Theodor Storm fährt nach Würzburg und erreicht seinen Sohn nicht, obwohl er mit ihm spricht

Theodor Storm fährt nach Würzburg und erreicht seinen Sohn nicht, obwohl er mit ihm spricht
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Wie geprägt ist einer von der Geschichte einer Familie, seines Landes, wie versucht man ihn zu formen und wie entzieht er sich dem auf der Suche nach Wahlverwandten? Das ist das Thema des Buches von Ingrid Bachér, erzählt am Beispiel der Beziehung von Hans Woldsen Storm und seinem Vater, Theodor Storm. Es ist das Jahr 1877, im Februar kommt Theodor Storm nach Würzburg, um durch seine nwesenheit den Sohn zu zwingen, das Medizinstudium endlich zu Ende zu bringen. Die Autorin schildert einen dramatischen Prozess: Vater und Sohn sind die Protagonisten nicht nur verschiedener Generationen, sondern sie sind auch Menschen ganz unterschiedlichen Charakters und Temperaments, hineingeboren in je unterschiedliche Epochen. Und so ist ein wesentlicher «Mitspieler» dieses Romans das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts, das die Nachgeborenen oft bis in unsere Zeit mitgeprägt hat. Storm ist nicht nur der Gegenspieler seines Sohnes, sondern auch die gesellschaftliche Omnipotenz, der Vater als Patriarch der Familie und Repräsentant des Öffentlichen. Er hat «seinem guten Jungen» die Angst vorm Versagen beigebracht, ohne es selbst erkennen zu können. Der Vater muss die Autorität verkörpern, weil er an keine höhere mehr glaubt – so sieht es der Sohn. Beide "können sich nicht nähern und nicht entkommen ". Woldsen will frei sein vom angeblich sichersten Halt, der Familie, und von der in Aussicht gestellten bürgerlichen Existenz. Er schätzt die Nähe der Armen und Trinker in den Würzburger Kneipen mehr als die Gesellschaft der Salons, und er liebt – nicht standesgemäß – die Tochter eines Streckenarbeiters. Woldsen sieht die sich anbahnenden neuen Veränderungen, die die Zeit mitbringt, er erkennt die «Mechanik, welche nur nach Profit und Verlust werten kann». Virtuos und kenntnisreich (auf authentisches Material zurückgreifend) erzählt Ingrid Bachér den Vater-Sohn-Konflikt als Epochenkonflikt, und wie Woldsen, obwohl durch den Zwang des Vaters fast in eine tragische Katastrophe getrieben, sich auf dem Weg zu sich selbst befindet, nicht flüchtet, sondern standhält.

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Ingrid Bachér. Theodor Storm fährt nach Würzburg und erreicht seinen Sohn nicht, obwohl er mit ihm spricht

Theodor Storm fährt nach. Würzburg und erreicht. seinen Sohn nicht, obwohl. er mit ihm spricht

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Ingrid Bachér

Theodor Storm fährt nach Würzburg und erreicht

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Gewiss, dort oben war jetzt eindeutig der Vater – und er unten auf der Straße. Überdies hatte er hier den Vorteil, zu Hause zu sein, der andere war in der Fremde, wenigstens was die Stadt anging. Nur in der Wohnung würde der Vater heimisch sein. Hans hatte das gestern begriffen, als er Lina Strecker besuchte. Er sah, dass sich hinter den Gardinen Schatten bewegten. Wahrscheinlich war man mit dem Essen fertig. Jemand stand nah beim Fenster, ohne die Vorhänge zu öffnen und hinauszusehen. Vielleicht war es Wally, Lina Streckers Tochter. Er hatte sie einmal im Julius-Spital getroffen und sie hatte ihn, mit ihrer spontanen Naivität, an seine Schwester Lucie erinnert. Er überlegte, welchen Eindruck sein Vater auf Wally machen könnnte und versuchte, ihn sich vorzustellen ganz losgelöst von allen Erinnerungen, die sie miteinander verbanden, und den Kenntnissen, die sie voneinander hatten und die gewiss manchmal die falschen waren.

Vielleicht ging der Vater gerade jetzt in sein Zimmer, um Manuskriptblätter zu holen. Kein geselliger Abend ohne geistige Nahrung, dachte Hans, und wie ruhig dabei alle wurden. Die Tür schloss Storm eigenhändig zu. Niemand sollte aus Versehen störend hineinkommen, wenn die Stimmung sich auszubreiten begann, das Hintersinnige, das seinen Schlupfwinkel in den Geschichten gefunden hatte und in solch beruhigten Stunden heraus durfte ins Abgesicherte, Eingezäunte. Beschnitten war das Unheimliche, schicksalhaft Tödliche auf die aller privatesten Konflikte, die zu lösen waren mit der einsichtsvollen Haltung eines Menschen, von dem alles abhing. Hans fand, es sprach für seinen Vater, dass er wusste, die erlösenden Worte waren nicht auszusprechen. Es sei denn, es hätte eine Umkehrung aller Verhältnisse gegeben, und man wäre von dem mörderischen Prinzip abgekommen, in dem der Schöpfer den Erlöser als Opfer bestimmt. Doch daran war nicht zu denken.

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