Eingezogen. Ein Wehrpflichtiger der NVA erinnert sich.

Eingezogen. Ein Wehrpflichtiger der NVA erinnert sich.
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Hans-J. Grünitz erinnert sich an seine Zeit als Wehrpflichtiger und Reservist der Nationalen Volksarmee. Detailgetreu schildert er das Leben eines gewöhnlichen Soldaten, lässt unmittelbar teilhaben an Drill, Kommissgeschichten, gelegentlichen Vergnügungen und schwerwiegender Gewissensentscheidung. 1977 eingezogen, gelingt ihm ein authentischer, anekdotenreicher Blick in den Militäralltag der DDR in den 1970er Jahren. Später erlebt er anlässlich einer Reserveübung die ersten Auflösungserscheinungen der sozialistischen Ordnung.

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Hans-Joachim Grünitz. Eingezogen. Ein Wehrpflichtiger der NVA erinnert sich.

Prolog

Einleitung

Gemustert

Einberufen nach Johanngeorgenstadt

Eingekleidet und Ausgerüstet

Die ersten 14 Wochen

Frühsport

Essen ist Dienst

Exerzierausbildung

Die Sturmbahn

Innendienstkrank

Ausbildung auf dem ISG

Unterricht

Maskenball

Hierarchisch

Freizeit

Zapfenstreich

Ein ignoriertes Gespräch

Vereidigt

Beurlaubt

Nachtalarm

Der entgangene Sonderurlaub

Geschossen

Ausgang

Auf Wache

In Schwarzkombi

Feuer und Handgranaten

Der Härtekomplex

Profilausbildung

Ausgebaut

Geerntet

Abschied von der Grundausbildung

Grenzkompanie Sonneberg

Ein alter Bekannter

Grenzgang

Winter an der Grenze

Turmgespräche

Alarm

Ausgang

Wache der Einheit

Vorgeladen

Eine entscheidende Frage

Lange Wache

Versetzt

Nordhausen und »Nordhäuser«

Ausgang in Nordhausen

Urlaub und eineinhalb Liter

Weihnachten im Kreise der Genossen

Verheizt

Lazarett Gotha

Krank aber militärisch

Nette Schwestern

Gespiegelt

Verschlafen

Hoffnung

Entlassen

Umzug nach Stockhausen

Die Kaserne in Stockhausen

Zum Schreiber ernannt

Der Fähnrich

Postholen

Mein Amtskollege

Befördert

Wäschetausch

Schreibers Nachtübungen

Diplomatenkoffer

Unteroffiziere in Not

Die Dorfkneipe

Das geheime Fotolabor

Die große Kontrolle

Nachtblind

Abschlußfest beim Oberleutnant

Heimgang

Im Reservedienst

Der Rausschmiß

Alte Bekannte

Mein Quartier

Die Stomatologie

Faschingsgebisse

Gut verpflegt

In der Sauna

Und sonst?

Der »Blitzkrieg«

Drei Tage und zwei Nächte

Im Wald

Eine heroische Aufgabe

Lagerleben

Befördert

Epilog

Glossar

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Im Oktober vor zwölf Jahren hatte ich per Befehl das letzte Mal offiziell eine Militäruniform zu tragen. Wir haben jetzt wieder Oktober. Es sind die letzten Tage dieses Monats im Jahr 2000 und es ist wohl dem trüben Herbstwetter geschuldet, daß ich mal wieder an meinem Schreibtisch sitze um nun endlich die letzten Zeilen an diesem Buch zu schreiben. Die Armee, deren Uniform ich damals und in Abständen auch Jahre davor trug, gibt es nicht mehr. Auch nicht den Staat, zu dem diese Armee gehörte. Der dem Staat einst geschworene Eid hat keinen Wert mehr. Dennoch meine ich, daß der Alltag im militärischen Leben eines Soldaten bei der Nationalen Volksarmee sowie den Grenztruppen der DDR eine Geschichte wert ist. Eben weil es Geschichte ist und weil Geschichte oft und gern vergessen oder nicht überliefert wird. Natürlich kann dieses Buch nur einen winzigen Ausschnitt, ein ganz kleines Stück dieser Geschichte wiedergeben. Sicher gibt es Menschen, die durch abweichende Erfahrungen eine andere Sicht auf das Vergangene haben. Dieser Bericht verfolgt nicht das Ziel einer wissenschaftlichen Abhandlung, sondern erzählt meine eigene Geschichte, ich hoffe auf unterhaltsame Art, mal satirisch, mal ernst, mal nachdenklich.

Man hatte einen ganzen Gebäudeflügel in der Betriebspoliklinik frei gemacht. Jeder mußte zwei Ärzte nebst Schwestern über sich ergehen lassen. In diesem Zusammenhang fällt mir immer wieder das wohl auch traditionelle »Hosen runter und bücken« ein. Hätte bis zu diesem Zeitpunkt nie gedacht, daß es das in dieser Form tatsächlich gibt. Man denkt dabei sofort an Hämorrhoiden! Aber in diesem Alter? In meinem G-Buch, dem mich nun immer begleitenden »Gesundheitsbuch« der NVA, ist im Kapitel »Musterung« jedenfalls kein diesbezügliches Wort zu finden. Erst das Kapitel »Entlassungsuntersuchung« nennt einen solchen Eintrag. Könnte das etwa zu der Annahme führen, daß der Armeedienst diesbezüglich förderlich wäre? Um es vorweg zu nehmen, bei mir ist »nein« unterstrichen!

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Auch nicht der unfaire Verweis auf den Beruf meines Vaters. Mein herzensguter Vater, der zu diesem Zeitpunkt noch als Geschichtslehrer arbeitete, hat für mich stets nur das Beste gewollt und mir selbstverständlich die Entscheidungsfreiheit gelassen. Er sollte nun auf Grund seines Lehrerdaseins als ideologische Waffe herhalten. In der Luft schwang, wenn auch nicht direkt ausgesprochen, unmißverständlich die Drohung, daß mein Vater durch meine Unwilligkeit Ärger bekommen könnte. Ganz so weit ging die Macht der Herren nun aber doch nicht. Ich äußerte mich darauf wohl überaus ungehalten, worauf die Einberufungskommission des Wehrkreiskommandos mich in ebenfalls ungehaltener Stimmung entließ.

Der Spieß stand jeden Morgen zum Appell vor der Truppe, schickte die Unrasierten wieder weg und gab den Dienstplan bekannt. Der Dienstplan, Dokument von Furcht und Hoffnung, hatte für jeden etwas dabei. Frühsport, Märsche, Sturmbahn, Politunterricht, Übungsschulgelände, Imi­ta­tionssgrenzdienst und und und. Nur Freizeit war rar. Wochentags eine Stunde, Samstag einen halben und Sonntags den ganzen Tag. Freizeit hieß allerdings nicht frei sein. Auch hier warteten viele Überraschungen auf uns. Wie z.B. der bei mir so besonders beliebte Sport. Da ich von Geburt an nichts vom Sport hielt, was sich bis zum heutigen Tage nicht geändert hat, gab man mir Gelegenheit, in meiner Freizeit meine nicht vorhandenen sportlichen Fähigkeiten wenigstens in Ansätzen zu trainieren.

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