Vergangenheit
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Horst S. Daemmrich. Vergangenheit
Inhalt
Vorwort
1. Einführung
2. Vergangenheit: Erinnern – Wiederherstellen – Deuten. 2.1. Wahrnehmung, Gedächtnis, Erinnerung, Retrospektive
2.2. Abrechnen – Verstehen
2.3. Schuld und Sühne
3. Krieg. 3.1. Motive und stilistische Signaturen
3.2. Militärischer Diskurs
3.3. Erweiterte Perspektive – Familiengeschichten – Fragen an die frühere Generation
4. Erfahrungen vorausgegangener Generationen. 4.1. Familiengeschichten gestern und heute
4.2. Gegenwart – Erinnerungsdiskurs – Reflexionen
5. Deutsche Chronik. Deutsches Schicksal
6. Rückgriffe auf die Antike
7. Aspekte der Vergangenheit im Leben Einzelner
8. Ein unabgeschlossenes Kapitel
9. Bestandsaufnahme, Anklänge der Vergangenheit, Orientierung im Alltag
Literaturverzeichnis. 1. Literarische Werke
2. Kritik
Fußnoten. Vorwort
1. Einführung
2.1. Wahrnehmung, Gedächtnis, Erinnerung, Retrospektive
2.2. Abrechnen – Verstehen
2.3. Schuld und Sühne
3.1. Motive und stilistische Signaturen
3.2. Militärischer Diskurs
3.3. Erweiterte Perspektive – Familiengeschichten – Fragen an die frühere Generation
4.1. Familiengeschichten gestern und heute
4.2. Gegenwart – Erinnerungsdiskurs – Reflexionen
5. Deutsche Chronik. Deutsches Schicksal
6. Rückgriffe auf die Antike
7. Aspekte der Vergangenheit im Leben Einzelner
8. Ein unabgeschlossenes Kapitel
9. Bestandsaufnahme, Anklänge der Vergangenheit, Orientierung im Alltag
Отрывок из книги
Horst Daemmrich
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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Antike und Gegenwart, Cotta, Ovid, Fontane und eine alte Frau, Rom und Preußen: die Vergangenheit ist Gegenwart, sie ist ein weites Feld, ein unabgeschlossenes Kapitel. Die Erzählungen von Christoph Ransmayer und Günter Grass beleuchten diesen Sachverhalt. Als Mein Jahrhundert 1999 erschien, betonte Grass in einem Interview: „Ja, nehmen Sie den ersten Satz des Buches: ‚Ich, ausgetauscht gegen mich, bin Jahr für Jahr dabeigewesen.‘ Das heißt, ich schlüpfe in Rollen, ganz verschiedene: männlich, weiblich, alt, jung. Ich blicke auf dieses Jahrhundert aus der Perspektive von Menschen, denen Geschichte widerfährt. Es sind nicht die großen Handelnden, von denen ich erzähle, sondern die Mitläufer und Opfer.“11 Diese Perspektive verwandelt schließlich die Erzähler in Historiker, welche die Vergangenheit im Alltag beleben und selbst das kaum Denkbare schildern. Gemeinsamkeiten und Divergenzen bestimmen Rückblick und Ausblick. Die gravierenden Unterschiede in Gestaltungen der Gegenwart und der Vergangenheit sind offensichtlich im Erfahrungshorizont der Figuren in Erzählungen von Ransmayr und Grass.
Die Erzählung Morbus Kitahara (1995) von Christoph Ransmayr schildert die Verfinsterung, die sich nach dem „Frieden von Oranienburg“ über die Ortschaft Moor, die Bevölkerung, den großen Steinbruch nahebei und das Niemandsland des Steinernen Meers ausbreitet.12 Es ist endlich Frieden, nachdem „die halbe Menschheit in der Erde und im Feuer verschwunden ist.“ Im Schnittpunkt der Handlung stehen der Schmied Bering, zum Ende des großen Krieges geboren, Ambras, der Fotograf und ehemalige Häftling Nr. 4273 eines Konzentrationslagers, und das Mädchen Lily, die überlebende Tochter eines zu Tode geprügelten Bewachers. Die Einwohner von Moor, ehemals ein malerischer Badeort, haben keinen Zugang zur Außenwelt, denn die einzige bestehende Bahnverbindung wurde abgerissen. Alle müssen für sich selbst sorgen. Die existenzielle Situation der Menschen und das Zeitgeschehen werden bestimmt durch Auswirkungen des „Stellamour-Plans“, eine Anspielung auf den Morgenthau-Plan, der das besetzte Land in die Steinzeit zurückwirft, eine Steinzeit, in der jedoch Besatzungstruppen die Menschen bewachen und organisierte Banden, kahlköpfige Schläger und Guerillas die Welt verunsichern. Das Milieu determiniert die Entwicklung der Figuren, in denen jedoch wiederholt eine wilde, unbezähmbare Sehnsucht nach Entgrenzung aufflackert. Arbeitsfähige (jeder, der noch gehen kann, ist arbeitsfähig) werden zur Arbeit im Steinbruch verpflichtet. Alle sind gezwungen, an den von Major Elliot veranstalteten Erinnerungsfeiern für die Opfer der jüngsten Vergangenheit teilzunehmen. „HIER LIEGEN / ELFTAUSENDNEUNHUNDERTDREIUNDSIEBZIG TOTE / ERSCHLAGEN / VON DEN EINGEBORENEN DIESES LANDES / WILLKOMMEN IN MOOR“ (33). Zum Sommerfest ersteigen die Einwohner die berüchtigte Stiege, auf der die meisten Häftlinge umkamen. Die Gefangenen schleppten riesige Steinquader nach oben und brachen häufig unter der Last zusammen. Der Kommandant verlangt nur, dass die Bewohner Attrappen transportieren, die sie an die Vergangenheit erinnern sollen. Major Elliot besteht nicht auf krasser Wirklichkeit, aber darauf, dass der Schein gewahrt wird und die Tätigkeit die Umerziehung fördert. Er will die Illusion einer zivilisierten Besatzung bewahren, hat aber die Ausführung aller Anordnungen und selbst der alltäglichen Arrangements Ambras übertragen.
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