Vorsatz - Nachsatz

Vorsatz - Nachsatz
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Arische Bürger hatten alles Jüdische zu meiden. Sie durften sich nicht auf offener Straße mit ihnen unterhalten, sie weder in ihre Häuser einladen noch von ihnen eingeladen werden. Den Juden wurden die privaten Fahrzeuge mit Wagenpapieren und Führerschein abgenommen. Sie wurden Fußgänger, die vom Bürgersteig wegtraten, wenn ein Deutscher in Uniform entgegenkam, egal ob es ein alter, gehbehinderter Mann am Krückstock oder eine Mutter mit ihren Kindern war, die an beiden Händen ihre Taschen trug. Es war ein trauriger Anblick, wenn Eckhard Hieronymus mit Frau und Kindern oder allein durch die Straßen ging und in die Augen der Angst und Verzweiflung jener Menschen mit den blassen, verhärmten Gesichtern und dem gelben Judenstern über ihrer Brust sah. Er blickte in Kinderaugen von unbeschreiblicher Traurigkeit, die ihm das Herz zerrissen, weil er nicht aufschreien konnte, wie er hätte aufschreien sollen. Hinzu kamen die Fragen der Kinder, wenn sie aus der Stadt zurückgekehrt waren, die immer bohrender wurden. Sie waren so berechtigt, wie das Abschweifen im Antwortgeben oder das stumme Achselzucken unberechtigt waren. Es war eine Zeit der fürchterlichen Erkenntnis, dass es in Deutschland nach dem ersten Krieg, wo sich die Menschen nach dem inneren und äußeren Frieden sehnten, so etwas gab, dass es Menschen gab, denen die fundamentalen Menschenrechte abgesprochen wurden, nur weil sie Juden waren. Als ob das ein kriminelles Vergehen war. Todesstiege, das unmenschliche Opfer: Noch schwerer wurde die Stiege vom Steinbruch bergauf, noch bänger wurde es den Sinnen im Tragen der überschweren Last über tausend Stufen von unten nach oben zum wartenden Posten, der keine Rücksicht nahm auf menschlich erschöpfte Kosten mit der Zunahme von Magerkeit und Schwäche. Der Stoß von der Steinbruchkante war System mit der brülligen Verachtung menschlichen Lebens und des Atems. Gewissenlos erfolgte der Stoß zum Sturz in die Tiefen der Finsternis, den der Stürzende weder umgehen noch sich ihm widersetzen konnte, dass die menschliche Substanz der totalen Zerschmetterung entgegenstürzte und in der Fallgeschwindigkeit die Angst verbrannte und im Aufschlag erlöschte. Kommandant: «Sind Sie stark genug, mir einen Fehler zu nennen, den Sie für den gravierendsten halten?» E. H.: «Da entblöße ich mich vor ihnen ganz, Herr Kommandant. Ich will es tun, weil ich dabei kein schlechtes Gewissen habe. Ich bin in den letzten Monaten Mitglied der NS-Partei geworden, um das Leben meiner Frau und meiner Tochter aus der akuten Gefahrenzone zu bringen. Meine Frau ist Halbjüdin, meine Tochter ist Vierteljüdin, was reichte, um sie von der Immatrikulation auszuschließen. Vor Gott habe ich gesündigt, weil ich eine Verbindung mit der Partei der Besessenen, Grausamen und Mörder eingegangen bin. Das ist mein größter Fehler, mit dem ich zu leben und zu sterben habe.» Der vorsitzende Richter sagte in der Urteilsbegründung, dass die Lehre von Auschwitz gezogen werden müsse. Man könne nicht immer dem ganzen Volk die Schuld geben, nur weil sich der Täter auf die Ausführung des Befehls beruft. Denn das Volk habe dem Täter den Befehl nicht gegeben, wehrlose Frauen, Mütter mit ihren Kindern, alte und junge Menschen in grausamster Weise zu schänden und zu ermorden.

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Helmut Lauschke. Vorsatz - Nachsatz

Rassentrennung und Diskriminierung – der Judenstern

Todesstiege – Opfer unmenschlicher Grausamkeit

Die Räder rollen zurück

Die Zeit rennt dem Abschiednehmen davon

Auf der Suche nach Arbeit

Gespräch mit dem russischen Stadtkommandanten im Dachgeschoss

Aus der Begutachtung des Dr. “X”, der Hyne von Mensch mit dem sächsischen Dialekt

Der Psychiater als sachverständiger Zeuge

Der psychiatrische Spiegel – Vortrag von Professor Baródin

Impressum

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Titel

Rassentrennung und Diskriminierung – der Judenstern

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Impressum neobooks

Eckhard Hieronymus hatte sich um einige Minuten verspätet. Bischof Rothmann wartete auf ihn. Er saß hinter dem Schreibtisch, als Eckhard Hieronymus an die Tür klopfte und nach dem „Herein!“ den großen Raum betrat. Der Bischof war alt und sein Gesicht war schmal geworden, das von Sorgenfalten durchzogen war. Er stand nicht mehr weit vor der Grenze der Pensionierung beziehungsweise dem Ruhestand. Er erhob sich und begrüßte Eckhard Hieronymus in einer herzlichen Weise, wie er es immer tat, wenn sie zusammenkamen. „Setzen wir uns wieder in die Ecke!“, sagte er mit leicht erregter Stimme und wies auf den niedrigen Klubtisch mit den vier Polsterstühlen hin, die auf der anderen Seite des Raumes dem Schreibtisch gegenüber standen. Der Bischof sah Eckhard Hieronymus länger als sonst an, weil ihm die innere Unruhe auffiel, in der sich der Superintendent befand. „Geht es ihnen nicht gut, lieber Kollege Dorfbrunner?“, fragte der Bischof nach einer Weile des anschauenden Schweigens. Eckhard Hieronymus sah auf seine Hände, die auf den Schenkeln ruhten, und bemerkte das Zittern der Finger, das er nicht unter Kontrolle brachte. „Herr Bischof“, antwortete er auf diese Frage, „ich muss mich entschuldigen“, der Bischof unterbrach ihn, „Sie brauchen sich doch nicht entschuldigen, lieber Kollege.“ „Doch für meine Aufregung muss ich mich entschuldigen, weil sie hier fehl am Platze ist, wenn Sie mit mir sprechen wollen.“ Der Bischof sah ihn fragend mit einem milden Lächeln an, um Eckhard Hieronymus zu beruhigen, ihn innerlich zu stärken, ihm wieder auf die Beine zu helfen.

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