Читать книгу DER HAUSFRAUENMANN - Harald Heinz - Страница 1
Оглавление1 PROLOG
16. Dezember 1997,dreiundzwanzig Uhr achtundzwanzig.
Das Klingeln seines Handy´s ließ sein, „Unser Job ist durch keinen Computer...,“ im Lärm der Kneipe verhallen. Er riss den Apparat mitsamt der Ledertasche von seinem Gürtel, pulte ihn umständlich heraus, drückte im letzten Moment, bevor das fünfte „Freude schöner Götterfunken“ den Anruf auf seine Mailbox umgeleitet hätte, die grüne Taste, presste das Gerät an sein rechtes Ohr und hielt mit der anderen Hand sein linkes zu. Seine Augen weiteten sich, das Blut wich aus seinem vom Bordeaux geröteten Gesicht und mit jetzt aschfahlen Wangen, ein leicht dümmliches Grinsen auf den Lippen, schrie er in das Telefon: „Was? Oh Gott. Ich komme sofort.“ Monika und Bernd schauten ihn erschrocken an, aber er brachte keinen zusammenhängenden Satz heraus: „Oh Gott, oh Gott. Zahl für mich später, ein Taxi, oh Gott, ich muss los,“ Florian drängte sich durch die gerade in die Kneipe hereinbrechende Clique und war verschwunden.
Der Taxistand lag keine 200 Meter entfernt, doch als er um die Ecke bog, glaubte er, sein Herz bliebe stehen: leer, kein Mietwagen war zu sehen. Er suchte in seinem Kopf nach einer Telefonnummer, ohne Erfolg. Die schneidende Kälte, es war der 16. Februar, und die abendlichen Temperaturen hatten den Gefrierpunkt weit unterschritten, ließ ihn seinen Jackenkragen hoch schlagen. Sein Wintermantel hing zufrieden in der Wärme der Kneipe.
Als er sich gerade in Panik zur Umkehr entschlossen hatte, näherten sich die zwei Scheinwerfer eines Linienbusses, er verharrte zwischen Hoffen und Verzweiflung und dankte dann
seinem Herrgott, es war der 9o8er, nur 4 oder 5 Stationen und er war an seinem Ziel. Seine Sorge und Verzweiflung weckten ungeahnte Sprinterqualitäten in ihm und er schaffte es, durch die sich gerade wieder schließende Tür in sein Gottesgeschenk zu springen, ließ sich erschöpft nach Atem ringend auf die nächste Bank fallen, und seine Gedanken jagten dem Bus voran zu Charlotte in die Klinik. Angst überkam ihn. War etwas schiefgegangen? Mit zittrigen Händen bedeckte er seine Augen und versuchte sich zu beruhigen.
„Guten Abend, ihren Fahrausweis bitte,“ durch seine gespreizten Finger beobachtete er die beiden unauffälligen Lederjacken, die ihn mit ihrer Aufforderung in die Gegenwart zurückgeholten.
Sie meinten ihn, kein Zweifel. Er wollte zu einer ausführlichen Erklärung seiner Lage ansetzen, als er in seinem linken Auge das Krankenhaus vorbei fliegen sah. Mit wirrem Blick suchte er den Halteknopf, die beiden Kontrolleure weiterhin ignorierend, entdeckte ihn in Augenhöhe direkt neben einem von Muskelmassen prall ausgefüllten Ärmel der einen Lederjacke, über dem jetzt aus einem fleischigen, aber eigentlich zu kleinem Kopf mit stoppelkurzen Haaren eine für den massigen Körper viel zu hohe, ungeduldige Stimme erneut seinen Fahrausweis forderte.
„Notfall, ich muss ins Krankenhaus,“ Florian drückte mit aller Kraft seinen Daumen auf die Haltetaste, „höherer Notfall, übergesetzlicher Notstand sozusagen, sie verstehen meine Herren.“ Damit drängte er sich an seinen beiden sturen Herausforderern vorbei zur hinteren Türe. Die zwei Lederjacken, von denen eine dem Fahrer „lass die Türen zu, Paul,“ zurief, kamen gemächlich und bedrohlich auf ihn zu. Der Bus stand, aber die Türen blieben geschlossen.
Florian ergriff eine hilflose Wut und er schrie: „Meine Frau, verdammt, ich muss zu ihr, sie ist in der Klinik, ein Notfall, das müssen Sie doch einsehen,“ aber seine Häscher näherten sich, süffisant grinsend, unaufhaltsam. „Sie lassen mir keine andere Wahl,“ und mit schnellem Griff legte er den Schalter oberhalb der Türe auf „Hand“, zischend entwich die Pressluft, und ehe noch einer der verdutzten Kontrolleure reagieren konnte, zerrte Florian die Türe auf und verschwand in der Dunkelheit.
Am Eingang der Klinik, die er im gestreckten Galopp erreichte warf Florian einen Blick zurück und sah die Rücklichter des Busses im Dunst des gerade einsetzenden leichten Schneefalls verschwinden und mit ihm offensichtlich seine beiden Peiniger. Die Straße war menschenleer.
Er hastete an der Rezeption und einer vor sich hin träumenden Schwester vorbei, bog gleich darauf links ab und sprang, immer zwei Stufen auf einmal bewältigend, in die dritte Etage, schwang die Tür eines endlos scheinenden Ganges auf, bog in der Mitte in einen anderen Gang rechts ab, kollidierte dabei mit einer zierlichen Thailänderin, registrierte, völlig idiotisch, den Kontrast des dunklen Teints mit dem strahlend weißen Schwesternkittel, stoppte abrupt vor Zimmer 343, klopfte sacht und vorsichtig, dabei seinen Atem unter Kontrolle bringend, drückte, da er ein „Herein“ vermeinte gehört zu haben, die Klinke leise herunter und steckte seinen Kopf in das Zimmer.
Bleich und erschöpft lag Charlotte in ihrem Kopfkissen. Das fahle Licht der Nachttischlampe verlieh ihr etwas Gespenstisches. Florian näherte sich ihr auf Zehenspitzen, fast lautlos, streichelte ihr sanft die Wange und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann kniete er sich vor das Bett, hob sacht die Bettdecke und konnte es nicht fassen, was sie machte, machte sie hundertprozentig: Der Bauch war weg.
"Ist alles gut gegangen, ich meine ist es, sie gesund?" er schaute sie gespannt an. Die Schwangerschaft hatte ihren spröden, etwas harten Gesichtszügen eine Weichheit und Sinnlichkeit verliehen, die ihn jeden Tag aufs Neue verwundert und seine Liebe zu ihr vertieft hatte. Sie strich ihm sanft über die hohe Stirn, "ja, mein Lieber, Mutter und Kind sind wohlauf, gesund und glücklich," ein amüsiertes Lächeln spielte um ihre Lippen. Mit einem tiefen Seufzer befreite er sich von seiner Angst.
Miriam, ihr Wunschkind, hatte ohne Komplikationen und mit bemerkenswerter Eile das Licht der Welt erblickt.
2 Drei Jahre später, im letzten Jahr des 2. Jahrtausend.
Szene 1
Aische, der Ersatzbabysitter, klingelte pünktlich um halb acht. Jasmin, die normalerweise auf Miriam aufpasste, war auf Klassenfahrt. Seine Tochter rannte hinter Florian her zur Tür, versteckte sich dann aber schüchtern hinter seinen Beinen. Aisches Vater war Türke und Florian hatte schon ein Kopftuch oder, noch schlimmer, einen Shador befürchtet, aber grundlos. Eine weiße Kunstpelzjacke und Jeans, die in dicken Fellstiefeln verschwanden, umhüllten ein gewaltiges junges Mädchen. Obwohl erst 17, hatte sie den Leibesumfang einer italienischen Mama nach 20 Jahren Pasta essen und einem halben Dutzend Kindern. Eine Plastiktüte mit Chips und anderen Schlankmachern baumelte an ihrem wulstigen Handgelenk.
"Hallo, komm rein, Du bist sicher Aiske, oder, Du verstehst doch deutsch?"
"Aische! Klar, isch bin doch hier gebore," der hessische Dialekt war nicht zu überhören, "und des isch die Mira, gell?"
Sie hatte nicht nur die Körperfülle einer italienischen Mama, sondern auch deren Talent, mit Kindern umzugehen. Miriam verlor rasch ihre Zurückhaltung und nach 10 Minuten hörte er vergnügtes Lachen aus dem Kinderzimmer.
Erstaunlicher Weise.
Seit ihrem 3. Geburtstag besuchte Miriam den Kindergarten und der Unterhaltungswert dort schien bedeutend höher, denn in den letzten 14 Tagen benahm sie sich zu Hause ihren Eltern gegenüber reichlich widerborstig.
Florian griff erleichtert zum Telefon und bestellte das Taxi, der Tisch im "Taormina", dem besten Italiener in der Stadt, war für halb neun reserviert, weder Charlotte noch Florian hatten Lust, den Abend mit San Pellegrino zu bestreiten.
Er ging ins Wohnzimmer zum Getränkeregal, wählte nach kurzem Zögern einen Carlos Primero und trank ihn langsam und genussvoll aus. Er fühlte sich ausgezeichnet und bewunderte sich selbst: Das Abenteuer eines neuen Lebens lag vor ihm.
"Du siehst bezaubernd aus, dieser seidene Hosenanzug macht Dich noch verführerischer, wir sollten uns noch ein wenig um Flo kümmern," damit nahm er Charlotte, die endlich, wenn auch schweren Herzens, dem Badezimmerspiegel den Rücken gekehrt hatte, in die Arme und ließ seine Fingernägel zart über die Haut ihres weit ausgeschnitten Rückendekolletees kreisen.
"Jetzt nicht, das Taxi kommt doch jeden Moment."
"Das muss halt warten."
"Ja, mit laufender Uhr."
"Genau, dann wissen wir endlich, was ein Quickie wert ist."
"Und der Babysitter?" Sie versuchte sich zu befreien, aber Florians Hand war tiefer gerutscht und streichelte inzwischen sanft über ihren Po.
"Der sagt dem Taxifahrer Bescheid, dass er warten soll."
"Du bist völlig verrückt. Bitte." Aber ihr Widerstand schwand, und Florian streifte ihren linken Träger herunter, als die Türglocke läutete.
Szene 2
"Du hier nix Rosen verkaufen, raus!"
Im Eingang des "Taormina" stieß Florian mit einem ambulanten asiatischen Blumenhändler zusammen, den der kroatische Kellner gerade aus der Tür des italienischen Lokales wies.
"Moment," Florians multikulturelles Mittelstands Gewissen mischte sich ein, "was kostet eine?"
"Funf DM."
Er zählte die Blumen rasch durch, drückte mit einem "stimmt so" dem verdutzten Inder fünfzig Mark, der nicht minder verdutzten Charlotte den ganzen Strauß in die Hand: "Für meine Liebe."
Eine leicht Röte überzog noch immer Charlottes Gesicht, als sie an ihren Tisch kamen, an dem Frank und Dorothea bereits warteten.
"Wir haben schon mal auf Eure Kosten einen Campari getrunken," Frank erhob sich und hauchte Charlotte zwei Küsse auf die Wangen, "ich sag ja immer, Kind und Pünktlichkeit, impossible."
"Die Taxe kam nicht, tut uns leid," 48,80 Mark zeigte die Uhr, als sie eingestiegen waren, wobei jedoch der größte Teil der Summe auf Charlottes nun wieder bezauberndes Aussehen entfiel, "versuch doch dem Fahrer Eure Getränke in Rechnung zu stellen," Florian gab Dorothea die Hand, schob Charlottes Stuhl zurecht, und schlug Frank zur Begrüßung leicht auf die Schulter, "mit Miriam gab es überhaupt keine Probleme."
"D'accord, aber wer nachts ganze Blumenläden aufkaufen kann, für den sind die läppischen Getränke doch nur ein paar Sous."
Neben seinem Zynismus war Franks hervorstechender Charakterzug der Geiz, er würde nicht im Traum auf die Idee kommen, seiner Labs, seiner Lebensabschnittsbegleiterin, wie er Dorothea stets titulierte, auch nur eine einzige Rose zu kaufen.
"Ich bin eben ein sozialer Mensch, aber Du ja kein Sozialfall, oder?" Florian nahm neben Charlotte Platz.
"Wenn ich an meine Steuerabzüge denke, bin ich da nicht so sicher, und davon leben ja unsere lieben ausländischen Gäste. Wenigstens beim Abendessen sollen sie mich in Ruhe lassen."
Als Florian ihm vorhielt, in seinen Kritiken würde er doch immer begeistert über Stücke mit Minderheitenproblemen schreiben, ob das hier seine gelebte Toleranz sei, stöhnte er nur auf: "Mon ami, heute nichts über Theater, s'il vous plait, schon das Wort stimmt mich depressiv. Ich habe gestern die Premiere von Frank Wedekinds "Marquis von Keith" über mich ergehen lassen müssen, das Ergebnis kannst Du am Montag in der Zeitung lesen.“ Er war Kritiker der einzigen Zeitung der Stadt und besaß dadurch ein gewisses Meinungsmonopol, das er schamlos ausnutzte. "Merde, sag ich Dir, nichts als merde. Seid froh, dass Ihr Euch das nicht mehr antut."
Gegen Ende der Schwangerschaft hatten Florian und Charlotte ihre bis dahin regelmäßigen Theaterbesuche eingestellt; sie hatte plötzlich jedes Interesse daran verloren und Florian hatte sich dem gefügt. Dabei war es bis heute geblieben.
"Entschuldigt die Verspätung, aber die Jungs waren einfach nicht ins Bett zu kriegen," Monika und Bernd, der bis gestern noch Arbeitskollege von Florian war, begrüßten die Runde und nahmen auf den zwei freien Stühlen Platz.
"Na wenigstens eine, die meine Theorie bestätigt," Frank konnte es sich nicht verkneifen.
Florian erhob sich und schlug leise mit dem Messer an sein Glas: "Keine Rede, seid beruhigt. Nur damit Frank nicht den ganzen Abend verzweifelt darüber grübelt, wie er den ungeheuren Betrag für 2 Camparis aufbringen soll, die Getränke gehen auf mich, wir feiern schließlich das Ende meines versklavten Arbeitnehmerdaseins."
"Tres bien, und wer übernimmt das Essen?" Frank schaute in die Runde, Scherze dieser Art waren von ihm durchaus ernst gemeint, und Dorothea, die dies wusste, warf schnell ein: "Wenn es nur eine Minestrone ist, würde ich mich bereit erklären, Deine Rechnung zu übernehmen."
"Du wolltest ja auch Essen gehen, mir wäre ein gemütlicher Abend vor dem Fernseher lieber gewesen, der erste freie Samstag seit zwei Monaten," und damit wandte er sich an Florian: "Ich hoffe, Du weißt das zu würdigen."
Charlotte übernahm die Antwort für ihren Gatten: "Mon cher Franc," sie konnte seine frankophile Angeberei nicht leiden und sprach nun mit leichtem französischen Akzent, "es ischt uns allen eine extraordinaire Freude, diese Abend in Deine Gesellschaft verbringe su durfen."
Sie und Frank hatten seit ihrer Schwangerschaft ein gespanntes Verhältnis, nicht ernsthaft, aber beständig. Sie hielt ihn für einen verantwortungslosen Egoisten und sagte es ihm bei jeder passenden Gelegenheit. Er hatte sie daraufhin einmal eine hysterische Mutterkuh genannt, und das verzieh sie ihm bis heute nicht.
"Hast Du jetzt nicht doch ein bisschen Schiss," Bernd reichte dem Kellner die Karte, die Bestellungen waren aufgegeben, "ich meine, Dein Job war ja nicht der schlechteste."
Florians Chef, der alte Vielhaber, war der gleichen Meinung wie Bernd und konnte es nicht fassen, als ihm sein bester Grafiker kündigte. Er hatte versucht, ihn mit verschieden Angeboten zu halten, mehr Geld, flexiblere Arbeitszeit, halbe Tage, aber Florian hatte nur bedauernd abgelehnt und auch gestern auf die letzten Worte seines Arbeitgebers: "Und wenn Ihnen die Decke auf den Kopf fällt, Sie sind jederzeit wieder herzlich willkommen," nur mit einem mild lächelnden Kopfschütteln reagiert.
"Ach was, endlich mein eigener Herr," Florian glättete eine Falte im Tischtuch, "jetzt wird nur noch für die Kunst gelebt."
"Und der Herr Künstler ist auch sicher, dass ihm genug einfällt?" Frank saß zwischen Monika und Dorothea und hatte leichte Mühe, sich an dem Gespräch zu beteiligen. Die Frauen waren bei ihrem Lieblingsthema, den Kindern. Dorothea konnte nur theoretisches Wissen beisteuern, da Frank sich strikt weigerte, Vater zu werden und ihre diesbezüglichen Wünsche stets mit dem gleichen zynischen Satz konterte: Du weißt, Cherie, ich mag kleine Mädchen, aber erst wenn sie 16 sind.
„Keine Sorge, Monsieur Kritik, Ideen sind reichlich vorhanden. Zwei Wochen Technik üben, kleine Stillleben, einige Etüden und dann geht es los," und Florian erzählte, womit es losgehen würde: die alten Griechen, das Tantalus Geschlecht mit seiner barbarischen Familienchronik mit der heutigen Welt zu kombinieren. Ihm schwebten da ganze klare Bilder vor dem geistigen Auge, Bilder, die so noch nie gemalt worden waren, einmal abgesehen von seinem Kollegen Goya. Aber der war ja nun schon länger tot. "Man muss einfach den ersten Schritt tun, alles andere kommt dann von ganz allein. Wer nichts wagt, der nichts gewinnt, oder?" Florian lehnte sich genüsslich zurück, seine Ausführungen hatten ihm gefallen.
"Aber auch nicht seinen Job verliert," Frank hatte sich gegen Monika durchgesetzt, die sich zurückgelehnt hatte und sich nicht mehr an dem Frauengespräch beteiligte, nicht wegen Frank, sondern weil die beiden, Dorothea und Charlotte, sich jetzt über die ab übermorgen wieder gemeinsame Firma unterhielten.
"Du bist einfach zu negativ, mein Lieber," Florian beugte sich zu Frank vor," deshalb schreibst Du auch nur Verrisse."
"Du verwechselst negativ mit realistisch. Sonst wäre es doch besser, Bernd würde seine kreative Begabung, die er in seiner Mansarde austobt, zu seinem Beruf erklären."
Bernd, der die Ironie nicht verstand, meinte, das sei ja nun nicht zu vergleichen, eher könne er, Frank, da er doch eigentlich ein Schreiber sei, einen Roman verfassen.
"Genau," schaltete sich Florian wieder ein, "heute schreibt doch jeder."
"Das kommt schon noch, warte es ab. Oder meint ihr, Florian ist der Einzige mit künstlerischen Ambitionen hier am Tisch?"
"Na wunderbar," Florian lächelte Frank freundlich an," da hab ich einen guten Tipp für Dich: Mach Doro ein Kind, warte drei Jahre und Du hast genug Zeit für Deine Träume." Dorothea unterbrach kurz das Gespräch mit Charlotte und schaute Frank gespannt an.
"Ach weißt Du, ein Schriftsteller braucht Ruhe, eine inspirierende Umgebung, Toskana oder Bali, aber kein Babygeschrei und Einwegwindeln. Aber merci für den Tipp."
Bevor Florian eine treffende Antwort fand kam der Kellner und brachte die Getränke. Zum Anstoßen auf sein neues Leben hatte Florian Pro Secco bestellt. Der Kellner öffnete geräuschlos die Flasche, was Florian mit einem bedauernden "Ooh" quittierte, er wollte heute die Korken knallen lassen, und schenkte ein. Sie stießen auf ihn an, zuletzt Charlotte und er: "Auf uns und unsere Abmachung," er blickte sie zärtlich an, "auf das alles so kommt, wie wir es uns wünschen."
Das Essen war hervorragend gewesen und der Wein hatte die Zustimmung und den heftigen Zuspruch selbst des Kritikers gefunden, kein Wunder, er musste ihn nicht bezahlen. Zwei Flaschen Montepulciano und eine Flasche Pinot Grigio für die Weißweintrinker hatte Florian der Gesellschaft spendiert, und inzwischen tranken sie in ausgezeichneter und unterschiedlich alkoholisierter Stimmung Grappa und Sambuca.
Frank hatte den Tisch mit Anekdoten aus dem Theater unterhalten, keine Pointe konnte ihm bösartig genug sein, und er wandte sich nun an Florian: "Was sagt denn eigentlich Milram dazu, dass sie jetzt von einem Hausmann durchs Leben geführt wird?"
"Miriam, sie heißt Miriam, langsam könntest Du es kapiert haben," Charlotte konnte den ewig gleichen Kalauer nicht mehr hören.
"Pardon, mon cher, aber immer kommt mir der verdammte Frühlingsquark dazwischen," außer den Eltern hatte er die Lacher auf seiner Seite.
"Vielleicht die ersten Anzeichen von Alzheimer?" Florian versuchte zu kontern.
"Aber er hat doch recht," völlig unerwartet meldete sich Bernd zu Wort, der bis jetzt noch nicht viel zur Unterhaltung des Abends beigetragen hatte, "Miriam is wirklich ein blöder Name, das wird sie Euch später bestimmt übel nehmen. Konntet ihr nix vernünftiges finden?" Er lachte als einziger über seine Bemerkung und griff zu seinem Grappa Glas.
"So wie Du mit Peter und Paul, wirklich sehr originell," Florian verspürte plötzlich eine Wut auf Bernd, ausgerechnet den Kritiker musste er unterstützen. Aber zugleich ärgerte er sich über sich selbst, er hatte sich damals mit "Sandra" nicht gegen Charlotte durchsetzen können.
Er sah seinen Freund böse lächelnd an: "Wenn es nach Dir gegangen wäre, würde sie bestimmt Melanie heißen, oder?"
Bernd versprühte den Grappa, den er gerade genüsslich die Kehle herunter rinnen lassen wollte, über den Tisch und verschluckte sich, bekam einen Hustenanfall, und sein Gesicht verfärbte sich puterrot, nicht nur wegen des drohenden Erstickungstodes.
"Wieso denn Melanie," Monikas Augen wurden zu kleinen Sehschlitzen, und trotz Bernds Sprechunfähigkeit wiederholte sie die Frage, jetzt schon etwas schriller, "ich hab Dich was gefragt, wieso Melanie?" Bernd flüchtete sich in weiteres Husten, Florian blickte arglos in die Runde, die beiden Frauen sahen erstaunt und der Kritiker amüsiert auf Bernd und Monika.
"Was ist mit Melanie," sie fixierte Florian, "was hast Du damit gemeint?"
"Aber Moni, er ist doch ein großer Fan von Melanie Griffith, dass weiß doch jeder, nur Du anscheinend nicht," Florian glaubte eine Lösung gefunden zu haben und strahlte sie an.
"Klar, und ich liebe Antonio Banderas, verscheissern kann ich mich selber," ihre Stimme reichte nun weit über die Runde hinaus, einige Köpfe drehten sich zu ihnen um, "los, raus damit," ihre Augen bohrten sich wieder in ihren hilflos ins Nichts stierenden Gatten.
"Wer-ist-diese-Melanie??" Sie betonte jedes Wort.
Außer Bernds Husten blieb es stumm am Tisch.
"Wahrscheinlich vögelt er eine Melanie in seiner Mansarde," sie boxte ihrem Mann in die Rippen, "stimmt das, oder nicht."
"In der Mansarde hab ich nur die dicke Berta," mühsam brachte Bernd mit hoher Stimme diesen sinnlosen Scherz zwischen seinem Röcheln hervor.
"Ich sag Dir eins," und jetzt füllte Monikas Stimme bereits das ganze Lokal, "wenn es da eine Melanie gibt, ich beiss Dir die Eier ab," ihr reichlicher, von den übrigen nicht wahrgenommener Weinkonsum, hinderte sie, ihren leicht ordinären Charakter zu zügeln, "und da kannste Gift drauf nehmen, erst das linke und dann das rechte."
Um die Ernsthaftigkeit ihrer Drohung zu untermauern, wollte sie mit der Faust auf den Tisch hauen, traf aber die noch nicht leere Rotweinflasche, die im Kippen erst den Kerzenständer umriss und anschließend die Vase mit den roten Rosen ins Wanken brachte. Florian griff blitzschnell zu und rettete die Blumen, stieß dabei aber Charlottes Rotweinglas um, das auf dem Aschenbecher zersprang. Zwei Rotweinbäche bewegten sich langsam aber stetig auf Frank zu und brachten damit die Hose des Kritikers in Gefahr, der dem Ganzen aber fasziniert und immer noch amüsiert zusah, während Dorothea und Charlotte vor Schreck aufgesprungen waren.
Ihr Tisch war zum Mittelpunkt des ganzen Lokals geworden.
Zwei Kellner eilten mit Servietten herbei, um ein noch größeres Unglück zu verhindern.
Monika, selber erschrocken über ihre Tat, saß zurückgelehnt auf ihrem Stuhl und blickte mit einem leicht blöden Grinsen von einem zum anderen.
Nachdem man das Chaos beseitigt und sich wieder alle beruhigt hatten, nur Bernd hüstelte immer noch leicht in seine Serviette, jeden Blickkontakt mit seiner Gattin meidend, ergriff Frank, den der ganze Vorfall scheinbar köstlich unterhalten hatte, wieder das Wort: "Ich bin ja von lauter Berühmtheiten umgeben, dem Geliebten von Melanie Griffith, der Liebhaberin von dem Tonio Banderas und dem herausragenden Kollegen von Francisco Goya, Florian Schmidtlein. Ähh, Herr Maler," seine Aussprache war etwas schwer geworden, "dürfte ich Sie um eine kleine Skizze bitten, vielleicht ein Strichmännchen." Damit schob er Florian seinen Notizblock hinüber, den er aus seinem Anzug gezogen hatte, "jetzt kann ich mir Sie ja noch leisten, hoffe ich."
Florian nahm die Herausforderung an, skizzierte kurz Franks große Nase mit der Nickelbrille, übertrieb sein fliehendes Kinn, karikierte seine Lockenpracht.
"Geschenkt," mit einer lässigen Geste schob er den Block zurück, "davon kannst Du Dir bald Dein Haus auf Bali kaufen, Dein Roman wartet ja da auf Dich."
"Na, ich bin vielleicht ein Glückspilz. Branco, noch eine Runde, auf meine Rechnung," das hatte noch keiner hier am Tisch je erlebt, Frank musste ziemlich betrunken sein. Außer Monika, die seit ihrem Ausbruch nur noch debil vor sich hin grinste, aber einem weiteren Schnaps nicht abgeneigt war, lehnten die Frauen ab, "na, noch vviieer Grapppaa, Branco!"
Szene 3
Aische schlief auf der Couch vor dem Fernseher, während Miriam sich gerade den Sexfilm auf Sport I neugierig anschaute. Sie hatte die Fernbedienung in der Hand und den Mund voller Chips. Charlotte war entsetzt. Aische wachte auf, wusste nicht genau, wo sie war, schaute die beiden an, als wollte sie sagen, was macht ihr denn hier, kam dann langsam zu sich und wurde verlegen.
„Isch musch eingeschlafe sein, Miriam wollt unbedingt noch fernsehe, isch hab nich gewuscht, was isch mache sollt, aber kaum waren Sie ausem Haus, da hat sisch de Miriam unmöglisch benomme.“ Florian beruhigte sie, händigte ihr das Geld für die Heimfahrt und ihren Sitterlohn aus und bestellte ein Minicar für sie.
Nachdem Charlotte Miriam ins Bett gebracht hatte, verschwand sie im Bad. Florian hatte sich noch ein Pils zum Abschluss eingeschenkt und ließ sich auf der Couch von dem Sexfilm in eine angeregte Stimmung versetzen. Er zog sich aus und wollte ihr folgen, aber ein Blick auf „Flo“, seinem besten Stück, ließ ihn davon absehen, er hatte zu viel getrunken.
Anfangs hatte sie ihn zärtlich und belustigt Florinchen getauft, aber ihm hatte die Verkleinerung seines nicht unwichtigen Teils missfallen, und sie war zu Flori übergegangen, um ihn dann auf Flo zu reduzieren, was sie zu einigen Wortspielen in Gegenwart von Freunden aber auch von Unbekannten inspirierte, wie zum Beispiel, „mich juckt der Flo,“ “ich könnte Dir einen Flo in den Pelz setzen,“ oder „ich glaub, mich könnt ein Flo beißen,“ und dergleichen mehr, ihre Phantasie war da sehr ergiebig. Oft hatten sie sich mit einem dieser unverfänglichen Sätze auf Party´s oder Gesellschaften ganz öffentlich verständigt, um dann kurz hintereinander in Badezimmern oder auch auf engen Toiletten zu verschwinden und sich rasch zu vergnügen. Aber das war vor Miriams Geburt.
Er ließ das Badezimmer links liegen, fiel ins Bett mit dem beruhigenden und berauschenden Gedanken, dass er noch viele solcher Abende und Vergnüglichkeiten mit Charlotte vor sich habe.
Ein Trugschluss, wie sich herausstellen sollte
Szene 4
"So ein Mist, mein erster Arbeitstag und ich komme zu spät. Nur weil Du zu geizig bist, eine neue Batterie zu kaufen." Charlotte konnte es nicht fassen.
Ein Grönland Tief hatte sich schon am Sonntag mit einem Temperatursturz angekündigt, in der Nacht seine weiße Fracht abgeladen und den Winter zurückkehren lassen. Florian musste den Passat, den sie nach der Geburt von Miriam gegen den Golf GTI eingetauscht hatten, von turmhohen Schneemassen befreien, aber jetzt streikte die Batterie.
"Was is eine Battetie, Mami?" Miriam stand in ihrem weißen, wattierten Anorak neben ihrer Mutter und schaute sie neugierig an.
"Nimm den Bus, ich besorg eine neue und heute Abend alles wie vereinbart," sie hatten ausgemacht, er fährt sie morgens zur Arbeit, bringt auf der Rückfahrt Miriam zum Kindergarten und holt sie abends wieder ab.
„Wer weiß, wann der jetzt kommt," zu dritt, in unterschiedlicher Laune, stapften sie durch den Schnee. Die Haltestelle lag nicht weit entfernt, in derselben Richtung wie der Kindergarten.
"Genau so habe ich es mir vorgestellt, aber Du weißt ja immer alles besser. Ich habe Dir vorige Woche schon gesagt, die Batterie macht es nicht mehr lange, aber nein, mein Herr Gatte ist ja immer schlauer."
"Mit dem Bus kommst Du bei dem Wetter auf jeden Fall sicherer ins Büro."
"Na wunderbar,“ schnaubte Charlotte, „dann muss ich Dir wohl noch dankbar sein, dass ich jetzt eingekeilt zwischen stinkendem Pöbel im Bus fahren darf."
„Was is Pobel?“ Miriam ließ mit jedem Schritt den Schnee auffliegen.
„Frag Deinen Vater.“ Aber Florian verzichtete auf eine Antwort.
An der Haltestelle hatte sich eine Menschentraube gebildet, noch keinem Bus war es gelungen, bis hierher vorzudringen. Charlotte versuchte verschiedene vollbesetzte Taxis anzuhalten, ohne Erfolg. Ihre Laune passte sich der Außentemperatur an.
Schon den ganzen Sonntag war sie unausstehlich gewesen, hatte fortwährend lamentiert, sie habe nichts zum Anziehen, und hatte Stunden vor dem Spiegelschrank im Schlafzimmer verbracht. Auf Florians Frage, ob sie morgen ein Casting beim Film habe, sauste ein Stiefel auf ihn zu, dem er geschickt auswich. Er hatte mit Miriam das Arbeitszimmer in sein neues Atelier umgebaut, der Computer musste Platz machen für die Staffelei, seine geliebte alte Staffelei, die er sorgsam verpackt aus einer Ecke des Kellers hervorholte. Die alten Farben waren eingetrocknet, was er sehr ärgerlich fand, er würde sich morgen neue besorgen müssen.
Nach einer Viertel Stunde näherte sich, völlig überfüllt, der 315er. "Ich ruf Dich an, wann ich fertig bin," Charlotte, die vorwurfsvoll schweigend ihre missliche Lage akzeptiert hatte, drückte Miriam einen flüchtigen Kuss auf die Wange und schaffte es, sich als eine der Wenigen in den Bus zu quetschen.
"Mami is heute böse, nich?"
"Nein, sie ist nur ein bisschen aufgeregt, das ist heute Abend vorbei." Sie kämpften sich durch den Schnee, Miriam kletterte auf jeden zusammen gekehrten weißen Haufen, und er hatte Mühe, sie trotz Gummistiefeln mit trockenen Füßen im Kindergarten abzuliefern.
Mit Brötchen für sein zweites Frühstück und der Zeitung unterm Arm öffnete er die Wohnungstür, zog die nassen Schuhe aus, setzte frischen Kaffee auf, öffnete die Hähne über der Badewanne und wanderte durch die Wohnung, die ihm jetzt jeden Tag bis 14.00 Uhr alleine gehörte.
Sein Traum war ein renovierter Altbau mit Parkettboden, aber Charlotte war von dieser begeistert gewesen, und so waren sie eingezogen. Es war eine geräumige 4- Zimmer Neubauwohnung mit einem großen Balkon und zwei kleineren Zimmern für den Nachwuchs, wovon eins Miriam belegte und das andere jetzt sein neues Atelier war. Im Wohnzimmer setzte er sich in den alten französischen Lehnstuhl, den Charlotte mit in die Ehe gebracht hatte, ein Souvenir eines Frankreichurlaubs vor seiner Zeit. Die einzige Antiquität, die sie besaßen, mehr ein Dekorationsstück, denn er wurde nie benutzt. Er schloss die Augen und atmete tief aus: "Endlich!" Er konnte es immer noch nicht fassen und beglückwünschte sich selber zu seinem Mut, sich nur noch der Kunst zu widmen. Er schlenderte in sein Atelier, frisch gewachst stand die Staffelei gegenüber dem Fenster. "Born to be wild" singend, swingte er sich in ein selbstverliebtes, ausgelassenes Tänzchen, kehrte in die Küche zurück, schmiss seine Kleider auf den Stuhl, goss sich nackt eine Tasse Kaffee ein und machte es sich mit ihr und der Zeitung in der Wanne bequem. Er schlug das Feuilleton auf und suchte Frank´s Kritik, als das Telefon läutete.
Er überlegte kurz es zu ignorieren, aber dann gewann die Neugierde die Oberhand, und er stemmte sich hoch. Zu heftig, die Kaffeetasse auf dem Rand kam ins Rutschen und versank im Badewasser, ein dunkelbrauner Fleck breitete sich aus. Er hatte noch versucht, sie aufzufangen, dabei aber die Zeitung kurz ins Wasser gedrückt, schlaff und triefend hing sie nun in seiner Hand. "Mist, verdammter," er stand auf dem Vorleger und griff nach seinem Bademantel, Franks Theaterkommentar ließ er auf den Boden platschen. Er lief in den Flur, aber kurz bevor er das Telefon erreichte, sprang der Anrufbeantworter an. Er hob den Hörer ab und schaltete die Maschine aus. "Schmidtlein, hallo." Aber er war zu spät.
Er folgte den nassen Fußspuren auf dem Boden zurück ins Bad, betrachtete die hellbraune Brühe in der Wanne, hob die zusammen gepappte Zeitung auf und setzte sich an den Küchentisch. Aufs Baden verzichtete er.
"Junger deutscher Regisseur versucht sich an Wedekind!" mühsam kämpfte sich Florian durch die nasse Rezension. Kritik konnte er es eigentlich nicht nennen, es war eine sarkastische Verurteilung der ganzen Aufführung, durchsetzt mit zynischen Anmerkungen. Florian verstand sie nicht, das Stück war ihm unbekannt, und Frank half ihm auch nicht, es kennenzulernen. Die Schauspieler wurden allesamt vernichtend beurteilt oder verhöhnt, an Herrn Fentzeck lobte er zum Beispiel seine Fähigkeit, Radfahren zu können und ein Herr Plätzbär wurde für sein Geigenspiel erwähnt. Dem Regisseur legte er den Berufswechsel nahe und nur ein gewisser Herr Mittelweg schien sich behauptet zu haben.
„Gut, das er keine Ausstellungen kritisiert," Florian versenkte die Zeitung im Mülleimer.
Gegen zehn Uhr rief er den ADAC an. Es könne gut eineinhalb Stunden dauern, beschied ihm eine freundliche weibliche Stimme. Es gab anscheinend noch mehr geizige Autofahrer, die nicht auf ihre Frauen hörten. Das mache nichts, er habe Zeit. Er schnitt ein Brötchen auf und widmete sich seinem zweiten Frühstück.
"Wenn um 12 das Auto wieder läuft," überlegte er, "kann ich in Ruhe eine neue Batterie kaufen, die Farben besorgen und dann um 2 Mira abholen. Vielleicht mache ich heute Nachmittag eine kleine Skizze von ihr, die ich während der Woche vollende." Die Feigenmarmelade schmeckte ihm vorzüglich.
Der Pannenhelfer kam um Viertel nach eins. Seit 12 war Florian nur noch nervös zwischen Kaffeetasse, Atelier und dem Fenster unterwegs gewesen, hatte nochmals angerufen, der Fahrer sei unterwegs, erklärte dieselbe weibliche Stimme, die ihre Freundlichkeit allerdings während des Vormittags eingebüßt hatte. Er hatte sich dann selbst beruhigt, schließlich sei morgen auch noch ein Tag, und Übermorgen und Überübermorgen auch, wozu die Aufregung, Zeit besaß er im Übermaß.
Seine Werkstatt machte Mittagspause. Er fluchte leise vor sich hin und fuhr zum Kindergarten. Die ganze Stadt war ein einziges Verkehrschaos, er kam nur mühsam voran und fand dann keinen Parkplatz. Er parkte in der zweiten Reihe, schaltete die Warnblinker an und zog gewohnheitsmäßig den Zündschlüssel ab. Er trug seine Tochter auf dem Arm durch den Schnee, schnallte sie im Kindersitz fest und betätigte den Anlasser.
„Scheiße, nein, bitte nicht," aber seine flehentliche Bitte erreichte die Batterie nicht, sie war wieder leer. Er öffnete die Motorhaube und starrte ratlos die nun unnütze Energiequelle an. Damit waren seine technischen Fähigkeiten erschöpft. Resigniert hockte er sich wieder ans Steuer.
"Warum fähst Du nich, Papi, ich hab Hunge." Seine Tochter steigerte seine Hilflosigkeit und mit leicht nervösem Unterton erklärte er ihr: "Die Batterie ist doch krank, Mira, und muss sich ein wenig erholen." Er hoffte auf ein Wunder. Vergeblich. Mit einem wehleidigen Jaulen schaffte sie zwei Umdrehungen und verstummte. Er stieg aus, einen hilfsbereiten Autofahrer zu suchen. Der Erfolg ließ eine halbe Stunde auf sich warten.
Nachdem der Passat mit einem Überbrückungskabel wieder funktionstüchtig, seine Tochter durchgefroren und er ein wenig erleichtert war, lenkte er das Auto zu seiner Werkstatt. Sie verbrachten eine weiter Stunde in der Kälte, denn mittlerweile hatten sich alle unbelehrbaren Ehemänner auf den Weg zum Automechaniker gemacht. Um fünf kam er endlich mit einer weinenden und zitternden Miriam nach Hause. Mit zwei Rühreiern und Ketsch up stillte er ihren Hunger und trug sie ins Bett, aber sie war inzwischen völlig überdreht, wollte fernsehen, auf keinen Fall schlafen, er solle ihr eine Geschichte vorlesen, wo die Mami sei, sie wolle die Mami, er musste seine ganze Geduld aufbringen, sie nicht anzuschreien. Den Kauf der Farben verschob er auf Morgen. Das Telefon klingelte, es war Charlotte, er solle um halb sieben vor der Firma auf sie warten, früher sei es nicht möglich und was mit dem Abendessen sei. Irritiert schaute er auf die Uhr, zehn vor sechs. Er schnallte Miriam wieder in den Kindersitz und rutschte mit ihr zum nächsten Supermarkt, kaufte Avocados, Krabben, Spinat Nudeln, eine feine Käsesauce und eine Flasche Mumm, erreichte um zehn vor sieben Charlottes Büro, wartete mit der quengelnden Miriam bis fast halb acht, ehe seine Frau heraus hastete und fuhr die Familie nach Hause.
Charlotte war erschöpft und aufgedreht, darin glich sie ihrer Tochter. Sie erzählte begeistert von ihrem ersten Tag, es gäbe unglaublich viel zu tun, schon jetzt würden sich die Aufträge auf ihrem Schreibtisch stapeln, Herr Demut schien überglücklich, sie wieder auf seiner Gehaltsliste zu haben und auch die Kollegen hätten sie alle herzlich empfangen. Florian hörte nur mit einem Ohr zu, der wieder einsetzende Schneefall und der Abendverkehr beanspruchten seine volle Konzentration.
"Ein wunderbares Gefühl, endlich wieder gebraucht zu werden," Charlotte drehte sich zu Miriam um, "und wie geht es meiner Miri?"
Florian sah sie irritiert an, "aber Mia und ich brauchen Dich doch auch."
"Ja, aber das ist einfach nicht zu vergleichen, mein kleiner Grafiker." Florian hasste diesen Spitznamen und trat aufs Gas. Er riss das Steuer herum und lenkte den Wagen in einen Schneehaufen am Straßenrand, nur so konnte er einen Auffahrunfall mit dem plötzlich vor ihm bremsenden Auto verhindern.
"Pass doch auf, Du fährst wie ein Idiot," schrie ihn Charlotte an.
Seinen ersten Tag als freischaffender Maler hatte er sich anders vorgestellt.
Szene 5
Am Donnerstag begann endlich sein künstlerisches Schaffen. Nachdem er seine beiden Frauen abgeliefert hatte, fuhr er auf den Markt und kaufte zwei prachtvolle Äpfel. Seine ersten Modelle.
Er holte den Blumenständer aus der Diele, drapierte ihn mit einem grauen Samt Tuch und schob ihn unter sein neues Lebensmotto.
"NIEMANDES KNECHT UND KEINEM HERR."
In leuchtendem Rot und seiner schönsten Grafikerschrift hatte er den Satz auf die weiße Raufasertapete gemalt, darunter in schwarz den Autor: “SCHILLER“.
Er brauchte zwanzig Minuten, den grün melierten Granny Smith in die richtige Stellung zu platzieren. Seine neuen Farben, eine Flasche Terpentin, seine Palette und ein ganzes Sortiment von Pinseln lagen griffbereit auf dem kleinen Schreibtisch und eine leere, blütenweiße Leinwand stand auf seiner Staffelei.
Florian wünschte sich toi, toi, toi und stockte.
"Erst wenn Sie Äpfel malen, die Ihnen das Wasser im Mund zusammen laufen lassen, sollten Sie sich größeren Aufgaben zuwenden, meine Damen und Herren," die Forderung seines Professors auf der HBK stand zwischen ihm und seinem ersten Pinselstrich und ließ ihn schwer atmen.
"Na los, Künstler," munterte er sich auf, "zeig´s ihm."
Heute zeigte er es ihm noch nicht. Nach über zwei Stunden heftete er leicht enttäuscht das Ergebnis seiner Bemühungen unter Schiller an die Wand. Seinen Appetit regte es nicht an.
"Na ja, so leicht fällt eben kein Maler vom Grafikerhimmel," beruhigte er sich.
Grafik Design hatte er nur als Nebenfach belegt, sein Hauptstudium und Wunschfach war die Malerei gewesen, doch die Aussicht, als verkannter und verarmter Maler von der Geschichte ignoriert zu werden, hatte ihn einen Job in einer Werbeagentur annehmen lassen. Dort war er geblieben, seinen Malertraum hatte er auf später verschoben und dann war er ihm nach und nach abhanden gekommen. Charlotte hatte ihn, als sie nach einer Lösung für ihre weitere Lebensplanung suchten, wieder in ihm wach gerufen.
Er legte den zweiten Modellapfel auf den zweckentfremdeten Ständer, "Du wirst mein Meisterapfel," zwinkerte er ihm zu, nahm seinen Vorgänger, biss herzhaft hinein und wollte sich auf den Weg machen, Miriam abzuholen.
Das Telefon klingelte. Es war Bernd. Er habe schon die ganze Woche versucht ihn anzurufen, aber immer sei der verdammte Anrufbeantworter angesprungen, Florian müsse unbedingt mit Monika reden. Seit dem Essen letzte Woche mache sie ihm die Hölle mit Melanie heiß, er hätte zu Hause keine ruhige Minute mehr, er solle ihr sagen, dass es nur ein Scherz war und nichts dahinter.
"Mein Gott Bernd, jetzt erzähl ihr doch endlich die Geschichte, das ist doch über zehn Jahre her, ihr ward doch damals nicht mal verheiratet."
"Das geht nicht, das verzeiht sie mir nie."
"Bau Melanie Griffith aus."
"Das geht jetzt auch nicht mehr, ich hab alles kategorisch abgestritten und gesagt, ich würde keine Melanie kennen. Du musst mir helfen und die Sache auf Dich nehmen."
"Dann sag ihr, ich hätte was mit einer Melanie gehabt, aber eigentlich sei die in Dich verliebt gewesen, was ja fast stimmt." Aber eben nur fast. Während ihrer gemeinsamen Studienzeit war Bernd schon Monika versprochen gewesen, wie es so schön bei ihnen auf dem Dorf hieß. Sie kannten sich schon seit immer und waren sich dann auf den Dorffesten näher bis ganz nah gekommen, was die Scheunen der häuslichen Umgebung erleichtert hatten. Dem ausschweifenden und freizügigen Leben der Großstadt stand Bernd hilflos gegenüber und ließ es unbeteiligt an sich vorüberziehen. Nur jene Melanie Schlossknecht, die in dem Ruf stand und ihn auch ehrgeizig bestätigte, jeden zu kriegen, Florian nicht ausgeschlossen, hatte sich für 8 Tage in Bernd verliebt. Er konnte sein Glück nicht fassen, aber nach dem Ende fiel er in eine depressive Lethargie und stilisierte Melanie zur Liebe seines Lebens. Nur mühsam fand er zu Monika zurück, die von all dem nichts erfahren hatte, und ergab sich in seine Vorbestimmung.
"Ob die mir das glaubt, ich weiß nicht, sie merkt doch sofort, wenn ich lüge."
"Ist doch die Wahrheit, beinahe, sonst soll sie mich anrufen, ich werde es dann bestätigen. Und, wie läuft es im Büro?"
"Na ja, Du fehlst halt. Und bei Dir?"
"Gut, nein sehr gut, nein ausgezeichnet. Aber ich muss jetzt Mira abholen, bis dann."
Das Gespräch hatte seinen kreativen Misserfolg verdrängt, und vergnügt machte Florian sich auf den Weg.
Szene 6
„Noch einmal, Papi, bitte." Mindestens 25 oder 30 mal war er mit Miriam bereits den Abhang am Feldberg herunter gerodelt, aber sie konnte nicht genug bekommen. Nach dem Wetterbericht fürs Wochenende hatte Florian einen Schlitten gekauft und nach einem ausgiebigen Sonntagsfrühstück waren sie in den Taunus aufgebrochen. In der Nacht hatte der Schneefall nachgelassen und am Morgen einem strahlend blauen Himmel Platz gemacht.
"Jetzt machen wir erst eine Schneeballschlacht, ja," er formte ganz leicht eine kleine Kugel und warf sie vorsichtig in Miriams Richtung. Seine Tochter versuchte es ihm gleichzutun. Charlotte stand etwas abseits und blickte gedankenverloren den Abhang hinab. Früher hätte sie bei solch einem Ausflug die Kamera griffbereit gehabt und ganze Serien von Miriam oder ihm oder beiden geschossen, aber heute schien sie mit ihren Gedanken vollkommen woanders zu sein. Er versuchte sie mit einem Schneeball von hinten aus der Reserve zu locken, aber im selben Moment drehte sie sich um und ein weißer Fleck zierte ihre Stirn, die Sonnenbrille flog in den Schnee.
"Au, sag mal spinnst Du!", sie befreite ihr Gesicht und die Haare vom Schnee, "soll das vielleicht komisch sein?"
Er ging lachend auf sie zu, hob die Brille auf, entschuldigte sich und versuchte sie in die Arme zu nehmen, aber sie wich verärgert zurück.
"Warum drehst Du Dich auch um," er grinste unbeholfen. Charlotte schwieg.
"Jetzt vergiss doch einfach mal die Firma und rutsch mit Miriam den Buckel runter," aber auch dieser magere Scherz kam bei Charlotte nicht an.
"Mir muss bis Morgen was einfallen, ein griffiger Satz für eine Haftcreme, also lass mich bitte denken."
"Wie heißt sie denn?"
"Protomed."
"Klappert häufig dein Gebiss, hilft dir Protomed gewiss," nach kurzem Überlegen warf ihr Florian den Satz hin, schnappte sich Miriam und sauste wieder talwärts.
Er hatte Charlotte mit viel Mühe zu diesem Ausflug überreden müssen, denn die letzten beiden Wochenenden, vielmehr ihre ersten beiden als wieder berufstätige Ehefrau, oder sollte er sagen Karrierefrau, hatte sie hinter Akten versteckt im Wohnzimmer verbracht.
"Fahr nicht so dicht auf, wie oft hab ich Dir das schon gesagt, und bei den Straßenverhältnissen erst recht nicht." Florian saß trotz des Rums verkrampft auf dem Beifahrersitz.
"Fahr selber oder halt die Klappe," zischte ihn Charlotte an.
"Kein Alkohol am Steuer! Ich bin ja dafür den Hinweg gefahren."
In dem kleinen überfüllten Gasthof, in den sie eingekehrt waren, hatte er sich während der langen Wartezeit, weder Kellner noch Küche waren dem Ansturm gewachsen, die Zeit mit Grog und zwei Gläsern Rotwein, der weit unter seinem gewohnten Niveau war, die Zeit vertrieben und sich aufgewärmt. Und jetzt krochen sie in einer endlosen Kolonne mit all den anderen sonntäglichen Schneeausflüglern auf überfrierender Nässe in Richtung Autobahn.
"Mein Gott, ist das eine Hitze hier im Auto," Florian öffnete das Seitenfenster.
"Miriam hat ganz nasse Sachen, lass das Fenster zu. Mussten es denn gleich wieder drei Grog sein?" Charlottes Stimme wurde kalt und schmal.
"Wenn Du nur was zum Meckern hast." Florian kurbelte die Scheibe wieder hoch und das Gespräch verstummte.
Sie brauchten über drei Stunden für die Rückfahrt. Miriam war inzwischen in ihrem Kindersitz eingeschlafen und auch Florian waren dank des Alkohols einige Male die Augen zugefallen. Bei ihrer Ankunft war Charlottes Laune auf dem Tiefpunkt, mürrisch richtete sie ein paar belegte Brote, brachte Miriam ins Bett, versteckte sich eine halbe Stunde hinter dem ungelösten Gebisskleber und ging ins Bett.
Florian hatte sich noch zwei Gläser guten Bordeaux gegönnt und folgte ihr nun ohne große Hoffnung. Heute Morgen vor dem Aufstehen hatten sie mit wenig Leidenschaft ihre sexuelle Pflichtübung absolviert, und damit war die Ration für diese Woche erfüllt.
Charlotte wünschte gute Nacht und drehte sich ohne den obligatorischen Kuss um.
Er blätterte in seinem Buch über flämische Stillleben, aber schon nach wenigen Minuten raunzte sie ihn an: "Ich kann nicht schlafen, wenn Du liest. Du hast doch Morgen den ganzen Tag Zeit. Ich hab einen anstrengenden Tag vor mir, also bitte."
Müde von der ungewohnten Frischluft, mit sich als Vater zufrieden und der absoluten Sicherheit, morgen den Apfel seines Lebens zu malen, löschte Florian das Licht und glitt rasch in das Reich des Schlafs.
Szene 7
"Kannst Du das Kostüm in die Reinigung bringen, bitte, aber bis übermorgen muss ich es wiederhaben. Und vergiss nicht, Monika anzurufen und das Abendessen abzusagen." Sie musste ganz plötzlich für 2 Tage zu einem wichtigen Kunden nach München und war wegen dieser unerwarteten Aufgabe nervös.
Eigentlich hatte Herr Demut, ihr Chef bei „Pub-Re-Solution“, selber fahren wollen, diesen Auftrag aber dann überraschend gestern ihr anvertraut.
Zuerst war sie sprachlos gewesen, doch dann hätte sie ihn vor Begeisterung umarmen können, was sie aber unterließ. Sie mochte ihn, sein ruhiges, fast leises Auftreten, seine feine aristokratische Haltung, seine brillanten Ideen, die er dezent aber überzeugend vortrug, ein idealer Vorgesetzter. Er hatte nur einen Fehler.
Hektisch warf sie Florian, der, nachdem er Miriam in den Kindergarten gefahren hatte, gerade den Frühstückstisch deckte, das Kostüm über den Arm und wollte ins Bad. Er packte sie mit seiner freien Hand, ließ das Kostüm auf einen Stuhl fallen und zog sie in seine Arme.
"In dieser Seidenunterwäsche siehst Du unwiderstehlich aus. Ist das Deine Arbeitskleidung, um den Auftrag zu bekommen?"
Er küsste sie auf den Hals und ließ seine Hand unter dem Hemdchen verschwinden.
"Nicht, ich bin schon zu spät dran."
"Der Zug fährt in eineinhalb Stunden, und es wartet doch auch kein kostspieliges Taxi." Vorsichtig umkreiste sein Finger ihre Brustwarze, sie trug keinen BH, bei ihren kleinen festen Brüsten ein überflüssiges Kleidungsstück.
"Du musst mich vorher noch bei der Agentur vorbeifahren, mir fehlen noch Unterlagen," energisch zog sie seine Hand hervor und eilte endlich ins Bad. Resigniert packte Florian das Kostüm in eine Plastiktüte. Er schnitt Orangen auf, um frischen Saft zu pressen.
„Was ist denn eigentlich los, abends bist Du müde und morgens rufen die Akten, Flo rostet langsam ein," Florian lehnte in der Badezimmer Türe und grinste sie schief an, aber seine traurigen Augen widersprachen seiner nach Außen gezeigten Gefühlslage.
Charlotte streichelte ihm kurz und fahrig durchs Gesicht, "ich weiß, aber momentan ist alles ein wenig viel für mich, wenn ich aus München zurück komme, ja, versprochen."
Wenig getröstet zog er sich zurück, um seine Küchentätigkeit fortzusetzen.
"Er hat Dackelaugen," Charlotte griff zu ihrer Tagescreme, "wieso ist mir das früher nicht aufgefallen?" „Ist Dir doch,“ gab sie sich selbst zur Antwort und sie dachte an ihre erste Begegnung.
„Pub-Re-Solution“ hatte damals eine komplizierte Grafikzeichnung zu vergeben und sie war selbst zu dem Grafikerbetrieb „Vielhaber“ gefahren, um ihre Vorstellungen zu erläutern. Florian Schmidtlein, der im Ruf stand, eine Spitzenkraft zu sein, hatte sie als Mann nur am Rande wahrgenommen. Seine hohe Stirn, seine weichen Gesichtszüge mit dem treuen Hundeblick, sein kleiner Spitzbauch, den der weiße Arbeitskittel umspannte, all das hatte sie nur negativ bemerkt. Er war absolut nicht ihr Typ. Dazu seine Wortkargheit, er hatte keine Fragen gestellt, sondern nur mehrmals ein genuscheltes "mh,mh," hervorgebracht, das sie an der Richtigkeit ihres Herkommens zweifeln ließ. Das Ergebnis zwei Tage später hatte sie aber dann mehr als überrascht, und sie lud ihn spontan zu einem Abendessen ein. Nicht um ihn als weiteres Opfer ihrer flüchtigen Beziehungen, auf die sie sich seit der Trennung von Alexander vor fast drei Jahren nur noch einließ, zu benutzen, sondern weil sie fand, gute Leistungen müssten belohnt werden.
Das Abendessen verlief in ausgezeichneter Stimmung. Der wortkarge Grafiker entpuppte sich als Komiker. So viel hatte sie schon lange nicht mehr gelacht. Sein sanguinisches Temperament, seine spontane und unkomplizierte Art ließen ihre Unnahbarkeit und ihre nach außen gezeigte Kälte schmelzen, und sie empfand ein lange vermisstes Gefühl der Geborgenheit.
Sie entdeckte zwei lebhafte, lustige Augen, die Vertrauen einflößten und ein ausgeprägtes Kinn, das eine gewisse Sturheit, aber auch Willenskraft ausdrückte. Die Stirn hatte zwar schon eine übertriebene Höhe erreicht, was auch die nach vorne gekämmten Haare nur unzulänglich verbergen konnten, aber mit Glatzen hatte Charlotte, was die Leidenschaft und Ausdauer betraf, keine schlechten Erfahrungen gemacht, und so wischte sie diesen Einwand fröhlich beiseite, und als er dann, sie waren über Windelwerbung auf das Thema gekommen, mit Begeisterung von seinen beiden Nichten, den kleinen Töchtern seiner Schwester, erzählte, hatte sich der in allen Frauen wohnende uralte Instinkt gemeldet. Dieser kleine humorvolle Grafiker würde sich als Erzeuger, Ernährer und Beschützer ihrer Brut, also ihrer Kinder, bestens eigenen. Sie beschloss auf der Stelle, ihn und sich vorsichtig zu behandeln. Sie unterließ es schweren Herzens, ihn auf einen letzten Kaffee einzuladen, verabschiedete sich mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen und beide gingen allein ins Bett. Zwei Tage später hatte er sich wieder bei ihr gemeldet. Zielstrebig und geschickt hatte sie die Beziehung vertieft und ihn dazu gebracht, was nicht allzu schwer war, denn sie merkte wohl, dass er von einem 7. Himmel in den nächsten stürzte, sie vor den Traualtar zu schleppen.
Und so war eine komplizierte grafische Zeichnung der Beginn ihrer Liebe geworden.
"Liebe?" Charlotte stutzte kurz, „aber wo war die Leidenschaft geblieben?“ doch dann schob sie das Thema beiseite. „München," vorsichtig legte sie ihren Lidschatten auf, "München ist meine Chance."
In den sechs Wochen, die sie jetzt wieder bei „Pub-Re-Solution“ arbeitete, hatte sie alle Skepsis und Zweifel, die ihr nach dem langen Zwangsurlaub entgegen geschlagen waren, mit großem Ehrgeiz und unbändigem Willen ausgeräumt, und dass ihr Chef sie nun zu diesen Verhandlungen allein nach München schickte, war ein Ausdruck des Vertrauens, das er in ihre Fähigkeiten setzte.
"Aber das ist erst der Anfang, meine Liebe," sie wählte ein kräftiges Dunkelrot für ihre Lippen, das gut zu ihrer blonden, kurzen Frisur passte, "Dein Weg führt steil nach oben." Sie wusste dass er steinig würde, aber das sollte sie nicht abhalten. Sie wollte mehr. Sie wollte unabhängig sein. Sie wollte ihr eigener Chef sein. Sie wollte die Macht.
Sie presste die Lippen aufeinander, um den Lippenstift gleichmäßig zu verteilen, und betrachtete sich im Spiegel, "Tja, mein kleiner Grafiker," sprach sie zu Florian, der davon nichts mitbekam, da er geduldig in der Küche an dem gedeckten Frühstückstisch auf sie wartete, "es ist nicht leicht, mit einer Erfolgsfrau verheiratet zu sein."
Es lag kein Mitleid in ihren Gedanken.
Szene 8
"Eigentlich wollte ich heute Abend in die Mansarde, muss ich dann eben verschieben, so um halb acht bei Rolf?"
"Das ist zu früh, Charlotte ist in München und Miri muss erst einschlafen, um neun?"
"Na gut, is ein bisschen spät, aber höchstens ne Stunde."
Florian legte zufrieden auf, er würde Charlottes Abwesenheit nutzen, um mal wieder einen Abend mit Bernd in seiner Stammkneipe verbringen zu können.
Vergnügt schlug er die Eier in die Schüssel, Omelett mit Marmelade hatte er für das Abendessen auserkoren.
"Wann holen wi die Mami ab," Miriam saß auf dem Küchenschrank und schaute ihm neugierig zu.
"Die Mami kommt heute nicht nach Hause, die Mami ist in München," mit einem Schwung setzte er die Pfanne auf den Herd, "heute Abend machen wir zwei es uns in der Küche bequem, und dann geht es ab ins Bett"
"Nein, nich in Bett, ich wate auf die Mami."
"Aber die Mami ist in München, die Mami kommt erst morgen wieder, aber ganz, ganz spät."
"Wo is die Munchen?"
"München ist eine große Stadt, ganz im Süden, noch viel, viel weiter als die Omi wohnt," vorsichtig goss er den Teig aus dem großen Schöpflöffel in die Pfanne, scharf zischend sprangen Tropfen des Öls auf den Herd.
"Mia est ins Bett, wenn die Mami kommt."
"Die Mami kommt heute nicht und die Mira geht nach dem leckeren Pfannkuchen ganz schnell ins Bett," er versuchte bestimmt zu klingen, hob sie von der Anrichte und setzte sie in ihren Kinderstuhl an den Küchentisch.
"Und jetzt zeigt der Papi Dir ein Kunststück." Er griff die Pfanne, schwang sie ruckartig nach oben, stoppte, das Omelett wirbelte in die Luft, sauste knapp an seinem Ausgangspunkt vorbei in die Tiefe und landete zerplatzend auf dem Fußboden. Miriam klatschte in die Hände: "Noch mal, Papi, noch mal!" Um Viertel nach acht konnte er endlich das Licht im Kinderzimmer löschen. Den zweiten Pfannkuchen hatte er, sich der Aufforderung seiner Tochter widersetzend, vorsichtig mit einem Teller gewendet und ihn ihr, inzwischen leicht nervös, in kleinen Happen in den Mund gestopft. Miriam hatte, um das Schlafengehen zu verzögern, nach jedem Bissen gefragt, "wo is die Mami," um sich dann selbst die Antwort zu geben: "Die Mami is in Munchen."
Er würde noch 10 Minuten warten müssen, bis sie einschliefe, und so schlenderte er ins Atelier, um sein OEuvre zu betrachten.
Drei Äpfel, die wenigen, welche die Qualifikation halbwegs bestanden hatten, hingen unter Schillers Satz: "Niemandes Knecht und keinem Herr."
Eine angefangene Stirnpartie, die er wegen mangelnder Geduld seiner Tochter hatte abbrechen müssen, stand auf der Staffelei und wartete seit einer Woche auf ihre Vollendung. Nicht viel, für nun fast eineinhalb Monate, aber jeden aufkommenden Zweifel an seinem Talent schob er schnell beiseite. Er spürte plötzlich den Wunsch nach einer Zigarette.
"Mia," wie ertappt fuhr er herum, "kann nich schlafen, lies Mia was vo, Papi." Seine Augen flackerten kurz, dann hatte er sich wieder in der Gewalt.
"Na gut, mein Schatz," er versuchte so ruhig wie möglich zu wirken, "was möchtest Du denn hören."
"Die Geschichte vom dicken, fetten Pfannkuchen.“
Florian schmunzelte und stapfte mit ihr ins Kinderzimmer.
Seine Unruhe übertrug er beim Lesen auf Miriam, die immer munterer wurde. Er fragte sie alle fünf Minuten, ob sie jetzt denn müde sei, was seine Tochter mit einem vergnügten, "nein, Mia nich müde," beantwortet und seine Nervosität steigerte, bis ihm endlich ein Trick einfiel. Er ging zu einer ganz langsamen, leisen und monotonen Sprechweise über. Mit Erfolg.
Um Viertel nach neun schloss er behutsam die Wohnungstür, nicht frei von Skrupel, sie alleine zu lassen, setzte sich wegen der Verspätung in den Passat und fuhr zu seiner Verabredung.
"Ich wollte gerade wieder gehen," Bernd schaute ihn missbilligend an, es war fast halb zehn. „Wann schaffst Du Dir endlich ein Handy an?“ „In diesem Leben nicht mehr.“
Inga saß bei ihm am Tisch: "Bernd hat mir erzählt, was Du riskiert hast, das finde ich ja ungeheuer geil," Florian mochte sie nicht, sie meinte alles besser zu wissen und überall mitreden zu können, "ich hab auch schon überlegt, den ganzen Scheiß hin zu schmeißen und mich meinem künstlerischen Talent zu widmen, und das werde ich auch. Du reißt Dir für die Firma den Arsch auf, aber selber haste nichts davon, das ist doch total beschissen." Sie war Sekretärin in einer Ex- und Importfirma, und Florian hatte nicht die geringste Ahnung, wo ihr künstlerisches Talent lag, vielleicht im Blockflöte spielen oder beim Sticken von Landschaften. Er verzichtete auf eine Anspielung und wandte sich an Bernd: "Und?"
"Na ja, es geht so, und bei Dir?"
"Bis jetzt alles wunderbar. Ehrlich. Es läuft nicht schlecht. Morgen muss ich schon wieder neue Leinwände kaufen." Er wischte mit der rechten Hand imaginären Schmutz vom Tisch und dachte an seine Äpfel, "wie läuft es denn in der Firma, kommst Du mit dem Neuen klar?"
Bevor Bernd antworten konnte, plapperte Inga wieder los: "Hast Du Dich denn schon um eine Ausstellung gekümmert, ich kenn da einen Galeristen, mit dem war ich mal kurz, na ja, eben so, mit dem könnte ich Dich mal bekannt machen, der ist immer an neuen Malern interessiert, wenn Du willst, null Problem." Sie grinste ihn Beifall heischend an.
"Danke, aber ich habe schon einen." Florian wollte mit Bernd reden.
"Wirklich? Das haste mir ja noch gar nicht erzählt," Bernd glaubte ihm, im Gegensatz zu Inga, die ihn misstrauisch anschaute.
„Äh, ist ja erst seit gestern," er beugte sich zu Bernd, "aber jetzt erzähl Du mal."
Sie vertieften sich in die Firma. Inga versuchte noch 2 oder 3 Mal sich einzumischen, merkte dann aber, dass sie überflüssig war und mit "ich muss dem Fred da drüben mal Guten Tag sagen," war sie weg.
"Der Fischer, Dein Nachfolger, also der geht mir unheimlich auf den Sack, aber wirklich," er würde ihn ständig kontrollieren, mit der Stoppuhr herumlaufen, prüfen, wie lange sie an den einzelnen Aufträgen säßen, alles würde protokolliert und analysiert, man käme sich vor, wie in einem Überwachungsstaat, "is keine gute Stimmung mehr, wirklich, bei Dir war es tausendmal besser," Florian nahm dies wohltuend zur Kenntnis, "aber der kriegt noch Ärger mit mir, das lass ich mir nicht mehr lange gefallen, aber wirklich." Er schaute auf die Uhr. Florian bestellte den zweiten Bordeaux und lenkte das Gespräch auf seine Malerei.
Aber seine Euphorie über seine Unabhängigkeit und seine Freiheit verlor sich rasch, und er kam ins Klagen: "Wer kann denn schon morgens zwischen neun und eins künstlerisch arbeiten, da fällt mir einfach nichts ein, ist doch auch logisch, oder? Und nachmittags muss ich mich um Mira kümmern, also bis jetzt...."
"Du entschuldige," Bernd hatte wieder verstohlen die Zeit kontrolliert, "aber ich muss los, fast halb elf, ich hab' Monika versprochen, um zehn sei ich wieder da."
"Weißt Du, nicht einmal der Apfel. .."
"Du musst halt Geduld haben, das kommt schon. Wir können ja ein andermal darüber reden, ich muss wirklich," er schlug ihm auf die Schulter, und Florian war mit seinen unausgesprochenen Problemen alleine.
"Geduld!" er lächelte sarkastisch vor sich hin, das hatte ihm Charlotte auch erklärt, oder vielmehr vor sich hin gemurmelt. Sie war vor ein paar Tagen mal kurz in sein Atelier gekommen, hatte einen flüchtigen und, wie Florian fand, zweifelnden Blick auf seine Äpfel und die Stirn ihrer Tochter geworfen, etwas von Geduld und Ausdauer gemurmelt und war zurück zu einem neuen Werbeblock vor den Fernseher geeilt. Er war ihr gefolgt und hatte, wütend über die gleichgültige Resonanz seiner Werke, vorsichtig protestiert: „In diesem Hause ist es unmöglich einen Film anzuschauen, dauernd zappst Du von einer Werbung zu anderen, das ist ja nicht auszuhalten."
"Schließlich ist das mein Job, von dem ihr alle lebt, Deine Äpfel können wir schließlich nicht essen," damit war für sie die Diskussion beendet. Er hatte sich dann demonstrativ mit einem Buch über Dekonstruktivismus neben sie gesetzt und den Fernseher keines Blickes mehr gewürdigt.
Nach dem dritten Bordeaux, der seinen Frust auch nicht beseitigt hatte, setzte er sich gegen halb zwölf ans Steuer und fuhr los. Er war plötzlich voller Sorge um seine Tochter, er hatte sie die ganze Zeit vergessen. Als der grüne Polizeiwagen an ihm vorbeifuhr, wurde er starr vor Schreck, "Bitte lieber Gott, das nicht." Aber sein Gebet wurde nicht erhört und eine rot leuchtend Kelle schob sich aus dem Beifahrerfenster. Er war mit einem Schlag nüchtern.
Ein Irrtum, wie die Blutprobe ergab.
Szene 9
Als Charlotte die Türe aufschloss, lag die Wohnung im Dunkeln.
"Hallo? Florian?" Nichts.
Sie schob die angelehnte Tür des Kinderzimmers auf, der matte Schein der Flurlampe hüllte ihre friedlich schlafende Tochter in ein fahles Licht.
"Das darf doch nicht wahr sein," sie deckte Miriam, die leise stöhnte, aber nicht wach wurde, vorsichtig wieder zu. Behutsam lehnte sie die Tür bis auf einen Spalt an und ging ins Wohnzimmer, es war leer, ebenso wie ihr Schlafzimmer. Charlotte schüttelte verständnislos und ärgerlich den Kopf, hängte ihren Mantel an die Flurgarderobe und ging aufs Klo.
Sie fand Florian in der Küche, vor einer Kerze und einer fast leeren Rotweinflasche. Ungläubig schaltete sie die Deckenlampe an und blickte in seine rot geäderten Dackelaugen. Während der zwei Tage in München hatten sie ihr nicht gefehlt.
"Sag mal, was denkst Du Dir dabei, ich warte am Bahnhof bis ich völlig durchgefroren bin, mein Herr Gatte sitzt stattdessen hier im Warmen und genießt seinen Rotwein," sie stemmte herausfordernd die Hände in die Hüften.
Florian schwieg.
"Würdest Du Dich bitte dazu äußern?" Florian wischte mit der rechten Hand den Tisch sauber und blickte stumm auf seinen Bordeaux.
"Soll ich eventuell morgen noch einmal nachfragen?" Wie sie dieses Schweigen hasste.
"Mir ist was Saudummes passiert," brummte er fast unhörbar.
"Etwas mit Miriam?"
„Nein, nein, nicht mit Mira, mit mir“
"Ja nun erzähl schon," sie setzte sich ihm gegenüber und stützte die Arme auf dem Tisch.
"Ja also, ich hab mich gestern noch mit Bernd getroffen," stockend begann er, sich mehrmals räuspernd, "bei Rolf, wollte ein bisschen quatschen, über die Firma und so," er nahm einen Schluck Rotwein, "und auf der Heimfahrt, ich hatte nur zwei Wein, also auf der Heimfahrt musste ich blasen." Er hatte dem Polizisten entgegnet, seine Tochter sei allein, er müsse dringend nach Hause, es wäre ein Notfall, seine Frau sei im Krankenhaus, aber diesmal gab es kein Entkommen. Der Beamte hatte kurz entschlossen den Zündschlüssel abgezogen und ihn in den grünen VW-Bus gebeten. Aber das erzählte er nicht.
"Das Röhrchen hat sich halt verfärbt, ich versteh das nicht, bei zwei Wein, aber die haben mir den Lappen abgenommen, schöne Scheiße."
"Keine Blutprobe?"
"Doch, natürlich, ich musste kurz mit ins Krankenhaus, das Ergebnis weiß ich natürlich nicht, aber den Wagen musste ich stehen lassen." Er verschwieg ihr die demütigende Behandlung
im Krankenhaus. Eine halbe Stunde hatten sie auf den Arzt warten müssen, er musste über eine Linie laufen, was ihm einigermaßen gelang, allerdings verfehlte sein Zeigefinger bei geschlossen Augen seine Nase um einiges. Dann entnahm der Arzt aus seinem Arm eine Kanüle seines alkoholisierten Lebenssaftes und er konnte endlich gehen.
"So Schmidtlein, jetzt kannste zu Deiner Tochter," damit hatte der schnöselige Polizist ihn entlassen.
"Wie kann man nur so leichtsinnig sein, man weiß doch, wie schnell das geht," Charlotte erhob sich, um sich einen Sherry aus dem Kühlschrank zu holen, drehte sich aber dann um, "konnte denn Jasmin so lange bleiben, hast Du sie wenigstens anrufen können." Florian sah sie dümmlich mit geöffnetem Mund an.
Er hatte Miriam um halb drei, als er endlich nach Hause gekommen war, schlafend vor dem laufenden Fernseher gefunden.
"Natürlich, ja klar doch," er wischte einen weiteren nicht vorhandenen Krümel vom Tisch, seine Stimme war ein wenig zu laut, "war kein Problem," er wollte Charlottes Eindruck über seine Leichtsinnigkeit nicht unnötig vergrößern, "bloß wie kommst Du jetzt morgens in die Agentur," hilflos sah er sie an. Charlotte trank im Stehen einen Schluck und blickte auf ihn herunter.
Ihre gute Stimmung, ausgelöst durch den erfolgreichen Abschluss in München, kehrte zurück und die Aussicht, die alleinige Verfügungsgewalt über den Passat zu besitzen, hatte auch etwas Verlockendes. Sie bräuchte abends nicht mehr so pünktlich zu sein, könnte länger arbeiten und wäre nicht mehr auf ihn angewiesen.
"Dich kann man auch keine Minute alleine lassen," sie strich ihm über die spärlichen Haare, "aber davon geht ja die Welt nicht unter." Er schlang seine Arme um ihre Taille, seinen Kopf drängte er an ihre Brust und zog sie fest an sich. Charlotte glaubte ein Schluchzen zu hören.
"Komm, lass uns ins Bett gehen," sie wiegte ihn ein wenig hin und her, "heute werden wir das Problem nicht mehr lösen."
Er tat ihr leid. Sich löste sich sanft von ihm und strich ihm über die Stirn: „ich geh kurz ins Bad“. Florian erhob sich,wankte unsicher ins Schlafzimmer und entledigte sich mühsam seiner Kleider. Er knöpft gerade seine Schlafanzugjacke zu, die Hose lag noch unberührt auf dem Stuhl, als Charlotte nackt ins Zimmer kam. Sie zog ihn in ihr Bett und gab seiner angeknacksten Psyche ein wenig männliches Selbstvertrauen zurück. Seit drei Wochen zum ersten Mal.