Gedankenspiele über die Eleganz
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Ilma Rakusa. Gedankenspiele über die Eleganz
Отрывок из книги
Ein veraltetes Wort, höre ich von allen Seiten, wer spricht heute noch von Eleganz? Mag sein, dass wir tatsächlich andere Sorgen haben. Klimawandel, Migration und Covid-19 beschäftigen uns mehr, als uns lieb ist.
Und doch gibt es keinen Grund, sich rauere Umgangsformen anzugewöhnen, geschweige denn Ängste und Frustrationen in Aggression umschlagen zu lassen. Wut und Gewalt lösen keine Probleme, sie werden selbst zum Problem. Gefragt ist dagegen der Dialog, das Erwägen und Abwägen von Argumenten. Zudem Klarheit und Contenance. Und schon nähern wir uns dem Begriff, der uns hier interessiert. Denn Eleganz ist weit mehr als modisch-geschmackvolles Gekleidetsein. Sie meint ebenso Gewandtheit, Manieren, Respekt vor sich selbst und anderen. Im lateinischen »elegans« steckt das Verb »eligere«, auswählen. »Elegantia« bedeutet Gewähltheit, was Feinheit und Anstand impliziert. Diese sind für jedes Zusammenleben unverzichtbar. Ehrlicherweise schulden wir sie aber auch uns selbst.
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Schlecht verträgt sie sich darum mit dem Authentizitätskult, wie er heute von der Identitätspolitik betrieben wird. Eleganz setzt Distanz zu sich voraus. Sie hält es oftmals mit Maskerade und Ironie, als Minimum verlangt sie den kunstvollen Eingriff. Dies aber stimuliert und kultiviert.
Nichts wäre in meinen Augen falscher, als sie als elitär zu brandmarken. Mag sie auch nicht »mehrheitstauglich« sein, so verfügt sie doch über das Potenzial, viel zu bewirken – im Sozialen und Kulturellen. Man denke an die Bewegung der »Sapeurs« im Kongo, die seit den 1960er Jahren existiert.3 Männer aus ärmlichen Milieus sparen ihr Geld über Jahre, um sich elegante Anzüge und Accessoires zu kaufen, in denen sie sich der lokalen Bevölkerung in Slums von Brazzaville oder Kinshasa vorführen. Sie werden wie Idole bewundert, weil die aparte Schönheit ihrer Kleidung und die Eleganz ihrer dandyhaften Bewegungen von der Hässlichkeit, Armut und Brutalität der Umgebung ablenken. Die Subkultur der Sapeurs – eine Abkürzung für »Société des Ambianceurs et des Personnes Elégantes« (Gesellschaft für Stimmungsmacher und elegante Personen) – ist somit ebenso Widerstand gegen die Alltagstristesse wie Ausdruck von Freiheit und Individualität, mag sie auch gewisse irrationale Züge annehmen. Neuerdings schließen sich ihr auch Frauen und Mädchen an, um sich auf kreative Art der Fremdbestimmung zu widersetzen.
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