beim Rückflug nach Frankfurt frischte der Gegenwind unplanmäßig auf, sodass wir kurz vor unserem Ziel Frankfurt in Nürnberg einen Tankstopp einlegen mussten. Den Turnaround (das Umdrehen) schaffte das Bodenpersonal, einschließlich Nachtanken mit den Passagieren an Bord, in unter 15 Minuten. Bravo! Gedanken zur Luftfahrt. Die Frauen und Männer, die für den Service in den Flugzeugen zuständig sind, schätzte ich hoch ein. Die Stewardessen und Stewards, die ich kannte, waren gut ausgebildet, hoch motiviert und beherrschten mindestens zwei Fremdsprachen. In erster Linie sind sie für die Sicherheit der Passagiere zuständig und werden dafür regelmäßig alle Jahre nachgeschult. Dazu gehören Notfall-Übungen in Kabinenattrappen, in denen auch Rauchbomben gezündet werden, Evakuierung über steile Rutschen, Erste-Hilfe und die Rettung nach einer Notwasserung. Die Überprüfung der Notfall-Kenntnisse vor jedem Flugeinsatz ist obligatorisch. Bei Unfällen, Herzinfarkt, Schlaganfällen hat das Kabinenpersonal schon Großes geleistet. Auch der Service auf engem Raum, bei immer öfter auch schwierigen Passagieren, ist eine Herausforderung. Diese Leistungen werden, vor allem bei „Billig-Airlines“, heute nicht mehr entsprechend honoriert. Kritisch sahen Kollegen und auch ich das sogenannte „Tankering“, bei dem die Umwelt unnötig belastet wird. Außer auf Kurzstrecken, bei denen der Mehrverbrauch durch das erhöhte Gewicht vernachlässigbar ist. Für den Rück- und Weiterflug wird beim Tankering Kerosin mittransportiert, wenn der Sprit am Zielflughafen teurer als am Abflugplatz ist. Durch das erhöhte Gewicht wird natürlich auch mehr verbrannt als ohne diese „Sparmaßnahme“. Flugzeuge sind zwar sehr energieintensiv und somit schädlich für die Atmosphäre, aber für lange Strecken unverzichtbar. Flugzeuge belasten die Umwelt allerdings überdurchschnittlich. Einerseits durch Emissionen am Rande der Troposphäre, andererseits sollen auch Kondensstreifen zur Klimaerwärmung beitragen. Besonders die sogenannten Ultra-Langstrecken sind meiner Meinung nach sowohl für Passagiere als auch für die Crews unzumutbar, zudem wird extrem viel Sprit verbraucht. Zum Beispiel: Ein Passagierjet verbraucht von London nach Perth/Australien über 90 Tonnen (110.000 Liter) Kerosin, um knapp 25 Tonnen zu befördern. Das sind mehr als 450 Liter pro Passagier, was ein durchschnittlicher PKW-Fahrer im Jahr verfährt. Ökologischer, aber um zwei Stunden länger, wäre die Flugdurchführung mit einer Zwischenlandung. Dadurch würden Tonnen von Treibstoff gespart. Die Passagiere könnten sich im Transit die Beine vertreten und es bräuchte auch keine verstärkte Crew. Über 70 % der Fluggäste nutzen Luftfahrzeuge in ihrer Freizeit. Konzerne und Superreiche operieren mittlerweile ihre Luxusjets auch innerhalb gewerblicher Firmen, um die Mineralölsteuer zu sparen. Firmen, die sich Flugzeuge um zig Millionen Dollar leisten und Leute, die auf Urlaub und/oder zum Shoppen nach New York fliegen, könnten auch die Kerosinsteuer bezahlen. Das EU-Recht erlaubt, den Flugtreibstoff zu besteuern, diese Möglichkeit nutzen allerdings bisher nur Norwegen (EWR) und die Niederlande. Trotzdem schieben unsere Politiker die EU vor, um sich Ärger mit den Lobbyisten zu ersparen. Nur die kleinen Sportflieger zahlen Steuern auf Flugbenzin, obwohl deren Verbrauch unbedeutend ist. Wenn Umweltschutz ernst genommen würde, wäre die „Kerosinsteuer“ obligatorisch. Die jetzigen billigen Tickets gehen auf Kosten der Umwelt und des Airline Personals. Vier Berggipfel in Ecuador. Im Kollegium gab es einige begeisterte Bergsteiger. Mein Kollege Harro war einer davon. Daher beschlossen wir, zusammen einen Sechstausender in Equador zu besteigen. Kondition und Erfahrung sammelten wir am Großglockner, Großvenediger und der Wildspitze. Als es dann so weit war, flogen meine Frau Helen, Harro und ich zusammen nach Quito. Die Hauptstadt Ecuadors liegt auf 2.850 Meter Seehöhe und ist somit optimal zur Akklimatisierung geeignet. Die ersten Tage nutzten wir, um die Stadt und die nähere Umgebung zu besichtigen. Die Altstadt, die auf den Fundamenten einer Inkasiedlung errichtet wurde, und die Basilica del Voto Nitional hat uns sehr beeindruckt. Am Äquatormonument in San Antonio de Pichincha standen wir mit einem Fuß auf der südlichen und mit dem zweiten auf der nördlichen Halbkugel, glaubten wir wenigstens. Nach neuen Messungen steht das Denkmal allerdings circa 240 Meter südlich des Äquators. Der Rucu Pichincha, der Hausberg von Quito ist knapp 4.700 Meter hoch, er war unser erstes Ziel. Mit einem gemieteten SUV fuhren wir an aggressiven verwilderten Hunden vorbei, einem holprigen Feldweg folgend, aufwärts. Weiter gingen wir zu Fuß über Wiesen entlang eines Grats bis zu den Felsen. Auf 4.500 Meter entdeckten wir ein Blütenmeer. Vormittags ist es dort meist sonnig und nachmittags neblig feucht. Das letzte Stück geht steil über Felsen, gut griffig zum großen Gipfelkreuz. Eine grandiose Aussicht bei „Kaiserwetter“ war der Lohn der Mühe. Der Illiniza Norte 5.126 Meter war das nächste Ziel von Helen, Harro und mir. Von Quito fuhren wir über die Panamerika nach Machachi und kurz danach über eine holprige Sandstraße nach El Chaupi. Abenteuerlich ging es weiter aufwärts mit Querlage bis 30° zu einem Parkplatz. Auf halbem Weg zum Refugio Nuevas Horizontes kam uns der Hüttenwart entgegen, er überließ uns großzügig die Schlüssel und stieg weiter ab. Es war nebelig und sehr kalt. Der Versuch, die Hütte durch Verheizen von Grasbüscheln aufzuwärmen, schlug fehl. Die Rauchentwicklung war enorm, erst nach Öffnen der Eingangstür und Fenster konnten wir zurück in die Schutzhütte. Nach durchfrorener Nacht bei gutem Wetter starteten wir zum Gipfelsturm. Erst zum Sattel La Ensillada, der zwischen den beiden Illinizagipfeln liegt. Weiter gingen wir über Schotterhalden und brüchigen Fels zum Fuß der Südspitze. Schon bald kamen wir nicht mehr weiter. Einen weiteren Versuch über den Nordostgrat wollte Helen nicht mitmachen. Ihr Ziel, die 4.500 Meter über dem Meer, hatte sie ohnehin schon erreicht. Meine Frau wartete unter einem Felsvorsprung, abgesichert mit einem Seil. Dort war sie vor den Steinlawinen geschützt, die laufend abgingen. „In einer guten Stunde sind wir zurück“, versicherte ich ihr noch. Daran, dass Harro oder mir etwas zustoßen könnte, dachten wir ganz und gar nicht. Erst stiegen wir ein Stück ab, darauf querten wir ein steiles Schneefeld, gesichert mit Steigeisen und Eispickel. Nochmals mussten wir ein Stück absteigen, bevor wir schließlich über einen östlich liegenden Grat den Gipfel mit seinem Mini-Kreuz erreichten. Nach einigen Fotos stiegen wir entlang unserer Aufstiegsroute zu Helen ab – die zum Glück tatsächlich nicht viel länger als eine Stunde warten musste. Anschließend gingen wir gemeinsam runter zum Parkplatz. Damit war auch unsere zweite Mission erfolgreich abgeschlossen. Nachher dachte ich, dass die Aktion wohl nicht ganz ungefährlich wegen des Steinschlags war. Unverantwortlich war, dass wir meine Frau allein zurückließen. Ähnliches schloss ich für die Zukunft aus. Tags darauf flog Helen nach Guayaquil, um die Familie von Lucia zu besuchen. Lucia hatte als Austauschschülerin ein Schuljahr bei uns in Tirol verbracht. Harro und ich fuhren von Quito entlang der Panamerika nach Süden bis Chasqui. Danach weiter über einen damals holperigen Schotterweg nach Nordosten zum Parkeingang. Nach Lösen der Tickets fuhren wir weiter bis zu einem Parkplatz auf etwa 4.500 Meter. Von dort stiegen wir zu dem auf 4.800 Meter Höhe liegenden Refugio Jose Ribas auf. In dem nicht wirklich gemütlichen Schutzhaus trafen wir unseren Bergführer Jaime. Mit Harro ging ich am Abend noch bis zum Gletscher, etwa 200 Höhenmeter hoch. Kurz nach Mitternacht brachen wir auf, erst über Schotter, dann über den Gletscher mit seinen gefährlichen Spalten. Anstrengend waren die letzten, über 45 Grad steilen 150 Meter zum 5.897 Meter hohen Gipfel des Cotopaxi. Oben angekommen, nach gut sechs Stunden Aufstieg, hatten wir endlich „Sonnenschein“ und eine herrliche Aussicht. Mit einer Seilschaft aus Frankreich teilten wir das Gipfelglück. Wir sahen den Rucu Pichincha, die beiden Illinizas und auch den auf uns warteten Chimborazo. Beim Abstieg ging ich voraus. Das Wetter änderte sich allmählich. Erst wurde das Licht diffus, später mussten wir uns durch starken Schneefall und Graupelschauer nach unten kämpfen. Um etwa zehn Uhr vormittags erreichten wir wieder die Schutzhütte. Nach einer kurzen Rast stiegen wir zum Parkplatz ab. Zurück ging es über den steinigen Pfad zur Panamerika. Auf dieser fuhren wir weiter nach Süden bis zur Hosteria Rumipamba de la Rosas. Ein wunderschönes Gästehaus mit stillvoller Gartenanlage und gutem Restaurant. Auch hier verzögerte die Diebstahlsicherung des SUV wieder einmal unsere Abfahrt. Der laute Alarm interessierte nicht einmal die vorbeifahrenden Polizisten. Das Problem behoben wir wie immer durch Abklemmen der Batterie. Weiter nach Süden fuhren wir nach Ambato und dann auf der Via Ambato Guaranda bis zu einem weißen Haus. Dort bogen wir nach links, wie uns empfohlen wurde, auf eine Schotterstraße ab. Später ging es wieder linksaufwärts zu einem Parkplatz, der schätzungsweise auf 4.800 Meter Höhe lag. In dem damals nicht bewirtschafteten Carrel Refuge verbrachten wir eine einsame, eiskalte Nacht. Tags darauf stiegen Harro und ich zur Edward Whymper Hütte auf. Dort wurden wir schon von Edgar, unserem Guide, erwartet. Um Mitternacht sollten wir aufbrechen, sagte der Bergführer, spätestens mittags müssten wir zurück sein. Pünktlich um null Uhr zogen wir dann los. Zuerst in Richtung Nordwest zu einer Rampe, „El Corridor“ genannt, die nur vormittags passierbar ist. Ab Mittag ist die Steinschlaggefahr zu groß, was wir am Vortag bei unserer Erkundungstour sehen konnten. Nachher ging es mit Steigeisen und Seil gesichert weiter zu einem Sattel, danach über einen langen, ziemlich konstant steilen Gletscher bergauf zum Ventimilla-Gipfel. Nach acht Stunden erreichten wir dann den 6.310 Meter hohen Whymper-Gipfel des Chimborazo. Gemessen vom Erdmittelpunkt ist er der höchste Berg unseres Globus, etwa 2.000 Meter höher als der Mount Everest, weil er nahe am Äquator steht und die Erde keine Kugel, sondern ein Rotationsellipsoid ist. Wie am Illiniza Norte waren wir allein auf der Bergspitze. Eine Schicht hoher Wolken und ein bitterkalter Wind vermiesten uns den Aufenthalt. Nach kurzer Rast und nachdem wir einige Erinnerungsfotos geknipst hatten, stiegen wir über die Aufstiegsroute ab. Nur eine kurze Pause genehmigten wir uns noch in der Schutzhütte. Beim Abstieg zum Parkplatz schauten wir noch am Bergsteigerfriedhof vorbei. Nachdenklich betrachteten wir die Gedenktafeln. Aus allen Kontinenten kamen Bergsteiger, die die Tour, aus welchen Gründen auch immer, nicht überlebt hatten. Zwei Stunden fuhren wir nach Guaranda. Dort ließen wir es uns im besten Hotel vor Ort gut gehen. Am nächsten Tag chauffierte ich Harro nach Guayaquil in dreieinhalb Stunden von 2.650 Meter über Serpentinen hinunter auf Meereshöhe. Am Stadtanfang, an einer Tankstelle, ließen wir unser total verdrecktes Auto waschen. Gut Ding braucht Weile, fast vier Stunden putzten zwei Mann den Wagen, innen und außen, für einen lächerlich geringen Betrag, den wir freiwillig um einige Dollar aufstockten. Erst am späten Nachmittag kreuzten wir bei Lucias Familie auf, wo wir auch von Helen erwartet wurden. Nach einem feuchtfröhlichen Abend verließen wir am nächsten Morgen diesen gastfreundlichen Ort. Nach einer kurzen Stadtrundfahrt, den Airport kannte ich von früher, fuhr uns diesmal Harro nach Banos de Agua Santa (Bäder des heiligen Wassers). Der Wallfahrtsort liegt auf 1.800 Meter am Fuße des Vulcans Tungurahua. Eine letzte Herausforderung war der Aufstieg zur Statue der Jungfrau Maria, die hoch über der Stadt thront. Bekannt ist der Ort auch für seine Thermalbäder, sie laden zum Relaxen ein. Hier ließen wir unseren Urlaub langsam ausklingen. Auf der Fahrt nach Quito legten wir noch eine Nacht in der Hosteria Rumipamba de La Rosas ein. Vom alten Mariscal Sucre Airport flogen wir zurück nach Hause. Der Flughafen gehörte zu den gefährlichsten der Welt und wurde 2013 geschlossen. Der Neue, mit gleichem Namen, ist größer/sicherer und liegt etwa 15 km östlich der Stadt. Nicht immer spielt das Wetter mit. Zwei Jahre später plante ich die Besteigung des Aconcagua mit meiner Frau und zwei Kollegen. Eine Stewardess und ein Co-Pilot, beide waren fit und bergerfahren, begleiteten uns. Erstes Ziel war La Paz in Bolivien zur Akklimatisation. Die höchstgelegene Hauptstadt unseres Planeten liegt über 3.500 Meter, der Flughafen sogar über 4.000 Meter hoch. Einige Tage verbrachten wir in der Stadt, Ausflüge in das Valle de la Luna (Mondtal) und zum Titicacasee sollten als Vorbereitung für die Besteigung des 6.088 Meter hohen Huayna Potosi reichen. Als Ausgangspunkt für die Tour wählten wir Zongo. Von dort stiegen wir mit einem jungen Einheimischen einem Steig folgend Richtung Nordwesten auf. Den Mann hatten wir als Träger für unsere Zelte engagiert, sein kleiner Bruder (10 Jahre alt) sollte während der Besteigung auf Rat des großen Bruders die Zelte bewachen. Eine Gefahr sahen wir nicht, weit und breit war keine Menschseele, aber der Kleine sollte sich ein paar Dollar verdienen können. Am Rande des Gletschers auf etwa 5.000 Metern stellten Ida und Simon ebenso wie auch Helen und ich unsere Zelte auf. Nach einer klaren, kalten Nacht starteten wir früh am Morgen. Nachdem wir ein Steilstück überwunden hatten, kamen wir gut voran. Der Gletscher mit seinen zahllosen Spalten verlangte volle Konzentration. Gegen Mittag auf einer geschätzten Höhe von 5.700 oder 5.800 Metern verschlechterte sich das Wetter und es fing an zu schneien. Rasch waren wir uns einig, dass Rückzug das Gebot der Stunde war. Richtig glücklich über die Wende war Helen, ihr reichte die Höhe. Während bisher ich voranging, führte nun Simon die Seilschaft an. Der Schneefall wurde immer dichter und die Aufstiegsspur nur schwer zu sehen. Auch mussten wir immer wieder den nassen Schnee von unseren Steigeisen abklopfen. Früher als ursprünglich geplant erreichten wir unseren Zeltplatz. Eine zweite Nacht auf dieser unwirtlichen Höhe konnten wir uns deshalb sparen. Wir stiegen gleich nach Zongo ab. Als wir dem Buben zehn Dollar zahlten, führte er einen Freudentanz auf. Die Generalprobe war zwar missglückt, aber vielleicht war es ja ein gutes Omen. Tags darauf flogen wir mit LAN nach Santiago de Chile. Da ich die Stadt von früher kannte, spielte ich den Fremdenführer. Helen nahm den Bus nach Vina del Mar für eine Woche Strandurlaub, der Aconcagua reizte sie nicht. Ida, Simon und ich fuhren mit dem Bus nach Mendoza, vorbei an Portillio und über die chilenisch-argentinischen Grenze. Die Grenzline liegt ungefähr in der Mitte des 3,2 km langen Tunnels auf knapp 3.200 Meter Seehöhe. Die Genehmigung für die Aconcagua-Besteigung kauften wir im Tourismusbüro in Mendoza. Danach fuhren wir wieder, vorbei am Skiort Los Penitentes, zurück nach Puente del Inca. Bekannt ist der Ort durch die gleichnamige Naturbrücke, ein Felsbogen, der sich über den Rio de las Cuevas spannt, ebenso wie für die heißen Schwefelquellen. Nach einer komfortablen Nacht in einer Hosteria konnte das Abenteuer beginnen. Am Parkeingang bei der Ranger-Station Horcones wurden unsere Permits (Genehmigungen) kontrolliert. Von dort ließen wir unser Gepäck, außer den Rucksäcken, von Maultieren zum Basislager bringen. Die erste Etappe war leicht; nur 600 Höhenmeter. Nach viereinhalb Stunden erreichten wir das Lager Confluencia auf 3.300 Meter. Am nächsten Tag, weiter im Horcones-Tal, gingen wir in acht Stunden zum Plaza de Mulas auf 4.260 Meter. Wir erreichten das Base-Camp bei heftigem Schneefall. Die Nacht verbrachten wir in einem etwas abgelegenen Refugio (Schutzhütte) Nach einer kalten Nacht besuchten wir das Basislager. Wie er das Wetter in den kommenden Tagen einschätzte, wollten wir vom Lagerkommandanten wissen. Dieser meinte, dass in den nächsten vierzehn Tagen keiner den Gipfel erreichen würde. Von dem auf 4.800 hoch gelegenen „Camp 1“ kamen drei Männer ins Lager. Sie erzählten uns, dass ein Weiterkommen in Richtung „Camp 2“ wegen der hohen Schneeverwehungen unmöglich war. Später unterhielt ich mich mit dem Führer einer professionellen Gruppe aus Peru, die für eine Mount Everest Besteigung trainierte. Auch dieser schätzte die Chancen derzeit gering ein. Er merkte an, dass dies bereits ihr dritter Versuch wäre und vermutlich wieder ein erfolgloser. Bei gutem Wetter, überlegte ich, wäre ein einfacher Siebentausender auch für uns Hobbybergsteiger machbar. Bei unsicherer Wetterlage sollten wir diese den Profis überlassen. Früh am Morgen wollte ich aufbrechen, um den Siebzehnuhrbus von Puente del Inca nach Mendoza zu erreichen. Ida schloss sich mir an. Simon blieb im Camp, er hoffte auf bessere Bedingungen und Ida wollte wenigstens noch einen Fünftausender besteigen. Da ich die Wetterlage weiter ungünstig einschätzte, blieb ich in Mendoza. Einen Tag später kam Helen mit dem Bus über Portillo nach Argentinien. Den Badeurlaub hatten ihr der kalte Humboldtstrom und der von diesem ausgelöste Nebel vermiest. Wir ließen es uns gut gehen in der Stadt, die im Zentrum eines Weinanbaugebietes liegt. Viele Bodegas in den schattigen Alleen und kleinen Plätzen verführten zur Einkehr. Eine elfstündige Busfahrt brachte uns in die Hauptstadt Cordoba der gleichnamigen Provinz. Die Stadt ist bekannt für ihre Gebäude im Kolonialstil. Weiter nach Buenos Aires nutzten wir das Flugzeug. Vor dem Rückflug in die Heimat trafen wir auch wieder auf Ida und Simon. Ida musste auch am Fünftausender wegen Schlechtwetters aufgeben. Simon schaffte es immerhin zum „Camp 1“ auf 4.800 Meter. Nach der Landung in Frankfurt herrschten Schneechaos und Annullierungen. Alle Kurzstreckenflüge waren gestrichen und unser Reisegebäck nicht auffindbar. Wieder einmal hatte das Wetter unsere Pläne durchkreuzt. Nur in Sommerkleidung, die warmen Sachen waren verschollen, fuhren wir mit der Bahn nach Wörgl, wo wir auch noch den Anschluss nach Kitzbühel verpassten. Es war der letzte an diesem Tag, glücklicherweise erreichte ich einen Bekannten, der uns nach Hause abholen konnte. Unser Gepäck kam erst eine Woche später an. Die Boeing 757-300. Für Flugziele rund um das Mittelmeer, zu den Kanaren und den Golfstaaten, hat die WWA Boeings 757-300 erworben. Die -300 war über sieben Meter länger als die -200. Die Maschine war komfortabel mit nur 250 Passagiersitzen bestuhlt. Ein schönes Flugzeug, angenehm zu fliegen und natürlich mit verbesserter Ausrüstung. Die Navigation wurde durch GPS (Satelliten) noch genauer, auch das Terrain zeigten nun die Bildschirme an

Kapitel 10. Vorruhestand. Zeit für eine von uns schon lange geplante Venezuelareise hatten wir nun. Bei dieser Gelegenheit besuchten wir in Miami die Eltern von Judy. Die Austauschschülerin aus Kanada lebte auch ein Jahr bei uns in Tirol. Von Judys Eltern, die uns mehrmals in Tirol besucht hatten, waren wir eingeladen. Drei vergnügliche Tage verbrachten wir mit den Kanadiern in Florida in deren Ferienwohnung. Anschließend flogen wir weiter nach Caracas, der Hauptstadt von Venezuela. Volle vier Stunden benötigten wir, um Zoll und Immigration zu passieren. Nach Übernahme unseres Leihwagens war es stockdunkel. Trotzdem fanden wir unser in der Nähe des Airports gebuchtes Hotel relativ schnell. Da wir später als geplant ankamen, war unser Zimmer bereits anderweitig vergeben. Die Lady an der Rezeption organisierte uns eine in der Nähe liegende Unterkunft, dazu zwei Kraftprotze, die uns begleiteten. Allein, meinte sie, würden wir die Fahrt dorthin zu dieser Zeit nicht überleben. Das Ausweichquartier war mehr schlecht als recht, direkt unter der Einflugschneise der Hauptlandebahn. In Venezuela kannte ich bisher nur die Isla de Margarita, die wir mit der Boeing 767 anflogen, die Insel hatte ich in sehr guter Erinnerung. Nun fuhren Helen und ich von Caracas in sechs Stunden nach San Fernando de Apure. Als wir das ganz in Zartrosa ausgestattete Hotel erreichten, war dessen Restaurant bereits geschlossen. Die Rezeptionistin empfahl uns eine Gaststätte in der Nähe. Sie merkte an, dass Helen ihren Schmuck und ich meine Uhr besser nicht tragen sollten. Außerdem empfahl sie zur Sicherheit ein Taxi für die kurze Strecke. Die Auswahl in diesem Speiselokal war begrenzt und das Niveau ließ Wünsche offen. Weder in Caracas noch in San Fernando de Apure konnte ich mit meiner Kreditkarte Bargeld abheben. Die Geldautomaten waren meistens leer, bei mehr als fünfzig Versuchen während unserer Reise war ich nur fünfmal erfolgreich. Weswegen wir mit unserem Bargeld sparsam umgehen mussten. Tags darauf fuhren wir zu einer abgelegenen Lodge, die Safariausflüge anbot. Kreditkarten akzeptierte der Betreiber nicht, unsere Dollar wollten wir jedoch als eiserne Reserve behalten. Darauf offerierte er uns großzügig, die von uns in Anspruch genommenen Leistungen erst nach unserem Urlaub von zu Hause aus auf sein Schweizer Konto zu überweisen. Dieser Lösung stimmten wir zu. Die nächsten drei Tage sahen wir viele Wildtiere. Krokodile, denen Fische an Wasserstufen ins offene Maul stürzten. Wasserschweine, die sich selenruhig in der Nähe von Alligatoren sonnten und dazu noch jede Menge Vögel. Unser nächstes Ziel war Merida. Auf der Fahrt dahin wurden wir von einem Polizeiwagen mit Blaulicht überholt und angehalten. Die Staatsdiener benahmen sich ziemlich aggressiv, wir mussten ihnen folgen, es ging zurück. Abgelenkt durch eine Hängebrücke und einen Kleinlaster hatte ich einen Checkpoint (Kontrollpunkt) übersehen. Nach einer Strafpredigt meinte der Kommandant, dass wir Glück hatten. Er und die Polizisten hatten uns gesehen und hätten verhindert, dass die Posten, die ihre Waffen schon entsichert hatten, auf uns schossen. Nachdem wir uns entschuldigt und bedankt hatten, fuhren wir noch bis Barinas, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates. Dort stiegen wir in einem kleinen Hotel ab. Das dazugehörige Restaurant war gut, es war das erste und eines der wenigen akzeptablen in diesem Urlaub. Die Straße nach Merida führt durch eine atemberaubende Landschaft ins Andenhochland. Rechts sahen wir die Sierra La Culata und linker Hand die Sierra Nevada. Angekommen in der auf über 1.500 Metern gelegenen Stadt, fanden wir bald ein ansprechendes Hotel. In der folgenden Nacht störte dauerndes Gewehrfeuer rund um das Hotel unseren Schlaf. Der Präsidentschaftswahlkampf war schon in der heißen Phase. Tags darauf mussten wir aus dem Hotel, das wir für drei Tage gebucht hatten, wie auch weitere Gäste, raus. Wahlkämpfer der Präsidentschaftspartei hatten das Hotel annektiert. Einfach war die neuerliche Hotelsuche nicht. Nur auf Umwegen konnten wir alternative Unterkünfte erreichen. Die Hauptstraßen waren durch Wahlkundgebungen blockiert. Am späten Nachmittag fanden wir eine passable, außerhalb des Zentrums liegende Pension. Mit der Meridabahn fuhren wir auf den Pico Espejo. Diese Seilbahn führt in vier Sektionen von Barinitas, der auf 1.577 Meter gelegenen Talstation, über drei Zwischenstationen zur damals höchstgelegenen Bergstation auf 4.765 Meter. Der Gipfel und die Zwischenstationen La Montana, La Aguada und Loma Redonda bieten herrliche Ausblicke. Zwei Stunden Aufenthalt hatten wir am Pico und jeweils 30 Minuten an den Zwischenstationen zur Akklimatisierung. Trujillo, im Valle de Los Mukas gelegen, war unser nächstes Ziel. Wieder beeindruckte uns die gewaltige Natur beiderseits der Straße. Die Marienstatue „La Virgen de la Paz“, das Wahrzeichen der Stadt, steht auf einem nahen Berg. Die Statue ist 47 Meter hoch und kann innen bis auf Augenhöhe bestiegen werden. Der Ausblick durch die Augen ist grandios. Am nächsten Tag fuhren wir über Barquisimeto nach Adicora auf der Paraguaná-Halbinsel. Heftige Gewitter über der Halbinsel beeinträchtigten unsere Fahrt. Die Regenfälle waren zeitweise so stark, dass sie nur Schrittgeschwindigkeit zuließen. Erst kurz vor Mitternacht erreichten wir, nach 12 Stunden Fahrt, das Dorf. Im Dunklen nach Stromausfall konnten wir unser Hotel nicht finden. Eine Posada (Gasthaus) war beleuchtet und hatte auch ein Zimmer für uns. Da wir seit dem Frühstück nichts gegessen hatten und weder Trank noch Speisen verfügbar waren, machte ich mich auf den Weg, um wenigstens was Trinkbares zu ergattern. Drei Straßen weiter sollte ich eine offene Bar finden, erklärte die Wirtin. In stockdunkler Nacht, bei fußhoch überschwemmten Straßen, suchte ich die Taverne. Kurz bevor ich die Kneipe erreichte, wurde ich von zwei Rottweilern attackiert. Als ich die Biester auf Deutsch anbrüllte, zogen sie sich zurück. Entweder war den Viechern die Sprache, der Ton oder dass ich weiter auf sie zuging nicht geheuer, mir war es recht. Nur Bier oder Hochprozentiges gab es zum Mitnehmen. Einen Sechser-Karton Bier orderte ich und machte mich auf den Rückweg. Das für unseren Aufenthalt geplante Hotel war wie die meisten Beherbergungsbetriebe geschlossen. Der ganze Ort schien sich in einem desolaten Zustand zu befinden. Die Halbinsel mit ihren wunderschönen Stränden war bisher von den Venezolanern favorisiert. Nach jahrelanger Misswirtschaft ihrer Regierung, fehlte den Leuten für den Urlaub das Geld. Also weiter zum nächsten Ziel, leider war unser Reiseführer, in dem wir die geplante Route und auch geeignete Hotels markiert hatten, unauffindbar. Es ging auch ohne, über Maracay und eine schmale Passstraße, nach Puerto Colombia. Eine nette Posada, gute Restaurants und ein schöner Strand entschädigten uns für die vorangegangene Pleite. Nur die Geldautomaten waren auch hier leer, bezahlen mussten wir mit Dollars oder D-Mark. Zurück über die Passstraße nach Maracay und wieder hoch nach Colonia Tovar ging unsere Reise. Die auf 1.800 Meter liegende Gemeinde wurde von deutschen Einwanderern gegründet. 358 Mitbürger aus dem Schwarzwald wanderten 1843 nach Venezuela aus. Das Dorf liegt etwa 70 km westlich von Caracas. Die Siedler waren die Ersten, die Bier in Venezuela brauten. Erst seit 1964 ist Colonia Tovar über eine Asphaltstraße erreichbar. Als wir die Häuser im Fachwerkstil sahen, glaubten wir, wir wären im Schwarzwald. Unser Hotel gehörte auch Nachfahren deutscher Einwanderer. Nur deren Oma sprach noch Deutsch, sie erzählte, dass schon seit Jahren hier alles den Bach hinuntergehe. Den Mittelstand aus Caracas, der früher die Ferien und Wochenenden in Colonia Tovar verbracht hatte, gebe es nicht mehr. Unser Urlaub ging dem Ende zu, und so auch unsere Barmittel. Als wir den Airport in Caracas erreichten, waren wir bargeldlos, aber Tickets hatten wir. Essen und etwas Trinkbares gab es für uns erst an Bord des Lufthansa Airbus. Die North American B-25 Mitchell. Die Firma „Blue Bird“ in Innsbruck operierte drei Oldtimer, die sie bei Flugtagen, Air-Shows, Luftfahrtmessen usw. einsetzte. Das Unternehmen wurde von einer attraktiven Lady geleitet und war in einem alten Holzhangar untergebracht. Neben der B-25 Mitchell gehörten noch eine Chance Vought F4U-4 Corsair, eine North American T-6 sowie eine viersitzige Piper Cherokee zur Flotte. Die Piper diente als Transportmittel und wurde auch von einigen Mechanikern geflogen. Chefpilot war Stefan, knapp 1,80 groß, ein eher hagerer, schon leicht ergrauter Fünfziger, er war einer der Gründungsväter von Blue Bird. Amerikanische Kampfflugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg faszinierten Stefan, er ist auch anerkannter Experte derselben. Als ich ihn kontaktierte, bot er mir einen Job als Co-Pilot auf der B-25 Mitchell auf Free-Lance-Basis an. Später bei einem Treffen teilte er mir mit, dass ich ein PIC-Rating bekommen werde und inoffiziell (für offiziell wäre ich ihm zu alt) auch als verantwortlicher Pilot fliegen könne. Ricardo, der Stellvertreter von Stefan, ein halbes Dutzend Free-Lance-Piloten, ein technischer Leiter und mehrere Flugzeugwarte als auch Mechaniker vervollständigten die Belegschaft. Die Instandhaltung der betagten Maschinen war naturgemäß sehr aufwändig. Die Nord American B-25 Mitchell ist ein mittelschwerer Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg, bis 1945 wurden davon über 9.800 Stück gebaut. Neben den Amerikanern setzten noch zahlreiche Staaten die B-25 ein

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