Maßstäbe
Реклама. ООО «ЛитРес», ИНН: 7719571260.
Оглавление
Helmut Lauschke. Maßstäbe
Elf Geschichten der Besonderheit
Die schwarz-weiße Geschichte
Der Tag und seine Dimensionen
Das Samstagabendgespräch
Die schmerzliche Bürde
Komplikation, Studium und das Leben
Chinesischer Kräutertee, das Brahms’sche Klavierkonzert und Olga Zerkow
Der Französisch-Unterricht und andere Erfahrungen am Augusta-Gymnasium für Mädchen
Mit Simon in einer kleinen Wohnung am Rande der Stadt und die Geschichte der Schülerin Ünett
Aus der Vorlesung in der Psychiatrie
Die Fahrt ins Kaokoland
Im Pendelschlag von Schuld und Entschulden
Impressum
Отрывок из книги
Titel
Elf Geschichten der Besonderheit
.....
“Meine Damen und Herren! Es wurde bereits gesagt, dass sich der arme Mensch die Armut nicht immer selbst verdient hat, so wie sich der reiche Mensch den Reichtum nicht immer selbst verdient hat. Auch besteht kein Zweifel, dass die Schere zwischen arm und reich von Jahr zu Jahr weiter klafft, was den sozialen Frieden dauerhaft bedroht. Hinzu kommt, dass sich die einen hinter dem Wohlstand verstecken, während die anderen der Not und dem Elend schutzlos ausgesetzt sind. Auf beiden Seiten verkommt die Menschlichkeit: beim Verstecken der Reichen hinter den Bergen des Reichtums durch das Augenschließen vor den Menschen in Not und auf der andern Seite vor den Hütten der Armut in ihrer bedauernswerten und erbärmlichen Offenheit, was alles zum Leben fehlt. Die Menschlichkeit setzt voraus, dass die Mägen einmal am Tag eine warme Mahlzeit brauchen, wenn den Köpfen nicht das Hören und Sehen vergehen soll, weil der Blutzuckermangel das Bewusstsein trübt.
So wie die Gerechtigkeit mit der Menschlichkeit einhergeht, so schließt das Unrecht der Ungerechtigkeit das Prinzip ‘Menschlichkeit’ samt ihrer Herkunft aus. Das Eine gilt dem Mit- und Füreinander, das Andere führt zum Gegeneinander. Wie bereits gesagt wurde, gibt es keine Armut ohne Schuld. Sie ist entweder selbst- oder fremdverschuldet. Im Kern der Armut ist das Ringen ums Überleben. Der Ringende braucht in der Daseinsnot die Mitmenschlichkeit, was die praktizierte Menschlichkeit des Helfens ist. Menschen helfen auch dann, wenn es ihnen selbst existentiell so gut gar nicht geht. In dieser Mitmenschlichkeit liegt das Prinzip des Teilens, dass jeder auf den Beinen bleibt und ein Stück Brot zum Leben hat. Dagegen liegt in der Ungerechtigkeit die blinde Raffgier mit dem Horten der Güter, was bis zum Ekel des aufsitzenden Geiers führt. Wenn das mit dem Überleben immer fraglicher und das Leben immer dürftiger wird, dann folgt dem Kraftverlust im Ringen die Bitternis der Not mit der Verzweiflung, dass der Kampf ums Überleben verloren wird beziehungsweise schon verloren ist.
.....