Unvergessene Jahre
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Helmut Lauschke. Unvergessene Jahre
Unvergessene Jahre
Alfred Lehmann, gelernter Maurer
Kurt Götz, der Literat
Eckhard Hieronymus Dorfbrunner, ehemaliger Superintendent von Breslau
Drei Heimkehrer
Aus einem Brief
Impressum
Отрывок из книги
Titel
Unvergessene Jahre
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Otto Schulte sah ihn mit dem grau-fahlen Gesicht mit den Falten um die blauen Augen und dem schütteren ergrauten Haar mit der Stirnglatze an, als erwartete er eine Antwort. “Ich stimme ihnen zu, dass das Leben im Sozialismus teuer geworden ist, dass es ein Einzelner gar nicht schaffen kann, eine Familie mit mehr als einem Kind zu unterhalten”, erwiderte Alfred Lehmann. Darauf meinte Otto Schulte, dass die Geburtenkontrolle eine preisgebundene sei, worin sich der Sozialismus nicht vom Kapitalismus unterscheide. Die Äußerung setzte Alfred Lehmann in stärkeres Erstaunen, dass der Spaziergangsgefährte durch den Buchenwald den Sozialismus mit seinen Errungenschaften auf eine Stufe mit dem Kapitalismus setzte. Eine innere Stimme sagte ihm, vorsichtig wenn überhaupt auf diese Äußerung zu reagieren. “Da müssen eben beide Eltern arbeiten. Da meine ich unterscheidet sich die sozialistische Gesellschaft von der kapitalistischen, dass in diesem Arbeiter- und Bauerstaat jeder Arbeit findet, wenn er arbeiten will. Arbeitslosigkeit kennt der Sozialismus im Gegensatz zum Kapitalismus nicht.” Das war die Resonanz von Alfred Lehmann auf die sozialistisch-kritische Äußerung von Otto Schulte bezüglich der preisgebundenen Geburtenkontrolle, wobei er der inneren Stimme zur Vorsicht gefolgt war.
Otto Schulte holte eine Flasche Pils der VEB-Brauerei Wismar und zwei Biergläser und füllte beide Gläser. “Trinken wir auf die sozialistische Zukunft.” Mit diesem Trinkspruch erhob er das Glas und sagte ‘prost’. Alfred Lehmann folgte, hob sein Glas mit dem Gegenprost und spülte mit dem zu wenig gekühlten Bier den bitteren Beigeschmack mit der sozialistischen Zukunft von der Mundschleimhaut. “Wissen Sie”, fuhr Otto Schulte fort und setzte das Glas auf die verkratzte Glasplatte des kleinen Klubtisches, “ich habe mir die sozialistischen Errungenschaften etwas anders vorgestellt. Ich hatte die Vorstellung, dass sich der Sozialismus durch eine gerechte Güterverteilung nach dem Gleichheitsprinzip vom Kapitalismus unterscheidet. Es hat sich aber eine Zweiklassengesellschaft herausgebildet, in der die Staatsfunktionäre oben die Sahne abschöpfen und die Magermilch für den Normalverbraucher unten übrig bleibt. Das verstößt meines Erachtens gegen das Gleichheitsprinzip. Was meinen Sie dazu?” Alfred Lehmann nahm einen Schluck vom zu wenig gekühlten Bier, setzte das Glas zurück und sagte, dass er da nicht widersprechen könne. “Dann teilen Sie auch meine Meinung”, fuhr Otto Schulte fort, “dass ein unausgewogener oder ungleich hantierter Sozialismus die Gefahr des Weg- oder Umkippens habe, wenn das System auf unsoliden Säulen ruht. Aber gerade das braucht unser neues Deutschland nach den beiden großen Kriegen nicht, und spätestens die junge Generation wird auf die Ungleichheit der Behandlung mit einem Sturm der Empörung reagieren. Sie wird die Oberklasse der Funktionäre als die neue Ausbeuterklasse brandmarken, die den Fleiß der arbeitenden Klasse zu ihrem Vorteil ausbeuten und durch ihre Raffgier den Sozialismus ruinieren und letztendlich als ein ausgehöhltes totes Gebilde zum Einsturz bringen.”
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